Für den Moment trennten sich die Wege von Belat und Mival auf der einen und Thokk, Jurij und Aiwëtaurnís auf der anderen Seite wieder.
Obwohl Belat und Mival nur bedächtigen Schrittes auf das Silbereinhorn zugingen, standen sie schon nach wenigen Metern vor der schweren Eingangstür des Silbereinhorns. Es handelte sich um einen großen, runden Turm, dessen untere beiden Stockwerke aus grauen und schwarzen Steine gefertigt waren, während sich darüber mehrere Stockwerke aus Holz erhoben. Die ersten zwei hölzernen Ebenen waren noch in ordentlichem Zustand, doch das dritte wurde momentan völlig überarbeitet. Die Bauarbeiter, die damit beauftragt worden waren, hatten in luftiger Höhe ein Gerüst errichtet und große Teile des Stockwerks bereits abgerissen, sodass sich der Turm wie ein abgebrochener Baumstumpf in den Abendhimmel streckte. Am Fuße des Gebäudes noch verwendbares Material aus dem Schutt sortiert und zusammengetragen worden. Belat und Mival ließen sich von dem Äußeren jedoch nicht beirren und traten ein. Braka Zargug, der halborkische Türsteher des angesehenen Etablissements winkte die beiden an sich vorbei, da er wusste, dass sie trotz ihres etwas unscheinbaren Äußerens zahlungskräftige Kunden waren. Allerdings gab er ihnen zu verstehen, dass er sie im Auge haben würde - offenbar hatte sich Belat schon einen gewissen Ruf erabeitet. Soweit sie es überblicken konnten, war der große Schankraum des Silbereinhorns etwa zur Hälfte gefüllt. Wieviele Gäste es tatsächlich waren, konnte man nur schwer abschätzen, da es zahlreiche kleine Alkoven gab, in die man erst hineinschauen konnte, wenn man direkt vor ihnen stand. Die Sauberkeit und der Geruch von gutem Essen rief bei Belat und Mival ein Gefühl der Behaglichkeit hervor, das von dem unaufdringlichen Lautenspiel eines halbelfischen Barden noch verstärkt wurde. Arcos Thar, der Besitzer des Silbereinhorns, stand wie gewöhnlich hinter dem Tresen und trank mit ein paar seiner Gäste Wein. Weil er offensichtlich mal wieder in eine aufregende Diskussion verstrickt war, hatte er keine Augen für die Neuankömmlinge.
Während Belat und Mival im Silbereinhorn verschwanden, besann Jurij sich auf die ungefähre Lage des Anwesens der Nanthers. Es befand sich nur wenige Straßen weiter und war schnell zu erreichen. Unterwegs kamen die drei nicht umhin, sich die Umgebung genauer anzuschauen. Im fahlen Licht der Abenddämmerung war gut erkennbar, dass die Stadt durch den hochspritzenden Schlamm und das Fehlen einer Kanalisation ziemlich schmutzig war. An einer Ecke stießen sie auf ein paar armselige Goblins und Orks, die unter Aufsicht damit beschäftigt, den gröbsten Unrat und Mist zu beseitigen – eine wenig reizvolle Tätigkeit wie sie überein kamen. Die Häuser der Stadt standen dicht an dich und bei manchen sah es so aus, als würden sie ohne die Stütze ihrer Nachbargebäude bald zusammenfallen. Nachdem die ungefähre Richtung einmal gefunden war, dauerte es daher nicht lange, bis sie das Haus der Nanthers fanden. Es war ein großes und sehr altes Gebäude, das aus demselben groben grauen Stein erbaut wurde, aus dem auch die Stadtmauer und andere wichtige Bauwerke der Stadt bestanden. Die Holzaufbauten und ein Teil des Dachs wurden gerade erneuert, weshalb auf der südlichen Hausseite mehrere Gerüste angebracht waren. Kunstvolle Schnitzereien, Ornamente und Schriftzeichen im Holz hoben es von der Masse der gewöhnlichen Häuser ab und ließen erkennen, dass sein Besitzer zu den besser gestellten Bewohnern der Stadt gehörte. Außerdem befand sich im der Eingang des Hauses nicht unmittelbar an der Straße, sondern hinter einem kleinen Hof, der seinerseits durch eine schwere Eichentür von der Straße abgetrennt war. Als die drei Reisenden daran klopften, schob sich ein kleines Guckloch auf. "Was wollt ihr?", fragte sie ein ungeduldig klingende, tiefe Stimme.