Maniks klagende Worte gehen im allgemeinen Raunen der Menge unter. Dann schreiten schon Männer der Siedlungswache sowie die vier Krieger mit den blutroten Umhängen - anscheinend eine Art Elitetruppe - zur Tat, und das bedeutet: auf die Gefährten zu.
Basilio bringt sein Zeichen an und kann erleichtert feststellen, dass Liam es gesehen hat. Der Hauptmann der Siedlungswache steht mit zerknirschtem Gesicht dar, doch er nickt kaum merklich als Antwort. Dann sind schon zwei Elitekrieger und zwei einfache Wächter bei Basilio und Sanjan und packen diese an den Oberarmen, um sie abzuführen.
Ähnlich ergeht es Manik. Tarqetik dagegen wird weniger zuvorkommend behandelt. Die drei Männer, die ihn mit ihren Pfeilen bedrohen, verharren trotz - oder wegen? - seiner Worte regungslos. Doch der Klingenmeister der Elitekrieger, der Sanjan die Reliquien aus den Händen gerissen hatte, tritt an ihn heran und rammt ihm ohne Vorwarnung sein Knie in die Weichteile. Der brandobische Krieger krümmt sich vor Schmerz, da packt ihn Nola am Oberarm und zischt ihn an:
"Bedrohe die Männer noch einmal, und es ist mein Schwert, das ich dir zwischen deine Lenden rammen werde."Die Stimme ist tief und kalt. Ungewöhnlich für einen Elfen, aber sehr passend zu gerade diesem Mann. Dann zieht Nola Tarqetik mit einem Ruck barsch wieder in die Aufrechte und stößt ihn mit der anderen Hand den Wächtern entgegen.
"Abführen!"Die Gefährten sehen noch, wie Aisling Adair zum Thron schreitet und mit ihrem Vater zu sprechen beginnt, während weitere Wachen einen Korridor durch die Menschenmenge öffnen, durch den sie abgeführt werden sollen, und gleichzeitig die Massen davon abhalten, zu nahe an den Thron zu kommen. Während sie von Wachen begleitet durch die Gasse schreiten, betrachten sie Dutzende von Gesichtern von beiden Seiten. Einige sind voller Hass und Abscheu - mermals versucht man sie anzuspucken. Zum Leidwesen von Manik, einmal sogar mit Erfolg.
Doch andere Gesichter zeigen Sorge oder Angst. Der Fhokki erblickt wieder Mealis in der Menge, die mit einem traurigen Gesichtsausdruck der Gruppe nachschaut und ihren Kopf, wie aus Scham, senkt, als sich ihre Blicke treffen. Basilio und Sanjan machen dagegen Fearchara in der ersten Reihe aus. Anscheinend hat sie sich von ihrer Amme losgerissen, die gerade fieberhaft versucht, mit Torin im Schlepptau das Mädchen einzufangen. Als die Männer an ihr vorbeikommen ruft sie zu Basilio.
"Tut mir Leid, Gryphius. Ich werde nochmal mit Opa reden - versprochen!" Dann packen ihn wieder die Hände der Wachen und zwingen ihn vorwärts.
Die Gefährten werden von den Wächtern durch Jaylin nach Norden getrieben. Einige Schaulustige folgen im sicheren Abstand von hundert Fuß, doch schon bald nimmt die Anzahl der Gebäude ab und es ist klar, dass sie dabei sind, das Dorf zu verlassen. Beim letzten Bauwerk, einer kleineren, abgeschlossenen Hütte am Fuße einer großgewachsenen Eiche, halten die letzten Schaulustigen an und die Gruppe - vier Kämpen, ein knurrender, treuer Wolf und insgesamt neun bewaffnete elfische Krieger - setzt ihren Weg durch den Wald fort.
Ungefähr eine halbe Meile später erreichen die Männer ein Ansammlung aus drei Gebäuden. Die Gefährten sind nicht überrascht, dass es sich um einen Kerker handelt, doch sie sind sehr wohl davon überrascht, wie dieser Kerker aufgebaut ist. Eine kleine Hütte bildet den Anfang und soll wohl als Wächterhäuschen dienen. Zwei Dutzend Fuß von ihr entfernt stehen zwei rechteckige, steinerne Bauten einandern gegenüber. Sie sind knapp zwanzig Fuß lang und sieben oder acht Fuß breit. Das Dach und drei Wände bestehen aus Stein. Eine lange Seite - jeweils die dem anderen Bau zugewandte - besteht aus einem durchgehenden Gitter aus Eisenstäben. Diese beiden Bauten sind also die beide Zellen des Kerkers von Jaylin - auch wenn das Wort Kerker hier nicht passend erscheint.
Dann fällt den Gefährten die weiße Robe des Medicus in der linken Zelle auf und sie erkennen, das die Tür zu dieser Zelle offen steht. Einige Schritte später ist zu sehen, wie Daragh sich über einen Verletzten auf einer Pritsche beugt - es ist Ragnar. Zumindest verweigert man ihm anscheinend nicht die Behandlung.
Zwischen den beiden Zellen brennt ein Lagerfeuer und zwei Siedlungswächter sowie ein Elitekrieger sind um dieses herum verteilt. Als sie die große Gruppe nahen sehen, springen zwei von ihnen auf. Die Siedlungswache tritt vor und ruft:
"Cad atá ar siúl? Cé hé sin?"Von einem der Wächter, die die Gefährten begleiten, kommt die Entgegnung ebenfalls auf elfisch. Wahrscheinlich eine Erklärung dafür, warum sie hier sind. Was immer der Mann gesagt hat, es hat jedenfalls dem beumhangten Krieger am Lagerfeuer nicht gefallen. Dieser lässt eine Tirade los, der auch ohne Kenntnis der Elfensprache anzumerken ist, dass er wütend und unzufrieden ist. Schließlich ruft einer der Elitekrieger, die die Gruppe begleiten:
"Ciúin, Rowan. Gceannas ar an Prionsa, mar sin calma síos." Daraufhin verstummt der Mann.
Als die Gruppe näher herantritt, steht die andere Siedlungswache ebenfalls auf und beginnt, die Tür zur rechten Zelle aufzushließen. Anscheinend soll Ragnar weiterhin allein mit dem Medicus verbleiben und so sollen alle anderen Kämpen in die andere Zelle. Das wäre auch so schon eng geworden, doch nun dürfte es noch enger werden, denn die Gefährten erkennen, dass die Zelle nicht leersteht. Nein - ein hochgewachsener Elf mit blonden, langen Haaren sitzt bereits darin ein und mustert die Neuankömmlinge argwöhnisch, während die Wächter in ihrem Rücken wieder über etwas streiten. Und ein weiterer Gefangener sitzt in der Zelle. Ein Kargi. ein breitschultriger Krieger mit wulstigen Muskeln, dicken Oberarmen, breiter Brust und Stiernacken. Mit ungebändigtem, von Blut und Dreck verklebtem, schwarzen Haar, das ihm lockig bis über die Schultern reicht, flammenden Augen und den grimmigen Zügen eines Kämpfers. Man sieht ihm an, dass er geschlagen, ja misshandelt worden ist. Blutergüsse und Schnitte sind zu sehen. Mindestens eine Rippe scheint gebrochen und ein Auge ist zugeschwollen. Er hockt in einer Ecke der Zelle und beobachtet die Neuankömmlinge voller Misstrauen und Zorn.
"Rein mit euch", hören die Gefährten hinter sich die Anweisung der Wachen und schon werden sie hineingeschubst in die Zelle durch die eben geöffnete Zellentür. Dann fällt diese wieder klirrend zu und das Schloss wird angelegt und verschlossen.
~ ~ ~
Elrynor begibt sich nach vorne, um das Geschehen in der gegenüberliegenden Zelle zu betrachten. Er sieht, wie Daragh, der Medicus von Jaylin, sich über einen Verletzten beugt, um diesen zu behandeln. Der Mann ist offensichtlich kein Elf. Es ist ein großgewachsener Hüne - wie die Nordmänner, von denen er gehört hat. Doch was macht er hier?
Es vergehen jedoch nur wenige Minuten, in denen sich Elrynor mit dieser Frage und den Gedanken an den bevorstehenden Fluchtversuch beschäftigen kann, da erhebt sich wieder Lärm, und er sieht wie fast ein Dutzend elfischer Krieger vier Gefangene samt einem Wolf zu den Zellen prozessieren. Es scheint, als würde seine Einzelzelle in wenigen Augenblicken von einer Doppelzelle zu einem Gemeinschaftsraum mutieren. Padraig springt auf und ruft zu den Wächtern:
"Was ist den jetzt los? Wer sind das denn?""Gefangene. Abgesandte der Kargi. Wahrscheinlich Spione. Auf Befehl des Fürsten sollen sie erstmal eingekerkert werden. Morgen wird ihnen der Prozess gemacht. Sie sollen zu den beiden anderen." Die Antwort kommt von einem der Wächter, die die neuen Häftlinge eskortieren.
Als Sullivan das hört, ist der Blutumhang nicht mehr zu beruhigen.
"Was? Seid ihr völlig verrückt. Diese Zellen sind für maximal drei, vier Gefangene gemacht. Das ist ein zu großes Risiko. Dann soll der Alte wieder verschwinden und wir schließen einige von denen mit dem Sterbenden dort drüben ein!""
Ruhig, Rowan. Befehl des Fürsten, also reg dich ab", kommt als Antwort und als Elrynor hinausspäht, erkennt er, dass ein anderer Blutumhang - einer, der die neuen Gefangenen begleitet - die Antwort gegeben hat. Dann tritt die Gruppe näher und Elrynor erkennt die vier Männer, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können, sowie einen grauen Wolf, die allesamt von den Wächtern in die Zelle hineinbefördert werden, während sich Rowan weiter beschwert. Ein großgewachsener Hüne mit breiten Schultern, ein nicht minder gefährlich wirkender Nordmann. Ein schmächtig, aber wendig wirkender Mann mit schlankem Gesicht und ein Halbelf, der wie ein Wilder aus diesen Landen gekleidet zu sein scheint. Eine obskure Auswahl, die durch den Kargi-Abschaum in seiner Zelle nur noch obskurer wird. Das Ganze wirkt wie ein Scherz des Schicksals - und zwar wie ein schlechter.