"Eine Blauflamm ist eine Schlange", stellt Shanahan klar. Dann sind auch schon alle mit ihren Aufgaben beschäftigt. Zügig machen sich die Gefährten auf, ihr Hab und Gut zusammenzupacken. Als sowohl Manik, als auch Basilio und Sanjan derart schnell einwilligen, sich die Augen verbinden zu lassen und ihre Waffen entsprechend zu verstauen, tauschen einige der Elfen verwunderte Blicke aus. Anscheinend hatte man der Gruppe nicht zugetraut, sich derart um ihren Kameraden zu sorgen oder auf diese Zugeständnisse einzugehen.
Der Anführer - Liam Shanahan - lächelt dagegen und fährt mit der Hand durch Fearcharas blonden Schopf. Einige hektische Minuten vergehen, in denen Basilio Ragnars Pferd einfängt, sowie sein eigenes holt. Als er all seine Klingen an der Satteltasche festmacht, zieht auch Shanahan eine Augenbraue hoch.
Derweil beenden Sanjan und der elfische Heiler ihre Arbeit mit dem verletzten Fhokki. Der Elf trägt eine zähe und unangenehm riechende Paste auf der Wunde auf - Sanjan erkennt sie als zerstoßenes und dann aufgekochtes Gebräu von mehreren Kräutern, das das Gift aus der Wunde ziehen soll. Der Elf schaut zu ihm auf und verzieht den Mund: "Ich weiß - das Gift ist mittlerweile im ganzen Körper verteilt, aber vielleicht können wir zumindest einen kleinen Teil um die Wunde neutralisieren."
Dann ist es so weit - auch Tarqetik fügt sich unwillig und packt sein Schwert zunächst in die Scheide und danach - obwohl es sichtbar Überwindung kostet - an die Satteltasche. Dann greift er wortlos zu Sanjans Speer und bindet selbigen ebenfalls am eigenen Reittier fest. Er führt Sanjans Stute zu seinem Hengst und stellt sie vorsorglich neben diesem auf. Danach winkt der Krieger - immer noch mit unzufriedener Miene - die Elfen herbei.
Diese kommen nach vorne und beginnen damit, den Recken Augenbinden umzulegen. Selbst Ragnar, der weit davon entfernt ist, etwas zu sehen oder das Gesehene zu behalten, bekommt eine. Sanjan wird zusammen mit dem Verletzten auf das Pferd gehievt und spürt den breiten Rücken von Ragnars Hengst unter sich ächzen, als dieser beide Männer aufnimmt. Auch die anderen sitzen auf.
Bevor es losgeht, beantwortet Shanahan Maniks Frage: "Drei Stunden - wenn wir uns nicht unnötig aufhalten. Da eure Augen verbunden sind, nehmen meine Männer die Zügel. Ich bitte euch, ihnen zu vertrauen." Mit diesen Worten gibt er den Befehl zum Aufbruch und die Gruppe setzt sich in Bewegung.
Es ist ein seltsamer, ein verstörender und unangenehmer Ritt. Es fühlt sich in jeder Hinsicht falsch an, nicht die Zügel in der Hand zu haben und darüber hinaus nicht zu sehen, wohin man reitet, doch die Männer nehmen diese Herausforderung auf sich, um ihrem Kameraden zu helfen. Der dumpfe Aufschlag der Hufe - abwechselnd auf nackter Erde, dann wieder auf Gras, gefallenen Blättern und Geäst begleitet sie wie eine unregelmäßige Trommel. Und um sie herum wirken die typischen Waldgeräusche nun noch befremdlicher. Irgendwo in der Ferne ist das Rauschen eines Baches zu vernehmen. So geht die Zeit dahin, ohne dass sich etwas zu verändern scheint.
Vor Sanjan ächzt und stöhnt Ragnar immer wieder. Das Fieber - zunächst durch Sanjans erfolgreiche Behandlung gesunken - beginnt mit der Zeit wieder anzusteigen. Der Krieger kämpft einen Kampf, den er ohne Unterstützung nicht gewinnen können wird. Die Sorgenfalten auf dem Gesicht des Schamanen werden noch größer, als er bemerkt, dass Ragnars Stirn zwar glüht, dass aber Hände, Ohren und Nase anfangen abzukühlen. Dann setzt auch Schüttelfrost ein. Das alles deutet darauf hin, dass das Fieber in die letzte und gefährlichste Phase eintritt.
Gerade will der Schamane nachfragen, wie lange der Ritt noch dauern wird, da hört er in der Ferne einen unverständlichen Ruf - eine helle Stimme. Kurz darauf antwortet Shanahan mit einem eigenen Ruf:
"Shanahan agus gardaí. Solicit iontógáil." Anscheinend ist es ein Code oder ein Einlasswort, denn die Reiter, die kurz langsamer geworden sind, nehmen wieder die gewohnte Geschwindigkeit auf. Es geht weiter für ein paar Minuten. Es ist vielleicht eine weitere halbe Meile, die die Pferde zurücklegen - dann gibt der Hauptmann den Befehl, anzuhalten.
Ein paar Sekunden später sind die Wächter neben den Gefährten und helfen ihnen abzusteigen. Um sie herum erhebt sich Gemurmel, dann nimmt man ihnen die Augenbinden ab und die Männer sehen Jaylin, das Elfendorf vor sich: Kleine hölzerne Häuser und Hütten fügen sich so harmonisch in die natürliche Struktur des Wandes ein, dass man annehmen könnte, sie sind ebenso von selbst gewachsen, wie die Bäume an die sie anlehnen und auf deren niedrigen Ästen sich zum Teil Terrassen befinden. Zwischen vielen Bäumen sind Übergänge und Windeltreppen gespannt. Öllampen und -laternen tauchen die schmalen Gassen zwischen den Behausungen in warmes, gelbes Licht. Etwas weiter entfernt sind größere und frei stehende Behausungen zu erkennen, doch ansonsten scheint das Dorf eine Verlängerung des Waldes darzustellen. Schwer zu glauben, dass Wesen, die derart grausame Nachrichten schicken können, wie die auf Dihals Rücken, gleichzeitig einen solchen Sinn für Schönheit und Ästhetik aufbringen.
Um die Gruppe herum haben sich inzwischen gut zwei Dutzend Schaulustige versammelt - Männer, Frauen und Kinder. Spitze Ohren, blasse Haut und die größtenteils silbernen und goldenen Haare der Elfen fallen den Besuchern sofort ins Auge. Die Blicke reichen von neugierig über skeptisch bis feindlich und Gemurmel hält Einzug.
Dann hören sie in der Ferne den Ruf einer Frau:
"Torin? Fearchara?" Das kleine Mädchen, inzwischen ebenfalls vom Pferd gestiegen dreht sich um und ruft:
"Mama!" Auch Torin dreht sich in Richtung der Frauenstimme.
"Wir sind hier, Mutter!"Die Menge beginnt, sich zu teilen und gibt den Blick frei auf eine herbeieilende Elfe - hochgewachsen, mit hohen Wangenknochen, rotbraunem Haar und grünen Augen. Ihr Gesicht ist vor Sorge gezeichnet, doch als sie durch die Gestalten hindurch die beiden Kinder erkennt, hellt es sich etwas auf. Fearchara stürmt auf die Frau zu und fällt ihr in die Arme, während Torin langsamer hinterher eilt.
Die Frau hebt Fearchara vom Boden und schließt sie in die Arme: "Geht es dir gut, Kleines? Wo wart ihr denn? Ich habe mir solche Sorgen gemacht!" Fearchara weint und erzählt: "Torin und ich wollten nur im Wald spielen. Und dann sind da diese Hyänen aufgetaucht und wir mussten weglaufen!"
Auch Torin kommt nun näher und umarmt seine Mutter, während diese beide dafür ausschimpft, aus der Stadt so weit rausgelaufen zu. "Seit heute morgen schon sucht die halbe Stadtwache nach euch!"
"Ich würde eher sagen, drei Viertel", sagt Shanahan, während er nähertritt und wechselt dann ins Elfische: "Tá brón orm gur thóg sé chomh fada, mo banphrionsa." Daraufhin lächelt die Mutter leicht und nickt: "Go raibh maith agat a thabhairt arís dom mo leanaí, Liam."
Danach fällt ihr Blick auf die Neuankömmlinge und sie runzelt die Stirn und wendet sich wieder auf elfisch fragend an den Hauptmann. Dieser schaut daraufhin zu den Männern hinüber, die immer noch von seinen vier Wächtern und den Schaulustigen umringt sind, und beginnt zu erklären: "Prinzessin Aisling, die Männer, die du hier siehst, waren als erste bei deinen Kindern. Sie haben sie vor dem Hyänenrudel beschützt und gerettet, bevor wir eintrafen. Sie sagten, sie kommen mit wichtiger Nachricht für unseren Fürsten. Aufgrund der Anweisungen deines Vaters, wollte ich ihr Gesuch, nach Jaylin zu kommen, ablehnen, doch einer von Ihnen ist von einer Blauflamm gebissen worden und wäre ansonsten gestorben. Da sie deine Kinder gerettet haben, fand ich es unmöglich, ihnen die Hilfe zu verweigern. Allerdings haben wir ihre Waffen außer Reichweite und hatten auf dem Ritt hierher ihnen die Augen verbunden."
Die Prinzessin schaut während Shanahans Erklärung abwechselnd die Neuankömmlinge an und versucht diese einzuschätzen. Schließlich ruft auch Fearchara ihrer Mutter zu:
"Mama, sie haben die Hyänen verjagt und getötet. Eine wollte mich schon beißen, als Gryphius mich wieder auf den Baum geschoben hat. Wir müssen ihrem Freund helfen."Ihre Mutter nickt nur und tritt näher an die Männer heran.
"Mein Name ist Aisling Adair - ich bin die Prinzessin unseres Stammes. Und ich danke euch für die Rettung meiner Kinder. Eure Güte soll euch ebenso vergolten werden." Bei den letzten Worten schaut sie auch herausfordernd in die Menge, um eventuelle feindselige Blicke abzuschrecken oder abzumildern.
"Ich habe gehört, dass euer Kamerad von einer Blauflamm gebissen worden ist. Lasst ihn uns so schnell es geht zum Medikus bringen. Und ihr anderen könnt dann bei meinem Vater vorsprechen."