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Autor Thema: Eine neue Ordnung  (Gelesen 24348 mal)

Beschreibung: Einstieg für Will und Arjen

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Sternenblut

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Eine neue Ordnung
« am: 11.10.2014, 20:19:57 »
Will warf sich verzweifelt hin und her. Sie verfolgten ihn! Er rannte, obwohl seine Muskeln brannten wie Feuer. Wenn er es nicht tat, würden sie ihn fressen. Er hatte es gesehen! Nicht nur einmal, nein, immer wieder...
Er bog ab in eine Seitengasse. Und da standen sie vor ihm. Lissie, Pip und all die anderen Kinder. Ihr Blick war leer, hungrig. Er stolperte zurück, doch sein Rücken stieß gegen eine Wand, die noch vor einer Sekunde nicht da gewesen war. Es war vorbei, er konnte nicht entkommen. Pip sah zu ihm auf, grinste ihn an mit Zähnen, die rasiermesserscharf aufblitzten. "Wir haben solchen Hunger, Will. Dein Fleisch wird uns sättigen. Es ist so lieb von dir, Will, dass du uns dein Fleisch überlässt..."
Dann kamen sie näher...

Er stieß einen Schrei aus, als er sich aufrichtete. Hektisch, fast panisch, sah er sich um. Er hatte geträumt. Pip war nirgendwo zu sehen, ebenso wenig Lissie und die anderen. Und, zum Glück, auch keine sonstige untote Kreatur. Und mit diesem Gedanken kamen die Erinnerungen.

Die Sonne schien ihm ins Gesicht, doch das war vermutlich das einzig Schöne an diesem Morgen. Die Stadt Aradan war gefallen. Er war unterwegs nach Hause, kam zurück von einem Auftritt, als das Chaos über ihn hereingebrochen war. Sofort kamen die Bilder wieder, die wandelnden Leichen, die gnadenlos über die Lebenden herfielen, sie fraßen und, sofern etwas übrig blieb, sie damit zu den ihren machten. Die Bilder überstiegen alles, was er sich je für seine Stücke ausgedacht hatte.

Nachdem er erst einmal seine eigene Haut in Sicherheit gebracht hatte, machte er sich sofort auf den Weg zu Lissie und den Kindern. Es hatte lange gedauert, und die Götter selbst mussten ihn beschützt haben, so viele Male war er nur knapp dem Tod entronnen. Aber er schafft es bis zum Waisenhaus - nur um festzustellen, dass sie fort waren. Er fand keine Spur von Lissie und den Kindern.
Eine Pferdekutsche stand umgestürzt in der Nähe des Hauses, Kutscher und Pferde aufgefressen. Ein Sarg war aus der Kutsche gefallen - ein Leichentransport also. Wer auch immer in dem Sarg gelegen hatte, hätte sich keinen besseren Zeitpunkt zum Sterben aussuchen können.

Vielleicht hatte der Angriff auf die Kutsche Lissie gewarnt. Vielleicht hatten die Untoten sich lange genug mit dem Kutscher und den Pferden beschäftigt, damit sie hatten fliehen können.

Aber wohin? In die Stadt? Er selbst hatte nur mit viel Glück und Geschick überlebt. Wie sollte eine Frau mit einer Horde Kinder ohne jeden Schutz überleben?

Er konnte nur das Beste hoffen. Er hatte nicht einmal den Hauch einer Spur, keinen Hinweis darauf, wohin sie geflohen waren. Und als er die nächste Horde Untoter auf sich zukommen sah, entschloss er sich auch, keine weitere Zeit in die Suche nach Hinweisen zu investieren. Er floh, zurück in die Stadt, wo er immer wieder zumindest zeitweise Schutz gefunden hatte.

Irgendwann verschlug es ihn in einen Weinkeller. Es war das Haus eines Aristrokraten, vollständig aus Stein gebaut und von einem großen Garten umgeben - und damit weit genug weg von den brennenden Nachbarhäusern. Denn ja, die Invasion der Untoten war nicht genug, die Stadt war auch noch von Flammen verschlungen worden.

In dem Keller hatte er es lange ausgehalten, bis - ja, bis die Flammen auch hierher vordrangen! Sie flossen die Treppe herunter, den blanken Stein, als hätte dort jemand Öl verteilt, und verbreiteten sich im Raum! Will konnte sich kaum noch an die Details erinnern, er wusste nur, dass er aus dem Raum gehechtet, über die Flammen hinweg nach oben geflohen war, aus dem Haus heraus. Sekunden später erfüllte eine Feuersbrunst das Gebäude.

Und so ging es weiter, immer auf der Flucht. Jede kurze Ruhepause wurden von weiteren Untoten oder den alles verschlingenden Flammen unterbrochen. Eine Nacht und einen Tag verbrachte er so, bis er meinte, dass es endgültig aus mit ihm war. Eine Horde verfolgte ihn, zwei-, dreihundert der hungrigen Kreaturen. Er war erschöpft, kaum noch schneller als seine Verfolger. Er war kurz davor, sich in sein Schicksal zu ergeben. Ruhte sich an einer Wand aus, eine Sekunde des Verschnaufens, in der er ernsthaft überlegte, ob er noch dazu in der Lage war, weiter um sein Leben zu kämpfen.

Und dann fiel eine Leiter neben ihm herab.

Oben auf der Mauer stand ein Mann. "Schnell, komm hoch!" rief er ihm zu. Und Will war die Leiter hochgeklettert, hatte seine letzte Kraft investiert, um dem Tod ein weiteres Mal zu entkommen. Der Fremde zog die Leiter hoch, und die wandelnden Toten konnten ihn nicht mehr erreichen.

Will sah sich um. Er kannte den Ort, der ihm das Leben gerettet hatte. Es war das Smaragd-Theater, ein exklusives Amphitheater für die Reichen und Mächtigen der Stadt. Zweihundert Sitze in fünf Reihen, nicht mehr. Hier gab es nur beste Plätze. Und ein Ort, der für die Reichen und Mächtigen gebaut worden war, war selbstverständlich auch gut abgesichert. Die hohen Mauern dienten nicht nur der Inszenierung, sondern auch dem Schutz. Es gab nur einen Eingang, wie sich Will erinnerte, schwer abgesichert. Diesen Ort zu verbarrikadieren war leicht.

Dennoch, irgendwie hatten es zwei der Untoten ins Theater geschafft. Der Fremde half ihm auf die Beine, und gemeinsam schafften sie es, die Kreaturen zu töten. Nur kurz hatten sie sich im Theater umgesehen, geprüft, ob sie hier wirklich sicher waren, ob noch weitere Gefahren drohten. Und dann... es war, als wäre die Szene für die aufgebaut worden. Ein Schlafzimmer auf der Bühne, mit zwei Betten. Und sie waren darin eingeschlafen.

Will sah sich um. Die Körper der toten Zombies lagen keine zehn Meter von ihm entfernt, auf dem Boden vor der Bühne. Sein Retter, der sich als Arjen vorgestellt hatte, lag in dem anderen Bett, und sah ihn fragend an. Offenbar hatte Will ihn mit seinem Schrei aufgeweckt.
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Sternenblut

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Eine neue Ordnung
« Antwort #1 am: 12.10.2014, 01:28:31 »
Es war dunkel. Arjen dachte dabei nicht nur an die Dunkelheit der Nacht, nein, sondern an die in seinem Inneren. Er hätte inzwischen längst tot sein sollen. Hingerichtet dafür, dass er den Mörder seiner Familie hingerichtet hatte. Getötet. Befreit.

Stattdessen war, wenige Stunden, bevor es soweit sein sollte, irgendetwas passiert. Ein Angriff auf das Gefängnis, so dachte er zumindest zuerst. Die Wachen erzählten etwas von Nekromanten, schienen sich ihrer Sache aber auch nicht ganz sicher. Sie zogen sich aus ihren Bereichen zurück, bis in die Zellentrakte - so weit waren die Feinde schon fortgeschritten. Sie ließen die weniger gefährlichen Gefangenen frei - einfach so, sie legten ihnen nicht einmal Ketten an!

Drei Männer blieben in den Zellen. Ein Mann namens Viskrot, ein Frauenschänder, der mehr als zwei Dutzend junge Mädchen auf dem Gewissen hatte. Er sollte am gleichen Tag hingerichtet werden wie Arjen. Tungok, ein Bauernjunge, den man verdächtigte, einen Jungen aus seiner Bauernschaft getötet zu haben - der aber wohl aus Mangel an Beweisen freikommen würde. Und Arjen.

Der Wachmann vor ihm hatte ihn mit zweifelndem Blick angesehen. Rennock war sein Name. Er war einer der Wenigen, die Arjen gut behandelt hatten, hatte ihn sogar mitfühlend angesehen, wann immer er ihn gesehen hatte. Fast, als würde er ahnen, dass mit Arjens Fall etwas nicht stimmte. Er kam zur Zellentür, und sah Arjen fest in die Augen. "Da draußen sind wandelnde Tote, und zwar viele von denen. Zwei Dinge, Arjen. Ich will dich hier nicht verrecken lassen, und wir hier können so viel Unterstützung brauchen wie möglich. Wenn ich dich also rauslasse... gib mir dein Wort, dass du mit uns kämpfst, nicht gegen uns."
Arjen hatte einen Moment überlegt, und dann genickt. Nach dem, was Rennock erzählte, waren die Aussichten, zu sterben, ziemlich gut. Vielleicht ein besserer Tod als der durch einen Henker.

Viskrot trat an die Zellentür. "Hey, und was ist mit mir? Ich will hier drin auch nicht verrecken! Lass mich auch helfen."

Rennock sah ihn an. Er öffnete Arjens Tür, gab Arjen ein Schwert in die Hand und schritt dann zu Tungoks Tür. Er schloss sie auf, behielt aber Viskrot im Auge. "Komm raus, Junge. Du bist wahrscheinlich sowieso unschuldig. Lauf, versuch, aus der Stadt zu kommen!"

Der Junge zögerte keinen Moment. Er war verschwunden, noch bevor Rennock vor Viskrots Tür stand. Der Wachmann sah ihm tief in die Augen. "Wenn diese Monster hier hereinkommen, Viskrot... ich werde sie persönlich zu dir in die Zelle lassen. Und was auch immer sie mit dir tun, wird noch viel besser sein als alles, was du verdient hast."

Als sie dann wirklich kamen - und Rennock hatte nicht übertrieben, es waren Dutzende! - verteidigte der Wachmann seinen Gefangenen, so gut er konnte. Bei allem Hass konnte er wohl doch nicht aus seiner Haut. Bis zu dem Moment, an dem er von einer der Kreaturen in den Arm gebissen wurde. Sekunden später hatte er sich ebenfalls in einen Untoten verwandelt - und Viskrot, der gerade einer der wandelnden Leichen den Kopf gegen die Gitterstäbe geschlagen hatte, einfach in den Hals gebissen.

Der Moment, als er Viskrots Blut spritzen sah, war der Moment, in dem Arjen floh. Und seit dem tat er nichts anderes mehr.

Er hatte keine Ahnung, was eigentlich mit der Stadt passiert war. Sie war überrannt worden, aber wer dafür verantwortlich war, oder ob es noch weitere Überlebende gab... sicher, Arjen hatte noch andere Leute gesehen. Aber entweder hatte er sie nur in der Ferne flüchten sehen, oder er hatte ihren Tod mit ansehen müssen. So viele waren gestorben...

Arjen versteckte sich, eine Nacht und einen Tag lang. Er kämpfte nur, wenn er es musste. Er hatte genug gesehen, um zu begreifen, dass diese Monstren einen nicht auf die übliche Weise umbringen mussten, um einem das Leben zu nehmen. Ein Biss, so klein er auch sein mochte, reichte aus. Und so bereit Arjen auch für den Tod war, ganz bestimmt war er nicht dafür bereit, seine Existenz als geistloser wandelnder Toter in alle Ewigkeit fortzuführen.

Irgendwann hatte er sich auf die Suche gemacht. Er konnte nicht immer nur fliehen, von einem Ort zum nächsten. Er brauchte einen sicheren Unterschlupf, etwas, wo er etwas länger bleiben konnte. Und so zog er durch die Stadt, suchte nach in Frage kommenden Gebäuden, und erkundete die Umgebung. Am Ende fiel seine Wahl auf ein kleines Amphitheater. Er hatte zwar einmal seltsame Geräusche in der Nähe gehört, aber bei den Göttern: Wo hörte man das in der Stadt nicht im Moment? Und er war sich nicht einmal sicher, dass sie überhaupt aus dem Theater kamen.

Schließlich suchte er in den umliegenden Häusern nach einer Leiter, die hoch genug war, um die acht Meter hohe Mauer des Theaters zu erklimmen. Er stieg hoch, zog die Leiter wieder nach oben, und... ja, und dann hatte er ihn gesehen. Einen einzelnen Mann, auf der Flucht vor einer großen Horde Untoter. Es war knapp, aber er hatte es geschafft, ihn zu retten.

Das war gestern abend gewesen. Im Theater hatten sie zwei Betten entdeckt, ein Bühnenbild. So weich hatte Arjen schon lange nicht mehr geschlafen... oder jemals? Sie hatten noch zwei der Untoten erledigt, die es irgendwie in das Theater geschafft hatten (oder waren sie schon drin gewesen, und hatten sich dort verwandelt?). Danach hatten sie nur noch eine kurze Runde gemacht, um sicherzugehen, dass ihnen keine Gefahr drohte. Minuten später waren sie vor Erschöpfung eingeschlafen, alle beide.

Es war der nächste Morgen, und Arjen lag schon einige Minuten wach. Er spürte die Wärme der Sonne auf seiner Haut. Er lag dort, unter freiem Himmel in einem weichen Bett, anstatt am Strick zu baumeln. Doch Will, der Fremde, den er gerettet hatte, schrie plötzlich auf! Arjen sah zu ihm - nur ein Alptraum oder war irgendetwas passiert?
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William Marlowe

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« Antwort #2 am: 12.10.2014, 11:12:31 »
"Pip! Lissie! Freddy, Tommy, Mitzi, Greta!" rief Will, bevor er seine Sinne beisammen hatte und begriff, dass er diese schreckliche Szene nur geträumt hatte. Nach einem panischen Rundumblick erinnerte er sich wieder an alles, was passiert war, und barg sein Gesicht in den Händen. "Und ich war nicht da!" murmelte er. "Ihr wart ganz allein, bei allen guten Göttern, Lissie, es tut mir leid! Ein Ale war's nur, nach der Vorstellung, zum Feiern, weil's so gut gelaufen war, das ganze Ensemble zusammen. Sonst wär ich bei dir gewesen, sonst hättest du das nicht allein durchstehen müssen, verzeih mir!"

Arjen fiel auf, dass die Handgelenke des Mannes ringsum vernarbt waren, als wäre er für längere Zeit in Ketten geschlagen gewesen. Auch an Armen und Oberkörper trug er etliche Narben, von denen einige offenbar von Peitschenhieben stammten.

Nachdem Will sich eine ganze Weile lang vor- und zurückgewiegt hatte, sah er auf, wischte sich über die Augen und sprang aus dem Bett. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt für Gefühle, ob Trauer, Schuld oder Wut. (Woher die Wut kam, konnte er sich zudem nicht so recht erklären.) Rasch schlüpfte er in Hemd und Stiefel, bevor er auch die Lederrüstung wieder anlegte und das Schwert umgurtete. Es gab viel zu tun.

"Als erstes sollten wir von oben nachschauen, wie es auf den Straßen ausschaut. Vielleicht war das ganze ja nur ein Nachtspuk. Und dann sollten wir das Theater durchsuchen nach allem, was uns nützlich erscheint. Essen vor allem. Und dann... dann schauen wir weiter."

Will sah seinen Retter von letzter Nacht erwartungsvoll an, was dieser zu den Vorschlägen sagen würde.

Seine Kleidung war bunt, wie Arjen erst jetzt im Hellen sah, fast schon ein wenig lächerlich bunt, aber trotz diverser Verzierungen einfach und vor allem praktisch geschnitten. Seine Rüstung und Waffe waren ebenso einfach, aber tauglich. Dass er damit umzugehen wusste, hatte er gestern beim Kampf gegen die beiden Untoten schon bewiesen—auch wenn sein Kampfstil äußerst eigenartig gewesen war. Fest stand: bei der Armee war dieser Kerl sein Lebtag nicht gewesen.
« Letzte Änderung: 12.10.2014, 14:08:39 von William Marlowe »
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Arjen Bucalo

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« Antwort #3 am: 12.10.2014, 13:53:51 »
Als Arjen die Augen aufschlug, schaute er durch das Rund des Theaters in den Himmel. Der Wolkenteppich war fadenscheinig geworden. Hier und da war die Röte der aufgehenden Sonne zu erkennen, aber immer noch zogen Rauchschwaden der brennenden Stadt um ihn herum gen oben. Es war also kein Alptraum gewesen - der freie Himmel über ihm anstelle des Mauerwerks der Zellendecke und der Rauch der brennenden Gebäude bezeugten es.

Das realisierend blickte er hinüber zu den beiden Leichen, die er und sein neuer Begleiter - Will, wie er sich vorgestellt hatte - gestern mit Müh und Not... ja was? - getötet hatten. "Ob "getötet" das richtige Wort ist für diese Kreaturen? Ich wage, es zu bezweifeln." Jedenfalls rührten sich die beiden nicht mehr, und das würden sie auch nicht mehr tun. Bei beiden hatten seine und Wills Klingen tiefe Risse im Schädel hinterlassen und sie damit zu boden gebracht.

Als diese Kreaturen den Gefängnisblock gestürmt hatten, hatte er sich schlagartig an all die Jahre im Heer und sein Training erinnert. Parieren, auf die Deckung des Gegners achten. Falls dieser die Deckung öffnet, sofort eine der vitalen Stellen attackieren. Sobald der erste Tote in den Raum torkelte, hatte er geahnt, dass all diese Taktik völlig sinnlos und überflüssig war gegen diese Kreaturen. Und als sein Schwert der Kreatur in den Magenrube gerammt hatte, diese sich aber an dem Schwert hochzog, um nach ihm zu greifen, und es so noch tiefer in sich hineintrieb, war aus der Ahnung Gewissheit geworden. Irgendwann hatten sie durch Zufall erkannt, dass die Toten erst fielen, wenn man ihr Gehirn traf, und hatten sich nur noch auf Angriffe auf den Kopf konzentriert.

Aber es war zu spät gewesen. Arjen hatte sein Wort gehalten, aber er konnte Rennock nicht retten. Und als dieser gefallen war und er der Übermacht allein gegenüberstand, hatte er sich davon gemacht. Er dachte noch einmal an den Soldaten, dem er nun sein Leben - oder noch besser: sein nicht Untot-Sein - verdankte.
Plötzlich schrie sein Begleiter auf - nannte verschiedene Namen; wahrscheinlich geliebte Menschen. Arjen sah zu ihm hinüber, sagte aber nichts, stellte keine Fragen. Er wusste nicht mehr, wie oft er so aus dem Schlaf hochgefahren war - früher mit dem Mädchen mit den braunen Strähnen vor Augen, und in den letzten Wochen mit dem Bild seiner ermordeten Familie. Er wusste, dass eine Nachfrage zu diesem Zeitpunkt nichts bringen würde.

Und offenbar wollte Will auch nicht darüber reden. Er sprang auf und begann das weitere Vorgehen zu besprechen, als wolle er den Ausbruch überspielen. Arjen erhob sich ebenfalls und musterte die Kleidung und das Auftreten des Mannes. Anscheinend war Will ein - wenn auch im Kampf geübter - Schauspieler. "Ich sollte heute hingerichtet werden. Stattdessen scheint die ganze Welt unterzugehen, während ich noch immer lebe. Und ich bin hier in einem Theater, stehe auf einer Bühne mit eine Gefährten, der Schauspieler zu sein scheint. Das Schicksal entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Ironie."

Während Will weitersprach, gurtete Arjen sein Schwert an. Wll erkannte, dass Arjen eine leichte Lederrüstung über einem einfachen Leinenhemd und einer ebensolchen Hose trug. Beides war wohl seinerzeit ungefärbtes Baige gewesen, aber inzwischen mit Braun und Grau des gestrigen Tages, sowie mit roten Spritzern von Blut und Schlimmerem übersät. An den Füßen trug Arjen Lederstiefel, ähnlich den Wachen der Stadt. Über seinem Rücken hing ein ebensolcher Holzschild. Sowohl beim gestrigen Kampf, als auch an seinen Bewegungsabläufen jetzt, war zu erkennen, dass der Mann Kampferfahrung hatte.

Als der Schauspieler mit seinen Ausführungen endete, nickte Arjen zur Zustimmung. "Ja - sehe ich genauso. Wir müssen uns ein Bild von der Umgebung machen. Ich glaube zwar nicht, dass die Lage sich geändert hat - diese Toten wandeln inzwischen seit fast zwei Tagen herum, so einfach hören sie nicht damit auf - aber vielleicht gibt es noch andere Menschen, die sich in der Nacht zu diesem Ort oder einem in der Nähe durchgeschlagen haben. Falls ja - sollten wir ihnen helfen. Außerdem hat jemand vielleicht weitere Neuigkeiten darüber, woher diese Kreaturen kommen."

Mit diesen Worten schaut sich Arjen im Rund des theaters um und sucht nach einer Treppe an der Innenseite der Mauer, oder einem anderen Weg nach oben. Unbewusst hofft er, dass sein Blick auch nicht auf eine weitere von diesen Kreaturen oder etwas ähnliches stößt, was sich in der Nacht hineingeschlichen haben mag.[1]
 1. Perception: 17
« Letzte Änderung: 12.10.2014, 13:55:45 von Arjen Bucalo »

William Marlowe

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« Antwort #4 am: 12.10.2014, 14:37:33 »
"Dann streifen sie auch tagsüber herum?" fragte Will. "Ich hatte gehofft... Gestern hatte ich mich nämlich den ganzen Tag in einem Keller verbarrikadiert, bis das Feuer mich vertrieb, deshalb wusste ich nicht, ob... Man soll halt nicht zuviel hoffen, nicht wahr?"

Er hinkte Arjen so schnell er konnte hinterher. Alle paar Schritte verkrampfte sein rechtes Bein und auf der Treppe musste er mehrmals anhalten, um die Muskeln zu dehnen. Das war in den letzten beiden Nächten einfach zuviel Anstrengung gewesen und dann die Kälte! Auch in dem Weinkeller war es eisig kalt gewesen, und er hatte verkrampft auf dem unbequemen Steinboden gesessen.

Oben angekommen schirmte Will seine Augen mit der rechten Hand ab und spähte ebenfalls umher, wobei er sich auf die näheren Straßen und Häuser konzentrierte, da er in die Ferne eh nur verschwommen sah. Obwohl, heute war alles verschwommen, ob nah oder fern.[1] Er konnte die Augen nicht fokussieren, egal welchen Trick er anwandte. (Mit den Fingern auf diese beiden Punkte drücken half normalerweise, oder auf jene... aber heute war nichts zu machen.) Auch mit seinem Gehör war nicht viel los. Das Klingeln und Pfeifen war so laut wie noch nie und ein kreisendes, pulsierendes Rauschen war hinzugekommen. Will vernahm kaum Arjens Schritte neben sich.
 1. Perception=5
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Sternenblut

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« Antwort #5 am: 12.10.2014, 15:04:51 »
Eine Treppe führte zwischen den Zuschauerrängen hindurch nach oben, bis zur Mauer. Eine weitere, seitlich angelegte Treppe führte dann hinauf, auf den Mauergang. Letzte Nacht hatten sie von der Mauer aus einfach Arjens Leiter genutzt, weil sie im Dunkeln, erschöpft wie sie gewesen waren, die Treppe nicht gesehen hatten. Diese stand noch immer dort, gute fünf Schritt links neben der Treppe.

Oben auf der Mauer angekommen, sahen sich die beiden Männer um. Viel war von der Stadt nicht übrig geblieben, so viel stand fest. Das Feuer hatte ganze Arbeit geleistet. Allerdings hatte es wohl auch viele der Untoten vernichtet: Die toten Körper lagen verstreut auf den Straßen herum und regten sich nicht mehr.

In das Theater selbst hatte sich keine dieser Kreaturen hereinschleichen können, doch draußen konnte Arjen noch die eine oder andere schlurfende, wankende Gestalt erkennen. Eine Horde, wie die, die Will letzte Nacht gejagt hatte, sah er aber nirgends.

Dann hörten sie ein Geräusch. Es klang ein wenig wie ein unterdrücktes, gepeinigtes Stöhnen, aber seltsam unwirklich, gedämpft, und... definitiv nicht menschlichen Ursprungs. War es überhaupt ein Stöhnen gewesen? Vielleicht auch nur irgendeine Maschinerie des Theaters, die unter irgendeiner Last ächzte? Nur bei einem war sich Arjen sicher: Es war das gleiche Geräusch gewesen, dass er schon früher in der Nähe des Theaters gehört hatte. Diesmal aber war er sich sicher, dass es aus dem Theater kam, nicht von außen.
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Arjen Bucalo

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« Antwort #6 am: 12.10.2014, 22:36:45 »
Als Arjen merkte, dass sein Gefährte humpelte, verlangsamte er seine Schritte. Gleichzeitig ließ er aber einen prüfenden Blick auf Will fallen - waren da etwa Verletzungen an seinem Bein zu sehen, eventuell Bissspuren dieser Kreaturen? Das könnte fatal sein für sie beide. Doch er erkannte recht schnell, dass Will weder Blut noch Verbänder an seinen Beinen hatte, und das hieß, dass es keine frische Wunde sein konnte. So wie der Mann humpelte, erinnerte es eher an die althergebrachten Verletzungen, die einige der Veteranen beim Heer hatten. Und außerdem: wäre der Mann gebissen worden, dann hätten sie beide warscheinlich bereits in der Nacht ein böses Erwachen gehabt und würden nicht hier an diesem Morgen lebendig nebeneinander gehen.

Also beruhigte sich Arjen wieder. Als Will bei einer Stufe aufächzte, hielt er kurz komplett inne und fragte: "Geht's?" Als Will aber nickte und weiterging, machte er sich auch weiter an den Aufstieg.

Oben angekommen besah er sich die Umgebung. Ein sehr trostloser Anblick, der sich ihnen beiden da bot. Er hatte gehofft, irgendwo doch irgendwo Überlebende zu sehen - eine Art Anfang für den Ausweg aus dieser Hölle, in die sich diese Stadt verwandelt hatte. Aber anscheinend gab es diesen Anfang nicht. Die Hölle hatte sich lediglich kurz abgekühlt und gab den Blick frei auf den eigenen Vorhof.

Mit einem Seitenblick zu Will erkannte Arjen, dass es dem Schauspieler auch hier oben noch nicht gut ging. Wer sollte es ihm verdenken, nachdem er seit fast zwei Tagen nur noch auf panischer Flucht vor diesen Monstren gewesen war. Arjen war selbst erschöpft und ausgelaugt - aber dieser Mann war zudem auch noch verletzt und hatte anscheinend keine Felderfahrung, die ihn zumindest ansatzweise hätte auf sowas vorbereiten können. "Umso mehr muss man hochschätzen, dass er geschafft hat, diese Tortur zu überleben. Und gestern hat er sich beim Kampf gegen die beiden Untoten hier gut gemacht - auch wenn sein Stil ungewöhnlich ist. In dem Mann steckt mehr Kraft, als auf den ersten Blick erkennbar ist", dachte er.

Er wollte etwas sagen, doch als ein gedämpftes Stöhnen durch das Rund des Theaters hoch hallte, hielt er inne und versuchte genau darauf zu lauschen.[1] "Verdammt", murmelte er, und sah dann zu Will hinüber. "Dieses Stöhnen habe ich bereits gestern Nacht gehört - kurz als du aufgetaucht bist. Ich weiß nicht, woher es damals kam, aber nun kommt es aus dem inneren des Theaters - und das gefällt mir nicht. Wir haben im Rund nichts gesehen, wahrscheinlich ist dieser Untote in einem der Seitenbereiche oder im Keller, falls es einen gibt.

Arjen wandte sich Will zu und machte einen Schritt auf ihn zu. "Hör zu, Mann. Ich sehe, du bist nicht in der besten Verfassung. Und ich habe gehört, wie du aus dem Schlaf gefahren bist. Aber wir müssen das Theater durchsuchen, wie du gesagt hast, um sicher zu gehen, dass wir hier in Sicherheit sind. Alles andere - auch Ruhe für dein Bein - kommt danach. Wir überleben am ehesten, wenn wir zusammen bleiben. Wenn dieses Stöhnen von einem von diesen Untoten kommt, kann das blutig werden. Ich würde voran gehen, du würdest meinen Rücken decken, und wir nehmen uns Raum für Raum das Theater vor - das wäre mein Vorschlag. Was meinst du - schaffst du noch eine Runde mit diesen Dingern?"
 1. Perception 11 - Arjen versucht zu bestimmen, woher genau im Theater das Stöhnen kommt: Rund, Seitenbereich, Keller?
« Letzte Änderung: 12.10.2014, 22:51:28 von Arjen Bucalo »

Sternenblut

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« Antwort #7 am: 13.10.2014, 10:26:50 »
Auch Will versuchte, die Quelle des Geräusches genauer zu identifizieren. Sein Vorteil war, dass er sich mit Theatern auskannte. Das Geräusch war zwar durch irgendetwas gedämpft, aber was immer es dämpfte, geschah nicht im Theater selbst; der Ton erreichte sie hier oben klar und deutlich. Es gab nur einen Punkt im Theater, der darauf ausgelegt war, jede Geräuschquelle perfekt im gesamten offenen Gebäude zu verteilen: Die Bühne.

Dort allerdings war, wie sie bereits wussten, nichts zu sehen. Also musste die Quelle des Geräusches unterhalb der Bühne sein. Was auch erklärte, wieso das Geräusch so gedämpft erklang.
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William Marlowe

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« Antwort #8 am: 13.10.2014, 11:26:33 »
"Mach dir da mal keinen Kopf, ich bin dabei", sagte Will. "Das hier ist nur ein kleiner Krampf. Ich wach morgens immer etwas steif auf, vor allem bei der Scheißkälte. Sobald die Muskeln erstmal wieder warm gelaufen sind, leg ich dir einen doppelten Salto nach dem andern hin."

Will war abermals stehengeblieben und hatte die Rückseite seines Oberschenkels massiert. Jetzt trat er an die Balustrade, hielt sich dort mit beiden Händen fest, um den Oberkörper zu fixieren, und schwang dann sein rechtes Bein mitsamt Hüfte fast eine halbe Pirouette herum; es tat einen hörbaren Knacks.

"Ah", seufzte Will. "Besser. Auf geht's. Das Stöhnen kommt von unter der Bühne, glaub ich.[1] Aber wenn's eins von den Viechern wär, wieso hat's uns in der Nacht nicht angefallen? Doch wo wir gerade von Nacht und Viechern reden: danke für gestern. Ich weiß nicht, ob ich das noch verständlich 'rausgebracht habe, bevor ich ins Bett gefallen bin."

Ohne zu humpeln marschierte er auf die Treppe zu und sprang sie—beinah schon leichtfüßig—hinunter. Als sie sich der Bühne näherten, zog Will vorsichtshalber sein Schwert. In sicherer Entfernung wartete er, dass Arjen die Führung übernahm, und folgte diesem dann.
 1. Perception = 21, s. Post o.
« Letzte Änderung: 13.10.2014, 17:17:17 von William Marlowe »
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« Antwort #9 am: 13.10.2014, 13:35:21 »
Bei Wills Antwort lächelte Arjen. Die theatralische Übertreibung mit dem Salto war wohl der Schauspielerei geschuldet, aber der Barde schien das Herz am rechten Fleck zu tragen. Als Will sich bedankte, nickte Arjen nur. "Gern geschehen. Aber ich denke, das sollte selbstverständlich sein." Mit einem Blick zur Bühne, die Will als Quelle der Geräusche ausgemaht hatte, fügte er in einer Anwandlung von schwarzem Humor hinzu. "Und jetzt lass uns herausfinden, wie viel meine Hilfe überhaupt wert war."

Als Will sich dehnte und dann mit gezücktem Schwert die Treppe hinabzusteigen begann, zog auch Arjen seine Klinge schloss auf.

Beim zugehen auf die Bühne sagte er: "Eventuell gibt es unter der Bühne einen Hohlraum. Vielleicht ist dieser so tief, dass die Kreatur, nicht alleine herauskommen kann. Oder die Falltür ist verschlossen." Dort angekommen, sah sich Arjen wieder um, diesmal nach einem Eingang zum Bereich unter der Bühne.[1]
 1. Perception 8
« Letzte Änderung: 13.10.2014, 13:36:47 von Arjen Bucalo »

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« Antwort #10 am: 18.10.2014, 00:38:41 »
Auf den ersten Blick konnten Arjen und Will nichts finden, was einer Öffnung glich. Doch das Geräusch, bei dem sich ihnen die Nackenhaare aufstellten, so unwirklich klang es, ertönte noch einmal, und nun waren sie sicher: Es kam von unterhalb der Bühne!

Sie suchten alles sehr genau ab, bis Will schließlich zwischen zwei Holzdielen einen dünnen, fast durchsichtigen Faden entdeckte. Er zog daran - und nach unten klappte eine Falltür auf, direkt vor ihm. Der Weg führte eine steinerne Treppe hinunter in einen tiefdunklen Raum, aus dem ein stickiger, fauliger Gestank nach oben drang.

Aber das war nicht alles. Hörten sie da ein leises Schluchzen, irgendwo unten in der Dunkelheit?
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William Marlowe

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« Antwort #11 am: 18.10.2014, 12:06:41 »
Will sah sich rasch auf der Bühne nach einem kleinen, stabilen Gegenstand um und fand einen Stiefelknecht in der Nähe, den er sich schnappte. Er konzentrierte sich kurz auf das, was er erreichen wollte, und murmelte dann in den Worten des weisen Sultan Farakirs: "Nachts erst ist es schön, an das Licht zu glauben." Der Stiefelknecht begann, hell wie eine Fackel zu leuchten.[1]

Dann lauschte Will noch einmal mit dem rechten Ohr, ob er da unten außer dem Schluchzen etwas hören konnte. Waren da Schritte? Schlurfende Schritte?[2] Nein, nur ein leichtes Rasseln wie von einer Kette, irgendwo tief im Kellerraum.

"Hörst du das auch?" wisperte er. "Da unten scheint jemand angekettet. Zumindest rasselt da jemand mit einer Kette. Also, soll ich?"

Er deutete eine Wurfbewegung mit dem Stiefelknecht an. Wenn die Idee Zustimmung fände, würde er ihn die Treppe hinunterwerfen.
 1. zaubert Licht
 2. perception = 20 (% 90)
« Letzte Änderung: 18.10.2014, 14:24:34 von William Marlowe »
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Arjen Bucalo

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Eine neue Ordnung
« Antwort #12 am: 18.10.2014, 14:30:31 »
Als Will die Falltür entdeckte, brach Arjen seine erfolglose Suche ab und begab sich zu ihm. Er sah, wie Will einige Worte murmelte und der Stiefelknecht in seinen Händen zu leuchten begann. Dabei zog der Krieger kurz überrascht die Augenbrauen hoch. "Ein Schauspieler, der nicht nur mit dem Schwert umgehen kann, sondern auch zaubert - aha."
   
Bei Will angekommen kniete sich Arjen neben diesem hin und spähte durch die Falltür in die Dunkelheit. Bei dem Rasseln der Ketten und dem nun lauter zu vernehmendem Stöhnen lief es ihm wieder kalt den Rücken runter, wie jedes Mal, wenn er auf diese Kreaturen traf. Vor seinem geistigen Auge tauchten wieder die blutigen Fratzen der Untoten auf, die ihm fast zwei Tage lang auflauerten. Diese toten Augen, die vor Geifer triefenden Zähne und eben dieses inzwischen unverkennbar gewordene Stöhnen, das auch jetzt von unten heraufdrang. Kurz schloss Arjen die Augen. "Oh ihr Götter, was genau soll mir das alles sagen? Ich habe die Strafe für meine Verbrechen angenommen. Reicht das nicht? Warum lasst ihr mich nicht zu meiner Frau und meinem Sohn. Warum gewährt ihr mir nicht einfach einen sauberen Tod?"

Als der Barde seinen Vorschlag unterbreitete, nickte Arjen nur knapp. Mit leichtem Kopfschütteln versuchte er die Gedanken zu vertreiben und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Gleichzeitig griff er nach hinten und holte seinen Schild von seinem Rücken. Während er den linken Arm durch die Schildgurte führte, festigte er mit der Rechten den Griff um sein Schwert. Gespannt schaute er nach unten, in der Hoffnung, im Licht des fallenden Stiefelknechts die Quelle der Geräusche und auch alles andere, was sich unten verborgen hielt, zu erkennen.[1]
 1. Perception: 9
« Letzte Änderung: 18.10.2014, 14:39:44 von Arjen Bucalo »

Sternenblut

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    • Aradan - Stadt der Toten
Eine neue Ordnung
« Antwort #13 am: 18.10.2014, 17:31:29 »
Düstere Gedanken streiften durch Arjens Kopf, als er den Gang hinunter blickte. Doch die Götter antworteten ihm nicht. Fast mochte man glauben, dass sie diese Welt im Stich gelassen hatten, so wie sie heute aussah...

Wills leuchtender Stiefelknecht fiel in die Dunkelheit, an gut zwanzig schmalen Stufen vorbei, bis sie unten auf dem Boden aufkam. Doch schon vorher konnten Will und Arjen dort unten eine Silhouette erkennen, eine Person. Ihr Blick wurde klarer, als sich das Licht nicht mehr bewegte, die Quelle des magischen Scheins nur einen halben Meter von dem Mann entfernt, der dort hockte.

Ein einzelner Mensch, zusammengekauert, das Gesicht in den Armen vergraben, saß dort am Fuß der Treppe. Sein einst schneeweißer Mantel war über und über mit dreckigem Blut überzogen. Kinnlanges glattes, strahlend blondes Haar verdeckte das Gesicht.

Die Gestalt sah irritiert zu Wills Wurfgeschoss, und dann nach oben. Er war dreißig, vielleicht fünfunddreißig Jahre alt, und trug einen Bart, der ihm vermutlich erst in den letzten zwei Tagen gewachsen war. Er blieb in seiner Position, hob nur eine Hand nach oben, um seine Augen gegen das von oben fallende Licht zu schützen.[1]

"Was... was tut ihr hier? Geht weg! Weg von hier!"

Und in der Tat schien der "Vorschlag" des Mannes aus Wills Sicht gar keine so schlechte Idee. Er hatte ein Raunen gehört, von der Art, wie es die Untoten von sich gaben - aber dunkler, grollender, irgendwie... größer?!
 1. Will, bitte einen Knowledge (Local) Wurf
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

William Marlowe

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Eine neue Ordnung
« Antwort #14 am: 18.10.2014, 21:22:18 »
Will riss erstaunt die Augen auf: es war ja doch ein Mensch dort unten! Er hätte schwören können, dass dieses Stöhnen nicht menschlichen Ursprungs war. Aber es war ein Mensch, ein lebender Mensch, der ihm außerdem bekannt vorkam. Ganz sicher hatte er den Mann schon gesehen, oft sogar, ohne ihm vorgestellt zu werden. Ein Schauspieler? Dann müsste er ja den Namen kennen. Ein häufiger Theatergast? Eigentlich hätte Will ja nicht gedacht, dass Leute, die das Smaragd-Theater frequentierten, sich auch dazu herablassen würden, im Tamburin einzukehren.[1] In der Linde war es jedenfalls nicht gewesen, da war Will sich sicher.

Nachdem er eine ganze Weile herumüberlegt hatte, in welchem Zusammenhang dieser Kerl ihm seinerzeit aufgefallen sein mochte, gab er auf und wollte ihn gerade ansprechen, da hörte er ein schreckliches Grollen.[2] Er machte einen Satz zurück und hob sein Schwert schlagbereit.

"Da unten ist noch so ein Monster! Es klingt wie ein besonders großes!" Er hatte eigentlich wispern wollen, aber vor Schreck sprach er laut. Und weil's dann eh egal war, rief er dem kauernden Mann zu: "Schnell, kommt da raus! Bevor es Euch anfällt!"
 1. Knowledge (local) = 18
 2. perception, SL-Wurf
« Letzte Änderung: 20.10.2014, 08:26:17 von William Marlowe »
Hell hath no limits, nor is circumscribed
In one self place, for where we are is hell,
And where hell is must we ever be.

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