Das Schweigen, das Harrys Frage folgte, war genauso verlegen wie der Ton, in dem er sie gestellt hatte, oder vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Vielleicht hatte niemand sie gehört. Das war gut möglich, denn er hatte nicht sonderlich laut gesprochen und man überquerte gerade einen lauten kleinen Platz, auf dem sich eine Vielzahl an Volk drängte. Marktweiber priesen die Waren in ihren Handkarren oder Bauchläden an, Kunden feilschten mit ihnen, die Händler der anliegenden Geschäfte hatten ebenfalls Auslagen auf Tischen vor ihren Läden aufgestellt und krakeelten mit den Weibern um die Wette, während Zeitungsjungen, in der Hoffnung ihre Blätter loszuwerden, sich die Kehlen heiser schrieen mit der nicht mehr ganz so frischen Neuigkeit: Kommt jetzt der Krieg? Beim Brunnen aber, den Harry gerade passierte, hatte sich ein Mann aufgebaut und berichtete seiner Zuschauerschar von dem schrecklichen Brand in der Bibliothek.
Harry hielt kurz an, um zu lauschen, dann musste er sich aber schon sputen, um den anderen hinterherzukommen. Wenn Rillfarsell nicht immer mal wieder aufgeflattert wäre, um sich vor dem Gedränge in Sicherheit zu bringen, hätte Harry sie wahrscheinlich schon verloren.
Als Schlusslicht folgte er ihnen also still und ging dabei in Gedanken die Ereignisse in der Bibliothek noch einmal durch. Was der Marktschreier da gerade als "neueste Nachricht des Tages" verkauft hatte, stimmte nur in wenigen Bruchstücken mit Harrys Erinnerungen überein, welche, zugegeben, recht verschwommen waren. Das einzige, an das er sich in aller Deutlichkeit erinnerte, war seine Wut. Was hatte er sich über den Auftritt dieses frechen Andhaka geärgert! Und nicht nur er: Lasciel hatte sich ebenso sehr geärgert, wenn nicht noch mehr. Gemeinsam waren sie explodiert.
Dabei, erkannte Harry plötzlich, dabei sind wir "durcheinander" geraten, im wahrsten Wortsinn! Das folgende hat gar nichts mehr dazugetan. Ich habe das Bewusstsein gar nicht verloren! Ich habe mich gehen lassen, habe mich ganz von meiner Wut—und ihrer!—packen lassen, und schon hat sie mich vom Fahrersitz geschubst!
Und bei all dem hatte Harry tatsächlich noch geglaubt, er habe sich unter Kontrolle. Regelrecht stolz war er auf sich gewesen, wie ruhig seine Worte klangen, wie ruhig er zuvor Aria gebeten hatte, sich in Sicherheit zu bringen, damit der Kerl—falls er sich provozieren ließe—seinen Zorn darüber nicht an ihr austoben könne.
Oh Mann, Harry! Du müsstest von Berufs wegen doch eigentlich wissen—wie viele Fallgeschichten hast du zu dem Thema gelesen: hundert?—dass jeder Dämonenbeschwörer glaubt, die Kontrolle zu besitzen, wenn er dem Dämon Befehle erteilt und dieser sie ausführt—dabei täuscht der Dämon ihn von Anfang an! Und Lasciel, Jesus f---ing Christ, Lasciel hat die anderen alle getäuscht. Wie kann ich da hoffen, sie je zu durchschauen? Wie soll ich die Kontrolle erlangen oder behalten, wenn ich mir niemals sicher sein kann, ob sie mir nicht bloß vorgaukelt, ich säße am Steuer?
Unglücklich stolperte Harry den Kameraden hinterher.