Ihari überlegte kurz, und sah dann in Richtung des Baums. "Ich weiß nicht, ob das für euch interessant wäre, oder ob ihr lieber auf einer der Bänke bleiben würdet..." Er musste seinen Satz nicht beenden, da hatte Rillfarsell bereits seinen Platz in dem prachtvollen Baum gefunden.
Die Kirche war nach einiger Zeit fast vollständig gefüllt. Gut hundert Elfen - Männer, Frauen und Kinder - hatten sich hier versammelt. Ihari stellte sich vorne vor die Menge, und begrüßte die Gläubigen in - so vermutete Rillfarsell - elfischer Sprache.
Seine Begrüßungsrede war nur kurz. Irgendwann sahen sich auf einmal alle Elfen zu dem Baum um, in dem Rillfarsell saß, und Ihari wechselte wieder in die Sprache, die Rillfarsell verstehen konnte. "Wir begrüßen dich, Rillfarsell von den Feen, und danken dir für deine Anwesenheit. Wir beginnen nun mit der inneren Verschmelzung, einem Ritual, durch das wir unsere Gedanken in die Magie des Baumes fließen lassen. Starke arkane Ströme werden durch das Ritual aktiviert. Es ist möglich, dass auch du etwas von dieser Magie spüren wirst. Was aber genau geschehen wird, das weiß nur die Göttin selbst."
Nach dieser Ankündigung wechselte er wieder ins Elfische. Gemeinsam sprachen die Gläubigen einige Worte, und wiederholten sie dann. Dies ging, immer wieder unterbrochen durch kurze Pausen, einige Minuten so weiter. Von arkanen Strömen konnte Rillfarsell bis dahin nichts feststellen.
Bis dahin...
Auf einmal fiel ihm ein Funkeln auf. Zuerst hielt er es für eine Reflektion des Lichts, doch dann sah er, dass ein einzelnes der länglichen Blätter des Baumes aus sich selbst heraus in einem schimmernden Gold leuchtete. Da, noch eines der Blätter begann zu leuchten! Und noch eines!
Bald war Rillfarsell eingetaucht in ein warmes, goldenes, allumfassendes Licht, die Konturen des Baumes, auf dem es saß, kaum mehr als Schemen. Dann fiel ihm auf, wie durch das Licht eine Bewegung ging. In regelmäßigen Abständen, wie bei einem Pulsschlag, ging ein besonders starker Lichtstrom durch die Äste und Blätter des Baumes, und verlor sich in seinen Spitzen.
Dann hörte er die Stimme. Nein, das war nicht richtig. Er spürte sie. Instinktiv wusste er, dass es der Geist des Baumes war, der zu ihm sprach.
Rillfarsell von den Feen.
Ein weiterer Pulsschlag.
Ich wünschte, ich könnte dich willkommen heißen. Doch das kann ich nicht. Du trägst etwas Dunkles in deinem Inneren.
Pulsschlag.
Es spielt keine Rolle, ob du selbst dieses Dunkle herbeigeführt hast. Bringe es nie wieder in heilige Hallen, außer es geht darum, es zu besiegen.
Pulsschlag.
Es besteht eine Verbindung. Noch frisch, frisch in dieser Welt. Suche... zwei Menschen. Harry von den Drachen, und Henry, den Verlorenen. Sie reisen zusammen.
Pulsschlag.
Störe nicht das Ritual. Bleibe hier bis zum Ende des Gottesdienstes. Dann verabschiede dich. Folge den Spuren, die du hast. Bekämpfe, was in dir ist.
Pulsschlag.
Aber wisse, es ist so viel stärker als du. Sei weise. Schwindet dein Geist in die fernen Reiche, gehört dein Körper dem Dunklen.
Pulsschlag.
Du musst es aufhalten. Nicht nur um deinetwillen.
Rillfarsell erwartete einen weiteren Pulsschlag. Doch er blieb aus. Das Licht, das alles umgebende Licht, schwand sanft dahin, bis das kleine Feenwesen wieder in einem normalen Baum saß.
Es fühlte sich verwirrt, fast ein wenig benommen, als wäre es gerade aus tiefstem Schlaf gerissen worden. Die Elfen auf den Bänken standen auf, und verließen den Raum - nicht, ohne vorher noch einen Blick auf Rillfarsell zu werfen, fasziniert, begeistert, aber immer freundlich.
Am Ende war nur Ihari übrig. Er stellte sich vor den Baum, und sah zu Rillfarsell hoch.
"Das war ein intensives Ritual. Die magischen Ströme waren stark. Fast meine ich, ein Funkeln in den Blättern des Baumes gesehen zu haben. Oder habe ich mich getäuscht?"
Er lächelte, fast ein wenig entschuldigend. "Ich danke euch auf jeden Fall für eure Anwesenheit. Sie hat diese Messe zu etwas ganz Besonderem gemacht, eine besondere magische Stunde."
Dann sah er zur Tür. "Meine Adepten haben übrigens einige Informationen über den Mann herausgefunden, den ihr sucht. Sie warten draußen."