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Autor Thema: Die Nacht des Blutes  (Gelesen 29295 mal)

Beschreibung: Episode 1.1

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Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #180 am: 16.10.2013, 23:36:22 »
Der Junge sah die Neuankömmlinge mit großen Augen an. Er trug eine schwarze Hose und ein blaues, leicht verdrecktes Leinenhemd - teure Kleidung, nichts für Adlige, aber auch nichts für normale Arbeiter. Sein volles schwarzes Haar hing ihm in verschwitzten Strähnen ins Gesicht.

"Ihr... ihr könnt die Tür nicht öffnen. Sie sind da draußen", bekräftigte er noch einmal. Er hatte eine dunkle Stimme, die unter normalen Umständen wohl kräftig war, jetzt aber vor Angst und Verunsicherung zitterte. Sein Blick wanderte zur Tür und blieb dort einige Sekunden hängen.

"Ich bin Sheriak. Ich... meine Eltern haben mich hergeschickt, um zu studieren. Zwei Wächter meines Vaters haben mich begleitet. Dann erschien auf einmal dieser... es war wie ein schwarzer Schleier, der durch den Raum zog. Er kam durch die Wände hindurch, als würden sie gar nicht existieren. Ich bin davor zurückgewichen, aber die beiden Wachen... zuerst wurden sie fürchterlich krank. Ich dachte, sie sterben. Und dann, einige Sekunden später, wollten sie mich auf einmal angreifen."

Er sah zu Rhamedes. "Sie haben mich nicht erwischt. Ich bin raus auf den Flur, und als sie mir gefolgt sind, bin ich durch ein Fenster raus, und außen entlang geklettert, und da durchs Fenster wieder rein." Er deutete auf das Fenster, durch das die Katze geflohen war. Es mochte sein, dass er hindurch passte, aber ein solcher Einstieg würde auf jeden Fall große Geschicklichkeit erfordern. "Und dann hab ich die Tür von innen zugemacht und verschlossen. Seitdem habe ich mich hier versteckt."

Nachdem er seine Geschichte losgeworden war, sah er zu Gelirion. "Untote? Aber... das macht doch keinen Sinn. Kilian und Utros waren doch lebendig, als dieser Schleier kam."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Gelirion

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #181 am: 18.10.2013, 10:19:03 »
Gelirion schluckte bei der Erzählung des jungen Mannes. Selbst für jemanden der nichts über Magie jedweder Art wusste, war es wohl klar, dass der beschriebene Nebel eindeutig etwas mit dem Auftauchen der Untoten zu tun hatte. Dieser Nebel würde auch erklären warum so erschreckend viele Untote sich in der Stadt herum trieben während die Anzeichen für lebende verschwindend gering war. Wieder biss er sich in die Unterlippe, dieses Mal jedoch um nicht lauthals über dieses wiederwertige Magie zu schimpfen. Wie feige es doch war, jemanden so das Leben zu nehmen. Wenn schon, dann sollte auch ein Nekromant den schneid haben seine Tat direkt auszuführen aber dies? Er wendete den Blick von Sheriak ab und schluckte seinen Zorn hinunter. Es brachte jetzt nichts sich über die Art und Weise aufzuregen.

„Ihr habt …“ begann Gelirion doch stoppte er sofort wieder. Wie sollte er das Sheriak klar machen. Bis jetzt hatte er selbst diesen Part nicht mitbekommen und alle die wieder aufgestanden waren, waren zuvor tot gewesen. „Ich weiß nicht wie genau ich es euch erklären soll, Sheriak. Doch wir, wir haben bis jetzt nur gegen Untote gekämpft. Uns ging …“ Die Bilder der gefallenen Soldaten flackerten wieder auf. Es wollte ihm nicht so recht über die Zunge kommen. So als ob ihn eine Schuld treffen würde, senkte der Paladin den Kopf und seine Stimme wurde merklich schwach. „ … Uns, wir … wir mussten auch gegen unsere Kammerarden kämpfen. Sie waren tot, hatten wunden die schreckliche Wunden und doch standen sie.“ Er schluckte. Wir, woher sollte er wissen, dass die anderen auch so etwas tun mussten. Allein von sich selber wusste er es und dies war wohl schwer genug. „Ich kann dir nicht erklären wie oder warum. Vielleicht leben sie auch noch und sind nur Verrückt geworden. Ich weiß es nicht.“ Dann blickte er auf und sag Rhamedes an. „Alter Mann, könnt ihr es ihm erklären? Ihr könnt doch arkane Magie wirken.“

Rhamedes

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #182 am: 18.10.2013, 22:42:06 »
Rhamedes biss sich auf die Lippen, während er Sheriak und Gelirion zuhörte. Es betrübte ihn zu hören, wie einfach die Nächsten, die Bekannten, die Freunde und auch Familie um einen herum einfach umkippten. Rhamedes spürte, wie seine Augen feucht wurden, gerade als Gelirion davon sprach. Es erinnerte Rhamedes an seinen eigenen Lebensweg, der ihn nur hierher führte, weil er eben niemanden mehr hatte und sich von den Überresten, von seiner Erinnerung an diese Menschen verabschieden wollte. Es bitteres Gefühl ummantelte ihn als wäre er die Jauche des Selbstmitleids gefallen. Welches Schicksal war schlimmer? Um seine Liebsten zu trauern oder keine zu haben? Kein Schicksal war angenehm. Wieder ging ihm die Metapher der quecksilbergefüllten Goldbrüste, die sich Schicksal nannten, durch den Kopf.

Erst Gelirions Frage riss ihn wieder aus seinem Selbstmitleid und ließ seinen brechenden Blick wieder an Klarheit gewinnen. Er wirkte arkane Magie? Er spürte das Kribbeln noch immer in den Fingern. Ja, er wirkte arkane Magie. Er hatte über das Wesen der Magie, die ihm mehr entwich als dass er sie bewusst wirkte, bisher nicht nachgedacht. Es war alles noch so neu, so ungewohnt. Er hätte vorher drüber nachdenken müssen. Rhamedes hatte einiges über Magie gelernt, bei einer Priesterin der Ceriva, die ihn irgendwo in Nifay, er erinnerte sich nicht mehr in welchem Ort genau, über den Winter brachte und seine scheinbare Wissbegierigkeit bewunderte. Er hatte sie vorgespielt, weil er so nicht nur hartes Brot und Dauerwurst, sondern auch mal ein warmes Mahl und diesen wunderbaren, blutfarbenen Wein bekam. Wieso hatte er nie...

Rhamedes zuckte zusammen. Sein Geist war so müde, dass er tagträumte und sich sein Geist einfach abdriftete. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er spürte, dass seine Augen immer noch feucht waren. Er versuchte die peinliche Pause wegzuhusten. "Ja, nun." Ihm fiel nichts ein. Hatte er schon von so einem Nebel gehört? Nein. Er musste sich irgendwas überlegen. Irgendwas, was ihnen Zuversicht gab? "Dass ich über mäßige Kenntnisse, über ein paar arkane Fingerübungen verfüge, bedeutet nicht..." "Was redest du da, alter Mann!", unterbrach ihm seine innere, seine unbekannte Stimme zornig. Ihm kam eine Idee. "Nun, es sei denn... Ich habe den Nebel nicht gesehen. Doch es wäre...rein theoretisch, wohl gemerkt, nicht unmöglich, dass es irgendeine Form negativer Energie war. Negative Energie. Wie soll man das erklären..." Die Klerikerin hatte ihm viel darüber erzählt. Er hatte nicht gut zugehört und versucht unter der hochgeschlossenen Robe die Wölbungen, die sich abzeichneten, mit träumenden Leben zu erfüllen, rein im Geiste. "Wenn Heilmagie umgekehrt wird, nennt man sowas wohl am ehesten negative Energie. Sie heilt dann nicht, sondern schädigt das Leben. Alles Lebendige sozusagen. Und diese Magie ist quasi, dass was Tote wieder auferstehen lässt. Eine Art falsches, künstliches, aus beinahe unsichtbarer Essenz bestehendes Herz, welches solange hält, bis diese Magie verbraucht oder beschädigt wird. Wir nennen es Nekromantie, obwohl es ein unklarer Begriff ist, der...nun ja, der Nekrobestandteil bedeutet soviel wie Leiche, und die Mantie eigentlich soviel wie Weissagung. Wir meinen eher damit heute eine Totenbeschwörung und keine Weissagerei aus den Überresten toter Humanoide..." "Du schweifst schon wieder ab, alter Mann! Letzte Warnung..." Rhamedes überkam ein Hustenanfall. Natürlich wusste er einiges über den Untod. Der Fluch seiner Familie. Er hatte die letzten Wochen deswegen in Klosterbibliotheken verbracht. Er suchte nach Zeit, um schonende Worte zu finden. Er beruhigte sich nach etwa zehn oder zwanzig Sekunden wieder, und spürte wie stark sein Hals vom starken Reizhusten kratzte. Seine Stimme wurde etwas heiserer. "Nun. Es ist möglich, dass ein Ritual erwirkt wurde, welches die Stadt mit diesem...nennen wir es Nebel, überzogen hat..." "Los, alter Mann, stürze sie in Verzweiflung. Tu es!" "Doch kein einzelner Magier oder Kleriker wäre zu einer solchen Tat fähig, wahrscheinlich nicht einmal eine kleine oder größere Gruppe von Magiern oder Priestern...", Rhamedes senkte den Blick, die Hoffnungslosigkeit umfing ihn wieder. "Ein solches Ritual wäre wahrscheinlich unsagbar teuer und könnte nicht mit einem Handumdrehen, nicht spontan erwirkt werden. Sowas bräuchte Monate, Jahre? Sowas hätte auffallen müssen. Ich...kann nicht sagen, wer es war oder was es genau war. Doch...ich weiß, dass es furchtbar ist. Dass eine ungeheure Macht freigesetzt worden sein muss, dass eine solch riesige Stadt wie Aradan so vor die Hunde gehen muss, dass so viele Wesen innerhalb kürzester Zeit von Leben in den Tod und wieder als Grotesque, als menschenfressende Grotesque züruckgeschickt werden. Eine...ungeheure..." Rhamedes wagte nicht weiterzusprechen. Er kämpfte mit der Verzweiflung und drehte sich ab in Richtung der Tür. Er atmete tief durch, und versuchte sich zu beruhigen. "Vielleicht wissen die Sonnenpriester mehr. Wir müssen weiter." Seine Stimme war nur noch ein scharfes Flüstern. Die Erinnerung an das Schicksal seiner Familie, jene, die mit dem Untod paktiert, herumexperimentiert und versagt hatte, fraß ihn in diesem Moment fast auf. Im Halbschatten liefen Tränen die Wangen des alten Mannes herab.

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #183 am: 18.10.2013, 23:25:37 »
Zu aller Überraschung war es das junge Mädchen Ryffa, das auf Rhamedes' Erläuterungen als erstes reagierte. Sie sah Omrah an. "Du musst es ihnen erzählen." Sie zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach. "Was der Junge dir erzählt hat, der vor ein paar Tagen in die Stadt gekommen ist."

Die jüngste der drei Schwestern sah Rhamedes nur mit Tränen in den Augen an. Leise sprach sie vor sich hin: "Ich will nicht, dass das mit... das darf nicht..." Ihre älteste Schwester kam zu ihr, nahm sie in den Arm und hielt ihren Kopf an ihrer Schulter. Das junge Mädchen begann zu schluchzen.

Mit traurigem Blick sah Cederon zu Gelirion. "Sie haben ihre Eltern verloren. Wir waren Nachbarn. Ich..." Er schluckte. Anstatt weiter zu sprechen, sah er auf die blutige Axt, die er in der Hand hielt.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Gelirion

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #184 am: 19.10.2013, 11:24:39 »
Die Ausführungen von Rhamedes waren nicht sehr erfreulich. Wenn seine Theorie stimmte, dann hatte das ganze irgendwer von langer Hand geplant. Gelirion blickte zu seiner Schwester. Sie hatte sich mit Radjesha neben ein Regal gesetzt. Offensichtlich wollten sie sich etwas ausruhen. Er schloss kurz die Augen und dachte nach wer so etwas machen würde. Bei der Geschichte dieses jungen Landes gab es ja nur eine einzige Möglichkeit.

Als sich dann Ryffa zu Wort meldete, blickte er sie an. Der Junge schien also etwas gehört zu haben. Neugierig wendete er den Blick zu Omrah. Jedoch wurden nicht lange, denn die Mädchen und Cederon erzählten von ihren Erlebnissen.
Verstehend blickte der Paladin auf die Axt des Mannes. Er stelle sich vor Cederon hin und legte seine Hand auf dessen Schulter. „Cederon, es musste getan werden. Sonst würden die Mädchen und deine Familie nicht leben.“ Er versuchte beim Sprechen seine Stimme zu sammeln. Schließlich merkte er, was gerade geschah. Die Pause, welche wohl auch nötig war, ließ alle über das Nachdenken was sie erlebt hatten. Er selbst spürte es ja auch. Dann noch die Geschichte mit diesem Nebel und die Hilflosigkeit dagegen. Wenn jetzt nicht eine Wende kam, dann würden sie wohl alle in Trauer und Verzweiflung zergehen und hier sterben. „Es ist grausam, wiederwertig  und abscheulich was hier geschehen ist und bei der Wanderin der Welten, sie, egal wie viele, werden dafür zahlen, dass sie sich gegen den Kreislauf des Lebens gestellt haben. Das schwöre ich.“ Da Gelirion es durchaus ernst meinte, drückte er seine rechte Hand an seine Brust. „Cederon, ihr Anderen, wir wollen diesen Bastarden doch nicht die Genugtuung die ganze Stadt auslöschen zu können. Wir Leben und so ehren wir alle die in dieser Nacht gefallen sind. Denn wir erinnern uns an sie. An die die uns nahe standen. Solange wir dies tun, sind sie nicht sinnlos gestorben. Darum müssen wir weiter leben. Wir müssen leben und unseren Kindern und Kindeskindern von ihnen erzählen.“ Er löste die Hand von Cederons Schulter und blickte jeden, einschließlich Sheriak an. Bei dem Halbelfen und seinem Hund blieb er kurz hängen. Er fragte sich, wie viel er mitbekam. Dann blickte er wieder zu Omrah. „Erzähl uns was du weißt.“ forderte er den Jungen auf.

Esulilde Ziberadi

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #185 am: 20.10.2013, 10:53:51 »
Esulilde hatte die ganze Zeit schweigend gelauscht. Die Tränen der Priesterin waren verschwunden und getrocknet. Doch auch neben dem Verwandelten Priester Udeon gab es Gefahren, weitaus schlimmer waren: Eines der Kinder hatte von Wesen erzählt, die sich wie Geister durch Wände bewegen, durch Berührung Menschen töten konnten und diese Menschen nach deren Tod zu ihresgleichen machen konnten. Ihre eigenen Fähigkeiten würden nicht im Kampf gegen diese Kreaturen Helfen können. Udeon hatte gesagt, dass tiefere Dunkelheit die Dunkelheit vertreiben konnte. Doch diese Worte erschienen Esulilde so falsch wie die menschliche Gestalt des ehemaligen Priesters.
Die Priesterin hatte ihren Tempel an die Untoten verloren. Nun musste sie eine neue Heimat suchen, einen neuen Weg gehen. Sie hatte bereits neue Bekanntschaften gemacht. Somit hatte dieser Weg bereits begonnen.
Und schon alleine durch die Verwandlung des Priesters hatte sie gesehen, dass die Dinge nie so waren, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mochten. Zwar war Elendra durch ihre Ausbildung das erklärte Feindbild von Esulilde, welche den Gott Aguas verehrte, doch es schien in dieser Situation angebracht, wenn sie ihren Glauben im Kloster nicht allzu offen zur Schau trug. Vielleicht lernte sie eine Andere Seite der Priester kennen, doch stumm wünschte sie sich, einen der Kleriker an ihrer Seite zu haben, der den Priester, der versuchen würde, Esulilde zu bedrängen oder sie gar zu Elendras Glauben zu bekehren,  auf der Stelle erschlagen würde.

Omrah

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #186 am: 22.10.2013, 19:13:05 »
Omrah registrierte erst jetzt, das man eine Antwort erwartete und die Blicke der Gruppe auf ihn gerichtet waren. Er hatte in den letzten Minuten geschwiegen und sich fast wie ein Schatten verhalten, um nicht aufzufallen. Das was der alte Mann von sich gegeben hatte, hatte ihn nur weiter beunruhigt und fast hätte er ihn angeschrien endlich mit seinem Geschwafel aufzuhören. Es machte ihm Angst und das war das letzte, was er im Moment fühlen wollte. Das ganze Gerede brachte sie sowieso nicht weiter und machte die Untoten vielleicht nur auf die Gruppe aufmerksam.

Denn wenn er seit seiner Flucht von zu Hause eines gelernt hatte, dann war es folgendes: Die Untoten waren zwar gefährlich aber dafür dumm und langsam. Vor allem konnten sie aber weder besonders gut sehen, noch hören. Außerdem war es wichtig, nie besonders lange an einem Ort zu bleiben, denn früher oder später würden sie - von ihrem Hunger getrieben - jeden finden. So war es nicht verwunderlich, das Omrah sich die letzten beiden Punkte zu nutze gemacht und gelernt hatte, das es von Vorteil war, einfach von der Bildfläche zu verschwinden und immer im Schatten von einem Ort zum anderen zu wandern.
Sollte er länger bei der Gruppe bleiben und sollten sie in Gefahr geraten, dann würde er keinen Moment zögern Ryffa und sich zu retten. Das Überleben war das einzig wichtige und das einzige, das zählte.

Schließlich schluckte er den Klos in seinem Hals herunter und antwortete:

"Ein Junge ist vor ein paar Tagen zu uns gestoßen. Er ist von Zuhause geflohen, einem Dorf, das nur wenige Kilometer von hier entfernt ist, weil das Dorf von Untoten überfallen wurde. Hier wiederholt sich, was dort passiert ist."

Einen Moment muss der Junge mit sich kämpfen, um nicht in Tränen auszubrechen. Die Wahrheit noch einmal laut auszusprechen war viel schwerer als gedacht. Es tat weh, sich das ganze immer wieder eingestehen zu müssen, als es einfach zu verdrängen und irgendwo wegzuschließen. Bevor er wieder in ein Schweigen verfiel, drängte er die Gruppe weiter.

"Wir müssen weiter. Bitte, wir sind hier nicht sicher!"

Gelirion

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #187 am: 22.10.2013, 20:04:47 »
Nachdem Omrah kurz berichtet hatte, verzog Gelirion das Gesicht. Es war also schon einmal passiert oder war es nur etwas Ähnliches? Die Antwort war doch etwas spärlich. „Wenn wir im Kloster sind, Junge, musst du es uns und den Priester etwas ausführlicher erzählen. Vor allem wo dieser Junge ist.“  Er atmete tief durch und blickte Omrah kurz mitleidig an. Schließlich muss es schlimm sein solch eine Geschichte zu hören um sie im Anschluss zu erleben. „Selbst wenn er tot ist, und es für dich schwer ist, musst du uns wohl mehr erzählen. Vielleicht gibt es wirklich Parallelen … em Ähnlichkeiten, die uns helfen das jetzt besser zu verstehen. Aber du hast recht, wir sind hier nicht sicher.“ Ein aufmunterndes Lächeln huschte über Gelirions Gesicht bevor er sich zu Sheriak wendete. Er blickte den jungen Mann an. „Versteht ihr nun, warum wir weiter müssen. Kommt mit uns, hier seid ihr nicht sicher. Wenn nicht die Untoten, dann wird das Feuer und der Qualm euer Ende sein.“ Er wartete auf die Reaktion des jungen Mannes. Schließlich musste es auch ein Schock für ihn sein, von solchen Dingen zu erfahren.

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #188 am: 23.10.2013, 01:26:59 »
"Sie haben ihn erwischt, bevor Omrah und ich geflohen sind", bekräftigte Ryffa Gelirions Vermutung. Ganz kurz nur warf sie Omrah einen bedeutungsvollen Blick zu.[1]

Sheriak nickte widerwillig. "Aber seid vorsichtig. Ich glaube, sie sind direkt vor der Tür." Er zögerte einen Moment, bevor er weiter sprach. "Aber ich komme nicht bis zum Kloster mit. Ich muss nach meinen Eltern sehen!"
 1. Sense Motive DC 25, wer möchte
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Gelirion

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« Antwort #189 am: 23.10.2013, 06:28:24 »
Gelirion hob wegen des Blickes von Ryffa kurz eine Augenbraue. Jedoch groß Hinterfragen wollte er die Geste im Moment nicht. Daher überlegte er nicht einmal was sie zu bedeuten hatte, nur er fand es seltsam. Zu Sheriak nickte er dann kurz. „Ich verstehe euch Sheriak. Natürlich sorgt ihr euch um eure Eltern, welches Kind würde das nicht in dieser Situation tun, aber denkt nach. Die Stadt brennt, ist voller Untote und es gibt nur wenige Gebäude, welche beidem standhalten können. Jeder der einen scharfen Verstand hat, wird einen dieser Orte aufsuchen und das Kloster ist eines. Wollt ihr dann nicht lieber eure Suche im Kloster beginnen? Wenn wir dort sind, können wir weiteres mit den Priestern und Paladinen überlegen. Vielleicht helfen sie euch sogar bei der Suche, denn alleine zu gehen wäre nicht die klügste Entscheidung und eure Eltern würden es sicher nicht wollen, dass ihr Sohn bei der Suche nach ihnen umkommt?“[1] Er lächelte dem jungen Mann verständnisvoll zu und wartete einen Moment. Dann wendete er sich an Cederon und fragte ob sie die gleiche Aktion wie eben an der Tür wiederholen wollten? Er jedenfalls machte sich dafür bereit.
 1. Diplomatie um Sheriak zu überzeugen bis zum Kloster mitzukommen: 19

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #190 am: 23.10.2013, 10:08:46 »
Sheriak dachte einen Moment über Gelirions Worte nach. Dann nickte er zögerlich. "Also gut. Bis zum Kloster. Aber dann suche ich nach meinen Eltern."

Als sich Gelirion und Cederon in Stellung brachten, ging Sheriak zu dem Tisch, auf dem das offene Buch lag, klappte es zu, und klemmte es sich unter den Arm. Er vermied dabei, irgendwem in die Augen zu sehen. Erst danach ging er zu Cederon, und gab ihm den Schlüssel für die Tür.

Radjesha und Ina halfen sich gegenseitig auf. Gelirions Schwester schien es schon etwas besser zu gehen, die Pause hatte ihr gut getan - jedenfalls war sie nicht mehr ganz so bleich wie vorher. Radjesha allerdings stöhnte aufgrund ihrer Beinverletzung leise auf. "Ich hoffe, die Elendrapriester finden schnell Zeit, sich darum zu kümmern", sagte sie, an Ina gewandt. "Die Wunde brennt, als würde mir jemand eine Fackel daran halten."
Mitleidig sah Ina ihre neue Gefährtin an, und bot ihr dann stützend ihren Arm an.

Auch die Mädchen und Cederons Familie brachten sich in Stellung, der kleine Junge - das jüngste Mitglied der Überlebendengruppe - hinter seiner Mutter versteckt, die ihr Kurzschwert kampfbereit hielt. Es war klar, dass sie ihren Jungen gegen alles verteidigen würde, was an Gelirion und Cederon vorbeikommen mochte.

Dann war es soweit. Cederon steckte Sheriaks Schlüssel ins Schloss, und drehte ihn langsam, sehr langsam um. Er lauschte auf jedes Geräusch, das hinter der Tür zu hören war. Erst nach drei oder vier Sekunden war das leise "Klack!" das Schlosses zu hören. Als wäre das Geräusch ein Kommando gewesen, war direkt danach ein unmenschliches Stöhnen auf der anderen Seite zu hören. Sie waren noch dort, wie Sheriak angekündigt hatte.

Cederon atmete einmal tief durch, sah zu Gelirion, und die beiden Männer nickten sich zu. Dann riss Cederon die Tür auf. Zwei Männer standen dort. Sie schienen unverletzt, lediglich ungewöhnlich bleich und mit rotgeäderten Augen. Mit offenen Mündern sahen sie die beiden Männer an, und gingen sofort mit hungrig ausgestreckten Armen auf sie zu. Cederon und Gelirion hoben gleichzeitig ihre Äxte, schwangen sie, und schlugen auf die früheren Wachmänner ein. Die schwarzen, mit einem silbernen Wappen verzierten Rüstungen halfen den Untoten nicht, denn die Schläge gingen direkt auf ihre ungeschützten Köpfe. Cederons Axt versank tief im Schädel seines Gegners.

Gelirions Axt allerdings traf den Zombie zwar, doch zuckte dieser im letzten Moment, im Versuch, Gelirion zu beißen, zur Seite. Die Schneide trennte ihm das rechte Ohr und einen Teil seines Schädelknochens an, bevor sie in der Schulter des Zombies stecken blieb. Aber die Kreatur lebte noch.

Hektisch zog Cederon seine Axt aus dem Leichnam des Wachmanns, der zu Lebzeiten vielleicht dreißig Jahre alt gewesen war - nur wenig jünger als Cederon selbst. Die Klinge steckte so fest in seinem Kopf, dass Cederon seinen Fuß gegen die Brust des Mannes stemmen musste, um seine Waffe frei zu bekommen. Er war kräftig, aber er war kein ausgebildeter Kämpfer, das wurde Gelirion in diesem Moment klar. Vermutlich hatte er vor dieser Nacht noch nie eine Waffe gegen einen anderen Menschen erhoben.

Gelirions eigene Waffe bekam er schnell wieder frei. Doch die Kreatur nutzte den Moment, um nach dem jungen Paladin zu schlagen. Zu Gelirions Glück nahm er dazu den Arm, in dessen Schulter die Axt gerade geraten war, und der Schlag war so unkontrolliert, dass der Halbelf ohne Probleme ausweichen konnte. Nur eine Sekunde später machte er seinen Fehler wieder gut, und die Axt teilte das Gesicht des älteren, weißhaarigen Wachmanns in zwei Teile. Wie ein nasser Sack fiel der tote Körper zu Boden.

Mit angstgeweiteten Augen sah Cederon auf den Zombie. "Entschuldige", sagte er nur knapp, und wechselte damit, wie Gelirion auffiel, unbewusst aufs 'Du'. "So kräftig wie möglich ist wohl nicht immer gut."

Vorsichtig stieg die Gruppe schließlich über die beiden Leichname hinweg, deren Blut sich auf dem Boden ausbreitete. Schwer schluckend blieb Sheriak noch einmal stehen, und starrte auf seine früheren Bekannten. Erst, als Cederons Frau ihn am Arm fasste, nickte er. Doch er kam nicht gleich mit, sondern nahm den beiden Leichen noch ihre Waffen ab - zwei scharfe Langschwerter. Eines davon nahm er selbst an sich, das andere gab er der ältesten der drei Schwestern. "Für den Notfall", erklärte er, und folgte dann Gelirion und Cederon.

Der schmale Gang, dessen Wände mit goldumrahmten Portraits gut gekleideter Männer, Frauen und Familien geschmückt waren, führte zu einer Galerie ähnlich der im letzten Gebäude. Doch schien dieser Teil des Gebäudes noch edler gehalten zu sein: Marmorboden glänzte im Schein mehrerer Kronleuchter, deren große weiße Kerzen den Raum mit Licht erfüllten. Es tat gut, wieder etwas mehr Licht zu haben. Allerdings hatte es wohl auch eine Anziehungskraft auf die Untoten: Drei von ihnen tummelten sich in der unteren Halle.

Cederon hob seine Axt. "Wir gehen gemeinsam bis zur Treppe. Dann gehen wir zwei", er deutete auf sich und Gelirion, "gemeinsam nach unten und knöpfen sie uns vor. Der Rest folgt erst, wenn die Toten auch endgültig tot sind."

Auf dem Weg zu der imposanten Treppe - sie war der im anderen Gebäude nachempfunden, aber der edle Marmorboden und die insgesamt wertvollere Einrichtung hinterließen einen prächtigeren Eindruck - gingen sie an kleinen Vitrinen und Regalen vorbei. Die meisten davon enthielten Dinge wie Vasen, Bücher und Schmuckstücke. Eine Glasvitrine allerdings enthielt einen alten Säbel. Eine Gravur auf einer kupfernen Plakette, die an der Vitrine angebracht war, erklärte, dass dieser Säbel einem gewissen Hauptmann del'Ranthor gehört hatte, der im ersten Unabhängigkeitskampf von Aradan gegen Liur eine wichtige Rolle gespielt hatte. Cederon deutete darauf und flüsterte den anderen zu: "Wenn wir die Kreaturen unten getötet haben, schlagt die Scheibe ein und nehmt den Säbel mit. Aber erst dann. Sie sollen durch den Lärm nicht auf uns aufmerksam werden."

Dann gingen die beiden Männer die Treppe herunter. Geschickt teilten sie sich auf, um die Zombies in verschiedene Richtungen zu locken, liefen dann um die gefährlichen, aber langsamen Kreaturen herum, um sie sich einzeln vorzunehmen. Es dauerte nicht lange, dann lagen drei weitere schlaffe Körper auf dem Boden.

Gelirion eilte anschließend sofort an den Regalen voller Bücher vorbei - hier waren im unteren Stockwerk keine Ausstellungsstücke, dafür hatte man den Platz genutzt, um mehrere Regalreihen prall gefüllt mit Büchern aufzustellen -, und kontrollierte die offene Tür. Auf der Straße dahinter waren keine Untoten zu sehen. Der Weg war frei, zumindest für den Moment.

Auf dem Weg zur Treppe fiel Areo ein kleines Pult auf. Darauf lag ein aufgeschlagenes Buch, ein altes Tagebuch, wie es schien. Der Autor hatte es nicht mehr ganz füllen können, denn die letzte beschriebene Seite des vergilbten Papiers war in der Mitte des Buches. Eine Feder und ein Tintenfass lagen daneben.
« Letzte Änderung: 23.10.2013, 10:13:38 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Esulilde Ziberadi

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« Antwort #191 am: 23.10.2013, 11:33:14 »
Esulilde sah, wie die Frau unter ihrer Verwundung zu leiden schien. Freundlich, schwach lächelnd, trat sie auf die Frau zu. "Wenn Ihr erlaubt, kann ich versuchen, Eure Pein ein wenig zu lindern. Ich bin ebenfalls ein wenig in den Heilkünsten bewandert, genau wie die Priester Elendras."

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #192 am: 23.10.2013, 12:39:10 »
Radjesha sah Esulilde überrascht an. Sie öffnete den Mund, als wolle sie eine Frage stellen, überlegte es sich aber noch einmal anders. "Ich wäre euch sehr dankbar dafür", antwortete sie dann.
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Areo

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« Antwort #193 am: 23.10.2013, 15:36:39 »
Areo wusste, er müsse noch einige Zeit auf Erklärungen warten und konnte sich somit nur auf seine Sinne, sein Bauchgefühl und die Hilfsbereitschaft der Menschen um ihn herum verlassen. Auch er wollte helfen, sodass sie allesamt die Nacht überstehen konnten. Der Druide wusste nicht, wo sie ihn hinführen würden, doch allein die Tatsache, dass sie in Bewegung blieben verhalf ihnen weit größere Überlebenschancen. In ihren Augen sah er Trauer und Furcht. Doch gleichsam Mut und den Willen sich zu verteidigen. Grausam war ihr Schicksal in jener Nacht. Wieviele der Bewohner Aradans mussten sich gegen ihre eigene Familie wehren. Trübe wog das Schicksal in den Gedanken des Mannes der Wildnis, doch er blieb gefasst und erlaubte seinen Gefühlen nicht, ihn zu übermannen. Er konzentrierte sich und die Angst, sowie die schmerzenden Wunden an seinem Körper halfen ihm seine Sinne im Hier und Jetzt zu behalten.
Als die beiden tapferen Krieger die Monster, welche sich in ihren Weg stellten, besiegt hatten und sich die Gruppe erneut in Bewegung setzte, klopfte er dem alten, nervösen Greis sanft auf die Schulter und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Er konnte vielleicht keine Axt schwingen, sich nicht mit dem Schild gegen die Ungetüme stemmen oder gar beruhigende Worte spenden. Doch er wollte zumindest seine Fassung bewahren und Trost schenken. So bildeten Ain und er den Schluß der Gruppe, ihre trainierten Sinne in alle Richtungen schwenkend, gewillt, auf jegliche Gefahr sofort aufmerksam zu machen.
Areo bemerkte ein Pult, mit Schreibutensilien sowie einem aufgeschlagenem Buch darauf ausgebreitet. Schnell lief er darauf zu, schloss hastig das Tintenfass und steckte es mitsamt der Schreibfeder und dem halb beschriebenen Folianten in seine Tasche.
Vielleicht konnte er zu gegebener Zeit so schneller den anderen seine Worte aufzeigen als mit der umständlichen Kreide, welche er mit in die Zivilisation brachte. Oder zumindest seine Gedanken festhalten, sodass, sollte er die Nacht nicht überstehen, zumindest jemand Außenstehendes erfuhr, was ihnen in dieser Nacht widerfahren ist. Eilig schloss er wieder zur Gruppe auf, im gehen streichelte er dem fragend dreinblickenden Ain über die hellrote Nase, welcher im selben Moment mit der Zunge über die liebkosenden Finger schleckte. Zum ersten Mal in dieser schicksalshaften Nacht wedelte er zögerlich mit seinem Schweif.
Ach Ain, treuer Ain. Auch du versuchst wohl, uns zu beruhigen, so gut du auf deine Weise kannst. Wer hat das wohl von wem abgeschaut. Du von mir oder ich von dir? Ein trauriges Lächeln auf Areos Lippen zeugte davon, dass er die Antwort auf seine Frage natürlich wusste. Es war nicht das erste Mal in seinem Leben, dass Ain seine Angst spürte und ihm zur Seite stand.

Rhamedes

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #194 am: 23.10.2013, 17:52:16 »
Rhamedes war müde und entfernte sich innerlich von den Unterredungen, die noch über seine Worte hinaus stattfanden. Er vernahm sie, irgendwo verarbeitete sein Unterbewusstsein und zum Teil auch sein Bewusstsein diese Informationen, die sich ihm offenbarten. Wenn die rothaarige Frau eine magische Heilerin war, so realisierte er, würde seine Künste zumindest in der Wundversorgung nicht gefragt sein. Gleichwohl wusste er, dass die meisten magischen Heiler, aber nicht klassisch gebildeten Heiler wenig Ahnung von der Heilkunde, von der Medizin hatten und dementsprechend auch nur überflächlich zu heilen vermochten. Aber wer wusste das schon, vielleicht war sie auch eine klassische Heilerin? Ein Gedanke, der ihm Sorge machte. Würde er dann noch benötigt werden? Sein Blick fiel auf Omrah. Der Junge hatte sich bisher immer für den schnellsten Weg entschieden, drängte permanent auf das Fortschreiten, obwohl andere sich auch dafür aussprachen. Er war verängstigt, so gefährlich verängstigt. So vehement, wie der Junge sich gegen die Hilfe für die Kranken im Sanatorium ausgesprochen hatte, würde er auch so schnell mit seiner Meinung sein, wenn es um die Schwachen ging? "Wie machst du dich unentbehrlich für die Gruppe, alter Mann? Wie sorgst du dafür, dass sich dich nicht opfern? Du kannst nicht entfliehen, dein Geist ist schwach, dein Körper gebrechlich. Was wirst du tun, alter Mann? Was wirst du tun?", spottete die innere Stimme und Rhamedes hielt seinen Blick von den anderen abgewandt, während er den beiden Kriegern der Gruppe folgte. Rhamedes vermied es, sich die Leichen genauer anzuschauen. Er hatte genug von all dem Tod, weil er ihn jetzt unaufhaltsam näherrücken sah. Und dann diese spottende Stimme. Sie ließ sogar das aufmunternde Lächeln des jungen, so stummen Mannes mit seinem Hund wie blanken Hohn wirken. Rhamedes erwiderte es dennoch, um den stummen Mann nicht zu verunsichern, und wandte sich wieder ab, nur folgend.

"Du findest keine Lösung, nicht wahr? Dein Geist ist zermatert. Du spürst nur die Angst, kannst sich nur auf sie konzentrieren. Sie schnürrt jeden Gedanken ein. Kein Gedanke ist frei, wenn du Angst und Furcht verspürst. Du willst kriechen, du willst laufen. Doch bist du auf sie angewiesen und sie nicht auf dich! Doch..."
Rhamedes Finger rasten über die Buchrücken, als sie überall daran vorbeikamen. Er sah flüchtig über sie hinweg, hoffte auf eingestanzte oder eingenähte oder beschriebene Buchtitel, hoffte darin nur ein Wort zu finden, welches ihm auf seiner Suche nach einer Lösung half. Er fand sie nicht. Die Tür ging auf und halbwegs frische Luft wehte ihm entgegen. Jetzt erst bemerkte er den beißenden Geruch des Feuers, den sie immer wieder auf ihrer Flucht in der Nase hatten. Er fand keine Lösung. Er spürte, dass er fahrlässig wurde und beinahe stolperte. Äußerlich versuchte er ruhig zu sein, doch innerlich raste sein Herz und blieb mit einem Ruck fast stehen, als die innere Stimme sich wieder meldete. "Doch eine Lösung kennst du, alter Mann. Meine Macht könnte dich unentbehrlich machen. Dir noch einen oder zwei Tage schenken. Denn du weißt, wer ich bin, du weißt, was ich bin. Noch vermagst du nicht zu wissen, was ich alles kann, doch die Magie, die dich durchfließt ist ein erster Hinweis, alter Mann. Du kannst noch nützlich sein, du kannst noch leben...Solange ich es will."
Rhamedes zitterte und zuckte zusammen, als er dieses infernale Lachen in seinem Kopf hörte. Er wurde bleich, was im Zwielicht glücklicherweise kaum zu erkennen war. Er schwieg und wartete darauf, dass die anderen ins Freie traten, um ihnen schließlich zu folgen. Die Stimme hatte er recht. Vor Angst wollte er im Moment nur kriechen, nur fortlaufen. Nur seine Angst alleine in den Flammen und dem faulenden Fleisch zu sterben, hielt ihn an Ort und Stelle.

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