Sami sitzt am Tisch und starrt auf die Tischplatte, während Zahur die Wasserpfeife weiterreicht. Sami kennt das Rauchen der Wasserpfeife, den charakteristischen Geruch und doch interessiert sie ihn überhaupt nicht, noch nimmt er heute den Geruch um ihn herum wahr. Er sitzt da und starrt nur ganz einfach, denn die letzte ereignisreiche Stunde - ist es wirklich eine Stunde gewesen, oder war es ein ganzer Tag, nur eine Minute? - hat seinen jugendlichen Geist völlig verwirrt. Es ist nicht der Anblick des brennenden Hauses gewesen, nicht der der verbrennenden Leichen, der Gestank, der von ihnen ausging, das ganze Elend, verursacht durch einen ihm unbekannten Feind, auch wenn er den Namen Rovagug natürlich kennt, wenngleich er nicht allzu viel darüber weiß. Schakal, dieses Wort leuchtet permanent vor ihm auf, er hört ein Jaulen, sieht wieder die Gnolle vor sich und ist einen Moment versucht, sich die Ohren zuzuhalten, weil plötzlich alles viel zu laut ist. Doch stattdessen atmet er durch, besinnt sich auf das eigentlich Schlimme, auf das, was ihn wirklich schockiert hat, das, was ihn nicht mehr los lässt:
'Wie können sie das einfach tun? Wie können sie so einfach ein Leben opfern? So einfach davon ausgehen, dass sie nur das Schwert holen müssen und dann würden sie diese oder dieses Monster einfach beseitigen? Was ist denn mit Rayhan? Warum ihn nicht befreien?'
Sami kann und will nicht begreifen, warum seine Gefährten bereit sind, das Leben des Wissenshüters einfach aufs Spiel zu setzen. Die leisen Zweifel an seinen eigenen Gedanken - nämlich dass sie Recht haben, dass Rayhan wahrscheinlich sowieso schon tot ist oder mit Sicherheit sterben wird, weil man sich auf das Wort eines Schurken nicht verlassen kann - können sich nicht durchsetzen. Es ist das Mitleid mit dem alten Mann, das Sami in jenen Minuten am Tisch unaufhörlich quält.
'Und jetzt sitzen sie einfach hier und diskutieren weiter, wo wir aufgehört haben, ohne einen Gedanken an Rayhan zu verschwenden oder an all die Toten. Wir hätten doch helfen müssen. Die Leichen...und Rayhan...'
Sami kann einfach nicht glauben, wie wenig Mitleid ausgerechnet Naadhira gezeigt hat. Sie hatte sich einfach umgedreht und war gegangen, mit den Worten, dass es keine Verhandlungen geben würde. Er begreift es nicht und will es auch nicht begreifen. Er weiß nur, dass sein Bauch so weh tut, dass er weder an Essen noch ans Schlafen denken kann, dass er am liebsten schreien möchte, und dann wird ihm zu seiner eigenen Schande auch noch bewusst, dass er auch so hinter dem Schwert her war. Hinter dem Schwert, das nun Rayhans Tod bedeutet. Er muss schlucken.
Aber haben Zahur und Naadhira nicht gerade gesagt, dass das Schwert vielleicht auch Rayhans Rettung bedeuten könnte? Glauben sie doch daran, dass er noch lebt? Wollen sie ihm doch helfen? Sami ist völlig verwirrt oder liegt das an der Wasserpfeife und ihrem Geruch? Aber was ist, wenn sie auf dieser Insel, wo es verborgen sein soll, sterben? Der Junge schüttelt den Kopf und fährt sich über die Augen. Viel zu müde, er ist viel zu müde.
"Ja, wir müssen doch Rayhan retten. Also, was machen wir jetzt?" fragt der Junge und kann danach ein Gähnen einfach nicht mehr unterdrücken.