Shinigami blieb noch einen Augenblick in ihrem Futon liegen, die Augen gen Decke gerichtet und holte tief Luft. Mit einem leisen Zischen stiess sie den kurz angehaltenen Atem wieder aus und begann dann sorgsam die Decke beiseite zu legen und sich aufzurichten. Ihr dünner Schlafkimono schmiegte sich an ihre trainierte Gestalt, als sie geschmeidig aufstand und sich das kleine Handgelenkgerät schnappte. "Schule...", murmelte sie leise während sie behutsam die Schiebetür öffnete und in die Küche trat. Mit der Rechten legte sie den Computer auf einen tiefen Tisch, der übersäht war von verschiedensten Dingen, und begann zugleich die diversen Gefäße zu durchsuchen, die in der Küche standen. Mit leicht enttäuschtem Blick ging sie eines nach dem anderen durch, bis sie schließlich fündig wurde. Ein paar Löffel Teepulver wanderten in einen altertümlich wirkenden Becher und schnell war der Tee bereitet, dessen sanftes Aroma die Wohnung erfüllte. Geräuschvoll schlürfend liess sich Shinigami auf den Tatamimatten, die überall in der Wohnung ausgelegt waren, nieder und ergriff ein flaches Display, das auf dem niedrigen Küchentisch unter anderem Zeug vergraben war. Mit ein paar geschickten Kommandos rief sie die Neuigkeiten ab und überflog kurz die Schlagzeilen. "Schmuggler an der Grenze zu Atzlan ins Nirvana gebombt...", kopfschüttelnd las sie noch ein paar weitere uninteressante Nachrichten und warf schließlich das Gerät wieder achtlos auf den Tisch. Ein leises Knirschen liess auf eine unsanfte Landung schließen, aber Shinigami schien ganz in Gedanken zu sein.
Eine Weile verharrte sie nachdenklich und als ihr Blick zurück in die Realität fand war der Tee schon fast kalt. Schwungvoll trank sie den Rest, stellte den Becher ab und wanderte wieder zurück in das andere Zimmer. Auch dieser Raum war wie die Küche im japanischen Stil eingerichtet, Reispapieraufsteller verbargen das alte Mauerwerk des Gebäudes und in einer Ecke des Raumes war ein kleiner, schlichter Schrein aufgebaut. Schnell machte sie sich daran, das Futon zusammen zu legen und in einem der "Schränke" zu verstauen, die ebenfalls hinter Schiebetüren verborgen waren. Aus einem anderen Fach kramte sie ihre Straßenkleidung, frische Unterwäsche und eine kleine Waffe hervor. Nachdem sie schließlich auch ihren Schlafkimono im Schrank hatte verschwinden lassen, verliess sie immer noch träge wieder das Zimmer und verschwand im Bad. Das unstete Tropfen von Wasser war zu vernehmen und nach einem leisen Fluch und einem lauten, metallischen Klonk das Geräusch einer Dusche.
Einige Zeit später verliess Shinigami, nun in Lederhose und eine bulligen Jacke, die ihre Körperformen völlig verbarg, gekleidet ein Wohnhaus, in dessen Erdgeschoß ein kleines Dojo seine Dienste anbot. Die Türen waren jedoch verschlossen, offensichtlich war niemand da, der hier im Moment unterrichten würde. Zügigen Schritts verliess sie das Wohnviertel, nicht ohne jedoch den ein oder anderen Metamenschen auf der Straße reserviert, aber freundlich zu grüßen und bog in eine kleine Gasse ein, die alle Müllcontainer der näheren Nachbarschaft zu beherbergen schien. Ein ekelerregender Gestank verpestete die Luft, aber Shinigami ging stoisch weiter bis sie einen kleinen Hinterhof erreichte, der durch eine verfallen aussende Tür vor unbefugtem Zugriff gesichert war. Schnell schloss sie die Tür auf, verschwand im Hof und kam wenig später mit einer Rennmaschine wieder zum Vorschein, die allem anschein noch sehr neu war. Nachdem sie die Tür wieder sorgsam verschlossen hatte, schob sie das Motorrad vorsichtig aus der anderen Seite der Gasse heraus, stülpte sich einen dunklen Helm über den Kopf und schwang sich auf ihre Yamaha. Surrend sprang der Motor der "Reisschüssel" an und mit einem in den Ohren schmerzenden Geräusch sauste Shinigami davon.
Das Gefühl von Geschwindigkeit, welches schon allein dann aufkommt, wenn man den hell jaulenden Motor der Yamaha hört, verging jedoch schnell im Verkehr und es dauerte eine Weile bis Shinigami die Aurora Warrens erreicht hatte. In diesem Niemandsland kontrollierte weder jemand den Verkehr, noch kümmerte sich irgendwer einen Dreck darum, was die Leute hier trieben. Mit aufjaulendem Motor raste Shinigami eine Weile durch das verwahrloste Viertel. Schließlich stoppte sie ihre Maschine an einer Lagerhalle, die links und rechts etwas frei stand und von einem löchrigen Zaun umgeben war. Von Außen machte das Gebäude wenig her und wirkte ebenso verwahrlost wie der Rest der Warrens. Das Tor stand halb offen und so fuhr sie langsam auf das Gelände und stellte die Yamaha kurz vor einem der Seiteneingänge ab. Ein kleines Magschloß verwehrte Unbefugten den Zutritt, aber die Tür wirkte kaum so als würde sie ernsthaften Widerstand leisten, hätte ein Troll vielleicht Ambitionen einmal das Innere zu begutachten.
Ohne Zögern tippte sie eine Kombination in das Schloß und mit einem leisen Klicken wurde der Riegel eingefahren. Shinigami öffnete die Tür und betrat das Innere der Halle. Überall lag Staub und kleinere Abfallhaufen deuteten darauf hin, daß die Halle nicht immer durch ein Schloß versperrt gewesen sein konnte. Ansonsten jedoch war das ehemalige Lagerhaus völlig leer. Nach dieser kurzen Beguachtung holte sie die Yamaha ins Innere und schloss die Tür hinter sich. Das frisch installierte Magschloßsystem war schnell auf einen anderen Code umprogrammiert, so daß Shinigami nach einem zufriedenen Nicken zu ihrem Com griff und einige vorbereitete Nachrichten versendete. In spätestens einer Stunde sollte ihr frisch gegründetes Team in seiner zukünftigen Basis versammelt sein, bis dahin konnte sie es sich gemütlich machen und ein weiteres Mal alle Möglichkeiten erkunden, die das Gebäude bot. Es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen, anstatt letztendlich doch in einer Falle zu landen, die man hätte verhindern können.
Montag, 11. September 2062 - 12:14 Uhr
Versammlung des Teams.
Koordinaten und eine Ausschnitskarte der Umgebung sind beigefügt.
MET +1h
Shinigami