„Wenn Du fertig bist, ich bin es“ erwiderte der Halbling das Lächeln, packte rasch die Siebensachen zusammen und säuberte ebenfalls umständlich seine Kleidung. Dann warf er einen Blick in den Handspiegel, den er immer in der Gürteltasche trug. Der eitle Barde beäugte kritisch die Stoppeln an Kinn und Oberlippe Ich müsste mich dringend rasieren. Heute Abend. Nachdem er den Spiegel sorgfältig in einen Lederlappen gewickelt und wieder verstaut hatte, blickte er zu der Mönchin, die eben die letzten Sachen zusammenpackt.
Er wusste, dass er Lei Lei vermutlich verärgert hatte. „Die freundlichen Halborks von gestern meinten ja, es sei nicht mehr allzu weit bis zu den Mauern, die ihr Schamane als verflucht bezeichnet hat. Das könnte das Kloster sein“, versuchte er eines der wenigen Themen anzuschneiden, bei dem sich beide einige waren. „Ich hoffe nur, wir treffen nicht mehr so viele unfreundliche.“
Bei diesen scherzhaft und mit leichter Stimme hingeworfenen Worten verfinsterte sich die Miene des Barden plötzlich. Sein erster Weggefährte, ein ungehobelter Riese von einem Menschen, der sein Glück an der Grenze suchen wollte, war von Halborks niedergemetzelt worden. Curt hatte sich rechtzeitig hinter einem Felsen versteckt und konnte dem Gemetzel nur tatenlos zusehen. Dass sollte ihr nicht passieren. Auch wenn sie keinen Humor hat, immerhin ist sie höflich und vor allem ist sie eine Hin. Zwar etwas seltsam aber von meinem Volk.
„Sag Mal, die Meditiererei – schwächt es Dich, wenn Du sie nicht beendest? Wegen der Halborks, meine ich?“ Die kleinen Augen beobachteten die Reaktionen der Mönchin genau. Curt hatte schon früh gelernt, dass man auf dumme oder naiv-unverschämte Fragen oft die entscheidenden Antworten erhieltlt.
"Wie soll ich ihm das erklären?", fragte sich Lei Lei in Gedanken, "Er hat noch nie dieselbe Ausbildung haben dürfen wie ich, oder doch?"
"Es genügt nicht, wenn ich nur durch das Fasten meinen Körper reinige.", begann sie dann nach kurzer Überlegung. Tatsächlich hatte Curt sie bisher noch nie etwas essen gesehen. "Viel wichtiger ist, dass ich meinen Geist reinige, und dass kann ich nur in der Meditation." Die Asketin befürchtete jedoch, dass der Barde noch nicht ganz verstanden hatte, was sie meinte und so versuchte sie es mit einem Vergleich: "Warum spielt ihr auf der Flöte?", stellte sie ihm deshalb eine Gegenfrage während sie ihm half, seine ganze Habe auf sein Lasttier zu laden, "Kann es sein, dass ihr euch nach eurem Flötenspiel - wie soll ich sagen - befreit fühlt?" Lei Lei erinnerte sich noch gut an das angenehme Gefühl, welches sie selber nach dem allmorgendlichen Gesang im Kloster der "Hin Faust" in Luiren verspürt hatte.
Gute Frage... Wie soll ich ihr die Magie erklären, die in der Musik wohnt. Und die Freiheit und die Leichtigkeit, die sie verheißt? Der Halbling überlegte einen Augenblick und schien völlig in Gedanken versunken. Ich glaube, ich verstehe, was Ihr sagen möchtet. ... Ich glaube aber auch, dass wir mit Freiheit und Befreiung unterschiedliche Dinge meinen." Den zweiten Satz fügte der Barde seiner ernsten Antwort mit einem schelmischen Grinsen und leichter Stimme hinzu. "Nun lasst uns weiter gehen, das Kloster wartet."
Und auch dieses hat für uns augenscheinlich unterschiedliche Bedeutungen. Curt verkniff sich, diesen Gedanken auch noch auszusprechen, zu froh war er, in dieser kalten Ödnis Gesellschaft zu haben. Dazu noch aus seinem eigenen Volk.
"Komm, Hoffnung." Wie meistens musste der Wanderer unwillkürlich lachen, wenn er sein Tier beim Namen rief. Dann stapfte er los, Hoffnungs Zügel fest in der Hand. Die Flöte hüpfte in ihrem Lederbeutel auf seiner warmen Jacke auf und nieder.