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Autor Thema: Heiliger Boden  (Gelesen 116794 mal)

Beschreibung: Kapitel 1

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Rillfarsell

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Heiliger Boden
« Antwort #105 am: 22.09.2014, 12:47:49 »
Auf die Erwähnung, bisher kaum Feenwesen gesehen zu haben, lächelt Rillfarsell. Das überraschte es kaum. Nur wenige seiner Art fanden es interessant, sich in anderen Welten aufzuhalten. Allein wegen eines endgültigen Todes war dies schon eine Gefahr, der man sich nur ungern aussetzte. Auch es selbst wäre gerne wieder in der Ersten Welt statt hier. Beim dem Gedanken verschwand kurz das Lächeln und das Federkleid schüttelte sich.
Aber dann stand es wieder in seiner hellen Pracht da.
Aufmerksam lauschte Rillfarsell den Ausführungen des Hohepriesters und der Beschreibung der Stadt.
Auf die letzten Fragen ging es aber dann auch ein.
"Ich danke euch für euer Angebot, auch wenn ich dessen nicht wirklich bedarf. Aber vielleicht könnte man so den Abend in gemütlicher Atmosphäre nutzen, um eure Fragen zu beantworten."
Wieder schaute es sich im Tempel um, der sich inzwischen mit vielen Wesen gefüllt hatte.
"Aber seht! Ich glaube, es wird bald Zeit für euren Göttinnendienst. Wo wäre ein guter Platz für mich, um diesem beizuwohnen?"

Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #106 am: 22.09.2014, 14:19:14 »
"Mein Name ist Henry of Leicester. Ebenso wie mein Gefährte bin ich aus fernem Land in die Stadt gekommen, um einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Momentan sieht es so aus, als würden wir auf unbestimmte Zeit in der Stadt bleiben wollen und unsere vorläufige Addresse ist das Portal.", antwortete Henry. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: "Ich möchte meine Waffen genehmigen lassen, da ich in der Vergangenheit bei der Wache gedient habe und hoffe, eine ähnliche Anstellung hier in der Stadt zu erhalten. Den 'Test' kann ich sogleich antreten."

Henry wechselte mit Harry einen kurzen Blick und zuckte dann mit den Schultern. "Es hieß, hier herrsche Demokratie.", sagte Henry, wobei er das Wort ungelenk aussprach. Er beugte sich etwas nach vorne, um Vertraulichkeit bemüht. "Sagt mir, ist er ein guter König? Sind seine Amtsgeschäfte von Weisheit und Güte geführt? Kann man einen ehrenvollen Dienst für ihn verrichten?"
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #107 am: 22.09.2014, 15:44:30 »
Der kleine Mann sah Henry einen Moment verdutzt an, und auch seine zuvor desinteressierten Kollegen sahen kurz auf. Dann lachte er herzhaft, und hielt sich dabei seinen leicht rundlichen Bauch. "Ihr kommt wirklich von weit her, nicht wahr?" Noch immer lachend schüttelte er den Kopf. "Guter Mann, ihr hättet euch ein wenig mit der Geschichte Maeliccis beschäftigen sollen, bevor ihr herkamt. Wisst ihr wirklich nichts von König Wendoylins Testament?"
Als Henry ihn fragend ansah, führte der Mann seine Erklärungen weiter aus: "Königin Sarina und König Wendoylin haben das Land Maelicci gut und ehrhaft regiert. Sie sicherten Frieden und Wohlstand, und haben sich wirklich um das Wohlergehen von Land und Volk gekümmert. Doch die beiden blieben kinderlos - es gab keinen Thronfolger. Normalerweise wäre damit der höchste Berater des Königs sein Nachfolger geworden. Doch Wendoylin hatte ein ganz besonderes Testament hinterlassen."

Sein Blick wanderte von Henry zu Harry, und wieder zurück. Seine Erzählung schien dem Mann Spaß zu machen, und er genoss sichtlich diesen "Höhepunkt" seiner Geschichte. "Zu Lebzeiten hat König Wendoylin eine völlig neue Staatsform ausgearbeitet. Und er überließ es dem Volk, ob sie diese neue Staatsform für die Zukunft ihres Landes wollten, oder wie gehabt einer der Berater König werden sollte. Die Bürger des Landes durften frei wählen - und sie wählten die neue Staatsform. Eine Herrschaft des Volkes, in der die Bürger durch das Hohe Haus vertreten sind, vierzig Staatsmänner und -frauen, die nur durch Mehrheitsentscheidung regieren können. Und einmal pro Jahr darf das Volk wählen, ob sie die bestehenden Vertreter behalten wollen. Wer nicht genug Stimmen bekommt, gehört nicht mehr zum Hohen Haus, und wird durch einen dann neu zu wählenden Nachfolger ersetzt."

"Dem - okra - tie", schloss er seine Erzählung. "Dem aus der Sprache meines Volkes steht für Vertreter, Okra aus dem Orkischen für Volk oder Bürger, und Tie ist ein archaischer Begriff der Menschensprache, aus der Zeit, als man noch in Clans zusammenlebte - damals wurden in einem sogenannten Tie wichtige gemeinsame Entscheidungen zur Wahl gestellt, die den ganzen Clan betrafen. Zusammengesetzt bedeutet das Wort also: Die Vertreter des Volks werden gewählt."

"Nun dann", wechselte er schließlich das Thema, "ich hoffe, alle Fragen sind beantwortet. Wenden wir uns jetzt dem Test zu. Das Ganze läuft folgendermaßen: Ich stelle euch ein paar einfache Fragen. Bei der Antwort sehen wir einander fest in die Augen. Habe ich Zweifel daran, dass ihr die Wahrheit sprecht, kann ich euch die Registrierung verweigern. Aber ihr seht ehrlich aus, also fangen wir mal an. Erste Frage: Zu welchem Zweck möchtet ihr die Waffen bei euch tragen?" Sein Blick wechselte zwischen den beiden Männern. "Wer will zuerst?"
« Letzte Änderung: 22.09.2014, 15:46:50 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #108 am: 22.09.2014, 16:05:43 »
Als Henry sich vorbeugte und fragte, ob Demokratie ein guter König sei, sah Harry ihn einen Augenblick lang sprachlos an, dann musste er plötzlich sehr laut... husten. Der Erklärung des Beamten lauschte er dennoch äußerst aufmerksam, denn jede Demokratie war anders. Dieses war offensichtlich eine sehr junge, die ihre Geburtswehen womöglich noch nicht ganz ausgestanden hatte.

Was wohl aus dem Berater König Wendoylins geworden ist? Ob der irgendwo in einer dunklen Kammer verbittert einen Staatsstreich plant?

Die Frage des Beamten ließ ihn eine saloppe Habachtstellung annehmen.

"Zur Verteidigung meiner Person, der meines Bruders und etwaiger anderer Unschuldiger gegen Räuber, Meuchelmörder und anderes Gesindel", sagte er. "Wobei es meiner Erfahrung nach in neun von zehn Fällen ausreicht, die Waffe zu ziehen und auf den Gegner zu richten und allenfalls noch einen Warnschuss abzugeben. Dann nehmen die meisten schon Reißaus, die mit leichter Beute gerechnet haben."
« Letzte Änderung: 30.09.2014, 09:58:07 von Harry Webster »
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #109 am: 22.09.2014, 16:26:01 »
"Schön, schön", kommentierte der kleinwüchsige Mann (der bis jetzt seinen Namen noch nicht genannt hatte). "Aber wie gesagt, würde ich euch bei der Antwort gern tief in die Augen schauen. Genauer gesagt, das Gesetz sieht es so vor. Also beugt euch doch bitte zu mir herunter und wiederholt das noch einmal."
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #110 am: 22.09.2014, 16:30:34 »
Henry registrierte, dass seine ehrliche Frage Grund für allgemeine Heiterkeit geworden war. Offensichtlich war man der Meinung, dass diese Demokratie etwas sehr fortschrittliches war und dass man sie natürlich kennen und wertschätzen musste. Henry war da ganz anderer Meinung. Er fand die Idee, dass das einfache Volk aus seiner Mitte seine Anführer wählten, für töricht. "Denn nicht umsonst endet auch 'Idiotie' auf '-tie'!", dachte er grimmig. Doch er sagte nichts und legte sogar ein gutmütiges Lächeln auf.
« Letzte Änderung: 22.09.2014, 16:38:08 von Henry »
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Heiliger Boden
« Antwort #111 am: 22.09.2014, 16:31:43 »
"Ähm", sagte Harry. "Ich, ähm... also... Hm. Ja, wenn es nicht anders geht... Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr das wollt? Also gut."

Er beugte sich also vor und sah dem kleinen Beamten also in die Augen, genau wie er Henry nach dem Seelenblick in die Augen geschaut hatte: indem er das Kinn mit einer Hand fixierte und all seine Konzentration darauf verwandte, nicht wegzuschauen. Dann wiederholte er in mehr oder weniger den gleichen Worten, was er gesagt hatte. Es klang ein wenig angestrengt.
« Letzte Änderung: 22.09.2014, 16:32:44 von Harry Webster »
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Heiliger Boden
« Antwort #112 am: 22.09.2014, 16:35:47 »
Der Mann sah Harry tief in die Augen. Gleich würde es geschehen, das wusste Harry. Die Auswirkungen waren schwer abzuschätzen, aber welche Wahl hatte er? Und so bereitete er sich darauf vor, in die Seele seines Gegenübers hineinzufallen, sein Innerstes kennenzulernen und gleichsam sich selbst zu offenbaren...

"Fein", sagte sein Gegenüber, und sah dann zu Henry. "Dann zu euch, gleiche Frage."
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #113 am: 22.09.2014, 16:38:15 »
"Wie gesagt, ich möchte meine Waffen tragen, um einer guten und rechtschaffenen Arbeit nachgehen zu können.", antwortete er schließlich auf die Frage des Beamten. Dass er dem Beamten dabei in die Augen sehen musste, erinnerte ihn unangenehm an diesen Hokus-Pokus, den Harry damals mit ihm veranstaltet hatte. Aber er fügte sich, wenn es das Gesetz so wollte...
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #114 am: 22.09.2014, 17:11:43 »
Harry starrte den Beamten entsetzt an. Dann rieb er sich die Augen, blinzelte und kniff dann die Augen fest zusammen wie ein Kurzsichtiger, während er immer wieder den Beamten ansah. Schließlich barg er das Gesicht für längere Zeit in den Händen und suchte dann wieder den Blick des Mannes. Er öffnete einige Male den Mund, ohne etwas zu sagen, während ihm die schlimmsten Theorien durch den Kopf jagten.

Der Seelenblick funktioniert nicht. Woran kann das liegen? Ist der Mann dagegen immun? Oder funktioniert der Blick nicht zwischen seiner und meiner Spezies? Funktioniert vielleicht meine Magie hier überhaupt nicht? Gibt es auf dieser Welt am Ende gar keine Magie? Oder nur in dieser Stadt nicht? Womöglich ist Terendol irgendwie abgeschirmt durch ein antimagisches Dämpfungsfeld? Oder vielleicht darf hier nur Magie ausüben, wer sich als Magieanwender hat registrieren lassen? Aber ich spüre die Ströme um mich herum doch klar und deutlich! Gut, sie fühlen sich anders an als zuhause, anders als in Brückenstadt, aber sie sind da, stetig, kräftig, ihr Pulsschlag unverkennbar. Und mein Herz schlägt synchron dazu!

Er schluckte mehrmals. Sobald er hier heraus war, würde er sich als erstes einen unbeobachteten Platz suchen und alle Zauber aus seinem Repertoire einem nach dem anderen ausprobieren. Wenn es da etwas auszuprobieren gab.
« Letzte Änderung: 22.09.2014, 17:15:16 von Harry Webster »
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #115 am: 22.09.2014, 21:43:07 »
Verwirrt blinzelte Jurij. „Nein das ist kein Scherz. Mein Name ist Jurij Klee. Den Namen Obayifo höre ich zum ersten Mal.“ Mit dem Silberstift kratzte er sich am Kopf. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass es der sein hinter dem der Kopfgeldjäger wirklich her war. Kurz blickte er zu Reyka auf und dann mit einem Lächeln und geschlossenen Augen zur Frau. „Das muss ein Missverständnis sein. Entschuldigen sie, wenn ich sie verwirrt habe.“ Er war neugierig geworden. Scheinbar gab es wirklich jemanden in dieser Stadt, mit dem er verwechselt werden konnte. „Wir suchen eigentlich nach Zeugen wegen einem Verbrechen aber ich bin gerade neugierig geworden. So oft trifft man ja nicht jemanden, der einem ähnlich zu sein scheint. Also so aus reiner Neugier, wie ist denn dieser Obayifo. Sieht er mir wirklich so ähnlich? Was meinen sie kann ich ihn treffen?“ Die Worte waren locker gesprochen und immer wieder mit einem Freundlichen Lächeln untermalt. Am Ende blickte er wieder zu Reyka. Er hoffte dieser Verstand, dass er mehr über diese Person wissen wollte, auch wenn er jetzt den Fall mit den Ritualmorden hinten anstehen ließ.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #116 am: 22.09.2014, 22:30:21 »
Die Frau sah ihn noch überraschter als zuvor an. "Ihr seid... tatsächlich jemand anders?" Sie trat einen Schritt vom Tor zurück, und zog den Mantel noch etwas enger. "Das ist ja fast unheimlich. Ich... nun ja, ich habe immerhin eine ganze Nacht mit ihm verbracht. Er sieht genauso aus wie ihr, bis hin zur Frisur. Nur andere Kleidung hatte er an. Ganz in schwarz."

Sie sah von oben bis unten an Jurij herab. "Aber es stimmt, ihr habt eine ganz andere Ausstrahlung. Oba war... er hatte diese ruhige, unerschütterliche Stärke, und zugleich... er wusste ganz genau, was er wollte. Ein gestandener Mann, trotz seines jungen Alters." Ihr entfuhr ein leichtes Seufzen. "Leider war er am nächsten Morgen verschwunden. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn finden könnte." Wieder sah sie Jurij von oben bis unten an. "Ich hätte schwören können..."
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #117 am: 22.09.2014, 22:58:44 »
Harrys Verhalten irritierte den Mann offensichtlich, und seine Kollegen nicht minder. Eines war sicher: Spätestens jetzt hatte er ihre ganze Aufmerksamkeit. Die beiden Kollegen ihres Ansprechpartners legten nun ihre Schriftstücke beiseite und beschäftigten sich ganz damit, die Situation zu beobachten.

Doch der kleinwüchsige Mann - der wohl doch eher zu einer eigenen Spezies gehörte und gar kein "kleiner Mensch" war, wenn man seinen Worten glauben mochte - schien sich nicht beirren zu lassen. Er befragte Henry und beobachtete ihn bei seiner Antwort sehr genau, und erst danach wandte er sich Harry zu. "Stimmt irgendetwas nicht?" Sein Tonfall war streng, aber nicht ablehnend.
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #118 am: 23.09.2014, 00:11:41 »
"Meine Augen...", murmelte Harry. "Ich seh nicht mehr so gut damit wie... früher."

Harry überlegte fieberhaft. Was sollte er tun? Die Erklärung schien dem Beamten nicht genug. Aber bei seinem Glück wäre Magie hier wahrscheinlich verboten. Oder noch schlimmer: unbekannt. Wenn er also zugab... aber wenn nicht, wie lange konnte er unentdeckt bleiben? Ganz zu schweigen davon, dass er seiner Arbeit kaum würde nachgehen können; er würde schließlich dabei immer wieder auf die Stadtwache treffen, vielleicht hin und wieder mit ihr zusammenarbeiten müssen, wie mit dem Chicago PD. Außer, er heuerte als Kellner an. Das wäre ungefährlicher.

Oder er vertraute darauf, dass die Leute hier tatsächlich so offen waren, wie sie sich gaben. Er strich sich mehrmals besorgt über das Kinn—eigentlich war es mehr ein Kneten—dann gab er sich einen Ruck.

"Ihr sagtet vorhin, dass man in dieser Stadt beruflich machen könne, was man wolle, solange man das Gesetz achte. Ich will also darauf vertrauen, dass Ihr es ernst damit meint. Denn ich hege den höchsten Respekt für das Gesetz und habe mich in meiner Heimat immer wieder dafür eingesetzt, eben als privater Ermittler in... besonders mysteriösen Fällen", griff er Henrys Umschreibung auf. "Deshalb möchte ich bei Euch eine vierte Waffe registrieren lassen. Allerdings eine, die ich nicht ablegen kann, falls Ihr mir die Zulassung verweigert. Ich hoffe allerdings, dass Ihr mir in diesem Fall erlaubt, mich einfach ungeschoren aus Eurer Stadt zu entfernen und woanders mein Glück zu versuchen. Ihr erlaubt, dass ich die Waffe vorführe? Das heißt, wenn sie überhaupt funktioniert. Nach der Sache mit meinen Augen bin ich mir da nicht so sicher..."

Nach dem zustimmenden Nicken des Beamten trat Harry drei Schritte zurück und überprüfte, ob er zu allem Brennbaren genügend Abstand hatte. Dann schob er die Ärmel seines Mantels bis fast zu den Ellenbogen hoch und hielt beide Hände vor sich, die Handflächen einander zugewandt, die Finger abgespreizt. Er warf noch einen unsicheren Blick auf Henry, der ihn zum einen noch nie hatte zaubern sehen und zum anderen womöglich auch Schwierigkeiten bekäme, wenn man Zauberer hier lieber auf dem Scheiterhaufen sah, bevor er in die magischen Ströme griff, die ihn umgaben, und laut: "Manus flagrantes!" rief.

Seine Hände gingen in Flammen auf. Mehr noch: sie verwandelten sich in rotgeschuppte, krallenbewehrte Klauen. Das mochte einige der Anwesenden erschrecken, aber Harry seufzte erleichtert auf—wenigstens dieser Zauber funktionierte noch! Wenigstens das Feuer eines Drachen war nicht so leicht auszulöschen!

Einige Sekunden lang stand Harry da, mit brennenden Händen, ohne sich zu rühren. Dann ballte er die Krallen zu Fäusten und ließ die magische Energie vorsichtig in die Umgebung zurückfließen. Die Flamme verloschen, und seine Hände verwandelten sich in die seinen zurück.

Zum Schluss sandte er noch ein Stoßgebet an alle Götter, deren Namen er irgendwo einmal gelesen hatte, dass er gerade nicht die zweitgrößte Dummheit seines Lebens begangen hatte, und wandte sich wieder den Beamten zu.
« Letzte Änderung: 23.09.2014, 00:19:49 von Harry Webster »
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #119 am: 23.09.2014, 08:14:17 »
Die Worte hallten kurz in Jurijs Kopf nach. Wenn er vom äußeren so ähnlich war, war es kein Wunder, dass er verwechselt wurde. Vom Charakter her stimmte er zu, dass sie eher unterschiedlich schienen. Es waren aber momenten nur die Einschätzungen einer Person.

„Ach wie schade.“ meinte er dann. „Wo habt ihr ihn denn kennen gelernt? Vielleicht ist er da ja öfter. Oder hat er davon erzählt was er in der Stadt macht. Es kann ja kaum sein, dass ein Mann in dieser Stadt verschwindet.“ Er versuchte den Plauderton aufrecht zu erhalten. Hörte sich aber am Ende tatsächlich unsicher an.
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