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Autor Thema: Kapitel 2: Morgensonne  (Gelesen 132009 mal)

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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2145 am: 16.01.2013, 00:38:36 »
Lachend lief Shemiya über den Sand. Ihr älterer Bruder jagte sie, Tlendrae. Sie wusste, dass er extra langsamer lief, um sie entkommen zu lassen. Wenn er es wollte, könnte er sie jederzeit einholen, so wie er es am Ende immer tat...

Sie rannte zu dem Baum, ihrem Lieblingsbaum, und blieb dort erschöpft stehen. Tlen hatte sie ihn getauft, nach ihrem Bruder, weil er so groß und mächtig war. Das war inzwischen drei Jahre her, und Shemiya war seitdem ein gutes Stück gewachsen, aber auch, wenn der Größenunterschied geschwunden war, kam ihr Tlendrae noch immer groß und mächtig vor.

"Hab dich!" rief er, als er schließlich bei ihr ankam. Sie lachten beide, und nahmen sich dann kurz in den Arm.

"Großer Bruder, es ist so schön zu wissen, dass du immer auf mich aufpassen wirst", lächelte sie ihn an.

Er schüttelte den Kopf. "Nicht für immer, nein. Irgendwann wirst du selber fliegen müssen. Und dann, wenn du alt genug bist, wirst du jemand anderen finden, der auf dich aufpasst."

Sofort wurde sie wütend. Sie war vierzehn! Sie wollte keinen anderen Jungen, der auf sie aufpasste. Auch nicht später, nein, niemals. Sauer funkelte sie Tlendrae an, und wandte sich dann dem Baum zu. "Hallo Tlen. Du verstehst mich wenigstens. Du wirst immer für mich da sein, oder?"

So lange, bis das große Feuer kommt.

Erschrocken machte sie einen Schritt zurück. Dann sah sie zu Tlendrae. "Wie hast du das gemacht?"

Ihr Bruder sah sie verwirrt an. "Was gemacht?"

Ich bin der, den du Tlen nennst. Dein Bruder kann meine Stimme nicht hören. Du aber hast dich über all die Jahre hinweg auf mich eingestimmt. Du hörst den Gesang, die Melodie der Welt. Es ist an der Zeit, dass du den Weg deiner Bestimmung gehst.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Djarrissa

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2146 am: 16.01.2013, 07:07:12 »
Als Dok'Hae sich ihr mit der Fackel näherte und die Fäden entzündete, wirkte Djarrissa hockend und in den Mantel eingewickelt noch immer wie ein panisches, in die Enge getriebenes Tier. Mit erstaunlichem Geschick wand sie sich unter den Flammen und kam schadlos davon. Selbst die Brandlöcher in ihrer Kleidung waren wenige. Sofort riss sie einen Pfeil aus dem Köcher und drehte sich mit nun geöffneten Augen der Spinne zu, doch Eretria war zum Glück schneller gewesen. Die Katzenfrau schüttelte sich und wurde sichtlich ruhiger. Ihr Schwanz peitschte noch über den Boden, dass Fell  jedoch sträubte sich nicht mehr. "Ich danke dirr.", neigte sie den Kopf in die Richtung des Wolfmannes. Sie klang erschöpft.

Erst jetzt wurde sie der neben ihr stehenden Mika und dem etwas weiter weg stehenden Krieger gewahr. Sie erstarrte und ihre Augen wurden groß. "Dokai hatte davor gewarnt, doch wirklich glauben...?", dachte sie. Unsicher trat sie an die Statue ihrer Anführerin heran. Sie streckte eine Pfote aus, zuckte aber im letzten Augenblick zurück. "Ist sie wirklich fort? Nimmt sie noch etwas wahr?", diese und viele andere Gedanken jagten durch ihren Kopf. Ärger und Trauer schwappten über sie hinweg. Ihr Blick wanderte langsam über den Rest der Gruppe. Alle hatten beeindruckende Fähigkeiten, doch ihre Gegner auch. Und wenn dann etwas schiefging, mussten die Alphas es ausbaden. So war der Lauf der Dinge, zufrieden mit sich selbst war sie nicht.

Ihr Blick blieb bei der Spinne hängen, die ihr selbst tot noch einen Schauer über den Buckel jagte. Eretrias Leistung war beeindruckend. Die Spinne war eine Jägerin mit unglaublichen Fähigkeiten gewesen. Gut verborgen lauerte sie auf ihre Opfer, schwächte sie mit Gift und fing sie mit Netzen und Versteinerung. Mit sanfter und wenig kraftvoller Stimme sprach die Schützin: "Dieses Wesen verzehrt keine Schsteine." Äußerlich ließ sie den Satz stehen, doch innerlich fragte sie sich: "Ist die Versteinerung vielleicht eine verzweifelte Verteidigung oder kann sie ihre Opfer wieder verzehrbar machen, zum Beispiel mit ihrem Speichel oder Gift?"
« Letzte Änderung: 12.09.2014, 21:29:41 von Djarrissa »

Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2147 am: 16.01.2013, 12:46:39 »
Im ersten Augenblick, wollte Shemiya ihrem geliebten Bruder antworten und ihm sagen, dass der Baum Tien mit ihr sprach - im ersten Moment erschien ihr das bedeutender, als alles, was er sagte. Doch als die Worte von Tien im Kopf der jungen Frau ankamen, schlugen sie sie in ihren Bann.
"Welche Bestimmung? Welche Melodie? Welcher großer Brand? Wovon sprichst du, Tien?" Fragte Shemiya den Baum, zu dessen Krone sie hinaufblickte.
Und langsam wich ihre Faszination über den sprechenden Baum, der Angst vor seinen Worten. Eine Bestimmung zu haben, klang toll. Die Melodie der Welt hören zu können, klang fantastisch. Doch der Brand machte ihr bewusst, dass, wenn sie nicht mal Tien schützen kann, wie sie den den Verantwortungen des Lebens, ihrer Fähigkeiten, ihrer Bestimmung auch nur ansatzweise gerecht werden könnte?
Und dann war dort die Gewissheit, dass ihr Bruder gehen würde und Tien gehen würde. Und Shemiya fühlte sich auf einmal vollkommen allein, obwohl sie es nicht war.
Während Shemiya auf die Antwort von Tien wartete, kullerten leise Tränen ihre Wangen hinunter.
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Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2148 am: 16.01.2013, 20:55:16 »
Das Herz der Geweihten pumpte schnell und erst jetzt merkte sie, wie sehr sie der Kampf mitgenommen hatte. Hierbei war gar nicht die Verletzung des eigenen Körpers gemeint, denn ihre sich selbst zugefügten Verbrennungen waren nur sehr oberflächlicher Art. Aber Eretria wurde immer mehr bewusst wie nahe sie daran gewesen war, komplett die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Nun trat sie einen Schritt von dem Kadaver der Spinne fort und eher mechanisch säuberte sie die Klinge ihres Schwertes, bevor sie die Waffe wieder in der Scheide an ihrer Seite verstaute.
Traurig schaute sie auf die verängstigten und geschwächten Personen um sie herum und als sie dabei die beiden versteinerten Gefährten sah, traten der Frau Tränen in die Augen. Zögernd ging sie zu der Statue der Bardin hinüber und berührte fast zärtlich den Stein. "Ach Mika, was habe ich getan in meiner eigenen Verzweiflung? Es tut mir Leid!" Einen Moment umarmte die Geweihte die Statue bevor sie die Tränen weg blinzelte und sich zu den anderen Mitstreitern umdrehte. Ihr Gesicht war ein Gesicht der Trauer, aber ihre Worte waren fest. "Ich möchte am liebsten Heulen, ob der Verluste, die wir erlitten haben. Leider weiß ich nichts über diese Gifte und ich kann nicht sagen, ob wir jemals Mika und Lemnor befreien können. Ich glaube wir sollten versuchen undsere Wunden zu heilen und auch sonst uns wieder stärken. Aber ich glaube, dass es jetzt noch wichtiger ist als vorher unseren Weg zu Ende zu gehen."
Aus ihrem Rucksack holte die blonde Frau eine Phiole mit einer schwer zu erkennenden Flüssigkeit. "Dies ist ein Gegengift und vielleicht sollten alle etwas davon nehmen, die vergiftet worden sind. Ich weiß nicht, ob Mika und Lemnor auch vergiftet wurden, aber wenn wir noch etwas übrig haben, nachdem alle versorgt wurden, können wir vielleicht etwas der Flüssigkeit noch auf ihre Lippen träufeln."
Dann ging die junge Geweihte zu Isabelle. Sie nherte sich der panischen Frau langsam und bedächtig und versuchte beruhigend auf sie einreden. "Isabelle, ihr müsst eine Angst mehr haben. Wir haben gesiegt."

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2149 am: 17.01.2013, 02:47:16 »
Liguar stand einen Moment schnaufend, erschöpft, neben dem Kadaver der Riesenspinne, bevor er sich langsam, mit hängenden Schultern und ungläubigem Blick, Lemnor näherte. Der Hüne, der nicht einmal davor zurückgeschreckt war, mitten in einen Feuerball zu laufen und anschließend noch weiter zu kämpfen, hatte nun Tränen in den Augen.

Carnazzo stellte sich zwischen ihn und Eretria. "Ich glaube, Djarissa hat Recht. Die Spinne wird ihre Magie genutzt haben, um Opfer zu überwältigen, aber sie muss einen Weg haben, sie wieder zu befreien. Aber selbst, wenn wir hier keine Lösung finden... es gibt Möglichkeiten, Zauber, mit denen wir die beiden erlösen können. Es wird schwierig sein, jemanden zu finden, der so etwas kann, und ganz sicher wird es nicht preiswert. Aber ich helfe euch, die beiden aus ihrer Versteinerung zu befreien."

Tröstend hatte er Eretria eine Hand auf den Arm gelegt.

Als Eretria sich dann Isabelle zuwandte, sah die junge Frau mit verstörtem Blick auf. Einige Sekunden sah sie sich verwirrt um, dann fiel ihr Blick auf das reglose Monstrum. "Sie ist... wir haben... wir haben überlebt..."

Sie sprach leise, schien selbst kaum glauben zu können, was sie da sagte. Offenbar hatte Isabelle sich bereits darauf eingestellt gehabt, in diesem Kampf zu sterben.

Zögerlich stand sie auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Ich hätte nie geglaubt, dass solche Kreaturen überhaupt existieren..." Ein Schauder lief über ihren Körper, und sie schlang die Arme um ihren Leib, als wäre ihr kalt.
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2150 am: 17.01.2013, 02:58:57 »
Tlendrae sah Shemiya irritiert an. "Du nimmst mich jetzt auf den Arm, oder?"

Der Baumgeist kümmerte sich nicht um ihn, sondern beantwortete die Frage des jungen Mädchens.

Du hast das Potential, eine Himmelssängerin zu werden. Bereits jetzt trägst du viele Ansätze in dir, viele Fähigkeiten, die dieser Kunst als Grundlage dienen. Du, Shemiya, bist eine Himmelssängerin, eine Zauberin, die ihre Kraft aus den Melodien der irdischen und der spirituellen Welt bezieht. Ich werde dir zeigen, wie du diese Kräfte formst, wie du die magischen Melodien veränderst, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Tlen schwieg einen Moment. Shemiya starrte auf den Baum, versuchte, sich eine Art Gesicht vorzustellen, doch es gelang ihr nicht. Sie konnte den Baum hören, mit ihm sprechen, doch es war völlig anders, als mit einem Menschen zu sprechen.

Die Welt, Shemiya, verändert sich. Selbst die hohen Geister von Arlarin wissen nicht um die Ursache dieser Veränderungen. Doch ich habe mein eigenes Ende gesehen, und es ist nicht mehr fern. Fürchte nicht den Tod, Shemiya. Aber hüte dich vor dem Bösen. Die Welt wird dich brauchen, und wenn du falsch handelst, wirst du das Feuer, das die Welt erfassen wird, nur anfachen, anstatt es zu bekämpfen.
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Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2151 am: 17.01.2013, 18:51:50 »
Shemiya fand keine Zeit und keinen Nerv, um ihrem Bruder zu antworten, auch wenn er eine Antwort verdient hatte.  Sie hatte Angst, dass dieser magische Moment, dass dieses Gespräch mit Tlen, endlich wäre und sie nur diese eine Chance hatte, um ihm die Fragen zu stellen, die sich ihr nun stellten.
Um Tlendrae nicht das Gefühl zu geben, dass sie an ihn dachte, griff sie nach der Hand ihres Bruders und hielt sie.
Zwar wollte Shemiya mit dieser Geste nur sagen, dass sie Tlendrae nicht vergessen hatte, doch unterbewusst, vermittelte diese Hand weit mehr Informationen. Denn Shemiya war nervös und ihre Hand blieb nicht still. Ihr Daumen streichelte hektisch die Hand des Bruders. Und wenn sie inne hielt, dann drückte sie verkrampft zu. Alles Zeichen dafür, dass die junge Himmelssängeraspirantin im Moment kein Ruhe fand.

Ein weiteres Zeichen, dass Tlendrae sagen musste, dass seine kleine Schwester ziemlich neben sich stand, war der Umstand, dass sie weiter Fragen stellte, während sie den Baum Tlen anstarrte.
"Wie kann das sein, dass die Geister von Arlarin nicht wissen, was passiert? Und warum ich? Warum gerade ich?" Sagte Shemiya, die voller Fragen war und es dennoch nicht vermochte, nach sinngebenderen Antworten zu suchen. "Ich habe Angst. Ich will nichts falsch machen. Ich will nicht, dass du gehst. Ich will nicht, dass irgendwer geht. Das Böse soll gehen."
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2152 am: 19.01.2013, 01:16:26 »
Ein sanftes, beruhigendes Summen ging von dem Baum aus. Shemiya hörte es nicht wirklich, nicht mit ihren Ohren... und doch war es da.

"Du darfst deine Angst zulassen, aber lasse dich nicht von ihr beherrschen. Kleine Himmelssängerin, du wirst deine Antworten finden, wenn du auf die Melodien der Welt hörst. Ich werde dir zeigen, wie du dein Talent nutzt. Das Wissen ist da, umgibt uns, durchdringt uns, ganz wie Yikas unendliches Netz. Wir müssen nur lernen, hinzuhören und zu verstehen. Hab Geduld."

Das Summen verblasste, doch Shemiya fühlte sich bereits ein wenig beruhigt - wenn auch tatsächlich nur ein wenig.

"Genug für heute. Komme morgen zurück, dann werden wir mit deiner Ausbildung beginnen. Und danach - wann immer es dich verlangt, mehr zu lernen. Ich werde für dich da sein."
« Letzte Änderung: 19.01.2013, 01:17:01 von Sternenblut »
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Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2153 am: 19.01.2013, 15:37:49 »
Shemiya war irgendwie enttäuscht, dass Tlen sie nun wegschickte. Erst später sollte sie verstehen, dass es eine kluge Entscheidung ihres hölzernen Freundes war. Sie verstand es, nachdem sie sich beruhigt hatte und ihr klar wurde, dass sie Tlen ohne eine kühlen Kopf, gar nicht hätte folgen können.

Doch erstmal stand die zukünftige Himmelssängerin fassungslos vor Tlen und wollte sauer sein, weil sie fortgeschickt wurde. Nach einer halben Minute, in der ihr aber keine passende Reaktion eingefallen war - meist wäre sie verletzend gewesen, ohne guten Grund -, sagte sie dann: "Bis Morgen, Tlen."
Dann ging sie los und zog ihren ahnungslosen Bruder mit sich.

Nachdem sich die beiden Geschwister vom Baum entfernt hatten, sagte Shemiya zu Tlendrae: "Ich weiß, es klingt total verrückt, aber Tlen hat gerade mit mir gesprochen. Er hat gesagt, dass ich eine Himmelssängerin werden kann und das er mir den Weg dorthin zeigen wird. Aber er sagte auch, dass die Geister von Arlarin nicht wissen, was die Zukunft bereit hält. Weil die Welt sich verändert und sie nicht den Grund dafür finden. Glaubst du mir das?"
Bei ihrer Frage schaute das Mädchen, auf zu ihrem großen Bruder. Furcht war in ihren Augen, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn er jetzt nur lachen würde. Und zum Lachen hatte er guten Grund.
« Letzte Änderung: 19.01.2013, 15:38:30 von Mika »
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2154 am: 20.01.2013, 13:05:04 »
Als Shemiya von ihrer Erfahrung erzählte, wirkte Tlendrae weder belustigt noch verwundert - fast schien es, als würde er plötzlich etwas verstehen. "Das gibt's nicht", meinte er schließlich. "Ramika" - das war ihre Großmutter - "kam gestern abend zu mir. Sie wollte unbedingt die Knochen für mich lesen. Sie prophezeite eine Begegnung mit der Geisterwelt. Und dass ich bald darauf meine Bestimmung erfahren würde."

Sein Blick fiel auf den großen, alten Baum, dann wieder auf seine Schwester - die er dann plötzlich in den Arm nahm und hoch hob. "Mein Schwesterherz eine Himmelssängerin!" rief er, und ließ sie dann sanft wieder herunter. "Das hat es in unserem Dorf seit hundert Jahren nicht mehr gegeben. Ich bin so stolz auf dich!"

Doch Shemiya hörte kaum noch seine letzten Worte, als sie...

...als sie das Wasser des Flusses vor ihr beobachtete. Tlen hatte sie auf die höchsten Ebenen des Bergs geschickt, und Tlendrae hatte sie begleiten sollen, zu ihrem Schutz. Hier oben sollte Shemiya lernen, die Melodien des Wassers zu hören, und Kontakt zum Flussgeist Iyanami aufzunehmen.

"Ich höre gar nichts", schimpfte sie.

"Du musst Geduld haben", ermutigte ihr Bruder sie. "Hat dir Tlen denn keinen Rat gegeben?"

Ja, das hatte er. Aber was sollte sie damit anfangen? Höre auf den Fluss in dir, hatte er gesagt...

Sie starrte auf das Wasser des Gebirgsflusses, dass hier noch langsam floss, während es einige hundert Meter weiter in einem Wasserfall nach unten donnerte - ein Geräusch, das die ganze Umgebung hier erfüllte.
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Djarrissa

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« Antwort #2155 am: 20.01.2013, 14:01:25 »
Als Eretria sich Mikas Statue zuwand und ein Bild der Trauer gab, war Djarrissa kurz davor, einen Versuch des Trostes vorzunehmen. Doch bremste sie sich. "Das würde ihre Position nur untergraben und dich dorthin setzen. Und sie hat sich und uns im Griff, also respektiere sie." Beeindruckt war sie vor allem von der Wirkung, die sie bei Isabelle erreicht hatte. Aufmerksam folgte sie ihren Worten und nickte, um ihre Zustimmung zu bekunden.

Doch beim Gegengift schüttelte sie den Kopf: "Ich verzzichte auf meinen Anteil. Mein Körrper kommt mit dem Gift klar." Sie zog ein Tuch und wischte sich die Schnauze, denn ihr wurde erst jetzt klar, dass ihre Schnurrbarthaare vermutlich nicht ganz frei von ihrer Entleerung geblieben waren. Ihr ging es nicht so gut wie vor dem Kampf, aber fast. Andere hatten aber viel stärkere Auswirkungen durch das Gift erlebt.

Als Eretria fertig war, versuchte der Blick der Katzenfrau wieder zur Spinne zu wandern. Doch es schüttelte sie erneut und so blieb er auf dem Boden kleben. Stattdessen trat sie zum Wolfsmann: "Dokai, der-mit-den-Geistern-spricht, du hast das Wesen errkannt. Manche Schspinnen jagen mit Netzen und wickeln ihre Beute ein, anderre beißen sie mit Gift tot, zu welchen gehört diese hier? Als erstere würde sie ihre verschsteinerten Opfer mit Fäden und Speichel umgeben, als letztere verrgiften. Dies könnte die Wirkung umkehrren." Ihre Stimme war ruhig und sanft, aber ließen ihre frühere Selbstsicherheit missen. Ein Zeichen der Erschöpfung oder Verzweiflung?
« Letzte Änderung: 12.09.2014, 21:29:49 von Djarrissa »

Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2156 am: 21.01.2013, 12:21:50 »
"Er sagte, dass ich auf den Fluss in mir hören soll. Aber was er damit meint, weiß ich nicht." Antwortete Shemiya ihrem Bruder und dachte nach. Wirklich schlau wurde Sie aus den Worten von Tlen aber nicht
Nach einiger Zeit, in der Shemiya auf das fließende Wasser des Baches geschaut hatte, meinte die angehende Himmelssängerin: "Wenn etwas durch mich fließt, dann Blut und das Wasser, dass ich trinke. Doch weder das eine, noch das andere kann ich hören. Vor allem nicht, wenn ich das Plätschern des Baches hören kann."

Langsam lehnte sich das junge Mädchen zurück und legte sich hin. Ihr Blick ging zum Himmel hinauf. Als Sie merkte, dass selbst der Himmel zuviel Unterhaltung bot, schloss sie ihre Augen. Shemiya achtet nur auf ihre Ohren und suchte nach allem, was diese vermochten einzufangen. Sie lauschte dem Wasser des Baches, dem Rauschen des Windes, den gelegentlichen Lauten der Wildtiere. Und als sie alle Geräusche ihrer Umgebung gefunden hatte, versuchte sie in sich selbst hineinzulauschen. Ihren Bauch hörte schließlich manchmal, vielleicht konnte sie noch mehr hören.
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2157 am: 22.01.2013, 23:07:24 »
Liguar wandte mühsam den Blick von seinem versteinerten Bruder ab. Der Reif an seinem Handgelenk hatte sich noch einmal aktiviert und die letzten Wunden geschlossen.

"Ich glaube, ich habe einiges abbekommen. Wenn ich noch zu irgendetwas zu gebrauchen sein soll, sollte ich wohl davon trinken."

Damit nahm er den Behälter von Eretria entgegen und trank einen Schluck von dem Gegengift. Er zögerte einen Moment, dann schüttelte er sich, und der Krieger wurde rot im Gesicht. "Man, das geht tief rein", gab er von sich. Es war, als hätten ihn neue Lebensgeister erfüllt. "Wer will jetzt?"
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Sternenblut

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« Antwort #2158 am: 22.01.2013, 23:21:50 »
Shemiya hörte den Puls in ihren Ohren, jeden Atemzug, den sie tat. Die Geräusche, die sich von sich selbst hörte, fügten sich in die Geräusche ein, die sie umgaben. Alles fügte sich zusammen, sogar der etwas fernere Donner des Wasserfalls. Sie hörte weiter in sich hinein, folgte dem Pochen ihres Pulses. TA-DAM. TA-DAM. TA-DAM. Das Pochen wurde zu einem Rauschen. Zu einem Fließen. Ein Strom, der durch ihren eigenen Körper glitt, in dem sie sich verlieren konnte.

Sie ließ sich hineinfallen, und angetrieben von einem gleichsam magischen Rhytmus - TA-DAM, TA-DAM, TA-DAM - begab sie sich auf eine Reise, folgte dem Strom, ließ sich treiben, wohin auch immer es sie führen wollte...

Das Wasser war vollkommen. Klar, kalt und rein, und voller Energie, bahnte es sich seinen Weg, und auf seinem Weg spendete es Leben. Sie spürte die zarten Wurzeln, die sich hungrig von ihm nährten. Bewahre dir diese Unschuld, und ich werde dich stets willkommen heißen.

Ein Lächeln erfüllte Shemiya, und sie ließ sich treiben, immer weiter, während ein kraftvolles Donnern die ganze Welt zu erfüllen schien...
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Amani

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #2159 am: 23.01.2013, 20:31:37 »
Erstaunt schaute Dok'Hae wie die Spinne zusammenbricht. "Verdammt." fluchte er als sein Blick an den Versteinerten hängen blieb.

"Sie zerstört normalerweise die Staturen bevor sie sie wieder verwandelt. Wie genau diese Verwandlung von statten geht weiß ich nicht genau. Ich kenne keinen der es jemals gesehen hätte." erzählt der Wandler etwas resigniert: "Aber wenn es etwas gibt müsste es wohl im Speichel sein."

Er schaute sich seine verbliebenen Gefährten an: "Wenn einer von euch einen Dolch besitzt oder seine andere Waffe, die nutzbar ist, kann ich versuchen die Drüse zu finden." Insgeheim hoffte er nicht in der toten Spinne wühlen zu müssen, aber so wie es aussah führte kein Weg daran vorbei.

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