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Autor Thema: Casus Belli  (Gelesen 82719 mal)

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Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #105 am: 09.07.2011, 22:12:22 »
Langsam aber sicher wusste Carl nicht mehr was er von der ganzen Sache zu halten hatte. Karl Georg Ludwig Guido, ein preußischer Diplomat war an der Unterzeichnung beteiligt? War dieses Dokument gar im Sinne Preußens?
Der junge Offizier strafte sich und wirkte wieder etwas entschlossener.

"Meine Herren, ich werde sie ganz bestimmt nicht alleine zum Herzoge schicken, während ich mich klammheimlich davon machen würde. Es mag wohl auch geistreicher sein, sich mehr Information zu verschaffen, bevor man eine endgültige Entscheidung fällt. Wie Herr Nobel schon angemerkt hat, haben wir kaum Zeit und müssten aus einer Position der Schwäche heraus agieren. Aber wir haben einen Vorteil, wie Conrad ja erkannt hat. Wir besitzen das Dokument und wissen um seinen Inhalt, während jeder der sonst von dessen Existenz weiß davon ausgehen muss, dass es nun verschollen ist. Wir sollten also nicht unseren einzigen Trumph vergeben und unser unwissender zeigen als wir tatsächlich sind."

Carl mochte zwar Aufrichtigkeit und Gehorsam auf seiner Fahne stehen haben, aber Torheit und Gedankenlosigkeit hatten dort keinen Platz gefunden.

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #106 am: 11.07.2011, 17:58:55 »
Erleichtert seufzte Alfred nun auch auf. Ihm war nicht entgangen, wie die drei deutschen Studenten seine Frage nach der Absicht des deutschen Bundes ignoriert hatten, doch da die Herren nun doch auf seinen Vorschlag eingingen, ließ er es dabei bleiben. Sanft tippte er auf die lange Unterschrift auf dem Dokument

"Sehr richtig Herr Rosenstock, dies ist die Signatur des Grafen von Usedom, einem gesandten des preußischen Hauses. Sie sehen die Implikationen, und ich bin froh, dass sie meine Bedenken nun zu teilen wissen."

Zum zweiten Mal machte sich Alfred nun daran, das Dokument zusammenzufalten und in seinem Laborbuch zu verstecken, ehe er es in seiner Labortasche verschwinden ließ.

"Ich befürworte Ihr Vorgehen. Achten Sie nur darauf, dass sie kein Wort über das Dokument verlieren. Sollte er über Emil oder mich fragen, so antworten Sie ihm nur das nötigste - Emil ist schwer verwundet und nicht bei Bewusstsein. Wobei ich denke, dass ich diese Worte ohnehin selbst an den Braunschweiger richten werden muss. Ich werde mich weigern, die Reise anzutreten, und die Ziele des Herzogs durch den Arm der bureaucratie in die Länge ziehen. Wir werden sehen, ob sich sein Bote so einfach abwimmeln lässt."

Mit kritischem Blick zog Alfred die Uhr aus der Tasche. Es würde nicht mehr lange dauern.
« Letzte Änderung: 11.07.2011, 19:41:44 von Alfred Nobel »
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Menthir

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Casus Belli
« Antwort #107 am: 11.07.2011, 21:13:05 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:01 Uhr - Gerd's Eck

Der Mann begann zu lächeln und beobachtete, musterte den Schotten eingehend. "Sinnbefreite Beleidigungen, welche jedwede Schlagfertigkeit vermissen lassen. Ein Bedürfnis zur Selbstdarstellung, welches sich darin manifestiert, sich für wichtiger als notwendig zu halten. Sie, Schotte, sind ein Musterbeispiel dafür, warum Ihresgleichen langsam aber sicher den Zusammenhang zwischen Realität, Zeitgeist und Wahrheit verloren hat. Ein Highländer flößt normalerweise mehr Ehrerbietung ein, aber ich spüre Ihre Schwäche sofort. Sie sind unsicher und verstecken sich hinter Ihren großen Worten und einfachen Beleidigungen. Sie haben zudem mit dem unfreundlichen Ton und der wirklich rüden Ansprache begonnen, weder einen hochrangigen Soldaten, noch eine Schwester mit der sich gebührenden Höflichkeit addressiert und Sie sind uneingeladen eingetreten. Ihre Unsicherheit resultiert auch aus Ihrer mangelnden Beobachtungsgabe, welche determiniert ist durch ihre Vorkenntnisse. So erwarten Sie als Besitzer dieser Eckkneipe einen alten Mariner oder einen kräftigen Mann mit fettiger Schürze und ziehen nicht in Betracht, dass diese Lokalität auch einfach einem alten, braunschweiger Soldaten gehören könnte. In Anbetracht dessen, dass Sie erwarten, dass jeder anhand ihres Kiltes ihre Clanzugehörigkeit erkennt, ist es nicht ungewöhnlich, dass Sie fast automatisch, wenn ich diesen modernen Ausdruck gebrauchen darf, erwarten, dass ein norddeutscher Gastwirt auch sein Tartan[1] in Form einer Schürze tragen muss. Wie konnte ich bloß davon ausgehen, dass ein Mann Ihrer Statur, Ihres Status und Ihrer europäischen Erfahrung, über den Tellerrand der Burg Foulis[2] schauen könnte. Wie vermessen muss ich gewesen sein, zu glauben, dass Sie inzwischen das Handwerkszeug Ihrer Profession beherrschen könnten, Donald." Es war ein süffisantes Lächeln, mit welchem der Braunschweiger endete und eine Verbeugung andeutete. Er klatschte einmal erfreut in die Hände.
"Ich überlasse es Ihrer Expertise, Donald, ob Sie mir zutrauen, der Wirt dieses Hauses zu sein, oder ob Sie mir nur zutrauen wollen, das Gästebuch gelesen zu haben und Ihre Kontakte in der Stadt bestochen und ausgepresst zu haben. Aber wahrscheinlich dünkt es Ihnen richtig. Ich bin Ihr Kontakt in dieser Stadt und dafür zuständig, dass Sie die beiden Herren finden, welche Sie in dieser schönen Hafenstadt finden sollen."

Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und blickte Donald in die Augen. Dieser Mann war ausgesprochen, fast unheimlich gut, informiert und machte sich dieses Wissen für seine inhärente Arroganz zu Nutze. Trotz seiner höflichen Floskeln, erschien er alles andere als sympathisch. "Sie wissen scheinbar, wen Sie vor sich haben, dementsprechend werde ich auf eine weitere Vorstellung verzichten. Und obgleich ich immer noch im Herzen darüber juble, wie ernst und wichtig sich ein Schotte in Holstein nehmen kann, denn Ihr werdet de facto nicht erwartet, will ich sogar, dass Sie sich in meine Angelegenheiten einmischen, Donald. Und ich sage Ihnen was, das wird Sie mitnichten erfreuen können. Sie werden keine Chance zur Ruhe bekommen, sondern mich begleiten. Obzwar ich kein Freund des Zwanges bin, möchte ich Sie vor weiteren Torheiten einer ungezügelten Zunge bewahren. Wie Sie sicherlich gehört haben, guter Donald, spreche ich unter anderem im Namen des neuen Herzogs von Schleswig und Holstein und als solches Sprachrohr werden Sie mich begleiten. Dort, wo wir hinfahren, werden Sie umgehend die Gebrüder ihrer Suche treffen können. Das sollte Sie zufriedenstellen. Zudem hat der Herzog noch ein Wort mit Ihnen zu wechseln, was Sie sicherlich erfreuen wird. Ihre Dienste als Mann der rechten Entscheidungen könnten gebraucht werden." Er nickte halb abwesend zur Bestätigung und ging kurz in sich.

"Verwechseln sie mein Angebot nicht mit Gnade oder Güte, Donald. Da Sie ein Clansmann sind, weiß ich sehr wohl, dass Sie dazu gezwungen wären, Ihre Ehre zu verteidigen und eine Zeugin für die Beleidigungen gäbe es auch. Ich würde Sie zum Duell herausfordern und ich würde Sie schwer verwunden. Aber John Baker und der Herzog haben andere Plänen mit Ihren...außergewöhnlichen Fähigkeiten." Der schwarze Braunschweiger setzte eine Miene auf, die unmissverständlich klar machte, dass er es wahrlich bedauerte, das Duell nicht stattfinden lassen zu können von seiner Seite. "In einer Stunde geht eine Kutsche nach Gut Emkendorf. Dort werden Sie zusteigen und den Herzog treffen." Er zog einen Brief aus der Innentasche seiner Jacke und reichte ihm Donald. "Ihre Anweisungen von Baker."
Donald sah einen leicht verschmutzten Umschlag, welche jedoch noch versiegelt ist. Auf der Rückseite steht in gälischer Sprache. "Auf Beschädigungen achten und nicht in der Nähe anderer öffnen und lesen."
"Die Kutsche fährt auf der anderen Seite des Ufers um drei Uhr ab. Seien sie pünktlich, am besten reisen sie aus Gründen der Sicherheit mit Schwester Hermene. Einen guten Abend."
Der Braunschweiger zeigte zuerst auf die Nonne, die neben ihm stand, drehte sich dann jedoch auf den Absätzen um und setzte sich wieder an seinen Tisch und schwieg.
 1. Tartan
 2. Foulis Castle - Sitz des Clan Munro
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Karl Schreiber

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Casus Belli
« Antwort #108 am: 12.07.2011, 12:40:33 »
"Auf alle Fälle sollten sie, Herr Nobel, das Dokument gut verstecken. Auch wenn wir den Herzog nicht von dem in Kenntnis setzen, was wir wissen, so besteht immer noch die Möglichkeit, daß er in unserer Abwesenheit unsere Sachen durchsuchen lässt. Wie Carl schon sagte, ist dieses Schriftstück unser einziger Trumpf, den wir auf gar keinen Fall verlieren dürfen..."

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #109 am: 12.07.2011, 12:52:44 »
"Dem stimme ich uneingeschränkt zu, Herr Schreiber."

Nachdenklich rieb sich Alfred die Stirn. Die Frage nach der Sicherheit des Vertrags war eine, über die er sich schon längst den Kopf zerbrochen hatte. Er würde ihn natürlich nicht bedenkenlos aus der Hand geben, doch war er sich dessen bewusst, dass der Besitz des Dokumentes ihn selbst und seinen Bruder in mittelbare Gefahr brachte.

"Ich werde mich im Laufe des nächsten Morgens unverzügklich darum kümmern - wobei mir ein einheimischer Kieler vermutlich sehr zu helfen wüsste. Sagen Sie, wie verhält es sich mit den Banken hier? Oder arkane Geschäfte? Vielleicht lassen sich dort die notwendigen Mittel finden, das Dokument zu verwahren."
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Donald Munro

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Casus Belli
« Antwort #110 am: 12.07.2011, 13:11:49 »
Donalds Gesicht war ein offenes Buch. Erstaunen wich Wut, dann ein wenig Entsetzen und dann der Erkenntnis, vorgeführt worden zu sein. Dann begann er freundlich zu Lachen.

"Oh, da habt ihr mich aber ganz schön erwischt, mein Herr, und mir meine Grenzen gezeigt. Ihr seid ein Mann nach meinem Geschmack. Darum bin erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen."

Er deutete ein Verbeugung an und wandte sich dann an die Schwester am anderen Tisch. "Verzeiht meine Unhöflichkeit, ehrwürdige Schwester." Auch ihr gegenüber deutete er eine Verbeugung an. Er setzte sich an einen freien Tisch und fragte dann den Braunschweiger: "Wenn ihr der Besitzer seid, wer kann mir dann ein Bier und etwas warmes zu Essen bringen? Die Fahrt war beschwerlich."

Aus den augenwinkeln beobachtete er die Nonne und fragte sich, was sie hier zu tun hatte.

« Letzte Änderung: 12.07.2011, 13:12:11 von Donald Munro »

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #111 am: 12.07.2011, 23:32:22 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:38 Uhr - Gerd's Eck

Der Mann war bereits in Gedanken und schien Donalds lobenden Worte nur am Rande wahrzunehmen, er nickte dem Schotten jedoch zu.
"Wir haben nichts zu essen, wir sind eine Kneipe.", sagte der Braunschweiger in Gedanken versunken und blickte weiter in die Leere. Die Hände hatte er unter dem Kinn zusammengelegt, er betastete jeden seiner Finger einzeln, als wolle er ihre Beweglichkeit und das Gefühl in ihnen prüfen. "Bier können Sie trinken, so viel Sie auch immer wollen. Auch die restliche Flasche Genever[1] können Sie sich gönnen oder Wasser. Den Rest brechen Sie bitte nicht an."
Der Braunschweiger griff in die Tasche und holte einen, kleinen Holzstab hervor, aus einem Regel über sich friemelte er zwischen Gewürzbehältnissen und kleinen Krügen ein kleines Tintenfässchen aus Zink hervor. Aus einer anderen Tasche zog er ein leicht feuchtes Papier, welches er notdürftig über einer roten Kerze, welche er für diesen Zweck entzündete, zu trocknen begann.
"Wenn Sie keinen Proviant mehr haben, werden Sie bis Emkendorf noch hungern müssen. Aber Sie wissen ja, sieben Bier sind auch ein Schnitzel."
Mit geübter Hand steckte er eine Schreibfeder[2] auf den kleinen Holzstab. Sorgsam begann er auf den nun etwas trockenerem Papier zu schreiben, es wurde deutlich, dass er eine Doppelstrichfeder zum Schreiben nutze. Immer wieder tauchte die Feder in die Tinte ein, mit einem Stofftuch trocknete er den Kiel vorher jedoch immer. Er hatte ein sehr hochwertiges Schriftbild, auch wenn er in einer Sprache schrieb, welcher sowohl dem Schotten als auch der Nonne fremd war, auch wenn sie die Schriftzeichen als kyrillisch identifizierten. Trotz seines schönen Schreibstiles machte die Doppelstrichfeder das Schriftbild fast unlesbar, es würde sicherlich einige Mühe bedürfen, diesen Text zu lesen.

Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, der Regen draußen hatte nachgelesen und war in ein stetiges und ungemütliches Nieseln übergegangen. Vor allem aber hatte der Wind endlich seine Kraft verloren. Donald war endlich etwas getrocknet und die Schwester hatte geduldig gewartet, der schwarze Braunschweiger legte endlich die Feder aus der Hand und hatte das Papier beidseitig beschrieben. Sorgfältig pustete er nochmal darüber und nutzte ein zweites Blatt als Löschpapier, damit die Tinte sich nicht sammelte und das Schriftbild weiter verkomplizierte, dann endlich faltete er das Blatt doppelt und faltete aus einem zweiten Papier ein Umschlag für den Brief. Er träufelte etwas Wachs auf den provisorischen Umschlagrücken und kramte einen kleinen Petschaft[3] aus seinem unglaublichen Sammelsurium an Kleingegenständen, welche er in seiner Weste zu verstecken schien. Er drückte ein Symbol in das rote Wachs, welches grob an einen stilisierten Adler erinnerte. Er schob es Donald und Hermene zu. Sein Blick klarrte deutlich auf und er stand auch wieder auf. Er erklärte sich zunächst nicht, sondern säuberte seine Materialien und verstaute sie dann wieder in seiner Weste. Das Tintenfass stellte er wieder auf das Regal.
"Sobald einer von Ihnen beiden die Gelegenheit hat, wer auch immer diesen Brief übergeben will, reiche er dieses Schriftstück Emil Nobel. Achten Sie darauf, dass es nur dann geschieht, wenn ich weit von diesen Ereignissen entfernt bin. Öffnen Sie dieses Schriftstück nicht und versuchen Sie es nicht, das Schriftstück durch eine Kerze zu lesen. Kommt es in einem Stück an und ungelesen, wird es von höchstem Nutzen sein."
Mehr erklärte der Braunschweiger nicht und wimmelte auch alle Nachfragen brüsk ab, sollten sie gestellt werden. Stattdessen verwies er darauf, dass sie eine anstregende Reise durch die kalte, holsteinische Nacht vor sich hatten. Er nahm einen langen, schwarzen Militärmantel von der Garderobe und löschte alle Lichter der Kneipe, dann geleitete er Donald und Hermene nach draußen und verschloss den Laden. "Wohl wissend, dass Sich noch ausrüsten müssen, werte Schwester, werden wir Ihren Stift besuchen."
Gemeinsam brachen sie, schweigend, zum Treffpunkt auf und holten Hermenes Ausrüstung aus dem Stift.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:50 Uhr - Am Lazarett

Eine ganze Weile hatte die Besprechung der Studenten gedauert, die Unterredung darüber, wie man nun zu verfahren hatte und man hatte zumindest einen Konsens ganz gewiss finden können. Dieses omninöse Schriftstück hatte eine Brisanz, welche jeden gemeinen Mann in Ehrfurcht und Stammeln warf und vielleicht war es bei den Herren Nobel, von Lütjenburg, Schreiber und Rosenstock nicht anders gewesen, als sie sich gewahrten, was sie dort in ihrem Händen hielten. Eine ganze Reihe unschuldiger Männer hatte das Leben für dieses Schriftstück gelassen. Ein Schicksal, welches schwer auf dem jungen Emil lasten würde. Doch das war etwas, um das sich Alfred Nobel später zu kümmern hatte. Nachdem sie sich auf ein Vorgehen geeinigt hatten, ging es daran, sich ausreichend vorzubereiten. Man sprach sich ab, dass man gemeinsam zur Kutsche gehen würde. Carl bestand aus Sicherheitsgründen darauf, gerade da Alfred Nobel noch ein paar Worte mit dem Braunschweiger wechseln wollte, um etwas Zeit zu schinden. Wer wusste schon, mit welchen Brackwassern[4] der Braunschweiger nicht alles gewaschen war. Nicht, dass er Alfred und seinen bettlägrigen Bruder bedrohte und entführte.

Schnell waren die Studenten in alle Winde verstreut und sammelten ihre Habe und ihre Bewaffnung zusammen, denn nichts erschien wichtiger, als nicht zu unvorbereitet in die Begegnung mit seiner Durchlaucht zu gehen. Und auch Alfred nutzte die Zeit und fragte, während er Doktor Kern zusätzliche Medikamente zukommen ließ, herum. Der Doktor dankte Alfred überschwänglich, schließlich waren die Medikamente sehr gefragt und doch verbanden sich damit auch grausames Nachrichten. An Verkühlungen und Verwundungen, Entkräftung, Verbrennungen und Verätzungen waren noch weitere fünf Patienten innerhalb des Lazaretts verstorben. Siebenundzwanzig hatte man aus dem Wasser geborgen und damit, Alfred musste schlucken, hatten 124 Passagiere und Schiffsbesatzung den Tod im Meer oder durch die Explosionen gefunden. Der Schaden war horrend und Alfred hatte die komplette Ladung verloren und sein Bruder schien zumindest eine Art Schuld daran zu tragen oder zumindest eine gewisse Verantwortung, hatte er doch dieses unheilsame Schriftstück bei sich.

Alfred hatte einen bestimmten Zauber im Kopf gehabt, als er sich nach Möglichkeiten der Dokumentverwahrung erkundigte. Es wunderte keinen, dass ein Geschäftsmann, der sein Schiff verloren hatte, nach Möglichkeiten der Sicherung der restlichen Bestände fragte. Doktor Kern legte ihm die Sparkasse der Stadt Kiel nahe, welche jedoch erst am Montag wieder gegen 9 Uhr geöffnet haben würde. Auch weitere Geschäfte, von denen Alfred hörte würden erst wieder am Monat geöffnet haben. So hörte er von einem alten Schiffsfahrts- und Krämerlader, dessen Besitzer allerlei magisches Grimsgrams von seinen Reisen über die Meere mitbrachte, als auch von einem selbstständigen Mediziner, der allerlei magisches Zeug angesammelt hätte, aber von den Ärzten der Stadt eher als Scharlatan abgestempelt wurde. In Molfsee sollte es einen Druiden geben, der Relikte sammelte und ein sonderbares Interesse an Schriftrollen besaß. Aber, so musste Alfred erkennen, kristallierte sich als größtes Problem heraus, dass der heutige Tag ein Sonntag war. Es war ein Kirchen- und kein Krämertag. Es war beinahe zum Mäuse melken, denn so viel Zeit zu schinden, das würde beinahe unmöglich sein.
Als Alfred zu seinem Bruder zurückkehrte und die Suche beinahe aufgegeben hatte, fragte er schon fast zynisch, seit wann es an einem Sonntag in einem protestantischen Land nur noch die Kirche gäbe. Es war ein merkwürdige Entwicklung gewesen, war ein Kirchentag, ein Messentag, im Mittelalter noch ein Tag und ein Treffen höchster Geschäftligkeit, brachte man heute die Zeit damit zu, dass man dem Priester lauschte, was zwar manchmal erhellend war, aber Alfred in dieser Situation kaum weiterhalf. Aber ausgerechnet der Soldat hatte zumindest eine naheliegende Lösung, welche die Situation vereinfachen könnte.
Am nächsten Morgen, nach dem Gottesdienst, würde Oberstwachtmeister Widdendorp mit ein paar Soldaten eine Inventur der Lagerbestände machen, vielleicht könnte Alfred dort mitwirken und das Notwendige finden? Ohne dass Alfred das Gespräch in eine solche Richtung gelenkt hätte, sondern eher allgemein gefragt hatte, glaubte der Soldat sich daran erinnert zu haben, dass alle Diplomaten Preußens und Österreichs Geheimhaltungszauber auf Reisen mitnahmen und jede Garnison deswegen Schriftrollen bereithalten müsse. Das war zumindest die schnellste Chance, von der Alfred hörte. Für alle anderen müsste er zumindest die Sonntagsruhe der Besitzer stören. Damit Alfred über Emil wachen konnte, erklärte sich der Soldat sogar bereit, Alfreds Anliegen - an einem Sonntag magische Gegenstände zu erwerben[5] - dem Oberstwachtmeister vorzutragen.

Kurz darauf trudelten auch die Studenten wieder ein. Jene Studenten, welche sich gegen ein heißes Bad und ein kühles Bier im Unteroffiziersheim entschieden hatte. Jene Studenten, welche dem Schicksal noch nicht genug in den Schlund geschaut hatten, als sie auf dem Meer zwischen Tod und Feuer auf den Wellen ritten, um Menschenleben zu retten. Jene Studenten sahen bereits, dass auf dem Vorplatz eine große, schwarze Kutsche stand. Ein Monstrum von einem Gefährt, welches mindestens acht Passagiere fasste und von sechs, gut eingepackten, Schimmeln gezogen wurde. Sie war weitesgehend schnörkellos und zeigte keine besonderen Verzierungen oder Besitzmarken. Lediglich der silberne Totenkopf an der Tür verwies darauf, dass diese Kutsche im Privatbesitz des Braunschweigers oder im Besitz seiner alten Einheit war. Sie waren inzwischen bewaffnet und gewaschen, wieder ordentlich gekleidet. Es nieselte nur noch und der Wind war nur noch eine leichte, wenn auch kalte, Brise. Zusammen bewegten sie sich entschlossen auf die Kutsche zu.

6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 02:59 Uhr - Am Hafen

Der schwarze Braunschweiger war auch nicht alleine gekommen. Die merkwürdige, schattenumwobene Nonne, welche die Versammlung der Studenten gestört und sich mit Marius gestritten hatte, war beim Braunschweiger. Eine merkwürdige Entwicklung, wenn man bedachte, dass sie im Lärm der Kanonenschläge zuletzt in die Richtung des Altenstifts verschwunden war und vorher um Ruhe für die alten Menschen im Stift gezankt hatte. Neben ihr saß ein Schotte in einem typischen Kilt, er sah von Wind und Wetter inzwischen gegerbt und etwas mitgenommen aus, auf einem Pferd. Ein zusätzlicher Reiter, um die Kutsche abzusichern? Aber warum ein Schotte?
Der Braunschweiger ging wortlos an die Kutschentür und öffnete sie und verbeugte sich vor den Ankommenden. Er machte keinen Hehl daraus, dass er scheinbar mit einem gemeinsamen Erscheinen der Studenten und Alfred Nobels gerechnet hatte. Und man sah sofort, dass er unzufrieden war, sah er doch nicht alle Personen, an denen er ein ausgereiftes Interesse hatte.

In der Nähe standen mehrere Personen, vielleicht zehn, welche definitiv nicht den holsteiner Soldaten zuzuordnen waren und scheinbar zur Absicherung des Braunschweigers hier waren. Hermene erkannte einen besonders großen und furchtbaren Mann wieder. Es war Peter, der Mariner mit den unglaublich ungeformten Muskelbergen, welcher mit seiner bloßen Gestalt größte Grobschlächtigkeit annehmen ließ. Viel grobschlächtiger als die Studenten Paul empfanden. Die anderen waren schwer zu sehen, standen relativ weit abseits und in den Schatten, der inzwischen wieder entflammten Laternen, welche den Hafen nun etwas besser ausleuchteten. Die Kutsche stand unter solch einer Laterne.

"Bedauerlicherweise bemerke ich eine krumme Zahl. Es ist unserem letzten Gast doch hoffentlich nichts zugestoßen?", fragte der Braunschweiger, während er sich von der Tür entfernte und ein paar Schritte auf die Studenten und Alfred zuging. "Darf ich vorstellen?" Er schnipste mit den Finger und zeigte auf die Nonne und den Schotten. "Schwester Hermene und Donald Munro. Ihre Reisegefährten für die Fahrt nach Emkendorf."
Er begann süffisant zu lächeln, als er sah, dass die Studenten inzwischen bewaffnet waren. Ihm schien ein Gedanken zu kommen.
"Sehr interessant. Halten Sie, werte Studenten, Ihre Bewaffung für Ihr Ehrenrepertoir oder darf ich annehmen, dass Sie an Ihrer Unversehrtheit zweifeln? Oder wollen sie Zeichen setzen und zeigen, dass Ihre Unterwerfung von solcher Bedeutung ist, dass sie Ihre Waffen vor seiner Durchlaucht niederlegen, statt nur die Parlamentärsflagge[6] der Freundschaft zu schwenken?"
Er deutete auf die Tür und deute abermals eine Verbeugung an.
"Aber zuerst werden Sie mir natürlich erklären, warum Sie nicht vollzählig sind, nicht wahr?" Es war eine schwere Situation, auch für ihn, schließlich stand er jetzt relativ ungeschützt, nur nahe seiner Kutsche, zwischen potentiellen Feinden. Menschen, deren Zugehörigkeit er nicht genau kannte. Er hatte dennoch eine beneidenswerte Selbstsicherheit, die er an den Tag legte, als würde er wissen, dass alle Reisegefährten selbst nicht wussten, wie sie zueinander standen. Sein Blick gewann etwas Ernstes, als würde er mit allem rechnen, auch mit einem Angriff.
 1. Genever
 2. Schreibfeder
 3. Petschaft
 4. Brackwasser
 5. Ich bin davon ausgegangen, dass Alfred in seinen Fragen wenig spezifisch sein würde, um nicht zu viele Informationen preiszugeben.
 6. Parlamentärsflagge
« Letzte Änderung: 13.07.2011, 00:31:59 von Menthir »
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Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #112 am: 13.07.2011, 13:08:56 »
Die Hände des Schweden waren hinter seinem Rücken verschränkt, eine Haltung, die einige der Anwesenden bereits bei ihm beobachtet hatten. Es war eine offene aber reservierte Geste, wie auch Alfred dem Braunschweiger gegenübertrat. Zwar war er bereit, sich das Angebot anzuhören, doch die Situation war zweifellos verhandlungsnotwendig. Erwartungsvoll blickte Alfred den Braunschweiger an. Natürlich hatten die holsteiner Studenten ihm von der Erscheinung des Boten erzählt, doch sein persönlicher Anblick überraschte den Schweden dennoch. Die unverhohlene Selbstverständlichkeit, mit der der Braunschweiger seine Erwartungen an die unfreiwillig zu Gästen berufene Persönlichkeiten stellte machte keinen sonderlich guten Eindruck auf den Unternehmer.

"Obwohl ich es schon beschlossen hatte, würde ich es mir jetzt gar drei Mal überlegen, in die Kutsche einer solchen Gestalt zu steigen!"

Alfreds erwartungsvoller Blick blieb, seine Augenbrauen hoch gezogen, versuchend den müden Ausdruck zwanghaft zu verbergen. Fast demonstrativ wendete er den Blick von dem Boten ab, um die gerade eben vorgestellten zu begrüßen. Die restlichen Männer ignorierte Alfred bewusst, auch wenn ihm der Gedanken nicht gefiel, dass nun ganze elf Männer in der Lage sein konnten, ihren Willen sogar mit Gewalt durchzudrücken.

"Schester Hermene, Mister Munro, eine angenehme Nacht wünsche ich Ihnen, mein Name lautet Alfred Nobel." Mit leicht zittrigen Fingern zog Alfred die Uhr aus seiner Westentasche und warf einen Blick drauf. Anerkennend stieß er ein kurzes Seufzen aus, als er sah, dass es nun gar mitten in der Nacht war. "Ich hoffe sehr, dass die Reise nach Emkendorf auch in Ihrem eigenen Interesse liegt, denn leider wird die Reise vermutlich das Wahrwerden meiner Wünsche reichlich erschweren." Langsam steckte Alfred seine Uhr weg und ließ seinen Blick für einige wenige Momente auf den beiden so grundverschiedenen Begleitern ruhen. Es schien, als ob sein Blick Besorgnis aufwies und indirekt die Frage stellte, "Sind Sie sich sicher, dass die Reise mit einer solchen Person eine gute Idee ist?"

Die Hände wieder hinter dem Rücken versteckt wandte sich Alfred wieder dem Braunschweiger zu. Mit gefasster und geschäftlicher Stimme sprach der Schwede weiter.

"Ich habe die mündliche Nachricht über Ihre Einladung erhalten, Herr von Braunschweig. Ich gehe davon aus, dass Sie eine offizielle schriftliche Einladung des Herzogs bei sich haben, ich nehme sie gerne entgegen. Aber bitte tragen Sie doch auch das Anliegen Ihres Adressanten persönlich vor. Angesichts der heutigen Ereignisse möchte ich meine Neugier über die Botschaft des Herzogs nicht verbergen."

Ruhig begann Alfred das Gespräch. Die Forderung des Braunschweigers, sich zu erklären, ließ Alfred bewusst fallen. Er nahm sie als eine Art diplomatischen Faux Pas wahr, würde jedoch auf die Forschheit eingehen, sollte der Braunschweiger darauf bestehen.
« Letzte Änderung: 13.07.2011, 14:20:25 von Alfred Nobel »
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Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #113 am: 14.07.2011, 00:15:50 »
Carl hatte sich zu Hause einigermaßen gerüstet. Unter seiner Uniform trug er ein feingliedriges Kettenhemd von elfischer Machart, das so geschmeidig war, dass es kaum auftrug. Bewaffnet hatte er sich mit seinem Revolver[1] und dem Offizierssäbel[2]. Die Blankwaffe war schlicht und ohne Verzierungen, beinahe die eines Gemeinen, jedoch war sie von überragender Machart und mit Magie durchwirkt.

Seinen dunkelblauen Mantel trug er offen und mit hochgeschlagenem Kragen, unter dem jedoch die hohen roten Kragenspiegel seiner Uniform deutlich hervorlugten. Immer wenn der leichte Wind seinen Mantel erfasste konnte man eine Art Orden an einem orange-weißen Band an seiner linken Uniformbrust erkennen[3]. Auf dem Kopf trug er den Helm mit Spitze[4], Symbol der preußischen Armee schlechthin, etwas verwegen leicht in die Stirn geschoben.

In dem für seine Kommilitonen ungewohnten Aufzug schien Carl gleich noch eine Nuance schneidiger als sonst schon zu wirken und auch seine Körperhaltung war deutlich straffer und angespannter als gewöhnlich.

Als Carl Schwester Hermene erblickte konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Kurz nickte er dem Schotten zu und wand sich dann wieder der Nonne zu "Haben Sie inzwischen schon für mich gebetet, Schwester? Nach den bisherigen Geschehnissen wäre ich geneigt Ihrem Tun eine Wirkung zu attestieren." er blickte zum schwarzen Braunschweiger und sein Gesicht versteinerte augenblicklich"Vielleicht aber auch nicht..."

Ob der Braunschweiger wusste, dass die Studenten schon mit der Schwester bekannt waren? Ob es ihn aus dem Konzept bringen würde?

Als der Braunschweiger sich so hochtrabend über ihre Bewaffnung äußerte kam Carl ein Gedanke. Zwar ärgerte ihn die Art seines Gegenübers in hohem Maße, aber offensichtlich gefiel er sich auch sehr gut in ihr. Zumindest schien es jedoch seine Methode der Wahl für solche Dinge zu sein und er musste sehr genau wissen, in welcher Weise er damit auf seine Mitmenschen wirkte.

Auch die erste Begegnung mit dem Mann hatte gezeigt, dass dieser sich mit einem gewissen Enthusiasmus über andere erhob und sich ihnen in seinem Spott überlegen wähnen wollte. "Eine Kostprobe von der eigenen Medizin vielleicht?" dachte sich Carl.

"Meine Bewaffnung ist für Sie nicht von Interesse, es sei denn sie legen einen so großen Wert darauf, dass ich sie zu Ihrem Interesse mache. Wobei immer noch zu bezweifeln bleibt, dass sie dazu überhaupt befähigt sind, wenn sie nicht mal einen Namen ihr Eigen nennen möchten." in Carls Stimme schwangen der Stolz des Hauses von Lütjenburg und des gesamten preußischen Offizierskorps mit, doch nicht ohne Berechnung.

"Aber zu ihrer Information und zu ihrem Seelenfrieden: Ich fürchte nicht um meine Unversehrtheit. Ich darf sogar sagen dass ich recht gut darin bin unversehrt zu bleiben und auch meine Gefährten und Mitmenschen-" er blickte probehalber freundlich zu Donald und Hermene herüber, denn wer wusste schon, wie die Loyalitäten hier verteilt waren, und wies mit seiner rechten Hand zu seinen Kommilitonen und Alfred hinüber "-vor Schaden zu bewahren."

Carl positionierte sich scheinbar ganz unbewusst ein wenig anders, so dass der Wind nun dauerhaft den linken Teil seines Mantels zur Seite wehte. Somit war nun der Blick auf seinen scheinbar gewöhnlichen Säbel unverdeckt und an seiner Brust blitzte hell die silberne Medaille. "Darüber hinaus eine kühne Theorie, die Sie uns da entgegenschieben, wo Sie doch mit einer halben Korporalschaft hier erschienen sind."

Carl blickte sich zum ersten Mal richtig um und musterte die nächtlichen Gestalten in der Umgebung, offensichtlich nicht beeindruckt. Dann sah er wieder den namenlosen Mann an und blickte freundlich bis gütig "Keine Angst mein Herr, sie haben keinen Grund um ihre körperliche Unversehrtheit zu fürchten. Es wird nicht nötig sein, dass man sie verteidigt." Carls Ton wurde eine Nuance überheblicher und er gestattete sich ein wissendes Lächeln. Vor ihm stand ein Mann der sich von anderen verteidigen ließ. Und dieser Gedanke stand nun in seinem Gesicht.

Carl hoffte, dass er es geschafft hatte den Braunschweiger zu treffen. Ihm seine Überlegenheit in der er sich so gerne aalte für einen Augenblick zu nehmen und ihm ein Stück weit vor allen hier versammelten der Lächerlichkeit preis zu geben. Ein ganz kleines Stück würde vielleicht schon reichen, so dass sein Gegenüber vom wirklichen Geschehen abgelenkt war und unachtsam wurde. Alfred würde so vielleicht ein leichteres Spiel haben und der Braunschweiger würde Carl wahrscheinlich als streitlustiger Einschätzen, als er es tatsächlich war.

In jedem Fall würde der Mann aber durch seine Reaktion einen Teil von sich offenbaren müssen, was Carl und seine Gefährten zwar nicht vollends in eine vorteilhaftere Position bringen würde, aber immerhin ein paar Schlüsse zulassen könnte.
 1. Colt Navy 1860
 2. Preußischer Infanteriesäbel M1818
 3. Medaille
 4. Helm mit Spitze

Donald Munro

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Casus Belli
« Antwort #114 am: 14.07.2011, 13:23:39 »
Donald saß auf seinem Pferd und ritt bei der Kutsche, jedesmal, als sich einer vorstellte, entgegnete er: "Es freut mich, ihre Bekanntschaft zu machen." Und so beobachtete er wortlos die Situation. Der Braunschweiger war nicht zufrieden, das konnte man ihm ansehen. Und er bekam harte Worte zu hören, etwas, was ihm sicherlich auch nicht passte.

'Das könnte interessant werden, ich werde sehen, wie sich die Dinge entwickeln und dann zahle ich es ihm heim.'

Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #115 am: 14.07.2011, 14:59:41 »
"Eine angenehme Nacht wünsche ich ihnen Schwester und Mister Munro."

Zum schwarzen Braunschweiger gewandt, bemerkt Conrad dann noch folgendes: "Ich trage meine Bewaffnung mit dem Stolz eines Ehrenmannes, Herr Braunschweiger. Ich glaube nicht, dass ich tatsächlich aktiv von meiner Bewaffnung Gebrauch machen muss. Aber ich dachte, dass sie uns hier alleine erwarten würden, Herr Braunschweiger. Offenbar habe ich mich da geirrt, wenn ich mich so umschaue."

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #116 am: 14.07.2011, 21:34:31 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:02 Uhr - Am Hafen

Einen Augenblick, einen ganz kurzen Augenblick zögerte der Schwarze Braunschweiger, scheinbar überrascht über das forsche Auftreten der Studenten, obgleich er mit solch einem Verhalten durchaus geplant hatte. Doch dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, er hatte augenscheinlich einen Ansatz gefunden, wie er mit dieser Situation umzugehen hatte. Um ein Haar hätte Carls Art und Weise des Auftrittes den Braunschweiger aus dem Tritt gebracht. Er ließ der Tür los, nachdem er sicher gegangen war, dass der Wind sie nicht zuschlagen würde. Doch der Wind blieb ruhig, obgleich es immer noch sehr kühl war. Kiel war im einem russischen Tiefausläufer gefangen, nicht was einem Alfred Nobel fremd gewesen wäre. An allen anderen konnte man ebenfalls kein Frieren ausmachen, welches jedoch nicht an der jeweiligen Härte, sondern an der angespannten Situation liegen mochte.

"Natürlich, Herr Nobel, habe ich eine schriftliche Einladung für Sie. Ich dachte nur, dass ich Ihnen die Unannehmlichkeit, die Peinlichkeit der Situation erspare und Sie durch die Herren gleich einlade. Ich habe mir beinahe gedacht, dass Sie auch weiterhin gemeinsam den Abend verbringen würden und wie ich sehe, war meine Einschätzung der Situation nicht gänzlich falsch. Jedoch bin ich verwundert, dass Sie sich noch nicht gedacht haben, welche Art Ihre Einladung haben würde.", er wischte sich die Nieseltropfen von den Schultern. "Oder vielleicht haben Sie das und setzen jetzt das stoische Gesicht des Geschäftsmannes auf." Jetzt unter den Licht der Laterne konnte Carl auch endlich erkennen, dass sein feiner, schwarzer Zwirn tatsächlich ein militärischer Anzug war. Und zwar passte nicht nur seine Mütze mit dem silbernen Totenkopf, auch alles andere entsprach perfekt der Anzugsordnung, wie Carl sie auf Schaubildern gesehen hatte. Genauso lief ein Mitglied der Schwarzen Schar[1] herum. Er konnte anhand des schwachen Lichtes nun auch erkennen, dass die Kragenspiegel und die Biese in blauer Farbe war. An der Seite baumelte eine blaue Ehrenkordel. Carl schaute nochmal hin. Der Schwarze Braunschweiger trug eine Uniform, die darauf schließen ließ, dass er im Rang ein Major sein musste, oder anders ausgedrückt, er trug denselben Rang wie van Widdendorp. Oberstwachtmeister. Seine typisch soldatischen Bewegungen, die Carl bei der ersten Begegnung bereits erkannt hatte, passten zu seiner Kluft.
"Aber wenn Sie so sehr darauf bestehen, will ich Ihrer Bitte nachkommen. Aber seien Sie bitte nicht enttäuscht, dass Ihr Name in diesem Dokument nur an dritter Stelle steht."

Er zog eine Ledermappe aus seiner Oberjacke und öffnete sie, hielt sie so in den Wind, dass der Nieselregen die Innenseite nicht benässen konnte. "Möchten Sie, dass ich es verkünde, Herr Nobel? Ich kann Ihnen jederzeit anbieten, wie ein alttreuer Herold die Schriftstücke seiner Durchlaucht zu präsentieren. Aber wie gesagt, ich will Ihnen alle notwendigen Peinlichkeiten vor fremden Menschen ersparen. Darum erlauben Sie mir, es Ihnen auszuhändigen." Bestärkt durch die Worte der Gäste, dass sie ihn nicht angreifen würden, macht er die Schritte auf Alfred zu und drückt ihm das wieder geschlossene Ledermäppchen in die Hand.


"Sie werden einsehen, dass es keine feierliche Einladung ist, aber immerhin. Sie sehen ebenso ein, dass ich die Einladung gleich wieder zurückbrauche. Ihr Bruder wird sie ebenso sehen wollen. Und genau dort waren wir stehengeblieben, Herr Nobel. Geht es Ihrem Bruder etwas besser?" Das Lächeln des Braunschweigers gewann wieder diese widerliche Süffisanz, er blickte zur Seite und Carl von Lütjenburg in die Augen. Er nahm sich die Zeit, da er glaubte, dass Alfred Nobel einen Moment brauchen würde, um diese Information zu verdauen. Er zog seine schwarzen Handschuhe straff und wischte die Feuchtigkeit von ihnen.
Ein paar Sekunden musterte er Carl in dessen stolzen Aufzug und lächelte dann, nahm jedoch die Süffisanz aus dem Lächeln.
"Herr Leutnant. Ich darf doch bitten. Dass Sie keinem Säbelrasseln ausweichen wollen, das kann ich wohl sehen. Ich habe Ihren Wagemut eben auf der aufgepeitschten Förde bereits bewundern dürfen, ich werde forthin nicht daran zweifeln, dass Sie ein Freund der Kühnheit sind. Sie sind ein preußischer Recke, dessen Tage in der Uckermark[2] so prägend waren, dass Sie noch immer der Hafer sticht. Daran zweifeln auch Ihre Freunde sicher nicht."
Er war ein wenig kleiner als Carl, weshalb er ein wenig nach oben schauen musste. Der Größenunterschied störte denn schwarzen Braunschweiger jedoch nicht im Geringsten. "Bei aufgepeitschter See können Sie immerhin erahnen, welches Schicksal Ihnen blüht. Bei einem Ihnen unbekannten Soldaten, da ist es nicht ganz so einfach. Das würde nach Ihren Worten also bereits reichen, um meinen Schutz zu gewährleisten. Sagen wir es so, Herr Leutnant. Da ich nach wie vor davon überzeugt bin, wie auch vor drei Stunden, dass Sie keine Ahnung davon haben, wo Sie hier überhaupt mit Ihrem Verhalten reingeraten sind und Sie deswegen zwangsläufig, ungeachtet Ihrer großartigen Fähigkeiten, zu Irrschlüssen kommen müssen, die Ihr Verhalten mir und der Bitte seiner Durchlaucht gegenüber beeinflussen muss, war es mir nur eine Vorsichtsmaßnahme, dass ich einige Bekannte mit zu unserem Treffen gebracht habe. Ich bin mir Ihrer herausragenden Schutzfunktion bewusst, Sie halten sie mir ausreichend unter die Nase, als Tat und als Lob in Medaillenform. Aber dass Sie diese Funktion ausüben können, bedingt meine Vorsichtsmaßnahme." Jetzt kehrte das Überhebliche zurück in sein Antlitz. "Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Leutnant von Lütjenburg. Ich glaube nicht, dass Sie mir im Duell ebenbürtig wären. Aber auch ich weiß darum, dass ich mich nicht teilen kann, um an allen Orten gleichzeitig zu sein. Je nachdem, wie sich dieses Gespräch weiterhin verhält, wäre es also möglich, dass ihre Freunde eine Flucht in Erwägung ziehen könnten. Angespornt von Ihrem Irrglauben, Herr Leutnant, angespornt von der Abneigung meiner Person gegenüber, und angesport vom eigenen Irrglauben oder schlichtweg der eigenen Angst. Und sollten Sie in diesem Moment mir mit Ihrem Säbel gegenübertreten, Herr Leutnant, um Ihren Freunden einen Vorteil zur Flucht zu verschaffen und jene sich auch noch auf die ganze Stadt Kiel verteilen, dann ist es auch mir unmöglich, alle gleichzeitig wieder dazuzubringen, der Einladung seiner Durchlaucht nachzukommen." Er blickte alle Studenten, Alfred, die Schwester und den Söldner nacheinander an. "Sie sehen, es liegt mir fern, mich mit Ihnen zu streiten. Gleichwohl kann ich verstehen, wenn Ihnen meine Gestalt, mein Rang, mein Auftreten und Gebaren oder die Ehre, dass seine Durchlaucht persönlich Sie empfängt, Unbehagen bereitet. Sollten Sie daraus Trugschlüsse ziehen, habe ich die notwendigen Vorbereitungen getroffen, dass es nicht zu bösem Blut oder unüberlegten Taten kommt. Und damit sollte auch klar sein, warum Sie sich in Ihrer Annahme, ich würde alleine erscheinen, irren mussten, Herr Rosenstock." Damit war klar, er kannte die Namen aller anwesenden Studenten, obwohl nur Carl sich in der ersten Begegnung vorgestellt hatte.
Die Gestalt, welche sich am dichtesten in der Nähe des Braunschweigers - etwa in fünfzig Metern Entfernung - aufhielt, war ein Bär von einem Mann. Er trug trotz des kalten Wetters nur kurze Hose und ein zu kurzes Hemd. Seine Muskeln waren widerliche und unnatürliche Fleischberge, die nicht wie Muskeln geformt aussahen, sondern wie zertretenes und dann beinahe erstarrtes Fleisch. Sein zweifarbiges Hemd war klitschnass und Adern traten sichtbar an seinem Hals und seinem Kopf auf. Der Braunschweiger gab ein Handzeichen und der sonderbare Mariner verdoppelte seine Entfernung. Der Major drehte sich wieder zu Alfred und hielt auffordernd die Hand auf. "Ich darf um das Dokument bitten, Herr Nobel?"
 1. Schwarze Schar
 2. Uckermark
« Letzte Änderung: 14.07.2011, 22:33:29 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #117 am: 15.07.2011, 01:43:30 »
Alfred Nobel stockte der Atem. Er konnte von Glück sprechen, dass sich der Braunschweiger wieder den Studenten zugewandt hatte, als er seine Fassung verlor. Die Augen des Schweden waren groß und das Gesicht bleich. Die Lippen des Wissenschaftlers begannen zu beben, seine Finger folgten mit einem unaufhaltsamen Zittern. Der Haftbefehl änderte alles. Zwar war es für Alfred ein Rätsel - ein gar undenkbares Ding der Unmöglichkeit! - wie viel der Herzog über ihn und seinen armen Bruder wusste, und noch viel eher, dass Friedrich es wissen konnte, bevor Alfred es überhaupt erst tat. Doch wenn Alfred ehrlich war, spielte dies in dieser traurigen Nacht keine Rolle mehr. Der Schwede hielt nach wie vor an seiner ersten Einschätzung fest; was er brauchte, war Zeit. Zeit um hinter die Geschehnisse zu kommen, Zeit, um zu verstehen, was für ein unglaublicher Herzog das war, der scheinbar über die ganze Welt zu informiert sein schien, während er wie ein geschlagener Hund umhergetrieben wurde.

Als der Braunschweiger das Dokument zurückverlangte, reagierte Alfred zunächst nicht. Wie betäubt stand er im Regen, doch sein Verstand arbeitete bereits. Er ging alle ihm möglichen Optionen durch, musste jedoch ernüchternd feststellen, dass ihm so viele nicht mehr blieben. Sein Koffer stand in Emils Zimmer im Lazarett, war verschlossen und unter dessen Bett verstaut. Wenigstens trug er es nicht bei sich.

"Ver-... künden Sie es."

Alfred Stimme war trocken und erstickt, als er dem Braunschweiger den Befehl zurückreichte, ohne dabei den Blick zu heben oder ihn anzuschauen. Mühselig zwang er sich dazu, die Arme wieder hinter seinen Rücken zu legen, doch seine Haltung war bereits in sich zusammengefallen und hatte nichts mehr von dem jungen, aufstrebenden Unternehmer. Fieberhaft dachte er nach, als er darauf wartete, die quälende Stimme des Braunschweigers durch den Wind zu hören.
But I have learned to study Nature’s book
And comprehend its pages, and extract
From their deep love a solace for my grief.

 - A Riddle, 1851

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #118 am: 15.07.2011, 09:02:47 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:03 Uhr - Am Hafen

Der Braunschweiger schaute überrascht, als er sich der Situation gewahr wurde, dass Alfred Nobel wollte, dass er diese Einladung laut verkündete. Er schürzte kurz die Lippen und nickte anerkennend. "Sehr mutig, Herr Nobel. Hätten Sie es anders gewollt, hätte ich Ihnen diese Peinlichkeit erspart. Aber da Sie sich deswegen nicht beschämen, werde ich abermals Ihrer Bitte nachkommen."
Er nahm das Schriftstück an sich und ging wieder ein paar Schritte auf die Kutsche zu, sodass jeder ihn gut hören konnte, ohne dass er über den halben Hafen brüllen musste. Er sprach so laut, dass jeder ihn ausreichend hören konnte, doch nicht so laut, dass auch die letzten Arbeiter, welche die letzten, glimmenden Trümmer der Solros aus der Förde bargen, es hören konnten.

"Datiert ist das Schriftstück auf den zweiten Dezember diesen Jahres.

Mandat d'arrêt
Warrant of Arrest
Haftbefehl

Beschuldigt des Diebstahls königlich-herzöglicher Verträge und damit des Hochverrats ist der Dissident Marius Pedersen.
Beschuldigt des Kaufes und zur Anstiftung zum Diebstahl der gestohlenen Dokumente ist der schwedische Fabrikantensohn Emil Oskar Nobel.
Beschuldigt der Behilfe zum Kauf und zum Schmuggel der Dokumente ist der schwedische Fabrikantensohn Alfred Bernhard Nobel.

Alle drei Personen sind (mit[1]) dringenst zu verhaften und zu internieren. Bei Fluchtversuchen ist Gewalt nur im Rahmen der groben Unversehrtheit zu billigen.

Dieses Dokument ist den zu Verhaftenden vorzuzeigen. Dieses Dokument gilt als Zugangsbrief für die Informationsarchive der hilfsbereiten PGP.

Unterzeichnet und gesiegelt von Friedrich VIII. von Schleswig und Holstein."


Der Braunschweiger verzichtete auf Übertonungen und las den Haftbefehl realtiv regungslos vor. Er verzichtete auf übertriebene Gesten und Mimiken. Er rollte das Mäppchen zusammen und schob es wieder in die Innentasche seiner Jacke.
"Ich sehe, dass dies schwere Tage für Sie sein müssen, Herr Nobel. Darum bitte ich Sie sogar eindringlich dazu, mir endlich zu beantworten, was mit Ihrem Bruder ist. Die Solros zerstört, der Bruder verwundet und dann noch ein Haftbefehl. Ich bitte Sie eindringlich darum, mitzukommen und dem Herzog das Gespräch zu lassen. Sie sehen, warum ich Ihnen lieber eine indirekte, unpersönliche Einladung überreicht habe."
Er blickte an Alfred vorbei und dann zu den Studenten, Schwester Hermene und Donald Munro.
"Sie dürfen einsteigen. In der Kutsche warten keine Königskobras. Das einzige, was Sie alle erwartet, ist eine unbequeme Fahrt. Obgleich es Ihnen offen stelle, Donald, ob sie mit der Kutsche fahren und ihr Pferd mitgeführt wird oder Sie es bei diesem Wetter selbst nach Emkendorf bringen."
Er stellte sich wieder an die Tür und hielt sie offen.
 1. Könnt ihr in Gedanken streichen. Der Spielleiter hat nicht aufgepasst beim Schreiben.
« Letzte Änderung: 15.07.2011, 09:08:54 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #119 am: 15.07.2011, 09:41:13 »
Schweigend ließ Alfred die Anklage über sich ergehen. Als der Name seines Bruders und sein eigener aufgerufen wurde, nickte er kurz, als ob er die Anwesenheit bestätigen wolle, was im Falle Emils offensichtlich nicht ganz richtig war. Als das Schriftstück endete, hob Alfred zum ersten Mal wieder das Haupt. Sein Blick war verbittert, doch hatte sich Alfred wieder gefasst.

"Was würde ich jetzt nur für ein ruhiges, erholsames Bett geben?"

Dass der Braunschweiger seine Überheblichkeit fallen ließ, fiel dem Schweden auf. Sicherlich hatte dies etwas zu bedeuten, waren dies die einzigen Momente, in denen man dem schwarz uniformierten ein gewisses Verhalten entsprechend seiner Aufgabe abnehmen konnte. Doch es fiel dem Schweden schwer, sein Gegenüber in nur irgendeiner Form zu deuten.
Als Alfred zu sprechen begann, war seine Stimme leise, die Worte kamen langsam. Trotzdem gelang es ihnen durch den windigen Niesel über den Platz zu dringen.

"Sie haben Recht, Herr von Braunschweig, die Ereignisse sind äußerst lähmend. Doch ich will mich der Anklage fügen, jedenfalls so weit, bis die Unschuld meines Bruders und meiner Person geklärt ist."

Ein trauriger Blick schimmerte von Alfred dem Braunschweiger entgegen. Wenn sein Gegenüber überhaupt in der Lage war, Empathie zu empfinden, dann wäre der Anblick des bezwungenen Schweden mittlerweile genug, um ein kurzes Gefühl des Mitleids zu erregen. Alfred löste den Klammergriff seiner Hände hinter dem Rücken, straffte seine Hose, seinen Paletot und rückte die kleine schwarze Fliege zurecht. Zaghaft rieb er sich die Handgelenke, als er mit etwas kräftigerer Stimme weitersprach.

"Ich verzichte auf Widerstand, verweigere aber jegliche Aussage über meinen Bruder, meine Person oder meinen Besitz, ehe mir nicht ein Advokat gestellt wird. Ich füge mich dem Holsteinischen Gesetz."

Langsam reckte Alfred seine zu Fäusten geballte Hände nach vorne, legte die Knöchel zusammen und sah dem Braunschweiger tief in die Augen. Ob Alfred tatsächlich mit Schellen zu rechnen hatte, wusste er nicht, aber die Geste war ohnehin eher symbolisch als praktisch.

"Herr Leutnant Carl Heinrich von Lüttjenburg," plötzlich wandte Alfred dem Braunschweiger den Rücken zu, obwohl seine letzten Worte offensichtlich an ihn gerichtet waren, und streckte seine Hände dem Studenten entgegen. "In Ihrer Funktion als Diener des Holsteinischen Landes ist es ihre Pflicht, mich in Gewahrsam zu nehmen und in das nächstliegende Gefängnis zu bringen. Ich erwarte eine sichere Überführung in die Kasernenzellen Kiels."
« Letzte Änderung: 16.07.2011, 14:08:02 von Alfred Nobel »
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 - A Riddle, 1851

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