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Autor Thema: Kapitel 2: Morgensonne  (Gelesen 138505 mal)

Beschreibung: Die Geschichte geht weiter...

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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1680 am: 15.06.2011, 10:05:20 »
Ikiro nickte. "Ja, zweimal jeden Tag! Aimerelle spricht Freiheit..." Das Mädchen verzog kurz nachdenklich das Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf. "Von Freiheit", korrigierte sie sich. "Und ist schöne Frau. Wie ein bunter Vogel! Schön anzusehen und schön zuzuhören."

Sie lachte fröhlich, dann sah sie wieder zu Moandor. "Ich euch den ganzen Tag führen? Oder nur die wichtigsten Orte? Einen Silber oder fünf Silber für Ikiro?"
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Rex Macallan

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1681 am: 15.06.2011, 10:40:45 »
"Schön anzusehen? Hmm..." Moandor hing einen Augenblick seinen Gedanken nach, so als male er sich etwas sehr angenehmes aus.

"... nun ja... Also Geld, ja? Ich zahle dir auch gerne zehn Silber, Ikiro. Ich möchte nur, dass du uns wirklich alles an dieser zeigst, das wichtig, zwielichtig oder geheimnisvoll ist." Moandor zwinkerte freundlich "Kannst du das für uns tun Ikiro?"

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1682 am: 15.06.2011, 11:11:48 »
Ein breites Grinsen erschien auf Ikiros Gesicht. Scheinbar gab es wenig, was dieses Mädchen so glücklich machte wie der Verdienst von Münzen. "Ja, führe euch! Zehn Silber und ihr sehen viele Geheimnisse von Handelsfest, bis die Sonne untergeht!"

Nachdem Moandor ihr die Münzen ausgehändigt hatte, fasste die Kleine den Agenten an der Hand, und zog ihn mit sich. "Jetzt wir gehen zur großen Bühne, ihr sehen Aimerelle!"

Und so führte Ikiro sie durch die Straßen von Handelsfest, und plapperte dabei fröhlich weiter. Wie Eretria sie gebeten hatte, erzählte sie von Aimerelles Reden.

Die Frau erzählte offenbar davon, dass es Mächte gab, die den gewöhnlichen Personen das Leben vorschrieben. Sie kritisierte nicht, dass die Leute lebten, wie sie lebten - wenn sie es denn aus freien Stücken taten. Sie kritisierte, dass einem keine Wahl gelassen wurde, dass die Herrscher bis hin zu den Siddhai vorschrieben, wie das Leben zu laufen hatte. Ihrer Ansicht nach behandelten die Siddhai die normalen Bürger wie unmündige Kinder, die nicht selbst entscheiden konnten, was gut für sie war. Aimerelle war offenbar der Ansicht, dass den Leuten das Recht genommen worden war, sich einen eigenen Lebensweg zu wählen, und dabei auch Fehler zu machen.

Wie Ikiro erzählte, waren die Zuhörer dabei wohl sehr gespalten. Einige - wie Ikiro - fühlten sich von ihren Reden sehr angesprochen, während andere sie für eine Unruhestifterin hielten. Je öfter sie auftrat, desto heftiger wurden die Diskussionen.

Schließlich erreichte die kleine Gruppe einen offenen Platz, auf dem sich bereits einige Hundert Leute versammelt hatten. Vor der Menge stand eine große, hölzerne Bühne - kein großes Kunstwerk, sondern ein eher pragmatisches Bauwerk, dem man ansah, dass es schon oft geflickt und repariert worden war.

Deutlich interessanter war die Person, die auf der Bühne stand: Eine Frau in einem schillernden, goldgelben Kleid, deren Kopfschmuck aus ausufernden, blaugrünen Federn bestand, die ihr wie wallendes Haar bis auf den Rücken reichten. In grazilen Bewegungen lief sie über die Bühne, und sprach mit einer Stimme, die ebenso durchdringend wie klar war.

"Ihr müsst begreifen, dass ihr in einer Zeit des Wandels lebt", erklärte sie, und die Menge hörte ihr aufmerksam zu. "Die Dinge werden sich ändern, die Frage ist, ob ihr daneben stehen und zusehen wollt, oder ob ihr eure Welt mit gestalten wollt. Niemand verlangt von euch, eine Revolution anzuführen! Niemand sagt, dass ihr in den Krieg ziehen sollt. Ich sage nur, dass ihr darüber nachdenken sollt, ob euer Leben wirklich so ist, wie ihr es euch wünscht, oder ob da... mehr ist. Schaut in eure Herzen! Schaut in eure Seelen. Denkt darüber nach, ob ihr wirklich im Innern die seid, die ihr im Augenblick im Äußeren seid."

Sie ließ die Worte einige Momente wirken, bevor sie weiter sprach. "Beantwortet die Frage mit ja, dann lebt weiter, wie ihr es bisher getan habt. Aber seid ihr unsicher, entdeckt ihr, dass dort eine tief verborgene Sehnsucht ist, so als wäre euer wahres Selbst tief in eurem Innern gefangen..."

Wieder machte sie eine Pause, und ließ den Blick über die Menge schweifen. "Ihr müsst selbst entscheiden, ob ihr bis zu eurem Lebensende als Gefangene leben wollt, eingesperrt in euren eigenen Ängsten und den Regeln und Gesetzen, die man euch auferlegt hat, oder ob ihr frei sein wollt, ob ihr ihr selbst sein wollt!"

Ikiro sah die Gefährten mit leuchtenden Augen an. "Ist sie nicht wunderbar?"
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Rex Macallan

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1683 am: 15.06.2011, 12:26:21 »
Moandor blieb sehr ruhig während sie zur großen Bühne schlenderten, so ganz wach schien er noch nicht zu sein. Dies änderte sich als sie an ihrem Ziel ankamen und Aimerelles Rede begann. Moandor lauschte konzentriert den Worten der Rednerin und prägte sich ihre Worte sehr genau ein. Ihre exotische Erscheinung faszinierte ihn sehr und so wie seine Ohren an ihren Worten hangen, so verfolgten seine Blicke jede ihrer Bewegungen.

Als eine kurze Pause eintrat und Ikiro ihrer Bewunderung freien lauf lies waren Moandors Blicke immer noch nach vorne gerichtet und ohne seine Freunde anzuschauen raunte er halblaut "O süße Herrin die sich Schicksal nennt, was sagt Ihr dazu?"

Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1684 am: 15.06.2011, 22:22:18 »
Eretria hörte der Rede der exotisch anmutenden Frau mit einem Stirnrunzeln zu. Ihr wurde klar, dass diese Frau eine sehr gefährliche oder sehr naive Person war. Wenn der Frau nicht klar war, dass sie genau, dass was sie angeblich nicht haben wollte, eine Revolution mit ihren Worten geradezu heraufbeschwor, war sie nur dumm. Die Geweihte nahm sich vor die Frau nicht für dumm zu halten, sondern für raffiniert.
"Sie wird die Leute aufwiegeln. Früher oder später wird es zu Auseinandersetzungen kommen." Die Worte waren leise gesprochen und nur an ihre Begleiter gerichtet. Während sie sprach, blickte sie über die versammelte Menge, ob es Reaktionen im Publikum gab, die auf Ärger hindeuteten.[1]
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1685 am: 16.06.2011, 00:06:44 »
Eretria musste nicht lange suchen. Weiter vorne meldete sich eine Frau mittleren Alters zu Wort. "Und was denkst du, sollen wir dann tun?" fragte sie spöttisch. "Wir leben unser ach so traumhaftes Leben nach unseren Wünschen, und scheren uns nicht um Gesetze, und kurz drauf leben wir dieses traumhafte Leben im Kerker weiter! Wirklich tolle Aussichten, Vogelfrau!"

Etwas von ihr entfernt warf ein älterer Mann ein: "Außerdem wissen wir, wie es ohne Gesetze aussieht. Vor ein paar hundert Jahren war das so, als Himmelstor noch ein Dorf war. Da hatten Banditen das sagen, und man konnte froh sein, wenn man nach einem harten Arbeitstag lebend zuhause ankam. Ich für meinen Teil will das nicht erleben."

Aimerelle hob beschwichtigend die Hände. "Ihr sollt nicht ohne Gesetze leben. Das ist gar nicht möglich, Regeln bilden sich immer, wenn intelligente Personen zusammen leben, seien sie nun geschrieben oder ungeschrieben. Aber ihr sollt eure eigenen Gesetze finden! Die Siddhai haben die Regeln bestimmt, nach denen ihr heute lebt. Aber sind diese Regeln überhaupt das, wonach ihr leben wollt? Vielleicht gibt es bessere?"

Ihr Blick wanderte zu der Frau, die zuerst gesprochen hatte. "Ich sage auch nicht, dass ihr euch dumm verhalten sollt. Nein, seid intelligent! Handelt klug, tut das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Jeder auf die Weise, die für ihn geeignet ist. Man kann keinen Kampf gewinnen, wenn man seine eigene Stärke falsch einschätzt."

In dem Moment wurde Aimerelle vom Auftauchen zweier weiterer Gestalten am Rand der großen Bühne unterbrochen. Zwei Personen stiegen die Stufen hinauf, ein düster-melancholisch wirkender Mann in schwarzer Kleidung, und ein fremdartiges Wesen, das eher wie eine Mischung aus Tier und Mensch aussah. Das Gesicht erinnerte an eine große Raubkatze, der muskulöse, blauhäutige Körper zeichnete ihn als Krieger aus. Auf seiner Stirn prangte der Ansatz eines weißen Horns, und er trug knappe Kleidung, die eher wie Schmuck an ihm wirkte.

Stolz erhobenen Hauptes trat die Kreatur auf die Bühne, und begrüßte Aimerelle mit einem freundlichen Handschlag. Die Rednerin schien sich sichtlich über die beiden Neuankömmlinge zu freuen. Auch der düstere Mensch begrüßte Aimerelle, stellte sich dann jedoch gleich in den Hintergrund.

Ikiro hüpfte auf und ab, um einen möglichst guten Blick auf die beiden zu bekommen. "Aimerelles Freunde! Gamael und Elvaril! Gamael ist sooo hübsch..." schwärmte sie begeistert.

Auch wenn die Neuankömmlinge sich noch nicht um die Menge kümmerten, hatten sie eine Präsenz, die sich durchaus mit der von Aimerelle messen konnte. Sogar der junge Mann im Hintergrund zog die Blicke auf sich, obwohl er sogar eher darum bemüht schien, nicht aufzufallen.

Nach einem kurzen, leisen Wortwechsel wandte sich Aimerelle wieder an die Zuhörer. "Seht, Freunde, es ist an euch. Wenn euch nichts fehlt in diesem Leben, dann um aller Geister willen, lebt weiter wie bisher. Aber warum seid ihr dann hier? Warum habt ihr euch versammelt, um mir zuzuhören? Weil ihr spürt, dass etwas nicht richtig ist. Wer von euch kennt nicht dieses Gefühl, das Gefühl, dass ihr klein seid, kleiner, als ihr sein solltet... schwächer als ihr sein solltet... wie oft habt ihr euch unterworfen, nicht etwa, weil ihr gezwungen wart, sondern weil ihr es so gewohnt wart?"
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Rex Macallan

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1686 am: 16.06.2011, 00:28:04 »
"Wirklich sehr interessant, wir werden einiges an Gesprächsstoff haben, wennw ir wieder zu Hause sind." Moandor beobachtete das Schauspiel scheinbar vergnügt und beobachtete die beiden neu hinzugekommenen Gestalten mit unverholenem Interesse. "Ich freue mich sehr, dass wir hierher gekommen sind, aber ich frage mich warum niemand über Nachtsang spricht. Wenn es eine Stadt gibt wo sich die Menschen größtenteils selbst regieren, dann dort..."

Etwas leiser und an Eretria gewandt raunte er "Vielleicht ist genau das ihr Ziel... In einer Stadt die in Aufruhr ist lassen sich viele Dinge leichter erledigen"

Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1687 am: 18.06.2011, 17:07:58 »
Eretria verfolgte die Rede der exotischen Frau aufmerksam. Sie bemerkte die ersten Zwischenrufer und mit etwas Sorge sah sie wie die Freunde Aimerelles Freunde sich postierten. Während sie das Treiben weiter beobachtete, antwortete sie Moandor in leisen Worten.
"Vielleicht habt ihr recht, Moandor. Doch ich mache mir eher konkrete Sorgen. Ich würde sagen, dass die Freunde Aimerelles genauso sehen, ob es zu Handgreiflichkeiten kommt, wie wir darauf achten. Ich habe den Eindruck, dass Gamael und Elvaril mehr können, als sich freundschaftlich unterhaken bei unserer Redenschwingerin."
Während die Geweihte sprach, blickte sie sich weiter um, ob es irgendwo Leute gab, die nach mehr Ärger aussahen, als einfache Zwischenrufer.

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1688 am: 18.06.2011, 23:35:09 »
Eretria brauchte einen Moment, um sich von den drei Personen auf der Bühne loszureißen. Insbesondere Aimerelle zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Mit jeder Bewegung, mit jeder Geste schien sie auszudrücken: Was ich zu sagen habe, ist von Bedeutung.

Schließlich aber wandte die junge Priesterin den Blick ab, und sah sich noch einmal in der Menge um. Obschon es durchaus einige gab, die offensichtlich anderer Meinung waren als Aimerelle - in den hinteren Reihen gab es auch die eine oder andere Diskussion -, schienen die Aggressionen noch nicht so groß zu sein, dass allzu bald mit einem Aufruhr zu rechnen war.

Jedoch gab es etwas anderes, was Eretria ins Auge fiel. Gute fünfzehn Schritt entfernt war vor wenigen Momenten eine kleine Gruppe hinzugekommen, drei bewaffnete Männer mit Umhängen. Auf einem der Umhänge erkannte Eretria ein ihr bekanntes Symbol - eine kreisrunde, rote Sonne. Es war genau das Symbol, das Eretria auf dem Brustpanzer Tellions gesehen hatte. Das Symbol der Ritter der Morgensonne.

Aimerelle hatte in der Zwischenzeit bereits weiter gesprochen. "Einige von euch mögen denken, dass es durchaus möglich ist, frei und selbstbestimmt zu leben. Denkt nur an Nachtsang! Regieren sich die Menschen dort nicht selbst? Ja, natürlich, das tun sie. So lange, wie sie nicht die Grenzen überschreiten, die von den Siddhai aufgestellt wurden. Ihr habt die Möglichkeit, den einen oder anderen Weg zu wählen. Aber versucht einmal, einen Weg zu gehen, mit dem ihr Dinge in Bewegung bringt, mit dem ihr etwas Grundsätzliches verändert. Man wird euch aufhalten, notfalls sogar töten. Und wenn ihr Macht erlangt habt, dann werden es die Siddhai höchstpersönlich übernehmen. Sie lassen nicht zu, dass jemand aus der Reihe tanzt."

Weiter vorne meldete sich jemand mit einer krächzenden Stimme zu Wort. "Ihr redet nur von den Zentralstädten, Weib! Grizlin ist frei! Die Krieger von Grizlin unterwerfen sich nur ihren eigenen Regeln!"

Lächelnd hörte Aimerelle dem Sprecher zu. "Ist das so?"

Einen Augenblick schwieg sie, ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen. Dann ging sie in einer beinahe bedrohlichen Bewegung auf den Sprecher zu. "Vor zehn Jahren versuchte der Ork Jraizak, die Herrschaft über Grizlin zu übernehmen. Er war stark, und er hätte sein Ziel erreicht. Doch er wollte zu viel. Sein Ziel war es, ein eigenes Königreich zu schaffen, frei von den Regeln der Siddhai."

"Ja, ja, die Geschichte kennt jeder in Grizlin!" rief der Mann mit der krächzigen Stimme. "Aber Tholaq hat ihn im Zweikampf besiegt! Ein Ork kann eben doch nicht gegen einen echten Goblin bestehen!"

Das Lächeln in Aimerelles Gesicht wurde breiter. "Nein, das kann er nicht, da habt ihr Recht. Zumindest nicht, wenn der Goblin mit einem magischen Schwert ausgestattet ist, einem Schwert, dass ihm die Siddhai zukommen ließen, um zu verhindern, dass Jraizak die Macht erlangt!"
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Milan

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1689 am: 19.06.2011, 14:04:58 »
Doch Milan gelang es während des ganzen Weges keinen klaren Gedanken zu fassen. Seine Wangen und seine Stirn fühlten sich heiß an und der Husten wollte kein Ende nehmen. Um ihn herum schienen die Zelte immer mehr zu werden, so dass er sich keines besonders gut merken konnte. Der Rede Aimerelles folgte er fast gar nicht. Die Worte, die er mitbekam, ergaben für ihn keinen Sinn. Wenn doch Gesetze gut waren, warum waren die, mit denen sie zurzeit lebten, schlecht? Und wie stellte sich diese Frau eine bessere Welt vor, in der jeder der war, der er sein wollte? Milans Erfahrung nach funktionierte das nicht. Einer wurde immer eingeschränkt, wenn andere machen wollten, wonach ihnen verlangte. Menschliche Freiheit war nur eine Illusion.

Die Freunde, die sich zu Aimerelle auf die Bühne begaben, ignorierte der junge Mann, ebenso wie die Unterhaltung seiner Verlobten mit ihrem neuen Gefährten. Als die Sprache auf Grizlin kam, schaltete Milan völlig ab. Er wischte sich über die mit Schlaf verkrusteten Augen, die merkwürdig schmerzten und wünschte, sie könnten endlich weiter und diesen schrecklichen Tag, auf den er sich gestern noch so gefreut hatte, endlich hinter sich bringen. "Können wir dann weiter oder wollt ihr euch diesen Schwachsinn noch länger anhören?" motzte er, absichtlich etwas lauter als normal.
Wenn der Glaube vorhanden ist, kann man selbst einen Heringskopf anbeten.

Lucanor

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1690 am: 19.06.2011, 14:32:07 »
Arue konnte dem Gerede Aimerelles nichts abgewinnen, zu sehr widersprach sie sich selbst. Einerseits sollte man sich nicht von Regeln binden lassen, andererseits konnte man ihrer Meinung nach aber auch nicht ohne Regeln leben. Das einzige was die Schneiderin aus der Rede deutlich heraushören konnte war der "Hass" dieser Frau auf die Siddhai. All ihre Argumente richteten sich gegen diese Wesen. Und doch, so musste die Schneiderin sich zugestehen, mochte eben dieser "Hass" gerechtfertigt sein.
Nur sah Arue es nicht so ernst wie die Sprecherin, vorallem was die Vormachtstellung der Siddhai anging. Es war doch natürlich dass die "Herrscher" die Regeln aufstellen. Und es war ebenso natürlich dass jene die macht hatten auch dafür sorgten diese zu behalten.

Als Milan dann so offenkundig bekanntgab das er gerne weitergehen möchte, riss Arue ihren Blick von der Bühne los. Um ehrlich zu sein hatte sie schon genug gehört und war auch der Meinung dass sie sich besser wieder um ihren Auftrag kümmern sollten. "Ja, vor mir aus gerne. Es gibt von Handelsfest noch so viel zu sehen, da sollten wir nicht den ganzen Tag hier verschwenden."

Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1691 am: 19.06.2011, 15:15:07 »
Mit Fragen erwachte Mika und mit Fragen saß sie mit ihren Gefährten beim Frühstück. Doch keine Frage verließ ihren Mund. Die Bardin blieb so sonderbar still, wie schon die gesamten letzten Tage.

Die Fragen von Mika spülte es jedoch davon, als sie Aimerelle auf der großen Bühne sprechen hörte. Am Anfang neigte die Bardin dazu den Auftritt zu bewundern, doch je mehr sie aus dem Mund der Frau hörte, umsomehr ergriff sie Abscheu. Mika widerten die Worte der Frau an, denn sie waren dumm, unerträglich dumm und konnten deshalb nur ein Ziel haben ...

Mika war wirklich sehr ruhig gewesen in den letzten Tagen und so war es überraschend, dass die blonde Bardin auf einmal die Initiative ergriff und ein ihre Meinung lautstark zu besten gab. Langsam schob sich die Tischlerstochter durch die Masse nach Vorne, der Bühne entgegen und rief dabei Aimerelle entgegen: "Was ihr erzählt ist Schwachsinn. Es kann nicht jeder regieren. Allein hier gibt es hunderte verschiedene Meinungen, die abertausende Gesetze schaffen würden. Es würde nur Streit geben, wahrscheinlich sogar einen Krieg. Es muss immer eine Gruppe geben, die das letzte Wort hat. Und irgendwie kann ich mir vorstellen, dass ihr nichts anderes wollt, als diese Gruppe zu sein, die am guten Schluss die Entscheidungen nach gutdünken fällt. Ich habe das Gefühl, dass ihr hofft aus dem Krieg, den ihr hier anzetteln wollt, als neue Siddhai hervorzutreten. Ihr wollt nicht Freiheit für alle, ihr wollt Macht für euch. Nicht mehr und nicht weniger. Ihr denkt nicht an unser Wohl, ihr denkt nur an euer Wohl." Der Beitrag von Aimerelle war offenbar so unerträglich für Mika gewesen, dass ihre altbekannte Kampfeslust wieder geweckt wurde. Die bunte Frau auf der Bühne hatte es geschafft den Drachen in Mika zu wecken.
Mehr als du glaubst.

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1692 am: 19.06.2011, 15:35:53 »
Neugierig wanderte Aimerelles blick über die vielen Zuschauer hinweg zu Mika. "Junge Frau, ich kann eure Meinung verstehen. Das ist, wie die Mächtigen nunmal handeln, nicht wahr? So seid ihr es gewohnt!" drehte sie die Worte der jungen Bardin um, um sie wieder gegen die Siddhai zu richten.

"Und nicht alles an euren Worten ist falsch. Wir sind die Narashi, angeführt von unserem ältesten Bruder Gazriel, in diese Welt gebracht, um den notwendigen Wandel zu bringen, der Thaikaris vor dem Ersticken rettet! Die Zeit der Ränkespiele der Siddhai ist vorbei. Diese Welt verändert sich, auf eine Weise, die weit tiefgreifender ist, als ihr es heute sehen könnt! Die Siddhai sind die alten Herren, doch sie führen euch in den Untergang. Ja, wir wollen die Macht der Siddhai brechen, doch wir wollen nicht eure neuen Herren werden! Es ist an der Zeit, dass ihr euch nicht mehr wie unmündige Kinder verhaltet, sondern selbst eure Führung in die Hand nehmt! Wir, die Narashi, haben das Ziel, euch in die Freiheit zu führen - wie ihr sie verwendet, das ist ganz euch überlassen!"

Während sie sprach, wanderte auch der Blick ihrer beiden Freunde zu Mika. Gamael, der sich an die Wand gelehnt hatte, stieß sich plötzlich davon ab. Für einen Moment fixierte er die Gruppe. Sein Blick wanderte von einem zum anderen, ganz so, als würde er etwas suchen. Erst als Elvaril seine fellbewehrte Pranke auf seine Schulter legte, wandte er sich wieder ab.
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Rex Macallan

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« Antwort #1693 am: 19.06.2011, 16:11:08 »
Moandor sah Arue und Milan mit einem wissendem Lächeln an "Nun ich glaube es ist soeben wesentlich interessanter geworden, nicht?"

Er blickte wieder zu Bühne und sprach weiter "Es ist nicht so als hätte ich es mir nicht ohnehin gedacht, aber die letzten Äußerungen der jungen Frau machen uns sehr deutlich, mit wem wir es hier zu tun haben. Das Problem dabei ist allerdings - " Moandor nickte mit einem freundlichem Lächeln grüßend in Richtung Gamaels "- dass dies mit einem Preis einher kommt. Man ist auf uns aufmerksam geworden. Augenblicklich zu verschwinden würde falsch interpretiert werden, bleiben wir noch ein wenig, bis die Stimmung wieder etwas an Intensität verliert und gehen dann."

Mika

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« Antwort #1694 am: 19.06.2011, 16:56:16 »
Während Aimerelle sprach, schob sich Mika weiter nach Vorne, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und von ihren Freunden weiter zu entfernen. Die Bardin wollte nicht unbedingt alle mit reinziehen. Außerdem wollte Mika der Frau genau ins Gesicht schauen können, mit der sie sich stritt.
"Meint ihr jenen Gazriel, der einen armen Kanalreiniger aus der Großen Feste in einen irren Mörder verwandelt hat und aus einem einfachen Mann den Anführer einer Räuberbande, die mordend durch die Lande zieht? Sollen wir also so unsere Führung in die Hand nehmen, indem wir eine Waffe in die Hand nehmen und unsere Freiheit damit verteidigen?" Fragte Mika provokant und stellte sich erstmals in Opposition zu Gazriel, nachdem sie zuvor immer eine neutrale Stellung vorgezogen hatte. "Ich habe die Spur aus Blut gesehen, die euer hochgelobter Gazriel hinterlassen hat.
Deutlich versöhnlicher klang Mika wenige Sekunden später, nachdem sie auch bemerkt hatte, dass sie Aufmerksamkeit erregt hatte: "Ich würde euch zu gern glauben. Es klingt toll, was ihr sagt. Aber wer intelligent ist, der erkennt sofort, dass es so einfach und so schön nicht ist, was ihr uns versprecht. Ihr vergesst in euren Träumereien der Menschen. Den Wunsch nach Macht. Selbst wenn ihr nicht nach Macht strebt und auch euer Gazriel nich danach streben sollte - was ich nur schwer glauben kann -, so wird es andere geben, die Versuchen werden die Siddhai zu ersetzen und auf ihrem Weg über viele Leichen gehen. Beispiele dafür habe ich schon genannt."
Mehr als du glaubst.

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