Das unterdrückte Kichern der jungen Weiber verstummt rasch wieder, als auch sie ihren Dämpfer von Tristan bekommen. Sie nicken alle pflichtschuldig. Es war ja nicht bös gemeint, sie wissen schließlich, dass Mann und Weib eine Schicksalsgemeinschaft sind, wollen ihren künftigen Männer gewiss gute Weiber sein... doch eine kleine Neckerei hier und dort, der ist schwer zu widerstehen, lassen sich doch auch die jungen Burschen selten zweimal bitten, auf ihre Kosten zu scherzen. Der Ernst, mit dem Tristan seinen Vortrag hält, löst wohl bei den Zuhörern immer wieder unwillkürliche Anstrengungen aus, es ihm gleichzutun, doch es bleibt dem Skalden der Eindruck, dass die jungen Leute in ihrer Unbekümmertheit wohl erst noch durch die harsche Schule des Lebens werden gehen müssen, ehe sie die volle Tragweite all seiner Worte recht erfassen können. Selbst bei seiner Lîf kann er sich nicht sicher sein, wie reif sie wirklich schon ist. Gewiss, sie ist nach gültigem Brauch allemal alt genug, einem Mann beizuwohnen, ihm Kinder zu schenken und seine Güter zu verwalten. Indes, sie ist noch nicht lange dem Mädchenalter entwachsen, und wie sie so inmitten der jungen Weiber steht und sich offenbar immer besser mit ihnen zu verstehen beginnt, nun... vielleicht ist es ja auch ihre jugendliche, frische Art, die ihn anzieht: ein wenig unbedarft, ungestüm, naiv sicherlich, aber auch unverdorben und weit entfernt von der oft mürrischen Art alter Matronen. Nur so wankelmütig und hitzköpfig...
Er bleibt, zu seinem Ungemach, ausgerechnet vor jenem Feuer stehen, an dem sich die Weiber versammelt haben, und schaut beim Aufblicken Lîf fast direkt in die Augen. Sie sieht ihn aufmerksam an, runzelt die Stirn leicht, als er sich merklich windet
[1] – ist ihm etwa peinlich, was nun folgt? ...ihretwegen?! Sie wundert sich zunächst nicht wenig, hat er diesen Vortrag doch nach ihrem Wissen schon viele Male gehalten. Doch je länger er redet, desto deutlicher glaubt sie zu wissen, warum er zögert. Natürlich: Hier verkündet er Regeln, die nur von Männern ersonnen und zu Gesetzen erhoben worden sein können! Alle möglichen Formen von Rechten, die ihnen erlauben, ihr Vergnügen bei vielen Weibern zugleich zu suchen! Sie schnaubt wütend, als sie sich umsieht. Die anderen Weiber schweigen, blicken zum großen Teil zu Boden, wohingegen die Burschen am Nachbarfeuer wieder grinsen wie die Honigkuchenpferde – natürlich! Der Rotschopf verschränkt die Arme und schürzt unwillig die Lippen. Kebsehe – ha! Eine legale Möglichkeit für den Mann, unter viele Röcke zu kriechen! Und sein Weib?! Das muss natürlich zufrieden und dankbar sein, wenn es davon Mitteilung erhält, denn mehr steht ihr ja nicht zu! Obwohl sie geahnt hat, dass diese Sitte, die es auch in Fersland gibt, unter den raubeinigen Piraten hier auf den Inseln kaum gerechter geregelt sein konnte, fühlt sie doch Enttäuschung.
Vielleicht, weil ihr bewusst wird, dass auch für sie nun derlei gilt: Wenn es Tristan einfällt, dass er Bedürfnisse hat, die sie nicht befriedigen kann, so muss sie ihn schweigend gewähren lassen, falls er ihr verkünden sollte, dass er sich zwei oder auch drei Kebsen nimmt. Ungerecht! Ungerecht und dreimal ungerecht! Hat die Große Mutter den Weibern nicht die heilige und wichtige Pflicht auferlegt, das junge Leben in ihrem Leib auszutragen, hat ihnen damit Schmerzen und Ungemach aufgebürdet, die ein Mann niemals kennenlernt?! Und fügen sich die Weiber nicht dieser Pflicht willig, werden sie nicht wieder und wieder geschwängert, verbringen ihr halbes Erwachsenenleben mit einem dicken Bauch, Rückenschmerzen, Übelkeit, um dabei umso rascher zu altern? Und dann sollen sie auch noch friedlich mit ansehen, wie die Mannsleute, frei und schlank wie zuvor, anderen Röcken nachsteigen?! Sie zieht einen Schmollmund wie ein kleines Kind – fast sieht die heißblütige Lîf aus, als wolle sie mit dem Fuß aufstampfen. Oh, und gewiss ist es gerecht, wenn man dem Manne solches nachsieht, verzeiht er einem doch das gelegentliche Klatschen mit der Nachbarin, wenn er monatelang auf Raubfahrt unterwegs ist, und den – warum wohl? – typisch weiblichen Wunsch, neues zu erfahren aus der weiten Welt, von welcher die Haus und Hof Hütende, meist Schwangere ja stets nur aus zweiter Hand erfahren kann.
Das sind sicherlich gleichwertige Fehler, ja, ja..! Wieder schnaubt sie, und Elske fasst besorgt ihre Hand. Der Blick der jungen Frau ruht starr auf Tristan, während er über die Raubehe zu sprechen beginnt. Sie weiß genau, dass sich in diesem Augenblick die Augen der jungen Weiber auf sie richten, und dass ihre Wangen rot aufflammen, beschreibt er doch da ganz exakt, was ihr widerfuhr.
Nun, fein, dann ist ja alles rechtens! geht es ihr mit bitterem Sarkasmus durch den Kopf. In diesem Moment vergisst sie, dass er sie weit anständiger behandelt hat, als sie, einfache Magd und Kriegsbeute, hoffen durfte. Sie vergisst auch, dass sie ihre notwendige Zustimmung gab, wie er ausführte, weil sie... oh, welche Empfindungen für ihn sie realisierte, schiebt sie in Gedanken auch gleich beiseite, es stört nur ihren Zorn, ihre Empörung! Sie
will jetzt empört sein! Da hilft auch Elskes sanftes Drücken der Hand nichts, hilft das verständnisvolle Nicken der umstehenden Jungweiber nicht. Wieso bloß hat sie all dem zugestimmt, ist sie sein Weib geworden? Er hat sie schließlich geraubt. gemeinsam mit seinen liederlichen Kumpanen! Wenn sie nur an ihrer Gefährtinnen denkt, die angstvollen Augen unter den hässlich geschorenen Schädeln... Was hat sie dazu gebracht – seine Stimme? Hat er sie verzaubert..? Nein, Lîf weiß tief in ihrem Inneren sehr wohl, was sie veranlasst hat, ja zu sagen. Denn es lässt sich auch jetzt nicht wirklich leugnen, als er sie anschaut. Sie kann seinem Blick nicht standhalten und senkt mit tiefrotem Gesicht den Kopf. Elske schaut zwischen ihr und Tristan hin und her, besorgt, ratlos.
[2]Auf Tristans Frage meldet sich auch diesmal niemand von den jungen Leuten, obwohl zumindest die Burschen nichts von den stummen Blicken bemerkt zu haben scheinen, die da zwischen dem Weiberfeuer und dem Rechtsverkünder hin und her gehen.