Zehnter Tag im Monat Flammleite, 1372Es war ein frischer Morgen gewesen, doch die Sonne wärmte die Sandstraßen des Dorfes langsam auf. Die ersten Männer gingen auf die Felder, während sich die Frauen um das Frühstück der Kinder kümmerten. Schon bald war das Geschrei der Kleineren zu hören, die sich auf dem winzigen Marktplatz um den Brunnen herum jagten, lachten und sich beklagten, wenn sie hingefallen waren. Den ganzen Tag über war Weihtau gefangen in geschäftiger Tätigkeit. Gegen Nachmittag lagen einige halbwüchsige Burschen in den saftigen Wiesen, die das Dorf umrandeten, herum und sahen den jungen Mädchen hinterher, die gerade vom Beeren pflücken nach Hause kamen. Sie folgten ihnen und zogen sie auf und freuten sich alle auf das baldige Fest zu Ehren von Eldath. Reilan, ein junger und gut aussehender Mann, lief unschlüssig neben Ismala, der Dorfschönheit, her und zögerte, sie zu fragen, ob sie ihn zum Fest begleiten wolle. „Ähm, Ismala, hättest du Lust…“ Sie sagte rasch: „Ich überlege es mir und sage dir morgen Bescheid! Bis bald!“ Sie winkte und lief in die Schenke ihres Vaters. Reilan blieb glücklich zurück. Ich überlege es mir, war mehr als er erwartet hatte. Die anderen Halbwüchsigen zogen ihn auf, als er rot wurde und sich verlegen an der Nase kratzte. Am Abend lag Reilan in seinem Bett und dachte an Ismala und an ihre Worte, die sie morgen hoffentlich sagen würde. Er würde sie nach der Arbeit in der Schenke besuchen und sie fragen. Er wusste, dass er von Ismalas Vater Grondor nichts zu befürchten hatte. Er mochte ihn und hatte ihn dazu ermuntert, Ismala zu fragen. Immerhin waren Beide zwar noch jung, aber im heiratsfähigen Alter. Er wollte gerade einschlafen, als er am fernen Horizont ein rotes Licht aufscheinen sah. Ein tiefes Grollen kam näher. Er sprang aus dem Bett und sah aus dem Fenster, doch die Dunkelheit der Nacht verschluckte alles. Nur das rote Leuchten war zu sehen. Das Grollen schwoll an. Als er zusammen mit seinem Vater aus dem Haus trat, wie fast alle Dorfbewohner, wurde das Grollen zu Schlachtrufen. Am Horizont erschien eine Wand aus Kriegern, bewaffnet mit rot-flammenden Fackeln und es war gut zu sehen, dass es sich um keine Menschen handelte. Vor ihnen her ritt ein pechschwarzes Pferd mit einem ebenso gekleideten Reiter, dessen Gesicht von einem Flügelhelm verdeckt war. Sein schwarzer Umhang wehte im aufkommenden Sturm. Reilan und sein Vater griffen zu den Waffen. Es konnte nichts Gutes bedeuten. Doch als die Macht, die dem Reiter folgte, näher gekommen war, blieb der Reiter stehen. Die Truppen zogen an ihm vorbei. So wie Reilans Vater es überblicken konnte, waren es sicher vierhundert oder fünfhundert Krieger, die sich dem Dorf näherten. Sie würden auf gerade einmal sechzig Einwohner treffen, von denen nur Dreißig wirklich wehrhaft waren. Der Reiter hob seine Hände gen Himmel, der sich rot färbte und ein heftiges Gewitter zog auf. Blitze zuckten, Donner grollte zu den Schlachtrufen des Heeres. Ein Blitz schlug in der Schenke ein und setzte sie in Brand. Das Heer traf auf die wenigen, unausgebildeten Kämpfer, die einer nach dem Anderen getötet wurden. Blut spritzte Reilan ins Gesicht, als eine orkische Axt seinen Vater tötete. Voller Furcht und Hass drosch er mit seinem recht stumpfen Schwert auf den überlegenden Gegner ein. Weitere Blitze setzten das ganze Dorf in Brand. Reilan wurde von einem Ork umgehauen. Ismala sah zu ihm hinüber, doch Orks waren in ihrem Weg und sie musste flüchten. Sie sah ihn nur noch lächeln.
Als du an diesem Morgen erwachst, stinkt die Luft nach verbranntem Holz und Fleisch. Das Gewitter von letzter Nacht ist so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht ist. Du hast einen hellen, roten Schein gesehen, als du eingeschlafen bist, aber der Donner war so laut, dass es eine recht unruhige Nacht war. Sicher hat es irgendwo ein Dorf erwischt. Soweit weg scheint das Geschehen nicht gewesen zu sein. Gegen Mittag könntest du dort sein. Du müsstest nur der wenig ausgebauten Landstraße folgen, der man ansieht, dass sie zwar regelmäßig genutzt, aber nicht wirklich gepflegt wird. Es gibt tiefe Schlaglöcher, die sich mit Regen gefüllt haben. Die Straße gleicht inzwischen eher einem Schlammweg. Als du an eine Abzweigung kommst, stehen da plötzlich noch vier Gestalten, die dich verwundert ansehen. Kaum zu glauben, dass noch jemand diesen Weg nutzt, denn in den letzten zwei Tagen bist du niemandem begegnet. Nicht mal einer Karawane.