Autor Thema: Die Ermittler  (Gelesen 11977 mal)

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Celeste

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Die Ermittler
« am: 10.04.2007, 13:25:38 »
Amariss hebt ihren Kelch und dankt Aureon für die Gelegenheit, zwei Gästen Gastfreundschaft widerfahren lassen zu können. Die Hohepriestern der "Wächter der Totenruhe" ist eine schöne Frau, die so gar nicht in die düstere Umgebung passen will, in der das Gastmahl stattfindet. Die Bilder an den Wänden sprechen von den Kämpfen, die die Familie Baronwin über die Generationen hinweg bestritten hat und keiner der Künstler, die die Gemälde gefertigt haben, hat mit Blut gespart oder die Grausamkeiten eines Kampfes zu retuschieren versucht.

Es gäbe angenehmeres als ein altes, vor vielen Jahren von Grabschändern geplündertes  Mausoleum, um dort seinen Abend zu verbringen, doch Alatheus und Aitvaras sind nicht ohne Grund hierhergekommen.

"Meine lieben Freunde, " so hatte der Brief begonnen, den sie vor etwa einem Monat von Valkus Dun, ihrem alten Weggefährten und jetzigen amtierenden Hohepriester Dol Arrahs in Diamantsee bekommen hatten, "wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, doch jetzt, da schon mehrere Jahre seit dem Ende des Kriegs verstrichen sind, und langsam wieder Ruhe und Ordnung auf Khorvaire einkehren, habe ich den dringenden Wunsch, unsere alte Freundschaft wieder zu erneuern.

Ich will nicht drum herum reden, ich brauche eure Hilfe, was meiner Einladung einen egoistischen Anstrich zu geben droht. Doch seid versichert, dass meine Vorfreude auf euer Erscheinen echt ist, ich habe die alten Tage nicht vergessen.

Hier in Diamantsee gibt es einen Kult, der sich die "Wächter der Totenruhe" nennt. Anhänger Aureons, so stellen sie sich nach außen dar, und abgesehen von Gerüchten gibt es eigentlich nichts, was gegen diese Behauptungen spricht. Doch sind diese Gerüchte so besorgniserregend, dass ich nicht umhin kann, mir Klarheit über die Motive dieses Kultes zu verschaffen. Es heisst, dass der Kult hinter seiner Fassade in Wirklichkeit dem Raffer diene, und dass der Schutz des Friedhofs von Diamantsee eigentlich nur dem Zwecke diene, geheimnisvolle finstere Rituale durchführen zu können.
 Doch kann ich aus politischen Gründen keine direkten Schritte gegen die Wächter einleiten. Ich benötige jemand Außenstehendes, der die Ermittlungen für mich übernimmt, ohne dass die Verbindung zu mir bekannt ist. Und wer wäre besser geeignet als die beiden scharfsinnigen Männer, deren Geistesgröße mir aus mehr als einer Patsche herausgeholfen hat.
 Ich bitte euch daher, kommt nach Diamantsee und versucht, mehr über den Kult herauszufinden. Es wird schwer, ich weiss, aber sie werden einem Diener Aureons, wie Aletheus einer ist, kaum ihre Gastfreundschaft versagen können.

Valkus Dun"

Amariss hat ihr Gebet beendet. Nun reicht sie den Kelch mit dem so gesegneten Wein an Alatheus weiter.
"Trinkt, und seid im Hause Aureons willkommen."
Sie wiederholt dieses Willkommensritual auch mit Aitvaras, dann setzt sie sich wieder an ihren Platz und gibt das Zeichen zum Beginn des Essens.

"Und nun sagt mir doch bitte, Bruder Alatheus, was Eure und die Schritte Eures Begleiters zu den Wächtern der Totenruhe geführt hat. Um einen reinen Freundschaftsbesuch wird es sich doch kaum handeln, zumindest wäret Ihr beiden die ersten, die zum Vergnügen unsere Hallen betreten hätten."
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #1 am: 10.04.2007, 19:38:56 »
Ein ungutes Gefühl hatte Aitvaras beschlichen schon in dem Moment als er den Brief seines alten Weggefährten und Gönners Valkas Dun in den Händen hielt und seitdem wie ein ungeliebter Schatten begleitet, eine Art böse Vorahnung, doch obwohl der junge Mann die Mauern Wroats und die geliebten Tempelanlagen nur ungern hinter sich ließ, freute er sich lange Zeit auf ein Wiedersehen mit dem stolzen und edelmütigen Mann, den er einst kennen und nur zu sehr schätzen gelernt hatte, und sah es als seine Pflicht ihm zur Seite zu stehen, so er denn konnte.
Obwohl die Reise lang und beschwerlich war, war es ein gutes Gefühl mit einem sowohl vertrauten als auch verlässlichen Mann wie Bruder Alatheus zu reisen, und trotz ihrem gehetzten Reisetempo entschädigte die ländliche Gegend am Westufer des Dolchflusses, dessen Verlauf sie weitestgehend folgten für viele der Strapazen.

Doch alle Euphorie war auf einen Schlag verflogen, als die beiden Priester sich dem kleinen Ort Diamantsee näherten. Natürlich hatten sie sich über das Dorf informiert, doch ein derartiges Ausmaß der... Gottlosigkeit hatte er in seinen schrecklichsten Albträumen  nicht für möglich gehalten. Auf einem Schlag wurde ihm klar, dass dieser Ort genau das richtige war für einen Mann wie Dun, eine Herausforderung für jeden rechtschaffenen Mann, doch als er mit seinem Priesterkollegen und Freund der "Ader" folgte kam ihm zwangsläufig die Frage, ob sich Valkas Dun mit dieser Aufgabe nicht endgültig übernommen hatte.

Jedenfalls bestand Aitvaras darauf ohne Umschweife sofort den Ort ihrer Untersuchungen anzustreben und der Gedanke längere Zeit in diesem Drecksloch von einer Stadt zu verbringen wollte ihm ganz und garnicht behagen. Mit einer ersten Befragung wollten sie also beginnen und so schlängelten sie sich durch das Labyrinth aus schmuddeligen Bordellen und verdreckten Spelunken, bis sie schließlich an ihrem Ziel angekommen waren.

Hier saßen sie nun an einem Ort, der so garnicht passen wollte zu dem Prachtbau, den man in Wroat dem Gott des Wissens gewidmet hatte, vor einer Frau, die ihn unruhig werden ließ, weniger wegen ihrer zweifellos überwältigenden Schönheit, als wegen der Falschheit, die Aitvaras zu spüren glaubt und der unheimlichen Aura dieses Ortes.
Obwohl er nicht direkt angesprochen wurde, erhebt der junge Priester das Wort.

"Tatsächlich ist es nicht der Ruf eurer Gastfreundschaft, der uns in eure Hallen führt. Vielmehr ist es das ernsthafte Interesse an der Doktrin eures Ordens, das uns hierher treibt. Für Männer wie uns wirkt dieser Ort...nunja... nicht typisch für die Veehrung des Vaters der Gelehrten, ihr versteht?"

Alatheus

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Die Ermittler
« Antwort #2 am: 11.04.2007, 15:36:57 »
Auch Alatheus sammelt in seinen Gedanken schon Indizien. Allein der Ort des Geschehens macht in unruhig, aber die Dekoration lässt ihn schon einen inneren Kampf austragen nicht vorschnell zu urteilen. Um sich zu beruhigen nimmt er vorsichtig einen Schluck des Weins aus dem ihm eben gereichten Kelch und bestätigt dann die Worte seinen Reisegefährten mit einem Nicken.
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Celeste

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Die Ermittler
« Antwort #3 am: 12.04.2007, 11:45:32 »
Amariss hebt ihre über und über mit verschlungenen Tätowierungen bedeckten Hände.

"Da habt ihr recht und das ist wohl mit der Grund für die vielen Gerüchte, denen wir uns ausgesetzt sehen. Dennoch hat sich unser Orden für diesen Ort entschieden, wofür es zweierlei Gründe gibt. Ich weiss nicht, wieviel Ihr schon von Diamantsee gesehen habt, aber eines kann ich euch versichern, es handelt sich dabei um eine üble Lasterhöhle, in der die meisten Einwohner sich gerade solange an die Gesetze halten, wie sie sich beobachtet fühlen. Als meine Vorgängerin, die ehrwürdige Hohepriesterin Ciryen, hierherkam, um einen kleinen Schrein für Aureon zu erbauen,  war es noch schlimmer als heute. Eine Bande von Unruhestiftern verbrach wiederholt Akte der Grab- und Leichenschändung auf dem Friedhof hier. Die Priester Dol Arrahs waren zu sehr in die Kriegsaktivitäten der hiesigen Garnison verwickelt und die Fanatiker der Silbernen Flamme" - ihr Blick wird verachtungsvoll - " zu sehr mit Selbskasteiung beschäftigt, als dass sie sich um solche Lappalien hätten kümmern können.

Ciryen blieb also gar nichts anderes übrig, als selbst etwas gegen diese Freveltaten zu unternehmen. Sie gründete den Orden der "Wächter der Totenruhe" und nahm sich dieses bereits weitestgehend geplünderte Mausoleum als Domizil, um allen eindeutig klar zu machen, dass das Auge Aureons auf diesem Ort ruhe. Außerdem richtete sie nächtliche Prozessionen der an diesem Ort versammelten Adepten ein, damit der Friedhof auch in der Nacht bewacht sei. Letztere wirkt in manchen Augen natürlich mysteriös, dass alsbald Gerüchte aufkamen, ist also nicht verwunderlich."

Amariss trinkt einen Schluck aus ihrem Weinkelch.

Ich muss allerdings zugeben, dass die Wahl dieses Ortes nicht ganz zufällig geschah. Die in zwischen ausgestorbene Blutlinie der Baronwin, die hier drinnen ihr Familiengrab hatte, gilt als eine der ältesten Familien Khorvaires und kann ihre Abstammung bis auf die ersten Schiffe, die aus Sarlona kamen, zurückverfolgen. Man weiss, dass mächtige Magier aus dieser Familie stammen und natürlich weckte das die Neugier Ciryens. Sie hoffte wohl, auf uralte Geheimnisse zu stossen und damit das Wissen der Diener Aureons zu erweitern. Doch waren die Grabplünderer zu gründlich gewesen und abgesehen von ein paar alten Schriftrollen, auf denen ein  Teil der Familienchronik der Baronwin nachzulesen ist, haben wir bis heute nicht wirklich viel finden können.

Dennoch fühlen wir uns unserer Ordensgründerin und damit dem Schutze dieses Friedhofs verpflichtet. Das wir von manchen Augen scheel angesehen werden, damit müssen wir wohl leben. Aber das ist auch nur ein kleines Opfer, das wir zu bringen haben."

Inzwischen hat ein junger Adept die Teller der beiden Gäste mit gekochtem Gemüse und dampfenden Fleischscheiben  gefüllt.

"Greift zu, lasst es euch schmecken, und wenn ihr noch Fragen habt, werde ich euch diese gerne beantworten."
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #4 am: 15.04.2007, 04:06:33 »
So gut sich diese Geschichte auch anhört, es erscheint Aitvaras doch fast schon zu gut, denn so gerne er der Hohepriesterin und ihrem Klerus in ihren hehren Bestrebungen auch glauben würde, war er sich doch sicher, dass wenn Valkas Dun einen Verdacht schöpfte und sie sogar aus Wroat hierher beorderte, mehr hinter diesem Kult stecken musste, oder das dies zumindest nicht unwahrscheinlich war, was auch immer diese Frau ihm nun erzählen mochte.
Zögerlich schiebt er sich einen Bissen Fleisch in den Mund, angesichts der Situation mangelt es ihm schlicht an Appetit, und kaut halbherzig, bevor er antwortet.

"Dann wollen wir uns natürlich zunächst für eure Gastfreundschaft bedanken, doch so edel eure Motive und die eurer Glaubens- und Ordensbrüder auch sein mögen, so würden wir uns doch für eure praktizierten Riten interessieren und inwieweit diese von den uns bekannten abweichen. Vielleicht gestattet ihr uns ja einigen eurer Zeremonien beizuwohnen?"

Celeste

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Die Ermittler
« Antwort #5 am: 16.04.2007, 13:30:55 »
Amariss schürzt die Lippen.

"Natürlich könnt ihr das, wenn ihr mögt. Wenn Eure Zeit es erlaubt, könnt ihr heute Abend noch an einem Ritual teilnehmen, dass sicher mit zu den Missverständnissen geführt hat, denen die Wächter der Totenruhe sich in der Öffentlichkeit ausgesetzt sehen.

Vielleicht habt ihr bereits das Gerücht vernommen, wir würden neben Aureon auch noch den Raffer verehren. Natürlich ist dem nicht der Fall, doch gibt es einen Grund für diese Gerüchte, den ich Euch gegenüber nicht abstreiten werde.
  Ihr seid sicherlich mit der Theorie vertraut, dass der Raffer manche Seelen an sich reiße, so dass diesen der Weg nach Dollurrh auf immer versperrt sei. Im allgemeinen hält man das für einen Ausdruck seiner unermesslichen Besitzgier, doch lassen alte Schriften die Vermutung zu, dass der ursprüngliche Grund für diese Handlungsweise ein anderer gewesen sein muss.
  Diese alten Schriften berichten von einer Prophezeiung aus der Zeit vor der Spaltung der Götter, die eine welterschütternde Katastrophe ankündigt, die das Ende von allem bedeuten mag, was wir als gut und heilig ansehen. Und sie behaupten, dass der Raffer deswegen die Seelen besonderer Lebewesen an sich reiße und sie wieder freigeben werde, wenn diese Katastrophenzeit beginnt, um so dem Leben eine Armee von Helden zur Seite zu stellen, wenn es am nötigsten dieser Hilfe bedarf.
  Die Chroniken der Familie Baronwin legen nun eine Verbindung dieser Familie zum Raffer nahe. Glücklicherweise verfügt eines unserer Ordensmitglieder, Bruder Jaquand, über die seltene Gabe, mit diesen vom Raffer gestohlenen Seelen Kontakt aufzunehmen. Wir nutzen diese Fähigkeit in einem Ritual, um mehr über diese Prophezeiung zu erfahren und womöglich herauszufinden, ob sie wirklich für den Seelenraub des Raffers verantwortlich ist."

Amariss seufzt leise.

"Leider erfordert das Ritual, das notwendig ist, um Kontakt zu diesen Seelen aufzunehmen, eine Anrufung des Raffer, um seinen Zorn zu besänftigen, und das ist wohl in manchen Kreisen missverstanden worden. Selbst innerhalb der Kirche Aureons, die noch am besten verstehen müsste, wie wichtig solches Wissen sein könnte, gelten wir als Parias, mit denen man besser nichts zu tun haben sollte. Mich wundert es eigentlich, dass noch keine Bestrebungen zu unserer Exkommunikation in die Tat umgesetzt wurden, aber vielleicht sind wir auch einfach zu klein und unwichtig, als dass man sich diese Mühe machen will. Lieber werden wir totgeschwiegen, was uns allerdings nicht wirklich stört.
  Wie dem auch sei, heute Abend werden wir jedenfalls ein solches Ritual durchführen. Falls Ihr immer noch Interesse habt, könnt Ihr dem Ritual gerne beiwohnen. Vielleicht verhilft es ja wenigstens Euch dazu, unsere Motivation im rechten Lichte zu sehen."
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #6 am: 18.04.2007, 01:09:15 »
Aitvaras braucht einen Moment bevor er antwortet: "Wir werden teilnehmen" Natürlich werden sie teilnehmen, doch was er gerade zu hören bekam, wirkte recht befremdlich auf ihn. Hatte er zu Beginn noch wissend genickt, verhärtete sich sein Geischtsausrdruck kurz darauf zu jenem strengen Blick für den er schon in Jugendjahren bekannt gewesen war. Das, was die Hohepriesterin ihnen da offenbarte war nichts anderes als Blasphemie in seinen Augen und anscheinend wusste sie dies ohne davor zurückzuschrecken. Zwar konnte er sich keine drohende Katastrophe vorstellen, die derartige Häresien rechtfertigte, doch er sah sich verpflichtet jenes Ritual zunächst mit eigenen Augen zu sehen, bevor er seine Meinung bildete und sie Valkas Dun ihren Bericht übergeben konnten.
Sein Blick wandert weiter zu seinem Begleiter. Die Kleriker Aureons mochten seltsame Wege gehen um an ihr obskures Wissen zu kommen, doch kann er sich nicht vorstellen, dass Alatheus derartiges gutheißen würde.

Alatheus

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Die Ermittler
« Antwort #7 am: 18.04.2007, 07:10:50 »
Nach einer kurzen Bedenkzeit stimmt Alatheus den Worten seines Freundes durch ein kurzes Nicken zu. In seinem Inneren tobt eine Mischung aus Zorn und Unsicherheit, zwar ist jeder Kleriker Aureons immer auf der Suche nach Möglichkeiten sein Wissen zu vergrößern, aber den Raffer anzurufen ist eindeutig nicht der richtige Weg dafür. Seine endgültiges Urteil werde er sich aber erst bilden können, wenn er das ausmaß dieses Frevels klar überblicken kann.
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Celeste

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Die Ermittler
« Antwort #8 am: 19.04.2007, 14:10:21 »
"Gut, dann werde ich euch Zimmer zuweisen lassen, in denen ihr noch etwas Ruhe finden könnt. Wir führen dieses Ritual um Mitternacht durch, da dann die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Toten dünner zu sein scheint als am hellichten Tage. Ich werde euch abholen lassen, wenn es soweit ist."

Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht klopft es an der Türe zu dem Zimmer, in dem Aitvaras und Alatheus den Rest des Abends verbracht haben. Ein junger Adept steht davor und bedeutet den beiden schweigend, ihm zu folgen. Er führt sie tiefer in das Mausoleum hinein, bis zu einem Raum, der offensichtlich dem inneren Heiligtum eines Tempels Aureons nachgebildet ist. Fackeln an den Wänden werfen ein gedämpftes Licht in die Kammer, das von den in vielen Nischen stehenden mit gold beschlagenen Urnen reflektiert wird, so dass man fast den Eindruck bekommen könnte, einen fremden Sternenhimmel zu betrachten. 12 Priester, die Gesichter unter den Kapuzen ihrer braunen Kutten verborgen, stehen im Kreis um einen jungen Mann in einem purpurverzierten weißen Gewand, der mit geschlossenen Augen entspannt in einem reich verzierten Sessel.
sitzt.

Einer der Priester schlägt die Kapuze zurück. Es ist die Hohepriesterin Amariss selbst, die dem jungen Adepten einen Wink mit den Augen gibt, woraufhin dieser den beiden Geheimermittlern nochmals zu schweigen bedeutet und dann selbst leise wieder das Heiligtum verlässt.

Amariss hebt die Hände. Die Tätowierungen an ihren Händen scheinen sich im Fackellicht zu bewegen, fast als hätte sie Schlangen um die Arme gewunden. Die Priesterin beginnt einen leisen Singsang, ein altes Loblied an Aureon in seiner Eigenschaft als Hüter alles Wissens. Leise fallen die anderen Priester in den Gesang ein. Langsam beginnt sich die Melodie zu verändern, sie bekommt einen hypnotischen Unterton. Der junge Priester in der Mitte beginnt, sich im Takt der Melodie hin-
und herzu wiegen. Das Lied wird langsam schneller, und mit ihm die Bewegungen des Priesters, bis er sich endlich in wilden Zuckungen auf dem Sessel windet. Nach einem endlos scheinenden Moment klatscht Amariss in die Hände, und der Gesang bricht schlagartig ab. Der Priester sinkt in seinen Sessel zurück.

Als er kurz darauf seine Augen öffnet, ist nur das weiße in ihnen erkennbar. Langsam erhebt sich der Priester und hebt nun seinerseits die Arme. Er beginnt zu sprechen, in einem alten, archaischen Dialekt, so wie ihn die Menschen wohl einst gesprochen haben, lange bevor sie aus Sarlona an die Gestade Khorvaires kamen. Dennoch können Aitvaras und Alatheus verstehen, was er sagt. Es ist die von Amariss angekündigte Anrufung des Raffers und zur nur leichten Beruhigung der beiden  stillen Beobachter handelt es sich tatsächlich um keine Anbetung. Es scheint sich eher um einen Kampf zwischen dem Sprecher und dem Raffer zu handeln, in verschiedenen Tonlagen gesprochene Befehle und Drohungen wechseln in schneller Folge, wobei der Priester langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Denn plötzlich schweigt er wieder und seine Arme sinken zum Körper zurück.

Abwartende Stille setzt ein. Erwartungsvoll sind die Blicke der Priester auf das Medium in ihrer Mitte gerichtet, das in sich zusammengesunken in seinem Sessel ruht. Amariss erhebt ihre Stimme.

"Jaquand, sage uns, was du siehst. Teile dein Wissen und gehorche damit dem Willen Aureons. Durchquere die Barriere und sage uns was du siehst."

Doch nichts geschieht. Die Stille beginnt zu schmerzen, und ein gelegentliches Rascheln der Kutte eines der Priester verrät den beiden Beobachtern, dass die Nervosität im Heiligtum wächst. Irgendetwas schein nicht dem normalen Ablauf zu folgen.

Plötzlich reißt es den Körper Jaquands aus dem Sessel. Wie von unsichtbaren Schnüren gehalten hält er sich auf seinen Zehenspitzen. Dieses Mal sind seine Pupillen so unnatürlich geweitet, dass man nur noch die Schwärze zu sehen vermag, und seine Stimme scheint nun einem anderen zu gehören. Sie krächzt und gurgelt, es klingt fast wie die Laute eines Menschen, dem man mit einem schnellen Schnitt die Kehle durchtrennt hat. Und tatsächlich fließt ein dünner Blutfaden aus dem Mund Jaquands, während er redet.

"Die Barriere..wird dünner. Die Toten..sie kehren aus ihren Gräbern zurück. Gelenkt von einem Willen, der nur Vernichtung kennt. Hütet Euch, denn die Wurmzeit ist nahe."

Röchelnd holt Jaquand Luft.

"Da wo das Grab wispert, könnt ihr den Schlüssel finden, der das Verhängnis aufzuhalten vermag. Der Halbling eilt euch voraus, doch sind die Verfolger ihm auf der Spur. Rettet ihn, er kann Euch führen. Und hütet euch vor denen, die die Wegbereiter des Chaos sind. Sie sind..."

Plötzlich erstickt ein dicker Schwall tiefroten Blutes seine Rede. Wie vom Blitz getroffen sinkt Jaquand zu Boden und bleibt mit merkwürdig verrenkten Gliedern und leerem Blick liegen. Schon ist Amariss bei ihm. Für einen kurzen Moment bleibt sie über ihn gebeugt. Als sie sich wieder aufrichtet, ist ihr Gesicht seltsam ausdruckslos.

"Er ist tot."
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #9 am: 20.04.2007, 00:31:55 »
Zwar hatte die Tatsache, dass der Raffer nicht direkt angebetet, ihn tatsächlich etwas beruhigt, doch blieb sein Blick auf die sonderbare Zeremonie weiterhin wenigstens misstrauisch. Er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Ein Teil von ihm konnte es einfach nicht gut heißen mit solchen Mächten zu verkehren, es sei denn auf dem Schlachtfeld. Er würde also Valkas Dun die Bewertung des Gesehenen überlassen und die Frage, ob es nötig sei, den Kult weiter zu beobachten.
Als jedoch plötzlich der junge Priester beginnt empor zu steigen, springt auch Aitvaras auf mit einem Zauber auf den Lippen, woraufhin seine Augen einen goldenen Schimmer annehmen und beginnen den Raum nach abzusuchen. Nachdem er keine niederträchtigen Auren gefunden hat, und sich sicher sein kann, dass dem Toten Priester keine unerwünschten Mächte folgen konnten, eilt er mit einigen Schritten an Amariss Seite.

"Was bei den Neun war das ?"Sein Blick wandert zum Leichnam des Priesters und zu dessen leeren Augen, wendet sich jedoch gleich wieder ab und fällt erneut auf die Hohepriesterin.

Celeste

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Die Ermittler
« Antwort #10 am: 20.04.2007, 22:59:51 »
Amariss' Blick wird hart, als sie in Aitvaras' Augen blickt, doch unterlässt sie jeden Kommentar. Ihr eigener Blick ist voller Zorn,  fast hasserfüllt starrt sie ihn an.

"Das war das Ende unserer Hoffnung, auf diesem Weg Wissen über die Zukunft zu erlangen. Ich hätte es besser wissen müssen, als Euch beide als Beobachter zuzulassen. Ihr habt die Vollkommenheit der Zahl 13 gestört, die...."

Nur mühsam gewinnt sie ihre Beherrschung zurück.

"Verlasst diesen Tempel, sofort, eure Anwesenheit hat genug Unheil angerichtet. Und berichtet demjenigen, der Euch gesandt hat, was Ihr heute gesehen habt."

Zornig wendet sie sich ab, und gibt den anderen Priestern im Raum einen Wink, die sich sofort um die beiden Ermittler scharen und diese einigermassen sanft, aber unnachgiebig aus den Heiligtum drängen. Man erlaubt den beiden noch, ihre Habseligkeiten aus der Kammer, in der sie den Abend verbrachten, zusammenzuraffen, dann führt man sie zum Ausgang des Mausoleums.

Alatheus und Aitvaras treten in die Kühle Nachtluft hinaus und verlassen den Friedhof. Die ganze Zeit über zupft etwas an Aitvaras' Aufmerksamkeit, wie ein Gedanke, der ihm auf der Zunge liegt, ohne dass er ihn aussprechen könnte. Irgendetwas war da drinnen, was...

Unwillkürlich dreh er sich um. Am Eingang zum Mausoleum erkennt er  im Licht einer Fackel eine Gestalt, die ihnen nachblickt. Amariss. Und diesmal ist er sich sicher, dass der Ausdruck in ihrem Gesicht der von purem Hass ist.

Dann fällt es ihm wie ein Schleier von den Augen. Die Stimme, mit der das Medium vor seinem Tode geredet hat, er hat sie schon einmal gehört, und lange kann es noch nicht hersein, denn wiewohl er die Stimme niemandem direkt zuordnen kann, ist er sich sicher, keiner Täuschung zu unterliegen.
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Alatheus

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Die Ermittler
« Antwort #11 am: 21.04.2007, 16:17:47 »
Der immer noch etwas geschockte Alatheus kommt langsam zu sich. Seit dem Ritual hat er nichts mehr gesagt und in seinem Kopfs schwirrt ein Haufen aus Gedanken, Mutmaßungen und Theorien herum den er langsam zu Ordnen versucht hat. Der Raffer, das Ritual, der Tod des Priester, die Reaktion von Amariss und vor allem diese merwürdige Art von Propheizeiung verursachen Kopfschmerzen bei dem Priester. Als sie Schließlich das Gewölbe verlassen haben und außerhalb der Hörweite sind, fragt er seinen Freund: "Was bei den Neun war das ?"
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #12 am: 21.04.2007, 16:36:18 »
Aitvaras war bemüht sich nicht aus dem Tempel treiben zu lassen, stattdessen versuchte seinen "Rausschmeissern" voraus zu gehen, packte schleunigst die wenigen Sachen, die er in der Kammer zurückgelassen hatte, und trat erhobenen Hauptes mit dem Ausdruck unterdrückten Zornes im Gesicht in die nächtlichen Straßen.

"Ich habe keinerlei Ahnung, doch Valkas Dun muss davon so schnell wie möglich erfahren. Er wird wissen wie mit diesen Sektierern zu verfahren ist, und er wird wissen ob dem Gebrabbel des bessessenen Priesters Aufmerksamkeit zu schenken ist. Ich hoffe einfach mal derartige Rituale mit all ihren Konsequenzen sind in eurer Kirche nicht Gang und Gebe, Bruder. Wo wir doch alle wissen, dass die Diener Aureons für ihr kostbares wissen über Leichen zu gehen bereit sind." Sein Gemüt entspannt sich etwas, und mit einem Blick, der seinem alten Freund Alatheus bedeutet, seine letzten Worte nicht allzu ernst zu nehmen, macht er sich auf den Weg in Richtung der Kapelle.

Celeste

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Die Ermittler
« Antwort #13 am: 22.04.2007, 20:12:26 »
Als die beiden vor den Toren der Garnison ankommen, erwarten sie eigentlich, nichts als nächtliche Ruhe und einen ziemlich schläfrigen Torwächter vorzufinden. Um so überraschter sind sie von dem Chaos, dass am Haupteingang herrscht. Soldaten hasten eilig umher, getrieben von schnellen Kommandos, die durch die Nacht hallen.

Das Haupttor steht sperrangelweit offen. Direkt davor steht Tolliver Trask, der Garnisonskommandant und beleiúchtet mit seiner Fackel eine Szene des Schreckens. Mitten in einer riesigen Blutlache liegt ein seltsam verkrümmter Körper, an seiner Uniform als Soldat der Garnison zu erkennen. Seine Augen sind starr, seine Kopf steht in einem unnatürlichen Winkel vom Kopf ab, als habe ein wuchtiger Schwerthieb ihn halbwegs vom Rumpf getrennt.

Und soeben erhebt sich Velias Cheldramun, der Stellvertreter von Valkus Dun, aus seiner Hocke und beginnt, leise auf Trask einzureden. Seiner Gestik ist klar zu entnehmen, dass es für das Opfer dieser Bluttat keinerleit Hoffnung mehr gibt.
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Aitvaras

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Die Ermittler
« Antwort #14 am: 24.04.2007, 21:42:34 »
Obwohl Aitvaras schon in den wenigen Stunden ihrer Anwesenheit in Diamantsee ein gutes Bild von der Vekommenheit der Stadt erhalten hatte, vermochte die Szenerie vor ihm doch ihn einigermaßen zu überrumpeln. Schon die zweite Leiche, derer er heute gewahr wurde, und ihre Haltung wieß doch einige Ähnlichkeiten mit dem jungen Priester auf, der seinen Tod im Ritual des Kultes gefunden hatte. Diese ganze Sache wurde immer beunruhigender.

Mit einigen schnellen Schritten eilt er auf den Tatort zu und verbeugt sich respektvoll.

"Einen guten Abend, die Herren. Bruder Aitvaras und..."

Er weißt auf seinen Begleiter "...Bruder Alatheus. Wir kommen aus Wroat und sind auf dem Weg zum Hohepriester Valkas Dun. Können wir zunächst behilflich sein?"