Autor Thema: Alte Erinnerungen  (Gelesen 4969 mal)

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Celeste

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Alte Erinnerungen
« am: 28.08.2007, 10:46:52 »
Geschehen zur dreizehnten Stunde des Far, dem 13. Dravago 999 YK

Nach wie vor etwas verwundert betrachtet Daharath die vielfältigen Farben und Formen des kleinen Meditationsgarten, den er gerade durchwandert. Fast muss er sich zwingen, sich daran zu erinnern, dass er sich in Diamantsee befindet, einer Stadt, in der Schönheit schneller der Zerstörung durch Vandalen anheimfällt als man es sich selbst in den verkommensten Vierteln der Stadt der Türme vorstellen könnte. Niemals hätte so etwas in früheren Tagen hier existieren können, und was noch erstaunlicher ist, der Kalashtar ist sich sicher, dass gerade der schwarzbärtige Mann, der leicht belustigt lächelnd neben ihm geht, zusammen mit seinem verkommenen Bruder als erster zur Stelle gewesen wäre, um das Werk der Zerstörung zu tun, das genau so sicher dann ihm angelastet worden wäre.

"Die Zeiten ändern sich, und manchmal auch die Menschen mit ihnen, werter Daharath," unterbricht ihn die Stimme seines Begleiters. "Ich weiß, Du hättest allen Grund, mich zu hassen für das, was Llanod und ich dir in unserer Jugend alles angetan haben. Und ich kann dich nur um Verzeihung bitten, wohl wissend, dass es keine Entschuldigung für unser Benehmen gibt.“

Allustans Augen sind offen und verbergen nichts. Daharath spürt den tiefen Ernst, mit dem der Magier diese Bitte um Verzeihung vorgebracht hat. Seine Gedanken schweifen zurück in ein früheres Leben, als seine Altersgenossen spürten, dass er anders war, obwohl sein Vater ihn dazu erzogen hatte, sich so menschlich wie irgend möglich zu verhalten.

Fremde waren in Diamantsee nicht gerne gesehen, das war früher schon genauso wie heute gewesen. Sein Anderssein hatte Daharath zu einem Außenseiter gemacht, und speziell der Tunichgut Llanod und sein jüngerer Bruder Allustan waren es gewesen, die ihm das Leben so gut wie möglich zur Hölle gemacht hatten. Er hatte irgendwann aufgehört zu zählen, für wieviele Missetaten er bestraft worden war, die in Wirklichkeit von diesen beiden begangen worden waren. Aber als Einheimische, und mehr noch, als Söhne des Oberbürgermeisters von Diamantsee, waren sie natürlich viel glaubwürdiger gewesen als ein "Halbblut", wie er oft verächtlich genannt worden war. Wie oft hatte er deswegen seinen Vater angefleht, doch woanders hinzuziehen, doch dieser hatte nur traurig den Kopf geschüttelt und gesagt, er dürfen hier nicht weggehen. Daharath verstand bis heute nicht, was an diesem Ort so wichtig sein sollte, dass sein Vater ihn nicht hatte verlassen können. Und doch schien sein gewaltsamer Tod ein Hinweis darauf zu sein, das es sich bei diesem Satz nicht nur um eine inhaltsleere Behauptung gegangen sei.

38 Jahre später hat sich nichts an der Gewalttätigkeit und der Blutrünstigkeit geändert zu haben, die Diamantsee durchdringt. Mit der Ausnahme dieser kleinen Oase, angelegt von einem Menschen, den er sich bis heute eher als Anführer einer Verbrecherbande hätte vorstellen können, und der in seiner Fantasie so gar nichts mit dem wohlsituierten Menschen mit guten Manieren hat, dessen ruhige, gelassene Ausstrahlung verrät, dass er sowohl äußere als auch innere Kämpfe durchstanden hat und daran gewachsen ist.

Gedankenversunken betrachtet Daharath die konzentrischen Steinmuster, in deren Mitte kleine, mit Lotusblüten bewachsene Tümpel den sonnenbeschienenen Himmel wiederspiegeln. Eine leichte Brise setzt die Oberfläche der Tümpel in Bewegung und für einen kurzen Moment scheinen die Blumen durch das vielfach reflektierte und gebrochene Licht in Flammen zu stehen. Es ist dieser Augenblick, in dem die vier Elemente zu einer gemeinsamen wunderbaren Harmonie verschmelzen, in dem Daharath klar wird, dass an dem jungen Allustan ein Wunder geschehen sein muss, dass ihn zu einer solchen Kunst befähigt.
Erzählen zu können  heisst, überlebt zu haben.

Daharath

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Alte Erinnerungen
« Antwort #1 am: 28.08.2007, 23:07:06 »
"Menschen sind wandlungsfähiger als jedes andere Volk", stellt der junge Kalashtar überrascht aufs Neue fest. Trotz all der Jahre muss er sich Mühe geben, den Magier mit emotionaler Distanz zu betrachten.
Verschwommen taucht eine Erinnerung seiner Kindheit auf: Er kam in Ausblick - Sharn, der Stadt der Türme an und fühlte sich akzeptiert. Niemand fragte nach seiner Herkunft oder finanziellem Wohlstand. Er war dort nicht mehr Daras, der von anderen gepeinigt wurde.
Er war Daharath, Erbe eines Kriegerwesens.
Am Anfang betrachtete er dies noch mit kindlicher Naivität und wusste nicht, was es bedeutete, wie er diese Rolle auszufüllen hatte, während ihm selbst die anderen Kalashtarkinder sehr weise erschienen. Diese Züge verlor er recht schnell, gewann an Selbstbewußtsein und lebte sich gut in die Gemeinschaft ein. "Ja, die Gemeinschaft..."
Dort gab es keinen Wettstreit, Ränke- oder Machtspiele, alle Bemühungen waren für die Gemeinschaft.
Daharath erinnert sich, wie schnell er viele seiner sehr menschlichen Denkweisen dort ablegte. Wäre die Natur der Menschen anders, wenn sie ähnlich wie sein Volk durch einen sehr mächtigen, gemeinsamen Feind zusammengezwungen sein würden?
"Nicht auf Dauer.." antwortet er sich immer wieder aufs Neue.
Was geschieht mit den Kalashtar, wenn das Rad der Zeitalter sich wendet und die Finsternis erlischen würde?

Daharath sieht Allustan mit intensiven, smaragdenen Augen an. Sein bis gerade noch abschätzender Blick wandelt sich nun mehr zu Neugierde.
Das Anliegen seines Gegenübers beantwortet er nicht direkt mit Worten, sondern mit einem akzeptierendem Nicken.
Nachdem noch ein Moment der Stille vergangen ist, kommt er zu den eigentlichen Dingen.
"Gibt es noch Informationen über den Tod meiner Eltern, die es für mich zu wissen lohnt? Wo wurden ihre Leichen begraben? Was gibt es Neues in Diamantsee, Allustan?"

Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #2 am: 29.08.2007, 20:55:44 »
"Zum Tod Deiner Eltern kann ich dir leider nichts sagen. Du hast es damals vielleicht aufgrund deines eigenen tragischen Verlustes nicht mitbekommen, und dann seid Ihr ja auch sogleich nach Sharn aufgebrochen."

Allustan seufzt leise.

"Zur ungefähr selben Zeit gab es noch einen weiteren Todesfall hier in Diamantsee. Erinnerst du dich noch an den jungen Alastor mit seinen leuchtend roten Haaren? Er war etwas älter als Du... Lanod und ich haben ihn zu einer Mutprobe verleitet, ihn dazu gebracht, in einem der Gräber hier in der Umgebung zu übernachten und... er ist nie mehr aus dem Grab zurückgekehrt. Eine Suchaktion blieb ergebnislos, und als einer seiner Freunde trotz unserer Drohungen ausplauderte, dass wir ihn in das Grab geschickt hatten, haben wir richtig Ärger bekommen. Lanod und ich wurden nach Sharn  auf eine Schule für schwer erziehbare Kinder geschickt, an der man uns mit viel Härte und noch mehr Prügeln die Flausen auszutreiben versuchte."

"Vom Tod deiner Mutter habe ich erst viel später erfahren, als ich etwas klüger geworden war und meine früheren Missetaten wieder gut zu machen suchte. Ich begann, mich nach meinen früheren Opfern zu erkundigen, auch nach Dir, und obwohl es mir nicht gelang, dich zu finden, erfuhr ich doch wenigstens, dass deine Mutter hierher nach Diamantsee zurückgekehrt war. Sie wurde zwei Tage später tot auf dem Grab deines Vaters gefunden und direkt neben ihm bestattet. Beide liegen auf dem Friedhof, wenn du möchtest, führe ich dich hin."

"Viel geändert hat sich eigentlich nicht seitdem, obwohl ich selbst lange Jahre auf Reisen war. Mein Bruder hat inzwischen die Nachfolge unseres Vaters als Oberbürgermeister Diamantsees angetreten, der alte Gelch Tilgast hat seine Position als mächtigster Minenleiter der Stadt an einen Emporkömmling namens Balabar Smenk verloren, und soweit ich das erkennen kann, wird nach wie vor hinter den Kulissen um jeden Fingerbreit Macht gerungen. Die einzigen Konstanten sind die beiden nichtmenschlichen Minenleiter, Ragnolin Grimmstein und Ellival Mondwiese, die beiden führen ihr Leben noch genauso wie vor 50 Jahren, wie mir scheint."

"Du siehst also....Heute scheine ich begehrt zu sein?"

Daharath dreht sich um und sieht einen hochgewachsenen, schlanken Menschen in einer dunkelgrauen Robe um die Ecke des Hauses kommen, der schnurstracks auf sie zusteuert.
Erzählen zu können  heisst, überlebt zu haben.

Daharath

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Alte Erinnerungen
« Antwort #3 am: 01.09.2007, 00:15:31 »
Daharath hörte aufmerksam zu. Er nickte, als Allustan ihm anbot, ihn zum Grab seiner Eltern zu führen. Verwundert hat ihn der verschwundene Alastor. Vielleicht würde er später noch genauer danach fragen.

"Kenne ich ihn?"

Der Kalashtar nickt dem Neuankömmling freundlich zu. Die eindringlichen, aber dennoch weichen Augen scheinen diesem direkt in die Seele schauen zu wollen - so intensiv ist der smaragdene Blick.
Einen Augenblick überlegt er, ob es so klug ist, seinen Namen zu nennen. Denn die Mörder seines Vaters könnten immer noch in Diamantsee weilen.
"Daharath. Und ihr?"

Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #4 am: 01.09.2007, 21:51:48 »
Ein nicht unfreundlicher, aber auch nicht sonderlich interessierter Blick mustert Daharath kurz, bevor der Fremde antwortet.

"Man nennt mich Bruder Alatheus, ich bin ein Diener Aureons. Doch verzeiht, mein Anliegen eilt."

Mit diesen Worten wendet er sich an Allustan.

"Meister Allustan, wenn Ihr wohl einen Augenblick eurer Zeit für mich erübrigen könntet? Unter vier Augen, wenns recht ist."

Allustan hat Alatheus genau so interessiert entgegen gesehen wie Daharath. Als der Priester seinen Namen nennt, weiten sich seine Augen unmerklich, doch Daharath spürt die Überraschung des Magiers. Allustans Tonfall ist allerdings völlig neutral.

"Wie schön, Euch kennenzulernen, Alatheus, doch hätte ich Euch eigentlich nicht hier erwartet. Solltet Ihr nicht eigentlich an einem anderen Orte sein?"

Dieses Mal ist es an Alatheus, überrascht dreinzuschauen. Doch bevor er etwas sagen kann, spricht Allustan weiter.

"Natürlich habe ich Zeit für Euch. Doch möchte ich Euch bitten, meinen Freund Daharath hier an unserer Besprechung teilnehmen zu lassen. Nein, fragt mich nicht nach meinen Gründen, doch lasst Euch gesagt sein, dass er genauso vertrauenswürdig ist wie Euer Bruder im Geiste Aitvaras."

Alatheus ist inzwischen offenbar klargeworden, dass Allustan mehr über ihn weiss, als er vermutet hätte. Dieses Mal ist der Blick, den er dem Telepathen zuwirft, eindeutig interessiert. Kurz zögert er, dann nickt er.

"In Ordnung. Sagt, Daharath, interessiert Ihr Euch für alte Grabmäler?"

Mit diesen Worten zieht er mehrere schwarze Scherben aus einer seiner Taschen hervor, die er den beiden zur Betrachtung reicht. Die Scherben sind aus einem merkwürdigen Material geformt, kein Glas, aber auch kein Stein. Und merkwürdig kalt, wenn man sie berührt.
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Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #5 am: 02.09.2007, 21:56:59 »
Daharath zuckt zusammen, als er die Scherbe berührt. Doch ist diese Reaktion nicht durch die Kälte hervorgerufen, sondern durch eine Art Resonanz zwischen seinem Geist und dem Gegenstand. Fast kommt ihm das Material bekannt vor und eine Erinnerung schießt ihm durch den Kopf.

Damals, als die Kasshtafeste von den Erleuchteten belagert wurde, erbauten unsere Ahnen die sogenannten Schutzresonatoren, mit deren Hilfe sowie dem Opfer der Erben Taratais die Grenzen Adars für die Hunde der "Erleuchteten" - dieses Wort hatte Daras' Vater mit bitterem Hohn in der Stimme ausgesprochen - für immer unpassierbar gemacht wurden. Die Kristalle, aus denen die Resonatoren gemacht sind,  leuchten rot und violett - doch sagt die Legende, dass sie ursprünglich tiefschwarz gewesen sein, aus einem Material, dessen Herkunft unbekannt ist, die aber möglicherweise auf einer anderen Ebene zu finden ist. Auch gibt es Berichte von Forschern, die ein ähnliches Material in uralten Ruinen gefunden haben wollen, die noch aus der Zeit stammen, als die Drachen Adar erschufen...
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Daharath

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Alte Erinnerungen
« Antwort #6 am: 02.09.2007, 22:58:49 »
Daharath´s Miene verzieht sich für einen Augenblick, als könne er nicht glauben, was er hier vor sich erblickt.
"Diese Scherben... ", der Kalashtar grübelt. "Sie sind mit einer scheinbar vertrauten Kraft erfüllt. Wo habt Ihr diese gefunden?" Starkes Interesse funkelt in seinen grünen Augen.

Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #7 am: 07.09.2007, 23:00:08 »
Alatheus schaut den unergründlich lächelnden Allustan, dann den Kalashtar überrascht und forschend an.

"Die Scherben stammen aus einer Gruft in der Nähe von Diamantsee. Sie gehörten zu einer Apparatur, von der wir nur raten können, das sie etwas mit dem magischen Transport von Objekten zu tun haben könnte. Mein Gefährte Aitvaras hat diese Apparatur, eine Art Rahmen, untersucht und dabei die Scherben gefunden."

Alatheus lächelt grimmig.

"Eigentlich habe ich die Scherben nur als Ausrede benutzt, um die Gruppe verlassen zu können. Valkus Dun, der uns beauftragt hatte, dieser Gruft einen Besuch abzustatten, sollte wissen, das wir nicht die einzigen sind, die sich für das Grab interessieren, von denen zumindest zwei Personen mir sehr suspekt erschienen. Allerdings dachte ich, dass es dennoch nützlich sein könnte, Allustan um Auskunft über diese Dinge zu... Allustan? Hört Ihr zu?"

Der so angesprochene fährt zusammen, anscheinend war er mit seinen Gedanken gerade woanders gewesen. Dennoch nickt er.

"Seid unbesorgt, ich habe zugehört. Doch sagt, diese Apparatur, hatte sie ein Symbol unten auf dem Sockel? Etwa so?"

Und schnell malt er eine Figur in den Sand. Alatheus schaut ... und nickt.

"Ja, genau, dieses Symbol war es. Aitvaras hielt es für ein Namenssymbol und vermutete eine Verbindung zu Lamannia. Doch sagt, was wisst Ihr darüber?"

Ein kurzer Augenblick, in dem Daharath Jahrzehnte unbewältigter Schuld in den Augen des Magiers erkennt, reicht ihm, um zu wissen, aus welchem Grund Allustan das Symbol kennt.
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Daharath

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« Antwort #8 am: 08.09.2007, 19:28:19 »
Wissend blickt er den Magier an.
Etwas in ihm regt sich, ein Gefühl diesem Mann - Allustan - zu verzeihen. Daharath weiß, dass der Kristall um seinen Hals schnell solche Gefühle bei seinem Träger und Erschaffer auszulösen vermag. Seine Faszination über den Menschen, dessen Seele sich derart gewandelt hat, ist jedoch nicht auf die Verbindung auf das Amulett zurückzuführen.
"Warum ist es hier?" Bezieht er sich auf die Apparatur.
"Das Zeichen, kenne ich es?", grübelt er.
Für ihn erschließt sich kein plausibler Hintergrund. Diese Gegend hat bis auf ihn und seinen Vater wahrscheinlich nicht viele, wenn überhaupt einen Kalashtar gesehen - so vermutet er. Und nun taucht dieses Werk an einem Ort auf, der in Verbindung mit einem verschwundenen Menschen steht?

"Ich würde es mir selbst gern einmal ansehen."
Entschlossen blickt Daharath abwechselnd zu Allustan und Alatheus.

Obwohl der Kalashtar erfahren hat, dass Informationen das wichtigste Mittel zum Überleben sind, hält er sich selbst bedeckt, sein Wissen mit anderen zu teilen. Stattdessen fragt er nach weiteren Informationen.
"Wisst Ihr noch mehr über die Apparatur?
Um was für Personen handelt es sich, mit denen Ihr unfreiwillig die Gruft erkundet habt? Haben sie Motive genannt?"

Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #9 am: 08.09.2007, 21:14:57 »
Alatheus verzieht unbehaglich den Mund.

"Das ist eine ganz merkwürdige Sache, die mir gar nicht gefallen will. Ihr habt ja sicher schon gehört, dass in der letzten Nacht in der Garnison von Diamantsee eingebrochen wurde und dabei ein Torwächter zu Tode kam."

Der Priester zögert kurz. "Nun, Valkus Dun, meinte, man könne Euch vertrauen, " fährt er zu Allustan gewandt fort.

"Was die Öffentlichkeit nicht weiß, ist, dass Tarkor, so hieß der Wachmann, wohl in den Einbruch mitverwickelt sein könnte. Tolliver Trask und Valkus Dun vermuten, dass er die Diebe hineingelassen habe, allerdings ist nicht klar, wie er zu Tode kam. Als Tarkors Komplizen vermutet man einen Halbling namens Alton Teeblatt, und zuerst dachte man, dieser habe sich dann eines Mitwissers entledigt. Allerdings hat Tarkor herausgefunden, dass dieser Alton ein sehr guter Freund Tarkors war und diesem schon einmal das Leben gerettet hat. Er hätte also gar keinen Grund gehabt, an Tarkors Loyalität ihm gegenüber zu zweifeln."

"Aber ich schweife ab. Jedenfalls ist einer der Leute, die wir dort getroffen haben, ebendieser Alton. In seiner Begleitung war ein gewisser Saal Feldren, in dem ich einen Mittäter vermute. Außerdem waren dabei ein Halbork, der sich Bartholomaeus nannte und eine junge Wandlerdruidin namens Xendra. Dieser Bartholomaeus behauptete, an der Untersuchung des Mordfalles beteiligt zu sein, weswegen es mich sehr wundert, warum er den Halbling nicht schon lange dingfest gemacht hat. Es stimmt aber, er wurde tatsächlich mit der Suche beauftragt, wie mir Tolliver Trask versicherte, Merinn Sandovar habe ihn höchstpersönlich dazu ausgesucht, da er nicht zur Garnison gehört und damit unauffälliger arbeiten könne."

Alatheus' Stimme wird unwillkürlich leiser, als er fortfährt.

"Das merkwürdige ist nun, dass Aitvaras und ich Zeuge einer Prophezeiung wurden, die sich durchaus auf diesen Halbling beziehen könnte. Valkus Dun schien besorgt genug, als wir ihm von dem Orakelspruch erzählten, weswegen ich bisher auch darauf verzichtet habe, den Aufenthaltsort des Halblings zur Anzeige zu bringen. Aber wenn wirklich die Wurmzeit heranbrechen...."

"Wurmzeit?" unterbricht ihn Allustan mit scharfer Stimme. "Sagtet Ihr soeben Wurmzeit?"

Alatheus nickt, und für einen kurzen Moment ist die Stille zwischen den drei Männern fast mit den Händen greifbar.
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Daharath

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« Antwort #10 am: 11.09.2007, 15:15:15 »
Auch bei Daharath hat die Art, wie Allustan diese Worte ausgesprochen hat, Unbehagen ausgelöst. "Wie ein dunkler Schleier wirkt es."

"Was besagt die Prophezeiung?" Bricht er schließlich bedeutungsvoll das Schweigen.
"Und wer ist Valkus Dun?" Fügt er hinzu.

Celeste

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« Antwort #11 am: 12.09.2007, 21:42:44 »
„Stimmt, den kennst Du ja gar nicht mehr.“ wirft Allustan ein. „Valkus ist der Hohepriester der Kapelle Dol Arrahs hier in Diamantsee. Nachdem Melloran Dash, an den müsstest du dich noch erinnern, das Zeitliche segnete, dauerte es wegen der Kriegswirren einige Jahre, bis ein Nachfolger für ihn gefunden wurde. Valkus hat sich aber als sehr fähig erwiesen, einer der wenigen Leute hier, denen man unbedenklich vertrauen kann.“

Kurz scheint Allustan sich zu sammeln.

„Die Wurmzeit...leider kann ich Euch nicht besonders viel darüber sagen. Ein kataklysmisches Ereignis, prophezeit in alten Schriften, und, wenn es eintrifft, wohl der Untergang der heutigen Zivilisation, schlimmer als die schlimmsten Greueltaten des Letzten Krieges, schlimmer vielleicht sogar als die Katastrophe, die Cyre getroffen hat. Mein Lehrmeister Manzorian sah es als eine seiner Aufgaben an, Informationen darüber zu sammeln.“

Ein bitterer Zug umzieht seine Lippen.

„Ich müsste selbst Nachforschungen anstellen, mir Schriften aus der Morgrave-Universität kommen lassen, vielleicht kann ich euch in ein paar Tagen mehr sagen. Aber eines weiß ich mit Gewissheit. Manzorian ist vieles, aber kein Phantast. Ich habe die Sorge gehört, die jedesmal in seiner Stimme lag, wenn das Gespräch auf die Wurmzeit kam. Und wo er sich Sorgen macht, da sollten wir Normalsterbliche besser große Angst verspüren.“

„Sagt, Alatheus, Daharath in das Grab mitzunehmen? Ich bin sicher, er könnte Euch nützlich sein, und es wird sicher ein paar Tage dauern, bis ich mehr weiss. Und es wäre mir sehr recht, wenn ihr jemanden dabei hättet, den ich persönlich kenne.“

Alatheus schüttelt den Kopf.

„Ich kann nicht. Valkus Dun hat mir einen anderen Auftrag erteilt.“

Seine nächsten Worte richtet er direkt an Daharath.

„Ihr könntet mich allerdings zurück in die Garnison begleiten, Valkus will einen Ersatz für mich bereitstellen, und ich bin sicher, wenn Allustan für Euch bürgt, wird niemand Einwände erheben, wenn ihr mit in das Grabmal geht. Einverstanden?“
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Daharath

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« Antwort #12 am: 14.09.2007, 13:25:14 »
Der Kalashtar reagiert nicht sofort, wirkt er doch noch geistesabwesend.
"Seine Worte haben einen fantastischen Klang" Seniert er etwas ungläubig über die Prophezeiung, die ihm Allustan gerade näher erläutert hat.
"Dennoch sind Geschichte und Prophezeiung unterschiedliche Dinge. Vielleicht werde ich später mehr Aufmerksamkeit der Wurmzeit zuwenden, so Zeit dafür kommt," grübelt Daharath, der schon Zeit seines Lebens reges Interesse für solche Dinge hegt.

Schließlich blickt er zu Alatheus und nickt übereinstimmend.
"Lasst uns aufbrechen". Er verabschiedet sich von dem Menschen, der ihn vor so langer Zeit Qual hatte spüren lassen und ihm nun fast wie ein alter Freund erscheint, mit exotischer Geste.
Tief zieht er die Kapuze ins Gesicht. Der mit Grünstein besetzte Reif, der sein Haupt ziert, ist nun nicht mehr zu sehen. Wenig weißt nun noch auf seine Herkunft hin. Lediglich die auffallenden Gesichtszüge, welche wie fließender Marmor nahezu künstlich wirken, wollen nicht so recht in das Bild eines einfachen Mannes passen.

Es ist die Natur der Kalashtar sich stets auf der Hut zu wähnen. Menschen, welche diese überhaupt erkennen, sagen Ihnen oft nach, dass die vom Geist Berührten vom Unglück verfolgt seien.

Celeste

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Alte Erinnerungen
« Antwort #13 am: 14.09.2007, 21:08:50 »
Gemeinsam machen sich Daharath und Alatheus auf den Weg zur Garnison. Dort am Tor angekommen, muss Alatheus sich erst ausweisen, bevor die beiden - der Priester bürgt für den Kalashtar - Einlass finden. Zielstrebig wendet Alatheus sich der Kapelle zu, und ebenso zielstrebig führt er seinen Begleiter durch die Bankreihen des Kirchenraums auf eine offenstehende Tür zuführt, aus der gedämpfte Stimmen erklingen.
" Ah, sieht so aus, als kämen wir gerade recht." lächelt Alatheus seinen Begleiter an. "Wenn ich Euch einen Rat geben darf, versucht nicht, Valkus Duns Fragen auszuweichen, er hat einen geradezu unheimlichen Instinkt dafür, zu spüren, wenn jemand sich um die Wahrheit herumzuwinden versucht."
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