Die Gefährten pirschten sich behutsam an das merkwürdige Gebäude heran. Ein jeder die Waffe seiner Wahl in der Hand, bereit allem zu trotzen was da auf sie warten würde. Asha hatte sich an die Spitze gesetzt und zwängte sich als erste durch den Spalt zwischen den beiden Türen des Portals.
Sie befand sich in einer Art Vorraum und sah sich genau er um, während sie auf die anderen warteten. Im flackernden violetten Schein, welcher wohl eindeutig aus dem nächsten Raum kommen musste, konnte sie aufwendige Malereien an den Wänden erkennen. Die Fresken zeigten viele verschiedene Motive, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergaben.
[1]Viel Zeit zum Betrachten und Überlegen blieb ohnehin nicht, denn nun waren sie alle in das Gebäude eingedrungen und die Neugier was wohl im nächsten Raume ging Hand in Hand mit dem Kribbeln aufgestellter Nackenhaare die davon kündeten, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmen konnte.
Da die Gefährten den Gesang nun schon seit einiger Zeit sehr deutlich vernahmen, kam ihnen in diesem Moment die eine Erkenntnis. Auch wenn sie nicht die Bedeutung hinter der fremden Sprache kannten, so registrierten sie doch die Abwesenheit von sich wiederholenden Elementen, wie einem Refrain. Es wirkte so als sänge jemand ein ganzen Buch vor.
Den unsinnigen Gedanken beiseite schiebend arbeiteten sich die Abenteurer den Weg, der aus dem Vorraum führte, voran und gelangten schließlich in einen riesigen Raum, der Wohl den gesamten Rest des Gebäudes ausfüllen musste.
Am Auffälligsten waren die vier pulsierenden Strahlen aus violettem Licht. Jeder von ihnen nahm sein Ursprung aus den ausgestreckten dürren Armen einer großen, hageren Gestalt. Die vier Gestalten standen in einer Vierecksformation um die Mitte des Raumes herum aufgestellt und rührten sich nicht, während die Energie knisternd aus ihren Handflächen brach und hin und wieder Blitze wie aus Schatten um die Strahlen schickte.
Erst auf den zweiten Blick dämmerte den Abenteurern der Grund für die unnatürlich dürre Erscheinung der vermeintlichen Humanoiden. Knochen schimmerten zwischen verfallener Kleidung und vertrockneten Hautfetzen hindurch, grinsende Fratzen steckten in rostigen Helmen. Einst mochten es Menschen von mächtiger Statur gewesen sein, doch inzwischen handelte es sich bei den vier Wesen um Schrecken die jedem Leben entsagten.
Eine unbekannte Macht ließ die Knochen dieser Männer keine Ruhe finden und auch wenn sie sich nicht zu regen schienen war jedem klar, dass diese Skelette dennoch dazu im Stande waren.
Die Skelette schickten ihre Strahlen in das Zentrum des Raumes. Dort trafen sich die Energien in einem Punkt der sich gut vier Meter über dem Boden befand. Hier schwebte ein Wesen - aus Fleisch und Blut - in der Luft, umgeben von einer transparenten Kugel die - so schien es - aus den schwarzen Blitzen genährt wurde.
Bei dem Wesen handelte es sich um eine Frau, zumindest war das die beste Umschreibung dafür, denn so eine Frau hatte noch niemand von ihnen erblickt. Ihre weiße Haut hatte einen dunklen Einschlag wie von Ruß nur ebenmäßig. Ihre düstere Kleidung war spärlich aber ohne Zweifel kostbar, durchwirkt mit Goldfäden und besetzt mit Juwelen verhüllte sie nur das Nötigste ihres gleichermaßen exotischen wie makellosen Körpers. Sie trug einen schwarzer beinahe durchsichtigen Umhang, der von einer unsichtbaren Kraft hin und her geweht wurde und sich um ihre Beine schmiegte.
Ihr rubinrotes Haar reichte ihr bis zur Taille, während es an beiden Enden der Stirn von filigran gezwirbelten Hörnern wie aus Ebenholz durchstoßen wurde. Die Frau hatte die Augen geschlossen, seit die Gruppe sie erblickt hatte, aber bewegte ihren Mund fortwährend, obwohl kein Laut aus ihm drang.
Nach einem Augenblick ging den Gefährten auf, dass ihre Lippen die Wörter formten, die in ihren Köpfen sangen und genau in diesem Moment schloss die Frau ihren Mund. Eine wuchtige Stille legte sich über die Welt und selbst das Knistern der Energie fiel einen Moment lang aus.
Nach einem Augenblick kehrte die Geräusche der Umgebungschon wieder zurück, jedoch blieb eine schwer beschreibbare Leere zurück, so als hätte man sich aus einer liebevollen Umarmung gelöst.
Die Frau öffnete ihre Augen und es waren keine menschlichen. Anstatt einer Iris und einer Pupille strahlte Sternenlicht aus den Augen der Frau.
"Kommt nach all den Zeiten jemand zu meiner Rettung oder setzt ihr meinem Schicksal zumindest ein Ende?" Die Stimme hallte gleichsam durch den Raum, wie sie auch in den Köpfen eines jeden Gefährten erklang. Es war die gleiche Stimme, die auch schon das Lied gesungen hatte und so andersweltlich sie auch klang, so bitter und niedergeschlagen klang sie auch.