"Bruder, hinter dir!" Der Schrei hallt über den blutbenetzten Sand der Arena, winded sich zwischen einem halben Dutzend in Zweikämpfen verkeilten, vor Schweiß glänzenden Leibern hindurch, übertönt den extatischen Jubel der Menge. Sein Bruder hört ihn.
Er wirft sich zur Seite auf den Boden. Die Klinge des Hoplomachus hinter ihm schneidet nur einen Lidschlag später durch die Luft. Der Hoplomachus gerät aus dem Gleichgewicht und stolpert nach vorn. Sein Bruder hat sich derweil abgerollt und bringt sich mit einem Sprung wieder in die Senkrechte. Die muskulösen Beine sind braungebrannt von den endlosen Trainingstagen in der Sommersonne. Schweiß glänzt einem Ölfilm gleich auf nackten Beinen und Unterarmen. Eine Lederrüstung schützt den Torso, verziert mit dem vierköpfigen Drachen des Ludus Télsorro. Sein Bruder ist ein Dimachaerus - also kein Schild für ihn, dafür zwei Kurzschwerter. Und bei Gott, sein Bruder weiß, wie man sie führen muss.
Der Hoplomachos hat sich gerade wieder gefangen, dreht sich schwerfällig um, da prasseln die schnelle Hiebe auf ihn hinunter. Der erste lenkt den rechteckigen Schild zur Seite, der zweite schlägt ihm die Klinge aus der Hand. Streich drei und vier landen auf Brustpanzer und geschlossenem Helmvisier. Funken sprühen; der Hoplomachos stolpert nach hinten. Sein Bruder holt ihn ein und lässt mit einem animalischen Schrei beide Schwerter nach vorne schnellen. Die Klinge bohren sich über der Lederrüstung, knapp unter dem Hals ein und brechen auf dem Rücken aus dem Hoplomachos hervor. Blut spritzt - regnet nieder auf Sand und auf seinen Bruder. Die Menge johlt auf.
Da muss er selbst wieder in den Kampf eingreifen. Ein sehniger Svimohzer stürmt auf ihn zu. Rundschild kracht auf Rundschild, die Kurzschwerter kreuzen sich - Murmillo gegen Murmillo. Er rollt sich nach hinten ab; dann noch eine Rolle, um dem hinabsausenden Hieb zu entkommen. Der Gegner stürmt vor. Langes, schwarzes Haar, zu Zöpfen geflochten, olivfarbene Haut. Er wartet ab, auf einem Bein knieend. Kurz bevor der Gegner ihn erreicht, schwappt der Schildarm nach oben, stäubt einen Schwall Sand ins Gesicht des Südländers. Dieser stolpert, öffnet die Deckung. Er wirft sich zur Seite und lässt die Klinge stehen; reißt eine tiefe Wunde ins Bein seines Gegners. Dieser fällt mit einem Schmerzensschrei auf die Knie. Er ist hinter ihm, setzt die Spitze von oben zwischen linker Schulter und Brustbein an und lässt die Klinge gen Herz hineinfahren. Sieg.
Weitere Kämpfe. Weitere Tote. Der Abend ist lang. Der Primus überfüllt mit frischen, unerfahrenen Kämpfern - seines Namens nicht würdig. Die Sonne senkt sich, da stolpert er gen eisernes Gitter - in die Katakomben der Arena - hinaus aus dem Rund des Gemetzels. Leichen säumen seinen Weg. Er kann sich kaum auf den Beinen halten, doch er stützt seinen Bruder. Eine tiefe Wunde klafft in dessen Bauchflanke. Er droht, das Bewusstsein zu verlieren. Mit em Blut sickert sein Leben hinaus - und es wird endgültig im Sand versickern, wenn der Heiler sich nicht schnell genug um ihn kümmert.
Er schreitet durch das Gattertor, neben ihm sein Bruder. Zurkas, die Luduswache blickt auf, mit einem Grinsen so voller Hass und Schadenfreude, wie es nur sein kann. "Na, Tarqetik, schleppst du wieder deinen Bruder ins Leben zurück. Du vergeudest deine Zeit. Entweder er schafft es allein, oder er reißt dich mit in den Abgrund. So sieht es nämlich aus."
Er will was erwidern, doch dafür fehlt die Kraft. Die eigenen Blessuren und das Gewicht seines Bruders, der zusammenzusacken droht, fordern all seine Reserven. Da vorne sieht er den Heiler herbeieilen. Plötzlich wird es dunkel vor seinen Augen...
"Tarqetik, machst du es? - Sanjan hat ihm eine Frage gestellt, doch Tarqetik braucht einen Moment, um sich zu orientieren. Er muss eingenickt sein, während die Gefährten weiter diskutiert haben. Und dieser Traum. Nein - eine Erinnerung. Er hatte eine Szene aus der eigenen Vergangenheit vor Augen. Sein Bruder...
"Da sind sie!" Das ist Barkas' rauchige Stimme, die durch die Luft schneidet und die Aumerksamkeit aller nach Norden lenkt. Ein kleines Wäldchen ist dort zu finden, ungefähr tausend Fuß von der Straße entfernt. Eine Handvoll Reiter ist aus dem Wäldchen gebrochen und hält auf die Karawane zu. Die Männer unten sind in Aufruhr. Das Kind - oder der Zwerg? - deutet in mehrere Richtungen, gibt Befehle. Er scheint keinen großen Erfolg zu haben. Die übrigen drei Reiter und die Wagen traben orientierungslos, bilden noch keine gescheite Verteidigungslinie. Offensichtlich ist die Karawane überrascht.
Die Entfernung der Reiter zu dem Tross ist die selbe, wie bei den Gefährten. Gingen diese zum Gallopp über, kämen sie gleichzeitig mit diesen an; sie aus dem Süden, die Reiter aus dem Norden kommend. Etwas blitzt dort vorne auf, reflektiert das Sonnenlicht. Die Angreifer haben ihre Klingen gezogen. "Heja!", Wiehern, eine Staubwolke steigt auf - Barkas hat seinem Hengst die Sporen gegeben, gallopiert auf die Karawane zu.