"Ach Kara, um die Vergangenheit geht's mir nicht! Was ich war, was Ihr wart, was Henry, Jurij oder Rillfarsell waren—einerlei! Die Zukunft ist es, die mir Sorge macht, und nicht nur wegen unserer Gäste, sondern auch wegen dem, was wir im Kampf gegen sie zu werden bereit sind. Ihr seid überzeugt, und Henry sowieso, dass es eine gute Kraft ist, die Ihr in Euch selbst erwachen und wachsen spürt. Jurij und Rillfarsell scheinen es ähnlich zu sehen—obwohl ich Jurij noch fragen wollte, was ein Kundalini ist, ich kenne nur einen Houdini—was ich aber gerade in mir spüre seit unserer Begegnung mit dem frechen Kerl, ist genau die Kraft, die ich seit meiner Kindheit zu unterdrücken versuche. Aus gutem Grund! Das war mehr als bloß jugendliches Rebellentum, das die Drachennatur in mir leugnen wollte, mehr als bloß das übliche: 'Ich will aber anders als meine Familie sein'! Seit der Begegnung kocht mir das Blut in den Adern und eine Wut habe ich im Leib, dass ich am liebsten irgendwo reinbeißen würde, dass ich am liebsten meine Klauen ausfahren und etwas—oder jemanden!—zerfetzen will!
Aber ihr! Ihr seid alle so beseelt nach dem Erlebnis, so erleuchtet. Wie neid ich euch das! Für mich ist nicht das Licht, sondern der Schatten mehr geworden. Vorhin hab ich selbst schon gedacht: Oh Mann, Harry, pass nur auf, du klingst ja schon wie deine Auntie Trish!"
Bis jetzt war Harry nur auf seinem Sessel hin und her gerutscht, hatte sich abwechselnd die Haare gerauft und die Hände gerungen, jetzt sprang er auf und lief erneut auf zu engem Raum auf und ab; hätte er Flügel, so würde er bestimmt aufgeregt mit ihnen schlagen.
"Neid! Ich glaube, wenn man eine Eigenschaft nennen müsste, die einen roten Drachen ausmacht, dann diese! Neid! Daraus erklärt sich alles andere. Warum hat der Nachbar ein so schönes Auto, Haus, Frau, was auch immer? Das will ich auch alles haben, das steht mir zu! Egal, welche Eigenschaften die einschlägigen Werke uns 'Roten' auch sonst gerne zuschreiben—machthungrig, arrogant, habgierig, grausam, spielt gern mit seinem Opfer, bevor er es umbringt—ich sage euch, am Anfang steht der Neid. Die Angst, zu kurz zu kommen im Leben. Das hat mich Lasciels Münze aus dem Holz ziehen lassen, das hat meinen Vater sich mein gesamtes mütterlich-großväterliches Erbe unter den Nagel reißen lassen, ohne mir auch nur einen schlappen Dollar zu gönnen!
Und auch wenn das alles in einem echten Drachen stärker wirkt als in einem Drachenspross: wenn ich, um Lasciel zu bekämpfen, mehr davon in mir zulassen muss... Ach, ich glaub, ich will gar nicht mehr von diesem heiligen Boden finden! Wenn ich jetzt schon kaum an mich halten kann, wie soll das erst beim nächsten Mal werden? Wie weit kann ich auf dem Weg gehen, ohne ein, wenn schon kein echter Drache, so doch ein echter Marcone zu werden?"