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Autor Thema: Vom Schicksal verweht  (Gelesen 16247 mal)

Beschreibung: Henry und Harry in der Windigen Stadt

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Harry Webster

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Vom Schicksal verweht
« am: 20.08.2014, 03:39:22 »
Harry Webster stapfte verdrossen am Northern Lake Shore entlang. Musste sein VW Käfer ausgerechnet heute den Geist aufgeben? Die ganze Nacht hatte Harry sich auf dem St. Henry Catholic Cemetery[1] um die Ohren geschlagen—mal wieder umsonst!—und jetzt durfte er auch noch auf leeren Magen zu Fuß nach Hause laufen. OK, jeder andere Einwohner von Chicago hätte sich an einem solchen Tag ein Taxi geleistet, aber erstens war Harry mit seiner Miete schon wieder drei Monate im Rückstand und es stapelten sich zuhause außerdem die Rechnungen, zweitens sah er nicht ein, teures Geld zu zahlen, dafür, dass das Taxi dann im morgendlichen Berufsverkehr stand. Da war er zu Fuß schneller.

Es war so um die acht Uhr früh am 17. März 2001. Vom Lake Michigan[2] zu Harrys Linken pfiff ihm ein eisiger Wind ins Gesicht, welcher ihn den Kragen seines Ledermantels hochschlagen ließ. Dabei war es für die Jahreszeit eigentlich recht warm—letztes Jahr hatte es um diese Zeit noch Schnee gegeben. Die Sonne war soeben erst richtig aufgegangen und es versprach ein strahlend-klarer Tag zu werden. Die Iren der Stadt durften sich freuen und alle die, welche Spaß an Paraden hatten. Es war mal wieder St. Patricks Tag.

Für Harry aber war es die achte Nacht in siebzehn Tagen, die er sich sinnlos um die Ohren geschlagen hatte. Angefangen hatte es in der Nacht zum 1. März mit dem St. Boniface Catholic Cemetery, gefolgt vom All Saints National Catholic Church Cemetery und dem St Nicholas mit jeweils zwei Nächten Pause dazwischen; dann der Cavalry, der St. Peter, der Maryhill—je eine Nacht dazwischen, und nun St. Joseph und St. Henry in aufeinanderfolgenden Nächten: etwas braute sich da zusammen! Etwas näherte sich da...

"Es spukt!" hießen die Meldungen jeweils, die bei Harry eingingen, von den wenigen Kundigen, die um die Existenz übernatürlicher Kräfte wussten. "Die Geister sind los!" erzählten die Anwohner am nächsten Tag der Presse. Von wunderlichen Gestalten in altertümlichen Gewändern wussten sie zu berichten. Doch wenn Harry nachts nach dem Rechten sah, war alles totenstill. So wie es auf einem Friedhof nachts ja auch zugehen sollte.

Harry hatte gar nicht gewusst, wie viele Friedhöfe es in Chicago gab, und das allein östlich des Edens Expressway und nördlich des Kennedy. Und nur die katholischen!

Er pfiff gedankenverloren vor sich hin. "Who you gonna call... ghostbusters..." Ob das etwas zu bedeuten hatte? Dass alle Friedhöfe "östlich von Eden"[3] lagen? Dass sie katholisch waren... Nein, das hatte er doch schon. Seine Gedanken drehten sich im Kreis.

Harry sah auf und ließ seinen Blick über den See und dann über die vertraute Skyline schweifen. Das Gehupe des nahen Berufsverkehrs klang tröstlich. Die Menschen gingen wie jeden Tag ihrer Arbeit nach und ahnten von nichts...

Doch plötzlich ertönte ein Missklang in der morgendlichen Symphonie. Egal wie chaotisch die Geräusche der Stadt auch sein mochten—Harry waren sie so vertraut, dass er darin eine Musik erkannte, ein Muster—und dieses Muster wurde plötzlich unterbrochen. Ganz in der Nähe schien das Gehupe panisch zu werden; Menschen kreischten; Bremsen quietschten; Metall schlug auf Metall und irgendwo löste sich auch ein einzelner Schuss.

Harry zögerte nicht lange, sondern nahm seine langen Beine in die Hand und sprintete geradewegs auf den Lärm und den Unruheherd zu. Fliehende Menschen kamen ihm entgegen. Zwei Mütter schoben ihre Kinderwagen in riskanten Manövern eine Treppe hinunter. Harry wich ihnen gerade noch rechtzeitig aus, sprang über eine Parkpank und stand dann am Northern Marine Drive.

Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn an seinen Augen zweifeln. Oder seinem Verstand. Oder beidem.
 1. map
 2. Aussprache /'mishigen/, NICHT /'mitschigen/    :piper:
 3. Henry hat recherchiert, was "östlich von Eden" heißen könnte => klick!
« Letzte Änderung: 16.09.2014, 13:19:00 von Harry Webster »
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Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Henry

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Vom Schicksal verweht
« Antwort #1 am: 20.08.2014, 10:52:35 »
Henrys Vorgeschichte (Anzeigen)

Zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde das irische Land von mehreren Rebellionen erschüttert. Die größte von ihnen war die Rebellion unter James Fitzmaurice Fitzgerald im südwestlichen Munster und Süd-Leinster. Für Henry war dies das Schlimmste, was jemals geschehen konnte, denn in der Rebellion überschnitten sich die beiden Lebensbereiche, die er bisher immer erfolgreich hatte trennen können: sein Glaube und seine Heimatliebe. Als seine Clansleute eines Tages vor seiner Tür standen und Henry aufforderten, morgen nach Munster zu marschieren, da zerriss es Henry innerlich fast. Nicht weniger war dies als eine Entscheidung zwischen seinem Herz und seinem Gewissen, zwischen seinem Clan und seinem Vater und schließlich zwischen seinem Leben und seinem Heil.

Die ganze Nacht über konnte er nicht schlafen, drehte sich hin- und her und betete immer wieder das Vaterunser und die Psalmen:

My God, my God, why hast thou forsaken me? why art thou so far from helping me, and from the words of my roaring?
O my God, I cry in the daytime, but thou hearest not; and in the night season, and am not silent.

Und schließlich die großen Worte Jesu, als er im Garten Gethsemane weilte und des Kreuzes harrte:

O my Father, if it be possible, let this cup pass from me: nevertheless not as I will, but as thou wilt.

Und so verging eine ganze Nacht ohne Schlaf. Am nächsten Morgen war er noch immer zu keiner Entscheidung gekommen, doch er musste sich entscheiden. Er packte seinen Rucksack und legte die Rüstung seines Vaters an. Dann setzte er sich auf einen Hocker und wartete, ließ die Minuten verstreichen. Und schließlich klopfte es an der Tür. "HENRY! We art here to take thou with us. Open the door - or we shall see thou as with in league with our foe!"

O my Father, if it be possible, let this cup pass from me: nevertheless not as I will, but as thou wilt.

Henry seufzte, stand von seinem Hocker auf und war im Begriff die Tür zu öffnen - da umfing in plötzlich tiefe, undurchdringliche Schwärze, die wie dicke, klebrige Maische seinen Körper umfing und seine Bewegungen lähmte. Henry war erst erstaunt, verfiel dann aber in Panik und versuchte frei zu kommen, aber er konnte nicht. Er spürte einen Sog und eine Kälte und er war nicht sicher, wie lange es dauerte.

Dann, ebenso so schnell, wie es begonnen hatte, hörte es auch auf. Um Henry wurde es hell und er fiel zu Boden. Schmerzhaft entwich ihm die Luft und ihm wurde schwindlig. Ein lautes Geräusch bewahrte Henry vor der Ohnmacht. Als er aufschaute, blickte er direkt auf ein rot-silbernes Etwas, das ihn anschrie. Reflexhaft sprang Henry auf und lief davon.

In seiner Panik begriff Henry kaum, wo er war und was passierte. Doch er verstand immerhin, dass es sich um eine Art Stadt handeln musste, nur dass die Häuser groß und hässlich waren, ganz aus einem Stein gehauen. Nur wenige Menschen lebten hier, dafür waren hier viele dieser seltsamen, metallenen Wesen, die in großen Herden durch die Straße zogen und sich gegenseitig an den Hinterteilen rieben und sich anschriehen.

Henry rannte einfach weiter drauf los und versuchte sich einen Weg durch diese Wesen zu bahnen. Dies gefiel ihnen aber nicht und sie schrien noch mehr und kamen von ihrem Weg ab und Henry glaubte, dass sie ihn verfolgten. Plötzlich stolperte Henry und fiel. Instinktiv hob er seinen Schild zum Schutz - und keine Sekunde zu früh, denn sofort war eines dieser Wesen über ihm und schrie. Henry sprang auf, zog seinen Flegel und hieb dem Vieh auf sein großes Maul.

"NUMEROUS THOU ARE, BUT YOU WON'T GET ME EASILY!", schrie Henry und gab dem Wesen ein um den anderen Hieb. Dies schien das Wesen aber nur noch mehr zu verärgern, denn plötzlich schnaubte es dicken, schwarzen Odem aus. "Oh, thou don't like that? I can do it the whole day!" Menschen schrien, mehr von den Wesen kamen in der Nähe zum Stehen, doch Henry hatte seinen Kopf wieder unter Kontrolle. Was auch immer hier passierte, er würde kein leichtes Opfer sein.
 1. Irischer Stockkampf
« Letzte Änderung: 20.08.2014, 12:26:39 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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Vom Schicksal verweht
« Antwort #2 am: 20.08.2014, 13:40:34 »
Mit dem Morgenstern! In Vollplatte! Und der Morgenstern hatte die Motorhaube des Taxis schon ordentlich zerbeult. Mehr als zerbeult: schwarz-öliger Rauch stieg bereits daraus auf. Die Passagiere und auch der Fahrer sprangen entsetzt aus und flohen in alle Richtungen.

Was war denn das für ein Irrer?

Binnen Sekunden verschaffte Harry sich einen Überblick. Die Polizei war noch nicht da, aber dürfte inzwischen informiert sein. Der Schütze, wohl ein Autofahrer mit Revolver im Handschuhfach, hatte inzwischen sein Magazin verschossen und alles verfehlt außer Fensterscheiben, Mülleimern und einem Hotdog-Stand, dessen Betreiber aber längst das Weite gesucht hatte. Da der Mann nichts mehr an- noch ausrichten konnte, lief auch er davon. In mehreren weiter entfernten Autos stiegen die Leute aus und liefen davon; in den näheren verharrten sie verängstigt in der relativen Sicherheit des Innenraums; nur die Insassen der vier Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe zum qualmenden Taxi, das noch immer von dem verrückten—Ritter?—attackiert wurde, zogen die Sautierpfanne dem Feuer vor und eilten ebenfalls davon.

Was schrie der Kerl da? Er klang wie aus einem Theaterstück von Shakespeare. Oh ja. Definitiv einmal zu oft den Renaissance Fair besucht. Eigentlich wäre dies ein Fall für die Herren in den weißen Kitteln nebst ihren Westen mit den extralangen Ärmeln.

Doch etwas passte nicht ins Bild. Die Ausrüstung des Ritters, sie sah einfach zu... echt aus. Und der Mann selbst war sehr klein geraten. Ungefähr so klein, wie die Leute im Mittelalter gewesen sein mochten. Oder wie jemand, der Feenblut in seinen Adern hatte. Jedenfalls war etwas übernatürlich an ihm. Harry brauchte nicht einmal seinen Blick zu öffnen, um dies zu sehen. Hm. Ein Ritter der Sommerkönigin Titania? Das würde das milde Wetter erklären.

Harry näherte sich dem noch immer tobenden Ritter mit erhobenen Händen; eine Geste, die trotz des Kampfstabes, den er in der Linken trug, hoffentlich friedvoll wirkte.

"My good Sir Knight, desist from your attack", rief er laut, den altertümlichen Stil des Mannes nachahmend—sogar seinen faux-British Akzent packte er dafür aus, das heißt, eigentlich imitierte er Sean Connery, also musste es faux-Scottish heißen—"I would parlay with you, please, Sir Knight!"

Und er tat noch ein paar Schritte auf den Ritter zu. Der Verkehr war inzwischen komplett zum Stillstand gekommen. In der Ferne hörte man bereits Sirenen.

Und so sah Harrys Nahen von der anderen Seite des Morgensterns aus:

Ein elendslanger, spindeldürrer Kerl, vielleicht im selben Alter wie Henry, kam da vorsichtig auf ihn zu. Eigentlich könnte man es todesmutig nennen, denn er trug weder Rüstung noch eine ernstzunehmende Waffe noch schien er über die notwendige Muskelkraft zu verfügen. Dafür waren die Gewänder, die der Kerl trug, umso seltsamer: ein schwarzer, glänzend-glatter Ledermantel über dunkelgrauem Hemd, dazu dunkelblaue Beinlinge, und auf dem Kopf eine ovale schwarze Kappe mit rundum vorstehender Krempe. An seinen Stiefeln trug er Sporen, obwohl nirgendwo ein Pferd zu sehen war.

Der Fremde kam immer näher. In der linken Hand hielt er einen Kampfstab, aber nicht wie zum Kampf erhoben. Außerdem fiel Henry das kleine silberne Pentagramm auf, welches der Mann an einer Kette um den Hals trug. Und seinen Akzent... den konnte Henry gar nicht einschätzen. Aus Britannia schien er ihm jedenfalls nicht zu sein.

"Please", bat der Mann abermals. "Lower your weapon. Your Queen would not care to see you arrested, Sir Knight. I can help!"
« Letzte Änderung: 23.08.2014, 22:29:05 von Harry Webster »
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Henry

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Vom Schicksal verweht
« Antwort #3 am: 20.08.2014, 16:34:47 »
Die Stimme des fremden Mannes riss Henry aus seinem Rausch. Noch ein letztes Mal sauste der Flegel auf die metallene Haut des Wesens hinab, dann sah er auf zu dem Mann, der ihn angesprochen hatte. Und tatsächlich musste Henry aufblicken, denn der Mann war mehr als zwei Köpfe größer als er. "What a curious-looking guy! Der ist ja riesig groß und dabei klapperdürr. Ich schätze, er hat alle seine Kraft darauf verwendet, so groß zu werden." Henry schätzte, dass es sich um einen Edelmann oder einen Kaufmann handeln musste, denn einer gemeine Arbeit schien er nicht nachzugehen. Dafür war er zu wenig muskulös.

Ungewöhnlich war auch, dass er sich von den seltsamen Wesen überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ. Henrys Blick schweifte ab und da fiel ihm ein Detail auf, welches ihn in einen Zustand beschämter Überraschung versetzte. Diese Dinger hatten statt Beinen Räder. Die Räder sahen zwar anders aus, als die Räder, die er kannte, doch unzweifelhaft, es waren waren Räder. War es möglich, dass es sich bei diesen Dingern um... Kutschen... oder so etwas ähnlichem handelte? Doch wenn dies stimmte, wo waren die Zugtiere? Und warum kam Rauch aus dieser Kutsche vor ihm?

Henry wurde bewusst, dass der Mann auf eine Antwort wartete. Henry ließ seine Waffe sinken. "It attacked me first, I swear!", rechtfertigte sich Henry. "At least, I guessed so. Was sind dies für seltsame Dinger? Und überhaupt, was ist das für eine seltsame Stadt? Bin ich im Limbus?[1] Oder ist dies nur ein Traum? Ja eher, ich muss träumen.", sagte er und Harry musste auffallen, dass sich im Laufe der Rede der starke Akzent des Mannes abmilderte.

"But still, though this be madness, yet there is method in 't.[2] Ich habe niemals einen so realen Traum gehabt. Ihr gestattet?", wunderte sich Henry, steckte den Flegel notdürftig in seinen Gürtel und kniff dann fest in Harrys Arm.

Als Henry Harry näher kam, fiel ihm das Pentagramm[3] an seinem Hals auf. "Thou fear the might of evil kin? Alright, but let me explain, that the holy name of our savior, Jesus Christ, is 'nough to keep the satan at bay. Ihr tätet besser daran, dass Abendmahl zu empfangen, als dass ihr auf solche völkischen Wundermittel, wie einem Pentagramm, vertraut. Wie lautet Euer Name, guter Mann? Und wie lautet der Name Eures Lords?" Es war seltsam, wie Henry sprach. Jedesmal, wenn er neu ansetzte, dann fiel er zurück in diesen altertümlichen Dialekt, nur um am Ende wieder in einem normalen Englisch zu sprechen.
 1. Limbus: Die Vorstellung des Limbus ist mittelalterlich und geht auf eine Vermittlung zweier Vorstellungen zurück, nämlich einerseits, dass niemand gerettet werden kann, der nicht an Jesus Christus glaubt, und andererseits dass ein Mensch guten Willens, der niemals die Gelegenheit gehabt hatte, den Glauben anzunehmen, nicht dieselebe Höllenstrafe eines Ungläubigen haben dürfe. Ausgedehnt wurde die Vorstellung dann auf alle Menschen, die ohne eigenes Verschulden das Heil verfehlten.
 2. Shakespeare, Hamlet, II. Akt
 3. Im Mittelalter ist das Pentagramm allgemeinhin als Bannzeichen gegen das Böse bekannt (so z.B. auch noch bei Goethes Faust).
« Letzte Änderung: 20.08.2014, 17:17:04 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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« Antwort #4 am: 20.08.2014, 17:43:29 »
"Dream? I didn't know fairies could dream, don't you need a soul for that?"[1] wunderte Harry sich.

Dann erinnerte er sich an etwas, das Großvater Mortimer in einer Lehrstunde über die Anderswelt erzählt hatte. Sowohl die Winterkönigin als auch die Sommerkönigin benutzten gern Sterbliche als ihre Ritter. Diese armen Seelen lebten dann bei den Feen in der Anderswelt, wo die Zeit sich völlig anders verhielt als hier. In den meisten Märchen, die er kannte, bedeutete das: viel langsamer als auf Erden. Wenn dies also ein solcher Mensch war, dann kam er am Ende gar tatsächlich aus dem Mittelalter, und für ihn war es womöglich nur wenige gefühlte Jahre her.

"OK, so the city's called Chicago", sagte Harry, und beantwortete dann in rascher Folge die wichtigsten Fragen des Ritters: "And me, I'm Harry Webster. As for my lord, I suppose that would be George W. Bush. But introductions will have to wait, 'cause when I said I wanted to talk, what I really meant was: later. First, we need to get the hell out of here. Unless you want to spend the next few years of your life locked up in a jail cell? Or maybe the rest of your life in a padded cell? Because that's what's going to happen to you if we stand around here much longer. I don't suppose your insurance would cover that, huh?" Grinsend nickte er in Richtung des Taxis. "Guess you really vanquished the beast."

Die Sirene im Norden war zwar nicht lauter geworden—die Polizei stand im Stau—dafür kamen aber im Süden und im Westen weitere hinzu. Außerdem tauchten bereits die ersten Neugierigen vorsichtig aus ihren Versenkungen wieder auf. Zeugen. Das konnte Harry ja gar nicht gebrauchen.

"You hear the sirens? The cops are closing in on us. Sir, I know you have no reason to, but you gotta trust me. My office is nearby, I think I can get us there and keep pursuers off our tail. I don't even know why I would stick out my neck like that for a total stranger, but that's me. Gotto help every lost soul I stumble across in my city, be they human or fairy or something betwixt."

Bei den letzten Worten zeigte er bereits auf eine Seitengasse und setzte sich in Bewegung, darauf hoffend, dass der Ritter ihm folgte.
 1. Ich schreib nur Englisch, weil Du so angefangen hast, gelt?  :wink: Wenn's Dir auf den Keks geht, sagen, dann hör ich wieder auf damit. (Aber Spaß machen tut's... :lol:) OK, ab nächstem Post wohl doch lieber in Deutsch. Das könnte ja immerhin ein längeres Gespräch werden...
« Letzte Änderung: 14.09.2014, 20:41:12 von Harry Webster »
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Henry

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Vom Schicksal verweht
« Antwort #5 am: 20.08.2014, 19:33:22 »
Henry folgte dem fremden Mann durch diese seltsame Stadt, die 'Chigaco' hieß. Das Meiste, was der Mann sagte, verstand Henry nicht. Da waren einfach viele Worte, die er nicht kannte, darunter 'cops', 'insurance' und 'office'. Aber die Bedeutung von 'jail' war ihm nur allzu geläufig und Henry befand, dass es keine Notwendigkeit gab, von Soldaten oder Milizen aufgegriffen und eingesperrt zu werden. Er würde das Missverständnis später klären - oder vielleicht würde Harry das für ihn tun.

"I'm gotto apologize, 'cause I didn't introduced myself. Meine Name lautet Henry und da mir keine Stadt mit Namen 'Chicago' geläufig ist, sollte ich hinzufügen, dass ich Ire bin.", rief er Harry hinterher.Seinen Helm trug er mittlerweile unter dem Arm. Zum Vorschein kam ein nettes Gesicht, welches von rostrotem Haar eingerahmt wurde. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Henry war immer stolz, wenn er von sich als Iren sprach. Leider mochte es Harry wohl nicht bemerken.

Henry holte etwas auf zu Harry. Seine schwere Rüstung schepperte beim schnellen Laufen. "But thou already guessed, hm? Dazu muss ich Euch sagen, dass wir Iren zwar viele Feengeschichten kennen, aber ich kann Euch versichern, dass ich keinen Goldtopf besitze. Nur einige Pfund habe ich noch in meinen Taschen. Vielleicht wird das Geld zumindest für die Schwersten Schäden Kompensation leisten können." Henry streckte Harry seine gepanzerte Hand entgegen, in der sich mehrere alte Münzen befanden. An der unregelmässigen Form, ihrem abgeschlagenen Zustand und dem kruden Emblem war zu erkennen, dass es sich (aus Harrys Sicht) um sehr altes Geld handeln musste. So sah heutzutage nirgendwo mehr Geld aus.
« Letzte Änderung: 20.08.2014, 19:45:35 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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« Antwort #6 am: 20.08.2014, 23:13:39 »
"Heute ist in dieser Stadt jeder ein Ire", schmunzelte Harry. "Auch die, deren Vorfahren Eure[1] schöne grüne Insel nie auch nur zu Gesicht bekamen."

Den Kommentar, der ihm wegen des Vornamens, mit welchem der Ritter sich vorstellte, auf der Zunge lag, verkniff er sich. Henry, also wirklich! Nachdem ich mich gerade als Harry vorgestellt habe... Aber er hatte natürlich von einem Feenwesen nicht erwartet, dass es seinen wahren Namen preisgab.

Er führte Ritter Henry so schnell, wie dieser mithalten konnte, mehrere Seitengassen hinab und über zwei doppelt mannshohe (wenn man Henry als Maßstab nahm) Absperrungen hinweg, die der Ritter mithilfe der in der Nähe stehenden Müllcontainer meisterte. Verfolgt vom viel zu nahen Sirenenklang ging es dann in ein verlassenes, heruntergekommenes Wohngebäude—voll besetzt mit Squattern und Junkies, die kaum lange genug aus ihrem Drogenrausch erwachten, um ein Auge aufzuklappen und zu schauen, ob das Scheppern nur in ihren Köpfen oder auch in echt existierte—und dort in den Keller hinunter, von diesem durch eine wohlversteckte Tür in einen weiteren Keller hinab, dann über eine Leiter, die durch ein Loch im Boden führte, in einen dunklen, klammfeuchten Tunnel.

Erst hier wagte Harry innezuhalten und aufzuatmen.

"So, in Sicherheit. Also, vor den Cops. Hier unten ist es in anderer Hinsicht wesentlich gefährlicher. Let's not linger."

Harry holte eine Taschenlampe aus den Tiefen seiner Manteltaschen und knippste sie an.

Und weiter ging's, durch ein verwirrendes Labyrinth aus kreuz und quer verlaufenden Tunneln, die mal breit, mal eng waren, mal so niedrig, dass sogar Henry den Kopf einziehen musste, dann wieder so hoch, dass er die Decke nicht sah. Die Wände waren an vielen Stellen mit unkenntlichen Zeichnungen bemalt. Längst hatte Henry hoffnungslos die Orientierung verloren, aber Harry zögerte an keinem Abzweig.

Dann ging es endlich aufwärts. Und noch weiter aufwärts. Und noch mehr Treppen. Und noch mehr. Henry geriet allmählich ins Schwitzen.

"Der Aufzug ist mal wieder kaputt", sagte Harry und wies auf ein Schild, das an einer dicken, eckigen Säule hing und genau dies besagte. Dann fügte er hinter vorgehaltener Hand hinzu: "Der Aufzug ist immer kaputt. So, aber jetzt wären wir da. Jetzt kann ich Euch Eure Fragen beantworten, wenn Ihr welche habt. Und vielleicht Ihr die meinen?"

Die beiden ungleichen Männer standen in einem schmuddeligen Korridor, der von einer einzigen, nackten Glühbirne erhellt wurde. Auf der Tür vor ihnen waren drei Schilder beziehungsweise Notizen angebracht. Während Harry umständlich seine Schlüssel hervorkramte, las Henry das folgende:

Harry Webster, Paranormal Investigations


Dies stand auf einem metallenen Türschild. Darunter fand sich ein Papier geheftet, auf welchem gedruckt[2] war:

Lost items found. Missing persons found as long as they want to be found. We deal with haunted houses, fairy infestations, and find the loophole in your contract with any supernatural entity—if there's one to be found. No love potions. No vodoo dolls, hexes, jinxes or curses. No parties or other entertainment. Reasonable Rates.

Darunter klebte eine handschriftliche gelbe Post-it Notiz: No crank calls, please!

Dann schloss Harry die Tür auf und machte eine einladende Geste.

Und noch bevor Henry die Einladung annehmen oder ablehnen konnte, setzte Harry seine erste Frage hinterher: "So, jetzt sagt mir doch einfach, was Euch hierher führt. Vielleicht kann ich Euch helfen."
 1. Ich übersetze "you" einmal mit "Ihr" und "Euch", schließlich kommt's von der alten Pluralform, nicht vom thou=du; und es klingt irgendwie passender.
 2. mit einem alten Nadeldrucker
« Letzte Änderung: 28.08.2014, 15:09:22 von Harry Webster »
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Henry

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« Antwort #7 am: 21.08.2014, 12:33:57 »
Henry trat in das 'Office' des Fremden und sah sich um. Es war erkennbar, dass hier jemand nicht nur arbeitete, sondern auch lebte. Nebe einem Aktenschrank und Stapeln von Papieren, Karten und Büchern fanden sich ebenso benutzte Gläser und schmutziges Geschirr. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Tisch, dahinter ein Stuhl vor einem großen Fenster. Das Tageslicht wurde von einer halb zugezogenen Jalousie abgedämpft. Streifen von Licht zerschnitten die Luft. "Comfortable... somehow", murmelte Henry.

Henry hängte seinen Rucksack an den Kleiderständer und lehnte seinen schweren Schild an die Wand. "My reason for being here? Dunno know. Ich erinnere mich, dass ich darauf wartete, dass mein Clan in die Schlacht ziehen würde gegen die englische Krone. Die ganze Situation war ein Dilemma. Es begann damit, dass die englische Krone ihren Anspruch auf Irland geltend machte und die katholischen Kirchen enteigneten. Außerdem suchte sie, den katholischen Ritus durch den der jungen anglikanischen Kirche zu ersetzen. Es kam zu Rebellionen einzelner Clans gegen die englischen Okkupanten, nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch weil die Autonomie der Clans durch das englische Gesetz eingeschränkt wurde. Als Queen Elisabeth dann von Papst Pius V. exkommuniziert wurde, weigerte sich ein bedeutender Clananführer namens Fitzmaurice, der englischen Krone weiterhin Gehorsam zu leisten. Mein Clan stimmte den Plänen Fitzmaurice' zu und war drauf und drann, Männer nach Leinster zu entsenden. Ich... weiß nicht, für welche Seite ich mich entschieden hätte. Henry seufzte. "Da saß ich nun und harrte meines Schicksals, eine der beiden Seiten verraten zu müssen. Und als es an meiner Tür klopfte, da umfing mich Schwärze, ich wurde wie von einem Strom mitgerissen und fand mich plötzlich in Eurer Stadt wieder. Den Rest kennt Ihr."

"That's the story. Besides, what did thy mean, that today all men are Irishmen? Wait! It's... St. Paddy's Day? Really?" Henrys Gesicht hellte sich auf und strahlte. "In diesem Fall, guter Mann, muss ich mich weigern, das Gespräch hier weiterzuführen. Ich muss darauf bestehen, dass wir in die nächste Schenke gehen, 'cause it's my holy duty, to get drunk tonight. Got it?"

Henry sammelte zwei Gläser zusammen und kramte eine Flasche dunklen Inhalts aus seinem Rucksack. Er goß zwei Doppelte ein und hob sein Glas. "This one is from my neighbour. It makes you beat up your brother and love your wife. Or the other way round. Sláinte!"[1]
 1. Verbrauche zwei Cups Dragonpunch Whiskey
« Letzte Änderung: 21.08.2014, 14:58:28 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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« Antwort #8 am: 21.08.2014, 14:24:47 »
"Seriously? It's nine o'clock in the morning! I haven't even had my coffee yet, let alone breakfast. And I've got neither wife nor brother to love or beat up. Oh, what the hell. Sláinte to you too!" Harry nahm den Whiskey an und kippte ihn runter wie einen Kurzen—und dann blieb ihm erst einmal die Luft weg. Gründlich. Nicht einmal zum Husten hatte er genug übrig.

"Was...", keuchte er, "für... ein... Tropfen!"

Er hieb sich mehrmals mit der Faust auf die Brust. Tränen standen ihm in den Augen.

"OK, my turn. Ich mach uns mal einen Kaffee. Bin sofort wieder da."

Damit verschwand er in einer Ecke des Zimmers, wo er Schränke öffnete und wieder schloss und mit einer seltsamen alchemischen Apparatur zu hantieren begann. Derweil sah Henry sich noch ein wenig um.

An der Wand neben der Tür stand ein bettähnliches Gebilde (nur war die Liegefläche sehr schmal, dafür hatte das ganze eine Rückenlehne) mit Kissen und Decke, welches sehr einladend wirkte. Bei dem Aktenschrank fiel auf, dass von sechs großen Schubladen nur die beiden in der obersten Reihe beschriftet waren. Dort stand: Clients, A-Z und Contacts, A-Z.

Im Bücherregal daneben fielen folgende Titel ins Auge:

(im mittleren Fach, auf Henrys Augenhöhe)
The Holy Bible
Holy Bible, the Graphic Novel
Quran
Talmud
Four Books and Five Classics
Tao Te Ching
Pali Canon, selected texts
Vedas
Bhagavad Gita


(im oberen Fach, auf Harrys Augenhöhe)
An Encyclopedia of Angels and Archangels
An Encyclopedia of Demons, Spirits, and Other Things That Go Bump in the Night
Creatures of the Nevernever
Dragons in History and Mythology
The Fairie Courts: Customs and Politics
Don't Forget the Fine Print - What to do and not to do when you enter a contract with a fairy, demon, archangel or Old Nick himself
A Complete History of Sorcery
Spell Compendium, Vol. 2: Creation
Spell Compendium, Vol. 4: Divination
Spell Compendium, Vol. 6: Evocation
Charms and Circles for Your Protection
Thaumaturgy
Grimms' Fairy Tales


"So", riss Harry Henry aus seinen Betrachtungen und stellte zwei Becher eines dampfenden schwarzen Gebräus auf den Tisch. "Und nun zu dem, was Ihr mir da gerade erzählt habt... Oder war das ernst gemeint mit der Kneipe? Es gibt hier ganz in der Nähe einen netten Irish Pub, MacClelland's, der rund um die Uhr geöffnet hat. Wenn Ihr wollt..."
« Letzte Änderung: 22.08.2014, 14:08:38 von Harry Webster »
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Henry

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« Antwort #9 am: 21.08.2014, 16:04:16 »
Henry nahm wohlweißlich nur einen kleinen Schluck von dem starken Selbstgebrandten. "Oh, yes. My Neigbour always says: 'On' cub, you't dizzy - on' bottle, you't blind'. But don't worry, we tried once. Thy don't get blind - thy just wish to get decapitated next morning." Henry lachte über seine kleine Anekdote. Überhaupt war er nun in einer besseren Stimmung. Was auch immer gerade vor sich ging, ob er träumte oder in eine andere Welt versetzt war, one pal and a drink and the world gets allright.

Während Harry in einer Ecke des Zimmers vor sich hin werkelte, nutzte Henry die Gelegenheit, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Er konnte sich nicht an den Anblick der Stadt gewöhnen. Wer würde freiwillig in dieser Steinwüste leben wollen? "There must be a circus in town. The people are almost running to get there.", bemerkte Henry.

Er wandte sich vom Fenster ab dem Bücherschrank zu. Die meisten Titel verstand er nicht. Mussten wohl irgendwelche ausländischen Romane oder Märchenbücher sein. Dann fand er etwas, was ihm wohl vertraut war: The Holy Bible! Und gleich zwei Exemplare. Henry zögerte und nahm dann diejnige aus dem Schrank, welche den Untertitel 'Graphic Novel' trug. Als er das Buch aufschlug, war Henry allerdings überrascht. Es war nur sehr wenig Geschriebenes in dem Buch und dafür sehr viele und große Bilder. Einige davon waren ziemlich grell. "Hope, the painter didn't make your church windows, as well.", kommentierte Henry das Buch und stellte es dann nach einigen Seiten wieder in das Regal.

"I'm glad, you're a religios man, after all.", sagte Henry, als Harry gerade die beiden Tassen Kaffee auf den Tisch stellte. Probeweise nahm Henry einen Schluck des dampfenden Getränks und verzog dann das Gesicht. "Uh, guess you must get used to it. But I have an idea." Henry nahm das halbe Glass Whiskey und goss es in seinen Kaffee. "Schon besser. Hmhm... noch ein wenig Honig und vielleicht etwas Sahne - and this would be a fine drink."

"McClelland's sound's all right. Nine o' Clock is also a fine time to start with. Aber nun noch zu etwas Ernsterem. habt Ihr eine Idee, was mit mir passiert ist?  Ich bin fast geneigt, zu glauben, dass dies kein Traum ist (denn wenn dies ein Traum wäre, dann wären bereits gewisse Dinge passiert). Ich habe niemals von etwas Vergleichbarem gehört, außer vielleicht in einigen Märchen, die behaupten, man könnte durch eine Baumhöhle klettern oder vom Rand der Welt fallen und dann in einer anderen Welt erwachen. Aber das sind Kindergeschichten. Fast ebenso bedeutsam, wie komme ich wieder von hier weg?"
« Letzte Änderung: 21.08.2014, 17:23:48 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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Vom Schicksal verweht
« Antwort #10 am: 21.08.2014, 18:48:06 »
"Ja, also mein erster Gedanke war ja—oder mein zweiter, um ehrlich zu sein—dass Ihr die letzten 400 Jahre oder so in der Feenwelt verbracht habt. Dort vergeht die Zeit ja wesentlich langsamer als hier, und je nachdem, wo Ihr da genau wart, könnte aus Eurer Sicht ein Tag vergangen sein, hier bei uns aber ein Jahrhundert. Gehe ich richtig in der Annahme, dass, wenn Ihr von Königin Elizabeth von England sprecht, Ihr die erste Königin dieses Namens meint? Also die Tochter von Henry dem Soundsovielten und der Zauberin Anne Boleyn?"

Henry nickte, doch Harry entging nicht, dass der Ritter ihn sehr verwirrt und einigermaßen erschrocken ansah. Er räusperte sich verlegen.

"Verzeiht, ich bin jetzt diplomatisch nicht sonderlich geschult... Anderseits wüsste ich auch nicht, wie man so etwas einem Menschen schonend beibringen könnte. Also, wir schreiben das Jahr des Herrn 2001."

Er nickte in Richtung Wand, wo ein großformatiger Kalender hing, auf dem unten der Monat März 2001 aufgeschlagen war. Das Bild darüber zeigte eine so gut wie nackte Dame, die ein seltsames Konstrukt in den Händen hielt: vorne sah es wie ein breites, mit einer Kette umwickeltes und dabei rund endendes Schwert aus, hinten war statt eines Griffes ein komischer, orangeschwarzer Kasten befestigt.[1]

Während Henry noch den Kalender besah, wünschte Harry sich nicht zum ersten Mal, dass er ein wenig mehr Takt besäße. Er spülte diesen Gedanken mit einem ordentlichen Schluck Kaffee hinunter, dann stellte er einen Pappkarton auf den Tisch. Henry sah, dass dieser Zuckerwerk enthielt: kleine runde Krapfen mit einem Loch in der Mitte, welche dick mit Zuckerguss überzogen waren. Harry nahm sich einen, verschlang ihn in wenigen Bissen und fuhr mit vollem Mund fort:

"Es herrscht immer noch eine Elizabeth in Großbritannien, allerdings die zweite. Und wir hier, wir sind in Amerika, das inzwischen voll erkundet und besiedelt und auch längst keine englische Kolonie mehr ist. Hier in Chicago, wie auch drüben in New York, gibt es sehr viele Iren, die ihre Heimat so um 1850 verließen wegen der großen Hungersnot und die hierher kamen auf der Suche nach einem besseren Leben—was sie zumeist auch gefunden haben.

In anderen Worten: Ich glaube nicht, dass es für Euch einen Weg zurück gibt—die Zeit lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen—aber wo wir jetzt sind, das ist kein schlechter Ort und keine schlechte Zeit."


Doch egal wie vorsichtig Harry das alles zu formulieren versuchte, sein Gegenüber schien immer blasser zu werden.

"OK, ähm, vielleicht war das doch keine schlechte Idee, MacClelland's einen Besuch abzustatten. Ihr seht aus, als könntet Ihr ein paar ordentliche Drinks vertragen, St. Paddy's Day hin oder her. Ich, ähm..." ein skeptischer Blick in die Brieftasche... "ich... tät Euch auch ein paar ausgeben..."

 1. Der Kalender war ein Werbegeschenk einer Firma, die Kettensägen herstellt.
« Letzte Änderung: 23.08.2014, 22:43:05 von Harry Webster »
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Henry

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« Antwort #11 am: 04.09.2014, 01:22:55 »
Tatsächlich wurde Henry immer bleicher, bis zu einem Punkt, dass Harry schon vermuten musste, Henry würde gleich mit der Raufassertapete verschmelzen. "Thou mean..., thou mean...", stammelte er, "Ihr meint... ich bin 400 Jahre in der Zukunft gelandet? Nein, also, wenn das ein Scherz... - 400 Jahre? Und dies kann kein Traum sein? 400 Jahre? Also, nein, ich... ich... muss mich betrinken. Helft mir eben mit der Rüstung und dann gehen wir... ja, dann müssen wir..." Mit zitternden Fingern fummelte Henry an den Riemen seiner schweren Rüstung herum. Harry musste ihm helfen, da Henry immer wieder mit den Fingern abrutschte. Achtlos glitt die Rüstung zu Boden. Sie mussten sich beeilen, denn Henry drängte es in den Pub. Und Harry fühlte sich verpflichtet, ihm die Nachricht ein wenig leichter zu machen.
« Letzte Änderung: 06.09.2014, 12:31:54 von Henry »
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« Antwort #12 am: 04.09.2014, 01:57:30 »
Also nahm Harry seinen Stecken und führte sie abermals durch die Häuserschluchten, aber diesmal über normale Wege. Allerdings boten die Straßen hier auch nicht die einheitliche Fassade wie am Lake Shore, wo die beiden sich getroffen hatten. Es war immer auch mal ein kleineres oder schäbigeres dazwischen, ein Parkplatz, eine Kirche, oder ein Supermarkt. Dann machte Harry auch schon vor einem älteren, vierstöckigem Gebäude, das zwischen zwei dreimal so hohen Nachbarn eingezwängt stand, halt.

Eine Treppe führte zum Eingang ins Souterrain hinab. Erst wer unten stand konnte das Schild "MacClelland's Public House" lesen. Eine Frau und ein Mann kamen ihnen entgegen. Der Mann war elegant in Schwarz mit weißem Hemd, die Frau dagegen trug ein rotes, enganliegendes, bodenlanges Kleid, das nicht verbarg, obwohl es bis zum Hals geschlossen war.

"Why, Harry!" rief sie freudig. "Good to see you! How's life treating you? You're looking good. Say, who's your little friend?"

"None of your business, Auntie Trish", erwiderte Harry gänzlich ungalant. Er versuchte, um die beiden herum zur Tür zu gelangen, doch es war nicht genug Platz.

'Auntie Trish' (die eigentlich nicht alt genug aussah, um Harrys Tante sein zu können) schien keinesfalls brüskiert. Noch immer lächelnd betrachtete sie Henry von Kopf bis Fuß, wobei ihr Blick auch immer wieder zu Harry hinüberwechselte, als amüsierte sie sich köstlich über den Größenunterschied. Ziemlich frech war das eigentlich schon. Henry dagegen konnte nur zu ihr aufblicken und staunen, wie groß diese Frau war; ihren Begleiter überragte sie um einen Kopf, mit Harry aber befand sie sich auf Augenhöhe.

"Or is he a client?" fragte sie Harry, doch gab ihm gar keine Gelegenheit zu antworten. "Client, of course. You don't have any friends. Well, I do hope your business goes well." Und zu Henry sagte sie: "Don't let him overcharge you. And don't fall for his 'I need the money, I'm such a pauper' routine; in truth, he's loaded. Or could be, if he wanted to."

Bevor Henry etwas erwidern konnte, bedachte die Tante ihren Neffen mit einem recht giftigen Blick, dann zupfte sie ihrem Begleiter am Ärmel, worauf die beiden sich zwischen Henry und Harry hindurchschoben und lautlos die Treppe hinaufglitten.

"Das war Eure Tante?"[1] fragte Henry. "Seid Ihr in Eurer Familie alle so groß?"

"Größenwahnsinnig vielleicht", sagte Harry. Gemeinsam traten die beiden ein.

Wenn Henry nicht noch so geschockt gewesen wäre, hätte er sich bei MacClelland's auf Anhieb heimisch gefühlt. Der für diese Stunde überraschend gut besuchte Schankraum hätte fast genau so, wie er war, daheim und in seinem Jahrhundert existieren können. Alles war hier aus dunklem Holz. Die Decke war so niedrig, dass Harry sich immer mal wieder ducken musste, um nicht mit dem Kopf gegen einen Balken zu stoßen. Für Henry dagegen war es genau richtig. In Harrys Officegebäude hatte er sich fast wie in seine Kindheit zurück versetzt gefühlt, hier passte endlich wieder alles.

Es gab einen langen Tresen, die Stühle gut zur Hälfte besetzt, ein Dutzend Tische zumeist in gemütlichen Nischen, und eine blondhaarige, vollbusige Schankmaid, die acht volle Humpen Ale auf einmal ihrer Bestimmung zutrug. Zwar schienen auch hier die Lampen an Decke und den Wänden ohne Feuer zu brennen und drei wagenradgroße, windmühlenähnliche Gebilde, deren Zweck Henry sich nicht erklären konnte, hingen von der Decke und zwangen die beiden, Harrys Kopf zuliebe, zu Umwegen, aber mit dem Rest der Einrichtung war Henry bestens vertraut. Besonders verlockend erschien ihm die Zapfanlage: er zählte sechs verschiedene Hähne!

Harry marschierte denn auch (so gut es ging geradewegs) auf den Tresen zu. Die Klientele in diesem Laden sah irgendwie auch anders aus als die Menschen draußen. Viele trugen, ähnlich wie Harry, eine dunkle, zusammengewürfelte Kleidung, oft verknittert und nicht ganz so sauber; die meisten versteckten, wie Harry, ihre Gesichter ganz oder zum Teil hinter Hutkrempen, Halstüchern oder gar Masken.

An einem Tisch in der Mitte saßen drei Männer und eine Frau—unmaskiert—die jeder einen Gürtel mit Schwert über der Stuhllehne hängen hatten. Mit diesen tauschte Harry ein vorsichtiges—sehr vorsichtiges—Begrüßungsnicken.

"Das sind Wächter", raunte er Henry zu, als sie den Tresen erreicht hatten. "Die passen auf, dass Leute wie Ihr und ich uns an die Gesetze halten. Also, an unsere Gesetze." Das Wort 'unsere' betonte er seltsam. "Wenn man eins von den sieben obersten Gesetzen bricht, fackeln die nicht lang, dann ist der Kopf ab. Ich wünschte wirklich, die würden ihr Feierabendbier woanders trinken. Na, wenigstens sind um diese Uhrzeit keine Touristen da. Morgen, Pete!" begrüßte er den Mann hinter dem Tresen, als dieser sich ihnen zuwandte. Dann zu Henry: "Ist es Euch recht, wenn ich bestelle?" Nach Henrys Nicken wieder zu Pete: "Gut, also zwei cooked breakfast bitte, mit allem, dazu zwei Irish Coffee und zwei Murphy's Stout. Und wenn ich dann noch nicht bei 21 Dollar und 73 Cent bin, schickst du uns noch zwei Whiskey hinterher."

Bei diesen Worten kramte Harry seine Brieftasche hervor und leerte den gesamten Inhalt des Geldfaches auf den Tresen: zwei Zehndollarscheine, ein Einer, zwei klimpernde Quarter, zwei Dime, und... "Korrigiere, 77 cent! Den Rest darfst du behalten."

"Ungh", sagte Pete. Es schien zustimmend gemeint zu sein.

Als Harry daraufhin den letzten freien Nischentisch ansteuerte, fielen Henry drei Dinge auf, die ihm Sorge bereiteten—als hätte er davon nicht schon genügend.

Erstens verfolgten drei der vier Wächter Harrys Weg durch den Raum mit argwöhnischen Blicken, schienen angespannt und fast wie auf dem Sprung, als erwarteten sie, dass Harry gleich etwas täte, das sie zum sofortigen Eingreifen zwänge.

Zweitens fiel ihm auf, dass der Mann am Tresen, und auch keiner der Gäste, ihm oder Harry in die Augen sahen. Und, wenn Henry es recht bedachte, war Harry seinem Blick auch noch nicht länger als einen halben Atemzug lang begegnet.

Drittens war nahezu alles in diesem Raum dreizehn Mal vorhanden. Dreizehn Stühle am Tresen. Dreizehn Tische. Dreizehn Lampen an der Wand. Dreizehn Leuchter an der Decke, diese mit je dreizehn Kerzen. Dreizehn Holzpfeiler stützten die Decke. Fenster gab es zwar nur sieben, aber dazwischen waren sechs an die Wand gemalt.

Harry saß bereits und schien Henrys plötzliche Unruhe nicht bemerkt zu haben. Kaum hatte dieser sich dazu gesetzt, da stellte die Schankmaid auch schon zwei Gläser mit dunklem Ale und zwei Whiskey auf den Tisch.

"Ich hoffe, Ihr mögt Ale", sagte Harry. "Sonst nehm ich die beiden Ales und Ihr könnt die beiden Whiskeys haben. Davon vertrag ich eh nicht soviel... Sláinte!"

Und nach dem ersten Schluck fügte er noch hinzu: "Ich muss mich übrigens für meine Tante entschuldigen. Für ihre freche Anspielung auf Eure Größe. Egal, wie sehr die Benimmregeln sich seit damals geändert haben mögen: solche Bemerkungen sind auch heute nicht die feine Art. Glaubt mir bitte, dass ich so etwas nicht einmal denken würde."[2]
 1. Das ist jetzt übrigens kein Nachruf auf meine Tante; die war nämlich lieb.  :(
 2. Keine Sorge, Du kannst ruhig noch mehr Whiskeys bestellen, Harry hat eine Kreditkarte...  :P
« Letzte Änderung: 14.09.2014, 22:50:54 von Harry Webster »
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Henry

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« Antwort #13 am: 04.09.2014, 12:45:08 »
Henry sah schon ein wenig besser aus, war aber immer noch schwer mitgenommen. Er hatte den Weg über kaum etwas gesagt, was, so sehr kannte Harry den kleinen Mann schon, ungewöhnlich war. Eigentlich war Henry nämlich eine lebensmuntere Person. Doch dies waren eindeutig zu viele Informationen für ihn gewesen. Er musste es erst einmal verdauen - und dabei würde ein starker Digestif gut helfen, riet Harry.

Als sie die Treppe zu der Schenke hochstiegen und ihnen 'Auntie Trish' entgegenkam, da schien Henry zunächst verwirrt. Mit großen Augen sah er die aufreizend gekleidete Frau an und wandte dann wenige Momente später verschämt den Blick ab. Vielleicht mochte auch dies der Grund sein, warum Auntie Trish so amüsiert war über Henry. Die Sache mit dem 'client' verstand Henry wiederum nicht. Aber so langsam hatte er eine Theorie darüber, was Harry eigentlich von Beruf aus sei. Er würde ihn später fragen.

Sie traten in die Schänke ein und Henry stieß einen Seufzer aus. Zum ersten Mal fand er sich in einer Umgebung wieder, die zumindest ein wenig vertraut war. Dennoch, so angenehm ihm diese Lokalität war, so seltsam verhielten sich dann doch die Leute. Der Wirt war noch, wie ein Wirt eben sein musste. Aber die anderen Gäste... die waren seltsam. Es war Henry offensichtlich, dass sie sich kannten. Aber es war auch deutlich, dass sie sehr darauf bedacht waren, sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Henry stellte sich vor, dass man hier vor langer Zeit das Territorium abgemessen und mit unsichtbaren Weidezäunen abgesteckt hatte. Harry bestätigte Henrys Vermutung und noch mehr. Diese Männer waren also Wächter und stellten mit drakonischen Strafen sicher, dass die Gesetze eingehalten wurden. Ein düsterer Haufen, stellte Henry fest, mit denen würde er auch nicht zu tun haben wollen.

Henry folgte Harry zu einem der Tische. "The Ale is yours. I'll take te Whiskey.", beantwortete Henry die wichtigste Frage. Und als die Gläser gebracht wurden, sagte er schließlich: "I think, i gotto take it at it's best.", sagte er langsam. "Nunja, wenn in England noch immer die Majestät regiert und auch die Iren noch nicht ausgestorben sind und die Kirche noch immer unseren Heiland ausruft, dann ist vielleicht noch nicht alles verloren. Nur einen anständigen Whiskey können sie nicht mehr machen. Dieser hier hat sicher seinen Gehalt, aber er schmeckt so... rein und so fad. Da ist nichts besonderes drann, Ihr versteht? Oder anders, Ihr habt doch den von meinem Nachbarn probiert? Der ist wie ein Schlag vor'n Kopf. Und dieser? Der ist eher wie ein Schlaflied. Naja, so lange sie beide die Sinne rauben, soll es mir nun recht sein. Wirt, noch einen bitte!"

Harry erlaubte sich, ein wenig auzuatmen. Es war ihm bekannt, das Menschen nach einer schweren Nachricht Sicherheit in Details suchten. Henry klammerte sich an die wenigen Fakten, die Harry ihm hatte geben können. Harry schien nicht alles falsch gemacht zu haben. Allerdings, das würde eine gigantische Rechnung werden, so schwannte es ihm.

Harry lenkte das Gespräch auf Auntie Trish und entschuldigte sich für ihr Verhalten. Henry errötete leicht, als er wieder an die große Frau dachte. "No hard feelings. Anyway, I was rather shocked because of her... gown."

Es dauerte nicht lang und der Wirt brachte das Essen. Henry scherrte sich nicht um das Besteck, dass ihnen der Wirt reichte. Unbeschwert packten seine kleinen Finger Würstchen und Scheiben von white pudding. "Hm... there is something, I didn't understand. Was ist eigentlich Euer Behuf[1]? Ich habe das noch nicht ganz verstanden. Ihr seid kein Wachsoldat, aber auch kein Historiker und wohl auch kein Gaukler, nein, das würde ich nicht andeuten wollen. Nach allem was ich gesehen und gehört habe - die Sache mit den Feen, mit den 'Klienten' und mit den Wächtern -, nun,... erm... seid Ihr vielleicht gar ein Exorzist im Namen unserer heiligen Kirche?" Verunsichert blickte Henry Harry an. Es war ihm offensichtlich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, er könne mit einer so wichtigen Person an einem Tisch sitzen.
 1. Altertümlich: Beruf
« Letzte Änderung: 04.09.2014, 12:57:21 von Henry »
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Harry Webster

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« Antwort #14 am: 04.09.2014, 13:19:52 »
"Ja, ich fand auch, grässliche Farbe, dieses Rot", pflichtete Harry ihm bei. "Steht ihr überhaupt nicht."

Er wollte noch etwas zur Verteidigung amerikanischen Whiskeys sagen, doch da brachte Pete ihnen auch schon das Essen herüber—sehr zu Harrys Überraschung, denn normalerweise musste er es sich am Tresen abholen. Vielleicht war das noch die Nachwirkung des Tantenbesuchs; Auntie Trish konnte sehr scary sein. Und sie verlangte vollen Service.

Das cooked breakfast bestand aus weißen Bohnen in einer roten Soße, fünf Streifen knusprig gebratenem Schinken, zwei Spiegeleiern, zwei Sorten Wurst, drei Hälften einer roten, runden, nicht ganz apfelgroßen Frucht, ebenfalls angebraten, und zwei in Butter gerösteten und aus irgendeinem Grund quadratisch geschnittenen Brotscheiben. Dazu gab es noch ein kleines Schüsselchen von etwas, das wie eine gelbe, in Scheiben gehobelte Wurzel aussah, die mit Zwiebelstückchen angebraten worden war. Henry vermutete, dass es sich dabei um diese neumodische Kartoffel handelte, die ja aus Amerika kam. Da man sich in Amerika befand, war diese Vermutung sehr naheliegend.

Die beiden langten hungrig zu, sodass es für eine ganze Weile erst einmal still an ihrem Tisch wurde. Doch dann stellte Henry eine recht unangenehme Frage.

"Ähm", erwiderte Harry. "Ich... also, bin eher... freischaffend. Ich versuche, Leuten zu helfen, die sich mit ihrem Problem an niemanden sonst wenden können. Wisst Ihr, heutzutage glaubt keiner mehr an Dämonen, Geister, Monster oder Feen, ob gut oder böse, und nicht zu vergessen Zauberer, schwarz, weiß, oder grau, und doch gibt es das alles, wie manch einer meiner Klienten auf schmerzhafte Art erfahren musste. Tja, und da bin ich halt der Experte in dieser Stadt, also vor allem der einzige, der sich darum schert. An dem 'Expertentum' arbeite ich noch."
« Letzte Änderung: 06.09.2014, 11:17:15 von Harry Webster »
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