Als Sanjan die Farbe auf der Haut des Gefangenen prüft, kann der Schamane erleichtert aufatmen. Zumindest ist diese nicht giftig und es ist keine weitere Verletzung bei dem Mann zu behandeln. Dem herben Geruch nach hat man die Paste aus Gartenmelde und Lauch herausgepresst oder erkocht. Der Bahir schaut sich nach hinten um und sieht, wie gerade Manik zur kleinen Gruppe, bestehend aus Basilio, Barkas, Hrothgar und - etwas abseits stehend - Elrynor tritt.
Als Basilio Barkas anspricht, versteht der Ukhtark nicht sofort, worauf dieser hinaus will. Anscheinend hat Barkas noch nicht mitbekommen, dass die Masken der Angreifer von echten Kargi stammen. Noch benommen von seiner Verletzung, versucht er den Ausführungen des Korakers zu folgen. Schließlich sickert die Erkenntnis durch, seine Augen weiten sich. Er greift herb nach einem der Toten in seiner Nähe, zieht ihm die Maske vom Gesicht, betrachtet und betastet den Stoff fassungslos.
"Nein", murmelt er geistesabwesend. "Wir sind hier unerwünscht, aber wir haben keine Todfeinde außer den Elfen in Jaylin. Oder zumindest wissen wir von keinen anderen." Der Ukhtark schaut weiter auf die Maske, die grotesk verformt und ledrig, wie eine böse Karikatur auf seiner Handfläche liegt, in Wogen an seinen Fingern herabhängt. Es ist kaum zu glauben, dass dieser proportionslose Fetzen einst das Antlitz eines Lebewesens gewesen sein soll. "Wir haben vor vier Monaten fünf Mann auf einer Erkundungsreise in den Norden verloren", sagt Barkas mit bebender Stimme und Tunnelblick. "Aber das ist keiner von Ihnen. Das ist überhaupt kein Ukhtark."
Während Barkas mit den inneren Stimmen ringt, wendet sich Manik an Hrothgar und bringt seine Bitte vor. Der Zwerg nickt und will gerade etwas antworten, als die rundliche Gestalt des Herren der Karawane wieder hinter dem vordersten Wagen auftaucht. Der kleinwüchsige Mann - Geord - springt von der Ladefläche und torkelt in Richtung der Gruppe: "NEIN!", schreit er voller Wut. "Ihr kriegt keinen von meinen Wagen. Schlimm genug, dass wir hier auf offener Straße überfallen werden, wegen irgendwelcher Probleme, die eure Freunde in Dorwida und der da" - er deutet mit dem Finger auf Barkas - "haben! Seht euch das an. Ein Viertel der Ladung ist dahin und die Brandpfeile haben die Wagenabdeckungen beschädigt. Die Reparatur wird mich bestimmt ein Fünftel des Erlöses kosten! Bei Guldwon, dem Grundherren, womit habe ich das verdient!"
Der Zwerg schaut bei diesem Ausbruch zunächst den Karawanenherren an, dann Manik. Er zuckt unmerklich mit den Schultern. "Beruhige dich erstmal, Geord. Wir haben gewusst, dass die Straße gefährlich wird. Ohne diese Männer hätten wir den Angriff nicht zurückschlagen können. Wir schulden Ihnen was."
"Ich schulde denen GAR NICHTS!", schreit der Karawanenherr zurück. Sein ganzes Gesicht ist inzwischen rötlich angelaufen. "Was glaubst du, warum die uns helfen? Aus reiner Nächstenliebe? Wären sie nicht selber hinter der Bande her, hätten sie auch keinen Finger krumm gemacht! Von meinen Wagen kriegen die KEINEN!"
Hrothgar zuckt wieder mit den Achseln. Er scheint den Wutausbruch seines Gegenübers recht gelassen zu nehmen. Den Gefährten ist nicht klar, was der Grund dafür ist - die stoische Art des Zwerges, oder die Tatsache, dass er eventuell schon ein paar solcher Ausbrüche erlebt hat. "Schon gut, Geord", sagt er. "Dann kriegen sie eben meinen Wagen."
"Wie bitte?" - der Karawanenherr starrt Hrothgar fassungslos an.
"Du hast richtig gehört", sagt der Zwerg. "Einer der Wagen gehört mir. Die Ladeflächen sind eh nur zu Hälfte voll bis P'Bapar. Wir laden meine Ware auf deine drei Wagen um und ziehen weiter. In P'Bapar besorge ich mir einen neuen Wagen - es wird sowieso Zeit für mich, auszubauen."
Der Zwerg macht eine Pause, um Geord eine Möglichkeit zum Antworten zu geben. "Du verzichtest auf einen Großteil deines Profits, wenn du einen Wagen sinnlos zurücklässt", sagt dieser immer noch verdutzt.
Hrothgar winkt ab. "Das glaube ich nicht. Wenn hier die Hölle losbricht, weil die Dörfler und die Kargi Krieg führen, ist diese Route erstmal verloren. Ich sichere mir meinen Profit."
Ohne weiter auf den Karawanenherren zu achten, dreht sich Hrothgar zu Manik und Basilio um. "Ihr könnt meinen Wagen haben - das ist der dritte in der Reihe. Kirus wird den Wagen fahren. Er wird ihn bei Jemma, der Händlerin lassen, bis ich ihn abholen komme. Und: ich hab' was gut bei euch."
Bei den letzten Worten verzieht der Zwerg die Lippen zu einem Lächeln. Die dicken, silbernen Bartsträhnen heben und senken sich durch die Bewegung. Da zerreißt ein lautes Röcheln die Luft. Der Verletzte, an dem Dewon arbeitet, beumt sich auf. "Scheiße!", flucht der Heiler.
Das scheint wie ein Weckruf für Barkas zu sein. Still hat er während des Streits der beiden Karawanenführer dagesessen und auf die Maske in seiner Hand gestarrt, als würde ihn die Unterhaltung nichts angehen. Jetzt hebt er den Kopf. "Ich bringe diese Bastarde alle um", sagt er mit rissiger Stimme. Die Gesichtszüge sind bis zum Zerreißen angespannt, auch die Arm- und Handmuskeln zeichnen sich unter Haut und Sehnen ab. Der Kargi kocht innerlich.
Plötzlich springt er auf - ohne Rücksicht auf seine Verletzung - und läuft mit großen Schritten Richtung Dewon und verletztem Angreifer. Der Ukhtark schiebt Dewon beiseite und greift den Verletzten am Kragen. Mühelos hebt er ihn hoch und zieht einen Dolch aus der Scheide. "DU VERFLUCHTER BASTARD! WOHER HABT IHR DIESE MASKEN? WOHER?"
"Beruhige dich, Mann!", ruft der Heiler, während er sich berappelt. "Der Mann ist tot, hörst du? Tot! Er hatte innere Blutungen - die habe ich nicht mehr stoppen können. Hat gerade den Löffel abgegeben."
Barkas atmet schwer, hält den Dolch immer noch an der Kehle des leblosen Mannes. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er den Sinn von Dewons Worten erfasst. Endlich lässt der Kargi den Dolch sinken. Seine Hand öffnet sich und die Leiche klatscht auf den Boden, wie ein nasser Sack. Der Ukhtark wendet sich an Dewon. "Tot? Gut! Das werden sie bald alle sein: dieser Anfüher mit seinem seltsamen Schwert, die anderen, die weggelaufen sind. Aber anfangen werde ich mit dem, der noch hier ist."
Mit diesen Worten stampf Barkas mit gezogener Klinge und hassverzerrtem Gesicht Richtung Tarqetik, Sanjan und letzter lebender Angreifer.