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Autor Thema: Heiliger Boden  (Gelesen 116012 mal)

Beschreibung: Kapitel 1

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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #555 am: 17.04.2015, 21:14:33 »
Der Fremde sah zu Kara, und schien sie einen Moment lang genauer zu beobachten. Dann warf er lachend seinen Kopf zurück - es war ein herzliches Lachen, ohne jeden Hohn. "Shar? Auch wenn ich sie in vielen Punkten verstehe, ist sie mir doch zu rückwärts gerichtet." Noch immer stand ein Lächeln in seinem Gesicht.

Rillfarsell und Harry allerdings achteten auf etwas anderes. Vor den Augen der beiden verdichtete sich die Magie zu einer einzigen Aura von beeindruckender Stärke. Sie spürten die Magie förmlich vibrieren. Ob es ein Zauber oder ein Gegenstand, das Schwert vielleicht, war, konnten beide aber noch nicht sagen - dafür benötigten sie mehr Zeit.

"Doch verzeiht, junge Dame, nicht mit euch wollte ich sprechen. Ich hoffe, ihr empfindet dies nicht als Unhöflichkeit, denn so ist es nicht gemeint."

Dann verschwand sein Lächeln. Sein Blick wurde zwar nicht finster, aber ernst. Er wollte gerade wieder ansetzen, als ein junger Mann, einer der Studenten, auf ihn zukam. "Verzeiht bitte! Dies ist eine Bibliothek, könnt ihr eure Gespräche nicht woanders fortsetzen?"
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #556 am: 18.04.2015, 14:29:53 »
Jurijs Augen wanderten kurz zu Kara, er hatte die Änderung ihrer Stimme bemerkt. Dann machte er einen Schritt zur Seite um den Fremden wieder in die Augen blicken zu können. Obwohl dieser sie ziemlich überschwänglich begrüßte, misstraute er ihm. Er fragte sich kurz, warum er zu den anderen geblickt hatte, dann jedoch viel es ihm ein. Wie war das, die Dämonen erkennen sich untereinander. Ja Rubin erkannte gar jeden Neuankömmling.

Als der junge Student zu ihnen kam und sie erinnerte, dass das Gebäude eine Bibliothek war, lächelte Jurij. „Du hast recht junger Freund. Entschuldige bitte die Störung.“ Sein blick wanderte zurück zum Fremden. „Ich denke wir können draußen weiter reden. Vielleicht in einem schönen Garten oder ähnliches. Dies ist wirklich kein Ort dazu, also wir folgen euch. Em, wie war noch einmal euer Name? Belarus? Es war ein Griff ins Blaue aber Rubin hatte sie vor einem Mann mit diesem Namen gewarnt. Denn dieser alte Freund von Rubin hatte sich dem inneren Dämon ergeben.
« Letzte Änderung: 18.04.2015, 18:05:23 von Jurij Klee »
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #557 am: 19.04.2015, 11:28:11 »
Der Fremde sah zu dem Studenten, und lächelte wieder. "Unwissenheit ist ein Segen, nicht wahr?" Noch immer lächelnd, sah er wieder zu Jurij. Der Student war sichtlich irritiert. "Wie... wie könnt ihr sowas sagen? An einem Ort wie diesem?"

Doch der Krieger ging nicht weiter auf ihn ein, seinen Blick auf Jurij gerichtet. "Ich muss sagen, dass ich diesen Ort sehr angemessen finde. Aber ich erlaube allen, die nicht involviert sind, jetzt zu gehen. Das ist doch fair, oder nicht? Und im Übrigen ist es sehr unhöflich, jemanden mit dem falschen Namen anzusprechen. Wenn ihr ihn nicht wisst, so fragt einfach nur, ohne zu raten."

Inzwischen waren einige andere Studenten aufgestanden und hatten sich dem stattfindenden Gespräch zugewandt. Einige von ihnen verließen tatsächlich den Raum, die anderen schienen noch unentschlossen. Die Frau, die am Eingang saß, stand ebenfalls auf, klemmte ihr Buch unter den Arm, und stapfte Richtung Ausgang. "Das reicht jetzt! In so ehrwürdigen Hallen! Ich hole die Wache."
« Letzte Änderung: 19.04.2015, 11:29:02 von Sternenblut »
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #558 am: 19.04.2015, 11:28:57 »
Harry stand noch immer da wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Den freundlichen jungen Herrn, der um Ruhe bat, bemerkte er gar nicht. Sein Blick war in ungläubiger Faszination auf den Fremden in der grauen Lederrüstung gerichtet. Die Runen am oberen Ende von Harrys "Zauberstecken"—bei Gandalfs Worten hatte er ihn unbewusst mit beiden Händen ergriffen und vor sich auf den Boden gestampft—begannen orangefarben zu glühen. Wer die elfische Schrift entziffern konnte und die Zunge Mordors verstand (und zudem den Kopf schieflegte), der las dort in vier Spalten: One Ring to rule them all, One Ring to find them, One Ring to bring them all and in the darkness bind them.

Harry aber entging auch dies. Er hatte nur Augen für die leuchtende, pulsierende Aura des Mannes.
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #559 am: 19.04.2015, 11:40:01 »
Und tatsächlich verdichtete sich die Aura sowohl für Harry als auch für Rillfarsell weiter. Sie umgab nun das Schwert, wie ein weiß leuchtender Heiligenschein, eine Aura von äußerst mächtiger arkaner Energie. Nur Harry allerdings gelang es, das, was er sah, genauer zu interpretieren. Das Licht umgab das Schwert wie einen Schutzschild. Welcher Zauber genau auch auf dem Schwert lag, es war in jedem Fall eine Art Verteidigungsmagie.[1]

Harry spürte, und Rillfarsell wusste, dass er theoretisch noch mehr herausfinden konnte, vielleicht sogar genaue Eigenschaften des Gegenstands, doch die Magie war zu stark, zu komplex, um ihre Strukturen zu verstehen. Es gelang keinem von beiden, das gewebte Netz der Magie wirklich zu begreifen.
 1. Harry erkennt die Schule als "Abjuration".
« Letzte Änderung: 19.04.2015, 11:45:36 von Sternenblut »
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #560 am: 19.04.2015, 15:05:23 »
Tief zog Jurij die Luft durch die Nase ein. Das hörte sich gerade sehr übel an, vielleicht malte er sich auch nur gerade alles Schwarz aber er hatte bei dem Typen kein gutes Gefühl. Irgendwie fühlte es sich gerade an, als ob eine Raubkatze oder eine Schlange vor einem stehen würde. Belauern und auf den ersten Fehler wartend, bevor sie zuschlägt.
Ein Fehler wie den den Harry gerade machte. Jurijs Blick fiel auf dessen Stecken, auf das Licht und die Schriftzeichen. Egal was Harry gerade machte, es sah nicht so aus, als ob dieser weiter vor Jurij stehen sollte. So ging Jurij weiter um Harry herum. Ruhig und doch angespannt betrachtete er den Fremden genauer. Er hatte eine unterschwellige Drohung ausgesprochen und schien eher auf Konfrontation aus zu sein. Doch vielleicht irrte sich Jurij und einige seiner Gesten sprachen ein anderes Wort.[1] Doch nichts der Gleichen. Die Körperhaltung, die Ausstrahlung des Fremden sprach eine eindeutige Sprache. Er meinte es ernst, tot ernst.

Jurij blieb vor dem noch immer verwirrt dreinblickenden Studenten stehen. Inzwischen hatte sich Jurijs Blick von freundlich über besorgt zu ernst gewandelt. „Junger Freund“ sprach Jurij den Studenten mit deutlichen Unterton an. „leider lässt sich der Herr nicht bewegen zu gehen. Du hast es versucht, doch nun geh und nimm deine Freunde mit.“
Seinen Weg, weiter gehend, baute er sich am Ende vor dem Fremden auf. Dabei achtete er darauf, Harry nicht im Weg zu stehen und doch nahe genug beim Fremden um Harry und Kara zu schützen, falls dieser nicht nur auf Worte zurückgreifen würde. „Nun denn, entschuldigt vielmals. Ja Raten ist unhöflich.“ er schenkte dem Fremden ein eindeutig falsches Lächeln. „Also mein Name ist Jurij Klee, wie ist ihr Name und was möchtet ihr von uns?“
 1. Motiv erkennen 22
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #561 am: 19.04.2015, 15:50:43 »
Der Student sah erschrocken zu Jurij, als ihm die Bedeutung seiner Worte klar wurde. "Ja... ja, ist gut", murmelte er, und ging dann schnellen Schrittes zum Ausgang. Seinen noch verbliebenen Kommilitonen rief er zu: "Kommt, Leute, das ist was für die Wache!"

Der Gesichtsausdruck des Fremden war wieder ernst, als er sich Jurij zuwandte. Die flüchtenden Studenten schienen ihn nicht weiter zu interessieren. "Nun, mein Name, das ist kompliziert, nicht wahr? Wieviel von mir ist Markent i'Tayani, edler Krieger und Anführer eines Menschenstamms in der Welt Narvan? Und wie viel ist Andhaka, auf der Welt Terra als Asura der Blindheit bekannt?[1] Die Grenzen sind fließend, doch ist nicht alles stets im Fluß?"

Sein Blick fiel auf Aria, die offenbar nicht daran dachte, die Bibliothek zu verlassen. "Was ich möchte, ist bedeutungslos, folge ich doch selbst nur dem Fluss des Schicksals. Doch sind meine Worte in keinem Fall für sie bestimmt."

Doch trotz der warnenden Worte machte er keine Anstalten, etwas gegen Aria zu unternehmen. Vielmehr wandte er sich wieder Jurij zu. Und dann sprach er in einer Sprache, die keiner von ihnen je gehört hatte. Die Worte bestanden nicht nur aus Silben, sondern nutzten Schnalz- und Zischlaute, gutturale Geräusche, und fügten sie in ein dissonantes Konzert mit harten, dunklen Einzelsilben, dass es einem gleichermaßen den Magen verdrehte wie auch eine Gänsehaut über den Körper jagte. Dies war keine menschliche Sprache, vermutlich gar keine Sprache einer sterblichen Spezies, und jedes einzelne Wort klang wie eine Beleidigung, eine Drohung und eine Herausforderung.

Jeder von ihnen wusste, dass er oder sie derartige Laute zum ersten Mal hörte. Und doch verstanden sie, was der Fremde sagte. Und trotz aller Dissonanz ergaben seine Worte einen finsteren Rhytmus, ein in sich stimmiges Klangbild - eine Perversion der Poesie.



"Der heilige Bund, unser heiliger Kreis
Erfüllt mit Macht, bringt er den Preis
Seid machtvoll, bereit
Stets zu Zweit, stets zu Zweit!

Seid Ross und Reiter voller Kraft,
auf dass ihr eine neue Welt erschafft

Stets zu Zweit, stets zu Zweit!"

[2]
 1. Wer von der Erde stammt, darf einen Wissenswurf (Religion) machen.
 2. Abyssal
« Letzte Änderung: 19.04.2015, 16:04:40 von Sternenblut »
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #562 am: 19.04.2015, 20:00:30 »
Als um ihn herum die Studenten aus der Bibliothek flüchteten, wurde auch Harrys Aufmerksamkeit wieder auf den eigentlichen Auftritt des Fremden gelenkt. Worte, Drohungen, und dann gar ein Gedicht, bei dem einem so dunkel ums Herz wurde wie einst Bilbo, als Gandalf plötzlich, mitten im Auenland, die Schwarze Sprache in den Mund nahm. Oh Mann, was für eine drama queen! Harry hatte genug. Der Kerl drohte ihnen? Heiße Luft! Ihm schien es egal zu sein, ob er die anwesenden Gäste irritierte, und andersherum konnte Harry sich nicht vorstellen, dass er Lasciels Typ war. Zu plump! Zu... ach, was auch immer, jedenfalls konnte nur einer im Raum einen dramatischen Auftritt hinlegen, und dass Lasciel sich darauf besser verstand, war ja wohl klar! Zwar hielt sie sich gerade mit jeglichen Gefühlsbezeugungen zurück und so konnte Harry sich da nicht sicher sein[1], aber eines wusste er gewiss:

"Mir reicht's", sagte er, indem er entschlossen neben Jurij trat. "Aria, wenn du mir einen Gefallen tun möchtest: sieh doch bitte, wo die ganzen Studenten hinverschwinden und wen sie herbeiholen und... vielleicht könntest du irgendwie vermitteln, die Wache aufhalten, die Lage beruhigen, damit niemand unnötig zu Schaden kommt...?" Mit Dringlichkeit fügte er hinzu: "Bitte?"

Harry wartete kurz, ob Aria seiner Bitte folgte—in diesem Fall so lange, bis sie zur Tür hinaus war—bevor er sich wieder an den Sprücheklopfer i'Tayani wandte. Seine mehrjährige Ausbildung zum troubleshooter der führenden crime family von Chicago kam ihm jetzt zugute—doch Lasciels Anwesenheit gab seiner Darbietung eine Extraportion an Überzeugungskraft. Die Drohung lag nicht so sehr in den Worten, als vielmehr der Haltung, der Stimme, und den Flammen, die in den Tiefen seiner Augen tanzten.[2]

"Was willst du frecher Kerl uns hier ans Bein pinkeln? Tu doch nicht so, als könntest du uns was! Wenn dein Frauchen eine Nachricht an unsere werte Herrschaft hat, dann her damit und ab mit dir, dann gibt's daheim von ihr auch bestimmt ein Leckerli für dich. Ansonsten hat hier niemand Geduld für dein albernes Theater und unterirdisches Gereimse."
 1. sense motive (Lasciel) = 10; sense motive (i'Tayani) = 16
 2. Intimidate = 22 (mit Berufung auf Lasciel), Will save um einen verbaselt.
« Letzte Änderung: 19.04.2015, 21:16:07 von Harry Webster »
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #563 am: 19.04.2015, 20:22:27 »
Aria zögerte nicht, und reagierte sofort auf Harrys Bitte. Sie sah sich noch mehrmals um - vor allem nach Henry -, verzögerte ihren Schritt dabei jedoch nicht.

Von einer Sekunde auf die andere änderte sich der Gesichtsausdruck des Mannes. War er gerade noch ernst, schien er plötzlich - entsetzt? Verzweifelt? "Ich... es tut mir leid! Ich kann mich nicht dagegen wehren, er ist stärker als ich. Er ist der Prophet der N'kyuash, und ich..." Er sah zu Boden, atmete tief durch. Als er seinen Blick wieder erhob, war sein Gesicht erneut ernst.


"Ihr in eurer Überheblichkeit! Dachtet, es sei klar, wer Ross und wer der Reiter sei? Nur zehntausend Jahre ist es her, dass die Sterblichen uns besiegt haben, und nur ein Funken unserer Macht ist wieder freigesetzt. Und noch immer habt ihr keinen Respekt vor ihnen und Ihrer Stärke? Glaubt, ihr wärt ihnen so unendlich überlegen?"



Wieder breitete er die Hände aus - und mit einem Mal breitete sich ein knisterndes Geräusch in der Bibliothek aus. Die Regale brannten! Einige der Schriften in den Regalen hatten Feuer gefangen, das sich rasend schnell ausbreitete.

"Eure Macht über sie entspringt einzig ihrer Unwissenheit," wechselte er nun wieder in die Allgemeinsprache, "doch ich werde die Waagschale ausgleichen. Und ihr! Sucht nach dem heiligen Boden, und erkennt nicht, dass etwas davon bereits mitten unter euch ist. Nur fünfzig Jahre brauchten die Sterblichen, uns zu besiegen, nachdem sie uns erkannt hatten. Glaubt ihr, in zehntausend würde ihr Wirken den heiligen Boden nicht mehr verändern?"

Er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Jurij. "Teile, was du hast!"

Plötzlich... spürte Jurij etwas. Etwas, das durch sein Blut rann, durch seine Haut, durch jede seiner Zellen. Es war nicht körperlich. Nichts, was in seinem wissenschaftlichen Verstand verankert war, konnte diese Energie erklären. Der Gedanke an Chakrapunkte raste durch sein Hirn, Kundalini, doch all das traf es nicht, war zu schwach, zu gewöhnlich. Der einzige Begriff, der zumindest im Ansatz beschrieb, was er fühlte, war: Mystisch

Dann traf es ihn wie ein Schlag. Er riss die Arme nach hinten, streckte den Rücken durch, als habe ihn eine unsichtbare Kraft von hinten getroffen, und ein helles Licht umgab ihn. Und im gleichen Moment schossen Lichtstrahlen von ihm zu den Anderen, und erfüllten auch sie mit der mystischen Energie.

"Er ist noch immer machtvoll, doch das meiste davon hat seine Prägung verloren. Die Wüste von einst? Es gibt sie noch, einen kleinen Rest, und sie kann das Fundament unserer Rückkehr werden. Doch was ihr hier findet, dieser heilige Boden, er ist empfänglich für das Wirken aller. Er kann sein, was er einst war, oder infernalisch werden, oder himmlisch, oder alles dazwischen! Eure Sterblichen haben genug Macht, um ihn mit ihren Überzeugungen und ihrem Glauben neu zu prägen. Und genau das wird passieren."

Jurij, von dem die seltsame Kraft ausging, spürte es als Erster. Es war, als hätte er für einen kurzen Moment Einblick in das Netz bekommen, das die Welt zusammenhielt. Alles ist verbunden! Und so verbanden sich die Dinge in seinem Geist, Eindrücke, Erinnerungen, Gelerntes fügte sich zusammen... er begriff.

Für Harry war es ähnlich, und doch ganz anders. Er hatte das Gefühl, zu fallen, tief in sich selbst hinein zu stürzen, und mit einem Mal stand er wieder inmitten der Traumwelt, die sein Drachen-Gegenstück ihm bereits mehrfach gezeigt hatte. Doch diesmal betrachtete er sie anders. Alles hier waren Metaphern. Die brodelnden Quellen? Nichts als die Kraft in seinem eigenen Inneren! Er spürte sie, wie er sie nie zuvor gespürt hatte. Unbändig. Unkontrolliert. Gefährlich. Es wäre leicht, sich von dieser Kraft durchfluten zu lassen. Doch halt, das tat er! Hatte er immer getan! Nur kontrollierte sie ihn nicht, sondern er die Kraft. Er hatte einen guten Lehrmeister gehabt, und einen starken Willen. Ohne eines von beidem - wäre er wohl geworden wie der Rest seiner Familie.
Doch das war er nicht. Er spürte die Kraft, konnte sie durch sein eigenes Selbst leiten, konnte durch sie wachsen... und so manche Lehre, die er gelesen oder von seinem Großvater gelernt hatte, machte nun plötzlich Sinn.

Henrys Erfahrung hingegen war eine völlig andere. Auch er spürte die Energie, doch er spürte noch etwas anderes. Fernab von allen Zweifeln, von seiner inneren Zerrissenheit, fernab von Angst, an einem Punkt seines Herzens, der von nichts anderem erfüllt war als von Liebe und von Glaube. Und die Energie, die ihn durchfloss, strömte an diesen einen Punkt, und erfüllte ihn mit der Kraft seines Herrn. Was auch immer der Dämon vor ihm gesagt oder getan hatte, für Henry gab es keinen Zweifel, dass er etwas wahrhaft heiliges gespürt hatte.

Rillfarsell wiederum erfüllte ein seltsames Gefühl von... Heimat. Er spürte eine Verbundenheit, wie er sie schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte. Und sein Geist und sein Herz füllten sich mit Liedern und mit Magie und mit Erinnerungen an unzählige Freunde, die er in seiner Heimat zurück gelassen hatte.

Was Kara hingegen spürte, war etwas, das sie zuletzt vor langer Zeit gespürt hatte. Bevor die Götter auf Faerun gewandelt waren, bevor... ihr Gott gestorben war. Sie erfüllte eine machtvolle, heilige Energie. Doch sie wusste, es war nicht ihr Gott, den sie hier spürte. Es war ihre eigene Kraft. Das Göttliche in ihr selbst, und in der Welt um sie herum. Die Quelle all ihrer Kraft...

Doch neben all dem, den Erkenntnissen, der Kraft des Glaubens, der inneren Harmonie, war da noch etwas. Etwas sehr viel konkreteres. Eine neue, spürbare Kraft, die sich in jedem von ihnen verankert hatte, geformt aus ihrem innersten Sein und den eigenen Sehnsüchten und Überzeugungen.[1]

Für Kara war es schon seit langem ein großer Wunsch, sich selbst zu verändern. Und sie erkannte, dass es einzig in ihrer Hand lag, dies zu tun. Doch die neu gefundene Macht würde ihr dies auf eine Weise erlauben, die sie nie für möglich gehalten hätte...[2]

Henrys neu gefundene Macht war für ihn eine direkte Konsequenz aus dem gerade Erlebten. Er hatte die heilige Macht des Herrn gespürt... und dabei etwas in sich selbst gefunden. Etwas, dem kein gewöhnlicher Dämon sich würde entgegen stellen können. Doch selbst gegen die N'kyuash würde diese heilige Kraft ihre Wirkung zeigen.[3]

Ähnlich wie für Henry war für Rillfarsell die neue Kraft eine direkte Schlussfolgerung aus dem gerade Erlebten. Er hatte eine Verbindung zu seiner Heimat gespürt - und er wusste, er würde diese Verbindung immer wieder herstellen können![4]

Harry betrachtete noch seine innere Traumwelt, als er plötzlich etwas an sich bemerkte. Er... veränderte sich. Sein Körper wuchs, zog sich in die Länge. Gleichzeitig schien er an Körperlichkeit zu verlieren. War dies ein Astralkörper? Harry hatte Theorien dazu gelesen... aber in keiner davon waren dem Betreffenden gewaltige Flügel gewachsen! Instinktiv schlug er sie, und hob ab. Im gleichen Moment befand er sich nicht mehr in der Traumwelt, sondern in der Bibliothek... über seinem eigenen Körper! Doch der gewaltige Schlag seiner Flügel trieb ihn weiter nach oben, durch Decken und Dächer hindurch, bis in den freien Himmel, von wo aus er über die Stadt blicken konnte. Er war ein Drache, und er konnte fliegen![5]

Von all diesen spektakulären und mystischen Erfahrungen bekam Jurij nichts mit. Überflutet von den Erkenntnissen, hatte er sich ganz sich selbst zugewandt, in sein Innerstes geblickt. Und dort, so klar wie nie zuvor, die Präsenz des Dämons wahrgenommen. Doch dieses Mal sah er nicht weg. Sein Blick blieb standhaft, und er tauchte ein in die fremde Seele, die sich in seinen Körper eingenistet hatte, wagte es, die Grenze zu überschreiten und in den Dämon selbst einzutauchen.

Dabei fiel ihm wieder ein, was die Priesterin ihm gesagt hatte. Es gab Ähnlichkeiten zwischen ihm und seinem ungebetenen Gast. Er erinnerte sich an seine Traumvision, hervorgeholt durch den abscheulichen Trank. Die beherrschenden Gefühle waren Einsamkeit und Überlebensangst gewesen, emotional nicht zu erhalten, was er zum Überleben brauchte. Intuitiv spürte er, dass er auf dem richtigen Weg war. Er sah nicht in die Dunkelheit, in Chaos und Gewalt - und davon gab es reichlich! -, sondern folgte nur diesem einen Gefühl, und erkannte, dass es eben dieses war, das den Dämon in seinem Inneren ausmachte.

Er würde sich holen, was ihm zustand. Was er zum Leben brauchte, zum Wachsen, zum Reifen. Die Welt, nein, das ganze götterverdammte Multiversum war es ihm schuldig! erinnerte er sich an die Gefühle der Traumvision. Und er begriff: Auch Obayifo war einst ein Sterblicher gewesen, eine abgelehnte Seele, dich sich das, was sie zum Überleben brauchte, woanders geholt hatte. Doch Obayifos Entscheidungen hatten ihn auf einen anderen Weg geführt als Jurij. Er hatte entschieden, niemandem mehr zu vertrauen, und sicherzustellen, dass er die Macht hatte, sich stets zu nehmen, was er brauchte.

All das war nicht wirklich klar; Jurij konnte nicht in die Vergangenheit Obayifos sehen. Doch er spürte, dass es wahr war. Aus einer verzweifelten Seele war eine böse Seele geworden, und in Millionen und Abermillionen Jahren war aus einer bösen Seele ein schrecklicher, machtvoller Dämon geworden. Doch in all diesen Äonen war der Kern Obayifos gleich geblieben. Er wollte überleben.

Jurij begriff noch etwas anderes: Obayifos übermächtiger Wunsch, zu überleben, hatte ihn zu einem Meister des Lebens werden lassen. Nicht nur metaphorisch, sondern ganz konkret: Er hatte gelernt, die Ströme des Lebens selbst, ihre Energien und auch das Gegenstück - den Tod - zu begreifen. Und für einen kurzen Moment erhielt auch Jurij einen winzigen Einblick in dieses Wissen.[6]
 1. Ja, richtig, jetzt kommen wir zur Charakterfrage, die ihr mir per PM beantworten durftet!
 2. Kara kann ab sofort einmal täglich "Alter Self" wirken. Außerdem kann sie einmal täglich versuchen, einen ihrer eigenen Gedanken ihrem N'kyuash "unterzuschieben". Dafür muss sie die Grenze zwischen sich und dem Dämon kurzzeitig auflösen, und anschließend wieder festigen. Dazu ist ein Will-Save gegen SG 20 nötig.
 3. Henry kann einmal täglich Protection from Evil, Communal wirken. Außerdem kann er einmal täglich versuchen, einen Exorzismus an den N'kyuash durchzuführen. Bei Gelingen vertreibt diese Kraft den entsprechenden Dämon für eine Stunde in die hintersten Ecken des Wirtsgeistes, so dass dieser für diese Zeit quasi "befreit" ist. Henry kann dies auch auf sich selbst anwenden, z.B. bevor er schlafen geht. Um einen Exorzismus durchzuführen, muss Henry einen RW gegen Willen mit SG 20 bestehen. Er kann auch versuchen, mehrere Dämonen gleichzeitig zurückzutreiben. Für jeden weiteren erhöht sich der SG um 5.
 4. Rillfarsell kann einmal täglich Summon Monster II wirken, darf allerdings keine bösen und keine rechtschaffenen Wesen beschwören. Außerdem kann Rillfarsell einmal täglich den "Rat der Ältesten" anrufen, und erhält dadurch einen Bonus von +5 auf einen von ihm gewählten Rettungswurf oder Attributswurf. Letztere Fähigkeit kann ohne Vorbereitung und in dem benötigten Moment augenblicklich angewendet werden.
 5. Harry kann einmal täglich den Zauber Fly wirken. Außerdem kann er einmal täglich für maximal eine Stunde die Astralgestalt eines Drachens annehmen. Er befindet sich dann mit seinem Geist am Rand der Astralebene, und kann sich bis zu fünfhundert Meter von seinem
Körper entfernen. Er kann sich - jeweils zu Beginn - entscheiden, ob er die astrale oder die materielle Welt sehen möchte. Interagieren kann er nur auf der astralen Ebene. Nebeneffekt: Solange er in Astralform ist, hat Lasciel keinen Zugriff auf seinen Geist!
 6. Jurij kann einmal täglch den Zauber "Shield Other" wirken. Außerdem erhält Jurij die Fähigkeit, einmal täglich - auch in der Nacht! - für fünf Minuten in den Geist Obayifos einzudringen. Ist Jurij wach, kann er mit dieser Fähigkeit Obayifo zu einem Gespräch zwingen. Ist Jurij nicht bei Bewusstsein, so dringt er in Obayifos Bewusstsein ein, d.h. er sieht, hört usw. alles, was Obayifo wahrnimmt. Der Dämon bemerkt seine Präsenz nicht, wenn Jurij einen Will-Save gegen SG 20 gelingt. Jurij kann in dieser Zeit nicht selbst handeln, aber alles beobachten.
« Letzte Änderung: 19.04.2015, 23:58:33 von Sternenblut »
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #564 am: 20.04.2015, 00:09:39 »
Die Ereignisse dauerten nur wenige Sekunden, dann verschwand das mystische Licht wieder. Doch die Regale standen bis dahin bereits lichterloh in Flammen, und Rauch breitete sich im Raum aus.

Markent - oder Andhaka - senkte seine Arme wieder. "Was ihr soeben erlebt habt, ist die Kraft nur einiger weniger Sandkörner. Es gibt weitere, und die N'kyuash werden sie suchen und für sich beanspruchen. Werden die Sterblichen und die Fee es ihnen gleich tun? Werden sie ihnen zuvorkommen, und vielleicht sogar die Macht über sich selbst zurückerlangen? Oder werdet ihr euch feige und schwach in euer Schicksal fügen?"

Er streckte seine Hand nach hinten aus, und aus dem Nichts erschien eine gleißende Lichtform, geformt wie ein Türbogen. "Doch bedenkt, es gibt den heiligen Boden in zwei Formen. Die eine habt ihr kennengelernt, sie ist frei, ohne Bindung, und ihr formt sie durch euer Herz und eure Seele, und das, womit ihr verbunden seid. Die andere aber ist erfüllt von der Macht unserer Heimat. Sie stärkt nur die N'kyuash. Das, was von der einstigen Wüste übrig ist, birgt genug Macht, um zahlreiche von uns zu ihrer alten Macht zurückzubringen - wenn wir sie finden."

Dann trat er einen Schritt nach hinten, hinein in das magische Licht - und verschwand darin. Im gleichen Moment löste sich auch das Licht auf, und Andhaka war verschwunden.

Die Gefährten waren wieder unter sich - mitten in der brennenden Bibliothek.
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #565 am: 20.04.2015, 17:51:47 »
Von Harrys Ausbruch war Jurij vollkommen überrascht. Er hatte kaum den Gedanken weiter spinnen können, wo genau er den Namen Asura im Hinduismus oder Buddhismus gehört hatte, das blökte Harry auch schon los und die Antwort des Asura kam prompt. Doch viel zu kurz hatte der Wirt Kontrolle über seinen Leib. Wieder Sprach der Dämon in dieser grausam melodischen Sprache, breitete die Hände aus und machte seine Andeutungen wahr.

Jurij weitete seine Augen, konnte kaum glauben wie schnell sich das Feuer ausbreitete und das er es wirklich wagte Wissen einfach so zu verbrennen. Wut stieg in ihm auf. In dieser wollte er gerade einen Satz vor den Asura machen und ihm versuchen aus zu schalten, dass das Feuer nicht weiter verstärkt würde. Doch in diesem Moment zeigte der Asura auf Jurij. Irgendetwas passierte, irgendetwas was Jurij nicht so einfach erklären konnte. Nicht einmal mit seinem Wissen über die Chakrapunkte. Es war etwas wie ein erhabener mystischer Moment. Kurz darauf war er auch nicht mehr Herr seiner Glieder, riss sie nach hinten und fühlte sich von dieser mystischen Kraft einfach nur noch erfüllt. Für ihn war es atemberaubend. Schön, verängstigend, euphorisierend. Die Worte des Asura hörte er nur noch wie im Rausch. Er konnte keinen rechten Gedanken fassen und doch störte er sich nicht daran. Er erkannte viel mehr, dass Einsamkeit eine Illusion war, dass alles zusammen gehörte, alles miteinander vernetzt war.

Irgendwann wandte sich sein Blick von dem Ganzen auf das Einzelne. Den Moment des Jetzt, seines Jetzt und er sah die dunkle Präsenz in sich. Da Zeit keine Rolle mehr zu spielen schien, hatte er kein Gefühl dafür, wie lange er das Dunkle beobachtete. Wie lange es dauerte, bis er sich einem Gedanken Glich in die Dunkelheit wagte. In das Finstere viel um hinter den Schrecken blicken zu können.

Wieder hörte Jurij den Asura wie aus weiter Ferne. Der Moment war vergangen. Doch sein Geist musste sich erst wieder sammeln, bevor er sich überhaupt rühren konnte. Bevor er die Kraft wieder fand auf zu stehen, vom Boden auf welchem er schnaufend lag.
Träge, zäh realisierte Jurij wie der Mann verschwand, wie nur noch das Licht der Flammen mit dem Rauch tanzte. Wie das Feuer knisternd nach allem griff, was er verzehren konnte. Dann traf Jurij erneut der Schlag, doch dieses Mal war es sein Körper. Die Bibliothek brannte und wenn sie nicht raus kamen, brauchten sie sich über das Morgen keine Gedanken mehr zu machen. Rasch drehte er sich und krabbelte auf allen vieren zu Harry und Kara. Verdammt sein Schädel brummt und er fühlte den beißenden Rauch in seiner Lunge. Sie mussten hier Weg. „Harry, Kara wie müssen raus.“ Ein Husten unterbrach seine Worte, er hielt sogar inne die beiden an nächst besten Gliedmaßen, die er erreichte zu schütteln. „Schnell oder wir verbrennen mit den Büchern.“
Wieder hustend, unterbrach er das rütteln. Beide hatten sich bewegt, schienen wach zu sein. So rappelte er sich nun ganz auf, schwankte dabei. Half aber den Anderen beim aufstehen. Bevor er sich nach Henry und Rillfarsell umblickte. Doch achtete er nicht nur auf seine beiden anderen Begleiter, sondern sah sich auch rasch um ob noch ein Unbeteiligter in der Nähe war. Er hatte nicht mitbekommen, ob wirklich alle das Gebäude verlassen hatten.[1] Jedoch Rauch und die eben gemachte Erfahrung trübten seinen Blick.
 1. Wahrnehmung 13
« Letzte Änderung: 20.04.2015, 17:54:20 von Jurij Klee »
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #566 am: 20.04.2015, 19:47:42 »
Voller Verwirrung verfolgte Henry das Gespräch zwischen dem Fremden und seinen Freunden. Er verstand nicht im Mindesten, was der Mann sagen wollte. Es war eine sehr metaphorische Sprache, doch wie aufzulösen waren, das entging ihm. Sein Gedanke blieb an dem Bild vom Ross und Reiter hängen. Es erinnerte ihn an etwas. Einige Bibelverse, die er vor langer Zeit gelernt hatte. Ja, tatsächlich tauchte diese Wortverbindung im Hiuob-Buch auf. Hiob hatte Gott sein Leid geklagt und ihn herausgefordert. Womit er diese erfahrene Ungerechtigkeit verdient hatte? Gott solle kommen und Gericht halten. Auch er würde keinen Tadel an ihm finden und ihn frei sprechen müssen von seinem Leiden!

Und was antwortete Gott? Er nahm Hiob beim Wort. Wenn der Mensch so hochmütig war, weiser zu sein als Gott, dann solle er ihm doch die Welt erklären. Wo warst Du, als ich die Welt aus den Urfluten hob? Kannst Du Blitze aus den Himmel fahren lassen? Hast Du die Einöde mit Wasser getränkt, dem Wildesel die Freiheit gegeben? Hast Du der Hyäne das Lachen in den Mund gelegt? Wo warst Du, als ich die Welt erschuff und die Zeiten lenkte?

"Quis est iste involvens sententias sermonibus imperitis?"[1]

Dann brach ein eine himmlische Erkenntnis über Henry herein, als er zum Bild von Ross und Reiter zurückkehrte. In Hiob 39 stand: "Lustig schlägt die Straußenhenne die Flügel. Ist ihre Schwinge darum so wie die des Storches und Falken? Nein, sie gibt der Erde ihre Eier preis, lässt sie erwärmen im Sand, vergisst, dass sie ein Fuß zerdrücken, das Wild des Feldes sie zertreten kann; sie behandelt ihre Jungen hart wie Fremde; war umsonst ihre Mühe, es erschreckt sie nicht. Denn Gott ließ sie Weisheit vergessen, gab ihr an Verstand keinen Teil. Im Augenblick aber, wenn sie hochschnellt, verlacht sie Ross und Reiter." Und dieses Bild umfing Henry, band seine Gedanken und drang tief bis in sein Herz.

Und Henry sank in die Knie und faltete die Hände und sprach aus tiefer Seelenbewegtheit: "Wer bin ich, dass ich Deinen Ratschluss ergründen wollte? Wer bin ich, dass ich mit Dämonen kämpfe? Wer bin ich, dass ich mein Schicksal betrauere, als ob ich es nicht aus Deiner Hand empfangen würde? Ich habe Dich vergessen und Du rufst mich zurück mit dem lächerlichsten aller Verse. Ich will mich frei machen von allen Rechnen und Richten. Ich will mich frei machen, von meiner Selbst und allen Mächten. Ich will sein wie die Straußenhenne und verlache Ross und Reiter. Nur Dir will ich dienen. Du bist Gott und nur Du allein - und Du hast mich zu Deinem Ebenbild bestimmt. Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut."

Dann endeten die Worte und Henry betete ohne Worte weiter. Das weltliche Geschehen um ihn herum, bemerkte er nicht.
 1. Wer ist's, der den Ratschluss Gottes verdunkelt mit Worten ohne Verstand?
« Letzte Änderung: 20.04.2015, 20:04:04 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #567 am: 20.04.2015, 20:35:39 »
Als Jurij ihm am Mantelsaum zupfte, schien auch Harry noch ganz in dem mystischen Erlebnis gefangen zu sein. Mit einem sichtbaren Ruck riss er sich aus seiner Starre und sah sich einigermaßen erstaunt um. Zuerst fiel sein Blick auf Jurij. Nanu, was machte der Mensch denn da auf dem Boden? Dann erst blickte er nach allen Seiten und seine Augen weiteten sich, als er—und auch hier war seine Reaktion verzögert—das Flammeninferno um sie herum bemerkte. Doch anders als Jurij musste er nicht husten. Feuer und Rauch machten nur einem Teil seines Wesens Angst, der andere Teil—der soeben erweckte—der fühlte sich ganz in seinem Element.

Außerdem gab es hier womöglich Unschuldige zu retten! Auch das war Harry Beruf wie Berufung.

"Ja, ihr solltet hier schleunigst raus!" rief er seinen Kameraden zu. "Bevor euch vor lauter Rauch die Luft wegbleibt, ihr umkippt und das Bewusstsein verliert. Ich schau mich schnell noch hier um, ob jemand Hilfe braucht. Als Drache macht mir Feuer und Rauch nichts aus."

Harry sah stirnrunzelnd auf den knieenden Henry, der keinerlei Anstalten machte, aus der brennenden Bibliothek zu fliehen.

"Jurij, kümmer dich um ihn. Und jetzt beeilt euch!"

Mit diesen Worten—und ohne sich noch einmal umzudrehen, ob die Kameraden seiner Anweisung Folge leisteten—verschwand Harry auch schon im dichten Rauch und den gierig züngelnden Flammen.[1] Bald hatten seine Gefährten ihn aus den Augen verloren.

Harry schaute als erstes—kurz!—in den hintersten Winkeln der Bibliothek nach, ob dort nicht jemand in einem Alkoven um sein Leben zitterte, der zuvor den allgemeinen Aufbruch ignoriert oder übersehen hatte. Danach würde er in fliegender Hast die umliegenden Räume absuchen, wobei er mit seiner Suche in jener Richtung beginnen würde, in die Meister Arisai kurz zuvor verschwunden war.[2]
 1. Na ja, also, er wird natürlich den Flammen so weit er kann ausweichen. Er hat DR (fire) = 5. Der Meister möge mir sagen, ob irgendwelche saves (will, reflex oder gar fort) nötig werden. Und wenn's ihm zu brenzlig wird, springt Harry irgendwo aus dem Fenster oder rettet sich aufs Dach und springt von dort. Dank Federfall kann er etwaige zu rettenden Personen auch aus dem Fenster stoßen.  :)
 2. Perception: 17, 13, 21, 8, 26 (nat 20), 12.
« Letzte Änderung: 21.04.2015, 08:51:03 von Harry Webster »
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Rillfarsell

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Heiliger Boden
« Antwort #568 am: 21.04.2015, 04:47:09 »
Rillfarsell war immer noch damit beschäftigt gewesen, die magische Aura des Fremden zu untersuchen, als dieser es mit dem Gedicht aus dem Konzept brachte.
Unwillkürlich wurde seine Aufmerksamkeit also wieder auf das Geschehen um es herum gelenkt.
Das Feenwesen fühlte sich bei der Benutzung der dämonischen Sprache durch den Mann körperlich unwohl. Diese Sprache hatte nichts melodisches oder harmonisches an sich, wie es bei Sprachen von lebenden Wesen üblich war. Ihr Klangbild verriet ihre finstere Herkunft. Die Auswirkungen auf die Zuhörer war nur ein Vorgeschmack auf das, was Nutzer dieser Zunge mit ihnen anstellen würden.
Interessiert lauschte es dennoch weiter dem Gespräch, auch wenn es sich lieber die Ohren ausgewaschen hätte, um die eben gehörten Worte zu verbannen.
Als erneut das Abysische benutzt wurde, fühlte es sich geistig geschändet. Nie würde diese Sprache seinen Schnabel verlassen.
Das dann auch die Bibliothek anfing zu brennen, paßte nur zu gut in das Bild.
Rillfarsell überlegte kurz, zu versuchen den Brand zu löschen. Aber da wurde es auch schon von einem Strahl getroffen, der es taumeln ließ.
Wieder traten ihm Tränen in die Augen.
Auch wenn es ein zeitloses Wesen war....die Nähe seiner Heimat jetzt zu fühlen, nach Monaten des Entrissen seins...
Bittersüß schlugen die Erinnerungen über es ein und ein Schluchzen, ob des Verlustes bahnte sich seinen Weg aus den Tiefen des Feenwesens. Und doch folgte gleich drauf ein fröhliches Kichern.
Hin und her gerissen zwischen Freude und Verzweiflung fiel Rillfarsell auf die Knie. Welchem Gefühl sollte es folgen?
Noch während es unentschlossen auf dem Boden hockte, spürte es aber das Wichtigste, die Verbundenheit mit seiner Heimat, die niemals erlöschen würde.
Es war ein Feenwesen, geschaffen in der Ersten Welt.
Das würde es immer bleiben, egal wo es sich befand.
Und dieses Band konnte nicht gelöst werden. Es gab ihm Kraft und Sicherheit, Freude und Zuversicht, Harmonie und innere Ruhe.
Mit einem Lachen sprang es auf und erhob sich etwas in die Luft. Mochten die Flügel auch leicht das Feuer anfachen, so drang gleichzeitig ein auf- und abschwellender Gesang aus seinem Schnabel. Die Arme vollführten Gesten, die ebenfalls an Wellen gemahnten. Der ganze Körper wirkte, wie in einer Brandung gefangen.
Immer wieder drang Speichel aus dem Schnabel des Feenwesens, der aber nicht verdampfte, sondern sich auszubreiten schien. Er wurde schnell zu einer Pfütze, die merklich hin und her schwappte und dabei immer größer wurde.[1]
Rillfarsell setzte wieder auf dem Boden auf und verneigte sich vor dem Wesen aus elementarem Wasser, das er gerufen hatte. "Hilf uns, bitte! Lösche etwas von dem Feuer und sorge dafür, daß wir einen Weg nach draußen haben." Das Feenwesen hoffte, daß ihn das kleine, wellenförmige Elementar verstand.
Dann begab es sich neben Henry, mit dem es ja eh auf dem Weg nach draußen gewesen war.
Es stupste ihn unsanft an.
"FEUER, Henry! Wir müssen hier raus! Komm!"
Natürlich war es zu schwach, um den Menschen mitschleifen zu können. Und so war der Versuch Henry zum Aufstehen zu bewegen eher eine symbolische Geste.
 1. Nutzen wir doch gleich mal die neue Fähigkeit: Summon Monster II um ein kleines Wasserelementar zu beschwören.

Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #569 am: 21.04.2015, 13:42:19 »
Durch den Stoß des Feenwesens wurde Henry aufgeschreckt. Noch etwas aus der Realität herausgehoben, sah er Rillfarsell an. "Ich will sein wie die Straußenhenne.", murmelte er. Schließlich fing er sich und hatte mit einem Blick die Situation überschaut.

"Du hast recht.", sagte Henry. "Wir müssen uns beeilen. Wo sind die anderen?"

Er pflückte das Feenwesen aus der Luft und versuchte es, unter seinen Umhang zu stecken. "Bleib unter meinem Umhang, sonst verbrennen Dir die Flügel.", sagte er. Dann nahm er die Beine in die Hand und suchte sich seinen Weg aus dem Gebäude.
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

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