Ich würde gerne einen eigenen Thread eröffnen, um Einfälle, Erinnerungen, Textteile usw. festzuhalten. Quasi das Spieler Pendant zum SL-Thread
Hermann Hesse - Das Leben, das ich selbst gewählt (Anzeigen)
Ehe ich in dieses Erdenleben kam
Ward mir gezeigt, wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram,
Da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
Da war der Irrtum, der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,
Da waren Hass und Hochmut, Stolz und Scham.
Doch da waren auch die Freuden jener Tage,
Die voller Licht und schöner Träume sind,
Wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage,
Und überall der Quell der Gaben rinnt.
Wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,
Die Seligkeit des Losgelösten schenkt,
Wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden
Als Auserwählter hoher Geister denkt.
Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,
Mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel.
Mir ward gezeigt die Wunde draus ich blute,
Mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.
Und als ich so mein künftig Leben schaute,
Da hört ein Wesen ich die Frage tun,
Ob ich dies zu leben mich getraute,
Denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.
Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme
— »Dies ist das Leben, das ich leben will!« —
Gab ich zur Antwort mit entschloßner Stimme.
So wars als ich ins neue Leben trat
Und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward ich geboren in diese Welt.
Ich klage nicht, wenns oft mir nicht gefällt,
Denn ungeboren hab ich es bejaht
Gottfried Benn - Nur zwei Dinge (Anzeigen)Nur zwei Dinge
Durch so viele Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage-
dein fernbestimmtes: Du mußt.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
Matthias Claudius - Sternenseherin Lise (Anzeigen)Ich sehe oft um Mitternacht,
wenn ich mein Werk getan
und niemand mehr im Hause wacht,
die Stern am Himmel an.
Sie gehn da, hin und her zerstreut
als Lämmer auf der Flur;
In Rudeln auch, und aufgereiht
wie Perlen an der Schnur.
Und funkeln alle weit und breit,
und funkeln rein und schön;
Ich seh die große Herrlichkeit,
und kann mich satt nicht sehn...
Dann sagte, unterm Himmelszelt,
mein Herz mir in der Brust:
"Es gibt was Bessers in der Welt
als all ihr Schmerz und Lust."
Ich werf mich auf mein Lager hin,
und liege lange wach,
und suche es in meinem Sinn,
und sehne mich darnach.