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Autor Thema: Heiliger Boden  (Gelesen 116327 mal)

Beschreibung: Kapitel 1

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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #390 am: 14.01.2015, 23:21:35 »
Aufmerksam hört Jurij den Erzählungen von Lilith zu. Er versucht sich so viele Einzelheiten wie möglich zu merken. Denn sie helfen tatsächlich mehr über seinen Gast zu erfahren. Während er noch über den leuchtenden Hintern nachdenkt, erzürnt die Fee auch schon das Gemüt des Dämons. Kaum greift Henry nach der Fee, steht Jurij schon auf seinen Beinen. Seine Hände hält er offen vor seinen Körper. Es sieht nicht wirklich wie eine Kampfposition aus, besonders da die Fingerspitzen nach unten zeigen. Scheinbar will er nicht in den drohenden Kampf eingreifen. „Rillfarsell erinnere dich an Harry Ketten. Kämpfe bitte nicht gegen Lilith.“ versucht er die Fee daran zu erinnern, was Harry passiert war, dass er Tag lang an ein Bett gefesselt war und ihn sein Dämon nicht mehr auf die Straße ließ.

Rillfarsell war etwas von Schnelligkeit der großen Menschengestalt überrascht. Aber nicht lang genug, daß es nicht hätte vorher reagieren können
Ein paar kurze flüsternde Worte, begleitet von komplizierten Hand- und Armbewegungen, die wie ein Wedeln oder Rudern wirkten, und schon quoll dicker Nebel aus dem Schnabel des Feenwesens, der in sekundenschnelle den Raum ausfüllt.
"Ich glaube nicht, daß Tamino damit sehr glücklich wäre, sich ein neues Opfer suchen zu müssen!", piepste es, obwohl es sich da gar nicht so sicher war.
Doch Rillfarsell blieb nicht auf dem Tisch stehen, um sich greifen zu lassen. Schon sprang es vom Tisch und lief geschickt in Richtung des Bettes, dessen Postition es sich noch eingeprägt hatte, bevor der Nebel alles verhüllte, und verschwand darunter.
Ein wenig Sorge machte sich in ihm breit. Konnten die Dämonen sich gegenseitig wahrnehmen, ohne sich sehen zu müssen?

Die Antwort auf seine Frage bekam Rillfarsell nur wenige Momente später. Es hörte das Quietschen des Bettes, als jemand darauf sprang, und im nächsten Moment hörte es das Splittern von Holz. Im gleichen Moment folgte gleißender Schmerz, und dann Dunkelheit.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #391 am: 14.01.2015, 23:32:39 »
Für Jurij ging alles so schnell, dass er Schwierigkeiten hatte, zu verstehen, was passiert war.

Aus dem Nichts hatte das Feenwesen dichten Rauch herbeigezaubert, ähnlich wie die Priesterin aus dem Nichts Wasser erschaffen hatte. Doch Lilith schien das nicht aufzuhalten. Dann hörte er das Splittern und Krachen von Holz.

Danach herrschte einen Moment Stille.

"Ich hasse es, wenn ich rabiat werden muss", ertönte Henrys Stimme mit der melodischen Aussprache, die für Lilith typisch zu sein schien - selbst jetzt. "Komm schon, Tamino, ausruhen kannst du dich ein anderes Mal."

Ein kurzes Scharren deutete eine Bewegung Rillfarsells an. "Du hättest nicht ganz so hart zuschlagen müssen." Lilith schnaubte. "Und du hättest dir einen anderen Wirt aussuchen können."

Dann trat Lilith aus dem Nebel hervor, bis sie wieder direkt vor Jurij stand. Ein Lächeln stand in Henrys Gesicht. "Ich bin sehr zufrieden mit dir, Jurij. Ich habe nichts gegen ein wenig Mut, solange du weißt, wo dein Platz ist. Wenn du dich weiter so gut machst, könnten wir sogar Freunde werden. In Zeiten wie diesen kann es... hilfreich sein, wenn man beschützt wird."

Dann erschien Rillfarsell neben ihr. Er rieb sich die Wange, die schwer geschwollen aussah. Einige Sekunden legte er seine Hand auf die geschwollene Stelle, die in sanftem blauem Licht zu schimmern begann. Im nächsten Moment war die Schwellung schon wieder verschwunden.

"Er soll sich jetzt schlafen legen", sagte Rillfarsell an Lilith/Henry gewandt. "Wir haben zu tun."

Lilith nickte. Sie sah zu Jurij, fast freundlich. "Hab keine Angst. Wir haben einen Handel, und wenn du dich daran hältst, geschieht dir kein Leid."
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #392 am: 14.01.2015, 23:51:05 »
Der Alkohol wirkte schnell. Die Flucht aus dieser Realität, einer Realität, in der er gegen einen Dämon in seinem Inneren ankämpfen musste, war eine Wohltat für seinen Geist. Es war ja nicht so, als hätte es ihn nicht schon genug beschäftigt, gegen seine von Geburt an vorhandene dunkle Seite anzukämpfen...

Allerdings stimmte das ja nicht ganz. Aleister. Er hatte Waffenstillstand mit ihm geschlossen. Harry seufzte. Zumindest eine Front, an der er im Augenblick nicht kämpfen musste.

"Es ist eine echte Erholung, nicht wahr? Für mich auch."

Harry sah sich um. Er war wieder in der Ebene, in der er Aleister das erste Mal getroffen hatte. Schwefel lag in der Luft, und heißer Schlamm blubberte in mehreren Erdlöchern um ihn herum. Sanfter, gelblicher Regen fiel vom Himmel herab. Die Tropfen zischten auf und verwandelten sich in kleine Rauchwölkchen, wenn sie auf dem Boden auftrafen.

Aleister stand vor ihm, gute fünf Schritt entfernt. Er trug nicht mehr als einen Lederschurz.

"Ich freue mich, dich wiederzusehen. Es ist gut, dass wir reden können. Diese Sache mit Lasciel..." Er verzog das Gesicht. "Ich bin auch nicht gerade davon begeistert. Ich bin ebenso besessen wie du, und ich mache mir ernsthafte Sorgen, was mit uns passiert, wenn sie uns nicht mehr braucht."

Die Halb-Drachen-Gestalt vor ihm drehte sich um, und sah zu dem Vulkan in der Ferne, den Harry schon bei ihrer ersten Begegnung gesehen hatte. "Was du hier siehst, ist nicht real, das ist dir hoffentlich klar. Es sind Symbole. Für mich - Symbole der Hoffnung."

Er drehte sich wieder zu Harry um. "Aber selbst für einen alten Drachen ist ein Dämon eine echte Herausforderung, und wir sind nicht einmal nahe dran. Wir müssen uns in Acht nehmen, Harry. Hast du schon einen Plan?"
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #393 am: 15.01.2015, 00:14:41 »
Mit offenen Mund stand Jurij da. Auch als Lilith zu ihm kam, änderte sich nichts an diesem ungläubigen Gesichtsausdruck. Wollte die Fee durch den Nebel wie ein Tintenfisch mit seiner Tinte entkommen und, drei Mal verdammt, wie stark war Henry dass er ein Bett, den Tisch in Trümmer schlagen konnte. Und dagegen hatte Jurij große Töne gespuckt. Die Priesterin hatte so Recht. Er, nein sie waren noch nicht soweit um sich gegen die Dämonen zu stellen.

Während Lilith ihn lobte, hob sich eine Seite seines Mundes zu einem Lächeln. Die Ungläubigkeit verschwand aber nicht aus seinem Gesicht. Wie aus heiterem Himmel fiel ihm ein alter Lehrsatz des Meisters Sūn Wŭ ein. Erkenne den Gegner und erkenne dich selbst, so werden deine Kämpfe erfolgreich sein. Er glaubte weder daran sich zu kennen, noch kannte er seinen Dämonen. Nach diesem alten Meister war es damit aussichtslos zu kämpfen aber Sūn Wŭ wäre kein legendärer General gewesen, wenn er einfach aufgegeben hätte. Nur die Zeit war nicht die Rechte.

„J..ja ich gehe schlafen.“ stotterte er als Taminon zusammen mit Lilith ihn noch einmal an den Handel erinnerten. Er hatte ja auch keine andere Wahl.
Einen Augenblick blickte er die zwei an, dann schloss er, dass sie wohl nicht gehen würden wenn er fragte. Ihnen interessierte es nicht, dass er sich waschen wollte um danach ins Bett zu fallen. Und Scham war ihnen wohl auch ein Fremdwort. Mit einem langen Seufzer blickte derer in den Nebel. Das Bett wäre jetzt schön aber der Nebel war ihm unheimlich, auch wellte er nicht in die Holzsplitter treten. Also sah er sich um. Am Ende entscheid er sich für den schmalen Platz neben dem Schrank. Es war sicher nicht bequem, aber er hatte eine Wand im Rücken und konnte den Kopf gegen den Schrank lehnen. Bevor er sich also dort nieder ließ, zog er noch die Überrobe der Gerichtswache aus. Sie, wenn schon nichts anderes, würde ihm ein Kissen sein.
Müde ließ er sich also neben dem Schrank nieder. Blickte zu den Beiden, doch schloss rasch die Augen. Es war ein verdammt langer, mieser Tag.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #394 am: 15.01.2015, 00:37:57 »
Ein wenig brauchte Jurij, um einzuschlafen. Bei den letzten Ereignissen hatte sein Körper Adrenalin in seine Adern gepumpt; auf dem Boden zu liegen, unter der Beobachtung der beiden Dämonen, beruhigte ihn auch nicht gerade.

"Was hältst du von der Sache?" fragte Tamino. Im Gegensatz zu Lilith hatte sich Rillfarsells Aussprache nicht verändert; er klang noch immer so, wie die Fee die ganze Zeit gesprochen hatte.

"Ob Täuschung, falsche Spur oder was Ernsthaftes: Wir haben gar keine andere Wahl, als dem nachzugehen."

Dann öffnete sich die Tür. Jemand machte einige Schritte durchs Zimmer. "Hallo, Schwesterherz", hörte Jurij Harrys Stimme.

Jurij schloss die Augen, so fest er konnte. Bald, endlich, umfing ihn die gnädige Dunkelheit des Schlafes...

Er war in Berlin. Zuhause. Endlich zuhause. Er sah sich um. Statt Hochhäusern war er von kunstvollen asiatischen Bauten umgeben, doch kam ihm dies nicht seltsam vor. Diese Stadt, genau so, wie sie vor ihm lag, war sein Zuhause.

Er sah zur Seite. Ein Pfad aus strahlend weißen Steinen führte zur Eingangstür eines Hauses, links und rechts davon ein kunstvoll angelegter Garten. Die Tür wurde geöffnet. Seine Mutter stand dort, und lächelte ihn an.
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #395 am: 15.01.2015, 12:02:56 »
"Plan?" fragte Harry. "Plan?" Er streckte die Arme weit zu beiden Seiten und sah sich lachend auf der Ebene um, die ihm so heimelig vorkam, wie sie einem normalen Menschen schaudern machen würde. "Plan!" rief er ein drittes Mal, bevor er sich beruhigte. "Ich brauche keinen Plan. Pläne gehen sowieso immer schief."

Dann marschierte er auf das nächste, badewannengroße Schlammloch zu und stieg hinein. Aufatmend lehnte er sich darin zurück, die Ellenbogen am Rand abgestützt, und schloss die Augen. Er wollte schlafen. Schlafen ohne zu denken. Traumlos.

Doch Aleister hatte andere Pläne. Seinen Blick auf sich spürend, klappte Harry die Augen wieder auf.

"So, Sorgen machst du dir also über das, was mit uns passieren wird, wenn Lasciel ihre Ziele erreicht? Das macht mir nun gar keine Sorge. Wir haben nur ein Leben, das wir verlieren können, nur eine Seele, der die Verdammnis droht, und das wir das eine verlieren werden und das andere verdammt ist, scheint mir gewiss. Meine Sorge gilt den Millionen Einwohnern auf Kurun. Nicht wahr, an die hast du nicht einmal einen Gedanken verschwendet. Das ist mal wieder typisch."

Abermals schloss er die Augen, ohne Ruhe zu finden. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken, zumeist im Kreis herum, ohne neue Erkenntnis, ohne Hoffnung auf Entkommen.

Doch wieder aufblickend, beobachtete er Aleister dabei, wie dieser sich ihm gegenüber auf dem Boden niederließ, um die Beine im brodelnden grün-grauen Schlamm baumeln zu lassen.

Harry kamen Tai'Lors Worte in den Sinn. Sie kommen nicht an eure Gedanken, wenn ihr sie aussperrt. Es ist nicht allzu schwer. Rubin beschrieb es so: Es ist, als wäre er die ganze Zeit über in einem Gespräch, und möchte seinen Gegenüber nicht spüren lassen, was er wirklich denkt. Zunächst ist es anstrengend, aber nach ein, zwei Tagen ging es ihm in Fleisch und Blut über. Aber selbst wenn ihr euch nicht schützt, bekommen sie nur die deutlichsten und oberflächlichsten Gedanken mit. Sie können nicht in euer Herz schauen.

Mit sich selbst im Gespräch... wie gerade? War Aleister der, vor dem Harry seine Gedanken verbergen musste? Dann wäre es aber höchste Zeit, dass er sich zusammenriss: das alles hier lag schon gefährlich nah an seinem Herzen.

"Hm, fehlt nur noch ein Drink." Harry stieß einen wohligen Seufzer aus. "Stell dir vor, Aleister, jemand bietet dir ein Takarian Mead, einen Brivari, Tarkenian Nightflower, Starduster, Antarian Brandy oder Hot Jala an—welchen davon würdest du nehmen?"
« Letzte Änderung: 15.01.2015, 14:57:27 von Harry Webster »
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #396 am: 15.01.2015, 17:42:21 »
Aleister legte seinen Kopf zur Seite, und dachte einen Moment nach. "Tarkenian Nightflower. Ich mag Star Wars mehr als Star Trek. Ist einfach... epischer."

Der Drachenmensch zuckte mit den Schultern, während er Harry abwartend ansah. "Würdest du gut genug auf uns aufpassen, müsste ich nicht meine ganze Aufmerksamkeit nur auf uns richten. Stattdessen denkst du über Dinge nach..." Aleisters Blick war vorwurfsvoll. Harry wusste sofort, dass er sich auf den Brief bezog, den er an Lasciel geschrieben hatte.

"Versteh mich nicht falsch. Ich habe nichts dagegen, wenn du diese Welt retten willst. Nur um überhaupt irgendjemanden zu retten, müssen wir erst einmal uns in Sicherheit wissen. Und das wird nichts, wenn wir einfach nur drauf los stürmen. Wir brauchen einen Plan. Oder zumindest ein Ziel, wenn du es unbedingt vage halten willst." Aleisters Blick fiel wieder auf den fernen Vulkan. Er sah sehnsüchtig aus.

"Zwei Dinge sind aus meiner Sicht ganz entscheidend. Wir müssen einen Weg finden, handeln zu können, ohne dass Lasciel etwas davon mitbekommt. Und wir müssen herausfinden, was genau Lasciel vor hat, denn nur dann können wir ihr in die Quere kommen." Aleister wandte seinen Blick wieder Harry zu. "Dieser Tai'Lor, traust du ihm? Und Rubin? Was Tai'Lor gesagt hat, könnte zumindest bei Punkt 1 helfen, und wenn wir Glück haben, hat Rubin schon genug herausgefunden, um uns bei Punkt 2 zu helfen."

Aleister begann, mit den Beinen im Schlamm zu planschen. Einige hellbraune Spritzer landeten in Harrys Gesicht. "Und ich persönlich habe auch noch ein Anliegen, ein Ziel. Ich wünsche mir, dass du mir vertraust. Ich bin du, Harry, ein Teil von uns, und wir kommen nicht voneinander los. Ich habe nicht vor, dich zu hintergehen oder dich gar an Lasciel zu verraten. Das wäre, ehrlich gesagt, ziemlich dämlich von mir."
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #397 am: 15.01.2015, 18:36:42 »
Harry wischte sich die Schlammspritzer aus dem Gesicht. Verflixt, es war die richtige Antwort gewesen. Damit war mal wieder gar nichts bewiesen. Er sollte aufhören, Dinge mit dieser Art von Test beweisen zu wollen, bei dem das eine Ergebnis zwar alles bewies, das andere aber gar nichts.

"Gut geraten. Oder du hast Zugriff auf mein Wissen. Siehst du, ich habe nämlich keine Angst, dass du mich an Lasciel verrätst, sondern dass du Lasciel bist. Das mit dem Vertrauen kannst du dir also abschminken. Ebenso das mit dem 'gemeinsam Pläne schmieden'. Aus meiner Sicht würde ich Punkt 1 nämlich dadurch erreichen, dass ich jetzt die Klappe halte."

Er versuchte es—ungefähr dreißig Sekunden lang mit Erfolg.

"Überhaupt, was meinst du, was passieren wird, wenn Lasciel mitkriegt, dass es Dinge gibt, die sie nicht mitkriegt? Wenn sie den ganzen Tag über von mir nur Funkstille hört? Schon sind wir wieder angekettet!"

Panik stieg in ihm hoch bei dem bloßen Gedanken daran.

"Aber selbst wenn du der bist, der du vorgibst zu sein: welchen Plan willst du dann von mir hören? Lass mich raten:  dass ich alles daran setzen werde, möglichst schnell ein großer böser Drache zu werden, damit ich den Dämon in mir besiegen kann. Das kannst du dir auch abschminken."

Er schüttelte den Kopf, als wäre eine Bekräftigung nach dieser Rede noch nötig. "Gute Nacht, 'Aleister'."
« Letzte Änderung: 15.01.2015, 18:50:18 von Harry Webster »
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #398 am: 15.01.2015, 19:38:58 »
Sein Gegenüber seufzte.

"Harry, du bist paranoid. Naja, das überrascht mich nicht, ich bin das auf meine Weise ja auch." Er biss sich auf die Unterlippe. "Mir fällt leider nichts ein, wie ich dir beweisen könnte, dass ich nicht Lasciel bin. Die kleine Schlampe muss richtig gut sein, wenn es um Manipulation und Lug und Trug geht, deshalb, ja, all das hier könnte auch ein Trick von ihr sein."

Aleister kaute weiter auf seiner Unterlippe. Das Thema schien ihn tatsächlich nachdenklich zu machen, und eine ganze Weile saßen sich die beiden Gestalten schweigend gegenüber. Irgendwann zuckte Aleister wieder mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich kann dir nur sagen, dass ich nicht sie bin. Entweder glaubst du mir, oder nicht, das liegt an dir." Er seuftze, dann ließ er sich ebenfalls in das "Schlammbad" hineingleiten.

"Was Lasciel angeht, klar wird sie nicht begeistert sein, wenn plötzlich Funkstille herrscht. Aber genauso wenig wird sie begeistert davon sein, was du ihr für einen Brief geschrieben hast. Abgehalten hat dich das aber trotzdem nicht. Und: Du bist nicht mehr alleine. Henry, Jurij, Rillfarsell, vielleicht auch dieser Rubin, sie alle können die Bestrafungspläne Lasciels durchkreuzen. Gegen sie vorgehen willst du doch so oder so. Was ist besser, sie regelmäßig gegen dich aufbringen, weil sie genau mitbekommt, was du alles machst, oder lieber einmal richtig, und dafür in Zukunft unbeobachtet bleiben?"

"Ach ja, noch etwas. Ich möchte, dass du endlich aufhörst, mich misszuverstehen. Ja, ich bin die drakonische Seite in dir. Und ja, ich möchte, dass du mehr von mir zulässt. Das Thema hatten wir ja schon. Waffenstillstand, Kooperation. Dein Drachenerbe zuzulassen, heißt noch lange nicht, dass du dich der dunklen Seite hingeben musst, Luke. Du musst nicht zu einer reißenden Bestie werden, nur weil du lernst, wie man richtig zubeißt."
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #399 am: 15.01.2015, 20:48:23 »
Henry war sich unsicher, was er sagen sollte. Er dachte darüber nach, dass Lilith keineswegs Kinder lieben würde, jedenfalls nicht die Jungen. Der Gedanke, einer Umarmung Liliths löste Schaudern in ihm aus. Und doch war da auch Neugierde. Was bedeutete es, von Lilith umarmt zu werden? Und was wollte Lilith mit den Kindern anfangen? Wollte sie sie vielleicht tatsächlich erziehen? Zum... Bösen erziehen?

Henry fühlte sich gegenüber der Situation und gegenüber total machtlos. Aber die kleine Hand des Jungen fühlte sich gut an in Henrys. Vielleicht war alles, was er nun tun konnte, den Kindern etwas Erfahrung zu schenken. Wer wusste, was passieren würde."Wo sind die anderen Kinder?", fragte er.
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #400 am: 16.01.2015, 09:19:50 »
Harry gähnte. "Jawohl, Obi-wan." Dann drehte er sich auf den Bauch, legte den Kopf auf seine angewinkelten Arme und schloss die Augen.

'Du wirst sehen, Harry', hatte Aleister das letzte Mal gesagt, 'Zuckerbrot schmeckt besser als die Peitsche.' Das soll ich zu mir selbst gesagt haben? Lachhaft. Nur Lasciel hätte unseren Waffenstillstand mit solch boshaften Worten kommentiert.

"Vom höchsten Turm, Lasciel", erinnerte er die Dämonin. "It's the only leverage I have."
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Jurij Klee

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« Antwort #401 am: 16.01.2015, 18:37:33 »
Was für ein wohliges Gefühl durchlief Jurij. Endlich war er zu Hause. Kein Gehetze mehr, keine unnötigen Kämpfe, kein Durchbeißen durch irgendwelche Unwegsamkeit. Alles war perfekt, alles war von diesem genau so wie es sein sollte.
Fast schon schlendernd kam er an dem Haus an. Seine Mutter! Seine Mutter! Er konnte es nicht glauben und rieb sich mit seinen kleinen Fäusten die Augen. Er wollte sie rufen, sie auf sich aufmerksam machen, doch da lächelte sie ihm auch schon zu. Ihm, ihrem Jurij. Schneller als ein Augenblick vergehen konnte, stand er auch schon zu ihrem Füßen. Das er ihr nur etwa bis zu Bauch reichte, schien so als müsste es so sein. Er hörte sich sagen: „Ich bin wieder da.“ und lächelte breit zu ihr auf.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #402 am: 25.01.2015, 10:36:31 »
Als Henry die Hand des Jungen nahm, hörte er das kleine Mädchen hinter sich plötzlich weinen. "Nein, bitte, tu ihm nichts..."

Dann wurde Henrys Welt dunkel. Nicht wie bei einer Ohnmacht, er war klar im Geist, seine Sinne funktionierten einwandfrei. Aber der Himmel wurde so schwarz, dass er die Welt um sich herum nicht mehr sehen konnte. Gleichzeitig verblassten die Geräusche; der Wind legte sich, die Stimme des Mädchens verschwand. Sogar das Gefühl von Gras unter sich löste sich auf. Es war, als würde er auf. . Nichts stehen.

Das Einzige, was er noch sehen konnte, war der Junge, dessen Hand er hielt. "Henry, Lilith ist nicht deine Feindin. Ja, ich weiß, sie benutzt dich, aber nur, weil sie keine andere Wahl hat. Aber hat sie dir nicht auch zahlreiche Geschenke gemacht, als sie sich auserwählte? Du hättest dich entscheiden müssen, Henry, wen du verrätst. Ein Teil von dir wäre gestorben. Lilith hat dich nicht aus deiner Heimat gerissen, sie hat dich befreit. Und dann hat sie dir diese wunderbare Freundschaft mit Harry geschenkt. Und wenn du Geduld hast, dann wirst du noch viele weitere Geschenke erhalten. Lilith kann deine Freundin werden. Sie kann für dich da sein. Sie ist nicht gegen dich, so wenig, wie sie gegen uns Kinder ist. Die anderen verstehen es noch nicht, aber das werden sie, wenn sie soweit sind. Lilith nimmt uns nichts, sie beschenkt uns."

Dann ließ der Junge Henrys Hand los. Auch er verschwand nun in der Dunkelheit, seine Stimme verblasste. "Denke darüber nach, Henry. Die Dinge können gut werden."

Dunkelheit umfing ihn, vollkommene Dunkelheit.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #403 am: 25.01.2015, 10:38:46 »
Aleister schüttelte den Kopf. "Na wenn du meinst. Ich bin nicht Lasciel, aber wenn ich sie treffe, richte ich es ihr aus." Frustriert stieß der Halbdrache ein Schnauben aus. Dann verblasste die Welt um Harry, und gewöhnliche Träume nahmen den Platz der fremdartigen Welt Aleisters ein.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #404 am: 25.01.2015, 10:46:53 »
Jurijs Mutter nahm ihn in den Arm. "Papa ist drin und wartet auf dich. Er ist so stolz auf dich, weißt du das? Wir beide. Komm rein, wir werden jetzt für immer zusammen sein." Jurijs Mutter öffnete die Tür, und führte ihn ins Esszimmer. Objektiv betrachtet war es eine absurde Mischung aus dem echten Wohnzimmer seiner Eltern, mit Couch, Fernseher und Kronleuchter an der Decke, und einem asiatischen Tempelraum. In einer Schale mit Sand, die auf dem Tisch stand, steckten einige Räucherstäbchen, die einen würzigen Geruch im Zimmer verbreiteten.

Sein Vater stand von der Couch auf, und faltete seine Zeitung zusammen - bei allem Fortschritt der Technologie hatte er noch immer die alten, klassischen Zeitungen gelesen. Im Gegensatz zu früher wurden sie nicht mehr geliefert. Jeden Morgen druckte er seine persönliche Nachrichtenzusammenstellung aus, und las sie in aller Ruhe.

Er legte die Zeitung zur Seite und kniete sich hin. "Komm her, mein Sohn. Was wollen wir heute zusammen unternehmen?"

Jurij war glücklich. Er war Zuhause, endlich Zuhause. Nie wieder wollte er von hier fort.
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