Oha! denkt Basilio.
Wenn das alle hier so irritiert, sogar den Gul und die Ältesten, dass ein Mensch auch nur gebrochenes Kargi spricht, dann sollte ich mir einen guten Grund dafür überlegen. Aber ach, mir wird schon was einfallen, wenn mich jemand fragt. Wichtigeres zuerst: warum weiß ich nichts von dieser Fehde zwischen den Kargi und den Elfen, wenn es eine derart alte Fehde ist? Weiß Kolyak darüber Bescheid? Dann hätte er mich doch wenigstens in den gröbsten Zügen darüber informiert, hätte mich doch nicht blind hierher geschickt, oder?Aus dem Gespräch zwischen Gul und Sohn Mago sowie dem anschließende Tohuwabohu lernt Basilio mehrere Dinge. Dass die vier Menschen dort im Auftrag von Jaresh Dorguln hier waren, hat er sich bereits gedacht—die Personenbeschreibung der Dörfler ist recht eindeutig gewesen und Jareshs Haltung in der Angelegenheit ebenfalls. Allerdings scheinen die vier offenbar verschwiegen zu haben, dass der gute Jaresh in Dorwida gar nicht mehr das Sagen hatte
[1] und der amtierende Bürgermeister durchaus auf Konfrontation aus ist, vielleicht um endlich aus dem Schatten seines Vorgängers herauszutreten oder weil er keine Schwäche zeigen will, geschweige denn zugeben, dass er nicht weiß, was er tun soll. Oder will er im Gegenteil einen Krieg provozieren, weil er glaubt, diesen gewinnen und so das durch den Friedensvertrag verlorene Land an sich reißen zu können?
[2] Nur einer der vielen Nachteile einer Demokratie: Verträge, die der Vorgänger verhandelt hat, gelten dem neuen Amtsinhaber wenig, sind ihm nur im Weg, denn er hat eigene Pläne...Zweitens, und nur ganz nebenbei, stellt Basilio fest, dass einer der Gesandten des ehemaligen Bürgermeisters offenbar ein Halbelf ist. Seltsam. Das hat in Dorwida niemand erwähnt. Von einem Dejy ist die Rede gewesen. Nun, solange der Mann seine Fellkappe trägt, sieht man es ja auch nicht. Er geht glatt als Mensch durch.
Drittens scheint es sich bei dem sogenannten Frieden zwischen Kezhdal und Dorwida um nichts weiter als einen Waffenstillstand zu handeln, denn dass die Kargi von dem Machtwechsel im Menschendorf noch nichts wissen, zeigt, dass hier keinerlei Kontakte gepflegt werden, weder diplomatischer noch merkantiler noch privater Natur. Der "Friede" beruht zudem einzig auf dem Respekt, den zwei alte Männer füreinander empfinden, von denen einer offiziell bereits nichts mehr zu sagen hat, der andere die eigenen Leute auch nicht mehr so im Griff hat wie bestimmt früher einmal.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor das auf Sand gebaute Friedensgebäude einstürzt, das eh nie mehr als ein Traumschloß war. Krieg ist der natürliche Zustand zwischen Menschen und Grünhäuten. Wie kann es auch anders sein? Sie betrachten alle Gebiete, auf denen wir leben, als rechtmäßig die ihren.Nur ist gerade kein guter Zeitpunkt für Unruhen im Osten. Sollte es hier zu Auseinandersetzungen kommen, wie lange wird es dann wohl dauern, bis die Kargi sich entweder mit den Orks verbünden wie schon zu Zeiten Kruk-Ma-Kalis oder vielleicht gar ihren großen Bruder Norga-Krangel um Unterstützung bitten? Und im Gegenzug für diese würden die Krangi von den Kargi Unterstützung bei ihrer geplanten Großoffensive gegen Korak fordern.
Aber auch wenn sie sich "nur" mit den Orks zusammentun, könnten sie eine Gefahr für uns werden. Wer sagt denn, dass sie nach einem Sieg Ruhe geben und nicht gleich so weitermachen mit dem Brennen, Morden und Plündern? Oder nach einer Niederlage? Wohin würden die Grünhäute sich, von den Menschen hier vertrieben, zur Flucht wenden: im Norden sind die Elfen, wohin also dann? Nach Westen, in unsere nur schwach verteidigten Grenzgebiete! Das mag vielleicht, gemessen an unseren anderen Sorgen, wie verkraftbare kleine Stiche in die Seite ausschauen, doch die Wirkung auf die Moral wäre ungleich größer. Das können wir uns nicht leisten in Zeiten, da wir nur mit Mühe unsere Südfront halten, dort gar schon Gebiete verloren haben, obwohl die Krangi noch nicht einmal richtig losgelegt haben, sondern nur ein wenig mit uns spielen wie die Katze mit der Maus. Und ausgerechnet jetzt lassen uns auch noch die ehemaligen Verbündeten im Stich! Na, sie werden schon merken, was sie davon haben, wenn die Krangi uns erst überrollt haben und dann hier bei ihnen einfallen!Basilio fällt es schwer, seine Wut zu unterdrücken.
Blauäugige Demokraten, Träumer allesamt! Können nicht einmal Ordnung im eigenen Land halten. Die werden noch so lange von Frieden reden und uns Koraker Kriegstreiber schimpfen, bis die Grünhäute den letzten von ihnen niedergemetzelt oder versklavt haben!Wie seltsam dagegen, das Wort "Frieden" aus dem Mund von Grünhäuten zu hören. Da klingt "geballte Macht" und "blutige Rache" doch gewohnter.
In einem Punkt ist Basilio sich jedenfalls über seine Pflicht im klaren: Ein Krieg zwischen Kezhdal und Dorwida ist nach Möglichkeit zu verhindern, denn dieser kann sich auf gefährliche Art ausweiten, wie Kriege es nun einmal an sich haben. Und eigentlich gilt das gleiche für einen Krieg zwischen Kargi und den Elfen. Auch dieser könnte ein Bündnis zwischen den Kargi und den Orks zur Folge haben mit allen bereits ausgemalten Konsequenzen.
Womit Basilios Gedanken wieder am Ausgangspunkt angekommen sind: die mysteriöse Sache mit den Elfen. Da würde er gern Licht hinein bringen, zumal ihm gerade eine weitere Idee kommt: Was, wenn Elfen den Informanten in Rabuselido ermordet hatten? Die anderen Verdächtigen, Kargi oder Orks, hätten sich schwer getan, unbemerkt in die Stadt zu gelangen, dort einem Menschen in einer dunklen Gasse aufzulauern und genauso ungesehen wieder zu verschwinden, doch bei Elfen reicht, wie man sieht, eine Mütze auf dem Kopf.
Oder hat eine bisher noch nicht genannte vierte Partei ihre Finger im Spiel? Kalamar zum Beispiel. Sobald die mit Pekal fertig sind, werden sie sich gegen die Jungen Königreiche wenden, und in Vorbereitung darauf stiften sie schon einmal mächtig Unruhe hier, wiegeln die einzelnen Völker gegeneinander auf, oder wie? Das tät zu ihnen passen. Denn ist es nicht seltsam, dass sowohl die Elfen als auch die Menschen denken, die Kargi seien vertragsbrüchig geworden und hätten ihre jeweiligen Gebietsgrenzen verletzt? Das ist doch kein Zufall! Und ein Meuchelmörder aus Kalamar hätte von allen Verdächtigen am allerwenigsten Schwierigkeiten, in Rabuselido unentdeckt zu operieren. Ja, das besiegelt die Sache: Ich muss herausfinden, was da los ist.Und so tritt Basilio noch einen Schritt vor.
"Ich könnte mitgehen zu die Elfen", sagt er laut, dann blickt er erschrocken, als könne er es nicht fassen, das gerade gesagt zu haben. Schließlich ist er nur ein fahrender Händler! Schnell erklärt er: "Bin gekommen, um zu handeln mit euch. Bin Händler, ja? Aber um zu können handeln, es braucht Frieden. Ohne Frieden, kein Handel. Ohne Handel... ich muss treten vor mein Stiefvater daheim mit leeren Händen und er wird denken, ich taug zu nichts und wird nie wieder mir geben Auftrag wie das hier! Wird sagen: lass deine Brüder machen, sind besser, schlauer, größer, älter, stärker! Nie wieder wird lassen mich aus Haus! Deshalb ich will gehen zu Elfen und machen Frieden, wenn ist möglich. Reden ist das einzige, das ich kann besser als Brüder."