Ich weiss, wo die Hölle ist...
Feyra will weg. Weg von seinem Blick. Weg von seinen Anmerkungen und Fragen und Geschichten und einfach allem. Sie wundert sich, dass er so ruhig unter ihrem Blick bleiben kann, aber dann ist es eben so. Vielleicht hatte er schon angsteinflößenderes Gesehen, auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten, wo seine Schwester gearbeitet hat. Oder sein Geist war ebenso abgestumpft wie die Verletzungen, die er sicherlich erlitten hatte in all den Jahren. Sie weiss es nicht, und sie wollte es auch gar nicht wissen. So packt sie ihre Sachen zusammen, um sich auf zum Feuer zu machen, und ist gerade im Begriff, an ihm vorbeizugehen, als er sie erneut anspricht. Diesmal mit einer solch direkten Frage, dass sie tatsächlich neben ihm stehenbleibt und innehält. Jedoch ohne ihn eines Blickes zu würdigen, geschweige denn sich in seine Richtung zu drehen. Sie bleibt einfach nur stehen, als hätte ein Blitz sie getroffen und sie erstarren lassen. Ihr Umhang, der aufgebauscht war bei ihrem schnellen, beinahe fluchthaften Gang, schmiegt sich dabei wieder an ihre Beine und die Stiefel, und die Stille ist drückend und schwer wie die Luft um sie herum. Er hatte einen verfluchten Nerv getroffen, und wenn sie nur der Typ dafür wäre, dann würde sie..
Aber das war sie nicht. So war sie nicht. Sie brachte niemanden um. Tote zu bestehlen war zum einen keine Herausforderung, und zweitens würde man verfolgt. Nicht von den Wachen oder den Gardisten oder der Kirche oder den Göttern, nein: Man wurde von sich selbst verfolgt. Von dem Wesen, dass ein Messer in der Linken hielt und die eigene Kehle in der rechten, bereit, jederzeit die scharfe Seite an die Haut zu legen und einen letzten Ruck zu tätigen. Die Vorstellung führte zu einer innerlichen Gänsehaut, und sie ballte die mit Lederhandschuhen verdeckten Hände zu Fäusten, um das aufsteigende Zittern zu unterdrücken. SIe stand hinter dem, was sie sagte. Mit jeder Silbe, die sie gesprochen hatte, mit jeder Faser, die ihr Herz zu geben gewillt war. Und dennoch gab es Momente, in denen sie sich am liebsten...
"Ihr wisst nichts... nicht ein bisschen. Versucht erst gar nicht.. mich kennenzulernen.. ", wobei sie immer ein bisschen lauter wurde und ihn mit einem Blick ansah, der ihre Mordlust zeigt, die ihn ihr aufwallte. Ein schreckliches Gefühl für sie. Der Kopf ist halb zu ihm hingewandt, und die Arme zittern unter dem Druck, unter der Anspannung, so sehr ballt sie ihre Fäuste. Das Auge, was er sehen kann, ist aufgerissen, und die Schattenringe darunter sind deutlich zu sehen. Der Blick wirkt fiebrig, wenn man die Emotionen vernachlässigt. Dann wandte sie sich um und... schrie ihn einfach nur an.
"LASST MICH EINFACH IN RUHE!", und sie flieht.. Flieht in Richtung des Feuers, mit heftig schlagendem Herzen. Er hatte es geschafft, die Bilder wieder heraufzubeschwören, die sie seit einer Zeit nicht mehr verfolgt hatten. Dieser elende.. Sie wünscht, sie hätte ihn niemals getroffen. Die Hände noch immer zu Fäusten geballt und der Atem schwer, die Geister niederringend, rennt sie weg. Sie würde auf nicht ein Wort mehr hören, aus welcher Quelle es gerade stammen würde. Sie würde sich verstecken, ob es in einem Baum war oder in einer Jurte oder irgendwo, wo möglichst keine Menschen waren. Sie wollte sich abschotten. Irgendwie. Was sie jedoch nicht bedacht hat, ist der Fakt, dass sie auf eine Menschenmenge zurennt, die ausgelassen feiert, Melonen isst und tanzt und lacht. Doch im Moment ist es ihr egal. Sie spürt nur den Griff um ihre Kehle, und sie kann kaum atmen, als sie am Rand des Lagers -außerhalb Mersaults Sichtweite- ankommt. Panik flackert immer noch in ihren Augen, und wären die Handschuhe nicht gewesen, sie hätte sich die Nägel tief ins Fleisch gebohrt. So überblickt sie die Masse und sucht nach ihrem Zelt, wo sie sich zur Ruhe betten kann, weg von allem.
"Sie ist in meinem Kopf..."