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Autor Thema: Eine neue Ordnung  (Gelesen 24401 mal)

Beschreibung: Einstieg für Will und Arjen

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William Marlowe

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« Antwort #120 am: 22.12.2014, 13:00:26 »
Will tauschte einen verwirrten Blick mit Arjen und sah dann wieder zu Luca. Irgendwie war die Kommunikation mit diesem Mann von Anfang an gründlich schiefgelaufen. Womöglich gehörte Luca zu denen, die alles wörtlich nahmen? Solchen Leuten war Will schon ein paarmal begegnet: wenn man darüber stöhnte, was für ein schlechter Mensch man doch sei, gingen die am liebsten gleich die Stadtwache holen!

"Tja, ich gehöre nicht zu denen, die vorher immer alles berechnen. Geld im Beutel wird ausgegeben, bis keins mehr da ist. In diesen Tagen scheint mir das eher von Vorteil zu sein, wenn man nicht so gut rechnen kann.

Was dagegen ist Euer Plan? Hierbleiben... für wie lange? Dass Ihr nicht gleich mit uns kommen wollt, war klar, ich dachte nur, Ihr würdet vielleicht gerne informiert werden, falls es uns tatsächlich gelingen sollte, einen sicheren Ort mit weiteren Überlebenden zu finden. Auf Dauer könnt Ihr doch nicht allein bleiben. Eine Gruppe gibt einem doch etwas mehr Sicherheit! Wenn Ihr aber auf keinen Fall von uns hören wollt, sagt es lieber gleich, bevor jemand sein Leben riskiert, Euch Meldung zu bringen."
[1]
 1. Will würde sich wirklich schrecklich gern dem Studium der ausgebreiteten Papiere widmen, sobald er eine Antwort von Luca erhält.
« Letzte Änderung: 22.12.2014, 13:07:52 von William Marlowe »
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Sternenblut

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« Antwort #121 am: 24.12.2014, 17:31:02 »
Luca dachte nach. Er wandte sich zu seinen Töchtern, dann wieder zu Will, schien hin- und hergerissen. Schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein, wir werden unseren Weg schon finden. Riskiert nicht euer Leben."
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William Marlowe

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« Antwort #122 am: 24.12.2014, 22:06:18 »
Will öffnete den Mund, schloss ihn wieder, blickte ebenfalls zu den beiden Mädchen und zuckte hilflos mit den Schultern. Hatte Luca sich deren Chancen auch schon errechnet? Denn wer rechnen konnte, musste zu dem Ergebnis kommen, dass die beiden genausowenig Aussicht darauf hatten, in ein paar Wochen noch am Leben zu sein wie Lissie und ihre Kinder. Aber so etwas Grausames hätte Will niemals laut ausgesprochen.

Immerhin hat Luca gezögert. Ganz sicher ist er sich nicht. Es hindert uns ja niemand daran, falls wir tatsächlich ein gutes, sicheres Versteck finden sollten—wie wahrscheinlich ist das schon?—dass wir ihm trotzdem Bescheid geben. Um der Kinder willen.

Mit diesem Gedanken wandte er sich endgültig den Papieren zu.[1]
 1. Und egal, ob eine Zombiehorde unseren Turm hochklettert oder jemand anders ihn in Brand setzt: Will wird sich weder vom Fleck rühren noch einen weiteren Laut von sich geben, ehe er nicht Antwort auf seine hier beschriebenen Aktionen erhält (Absatz 4-6). Perception take 20, falls nötig, also 23.
« Letzte Änderung: 24.12.2014, 22:07:36 von William Marlowe »
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« Antwort #123 am: 25.12.2014, 11:31:58 »
Angelos Beutel enthielt nicht viel: Zwei Platinmünzen, drei Silberlinge und ein Kupferstück. Dazu ein kleiner Edelstein, durchsichtig mit leicht rosafarbenem Schimmer, geschliffen in der Form zweier Pyramiden, die mit dem Boden aufeinander standen.

In der Brieftasche fiel Will vor allem eines auf: Ein kleines Büchlein, nicht größer als Wills Hand, eingeschlagen in feinen schwarzen Samt und mit einer Lasche versehen, die das Buch mit einem Druckknopf verschließen konnte. Ein edles Stück, aber nicht übertrieben teuer. Es passte gerade so in die Brieftasche; Will musste sogar richtig ziehen, um es herauszubekommen.

Als Nächstes fand Will vier Eigentumsurkunden: Sie zeichneten einen gewissen Sarisin Ramar als Besitzer vier verschiedener Villen in Aradan aus. Will kannte den einen oder anderen Straßennamen, und wusste, dass diese Orte zu den besten Vierteln Aradans gehörten.

Schließlich fand sich in der Brieftasche noch eine Zeichnung: Eine junge Frau, die langen Locken zu einem Zopf gebunden, gemalt in Holzkohle. Die Zeichnung war gut, aber nicht so hochwertig, wie Will es von jemandem wie Angelo erwartet hätte. Hatte er sie vielleicht sogar selbst gezeichnet?

Das Halstuch wies in eine ähnliche Richtung: Es roch nach einem eindeutig weiblichen Parfum, und war auch vom Aussehen her für eine Frau bestimmt. Es war aus feinstem Stoff, hervorragend verarbeitet und mit schillernden Farben versehen.
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« Antwort #124 am: 25.12.2014, 15:44:23 »
Die ungewöhnliche Form des Edelsteins ließ Will kurz stutzen, aber die weitaus interessanteren Papiere lenkten ihn sofort wieder ab. Angesichts des Büchleins konnte Will sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ein Tagebuch oder bloß viele leere Seiten? So oder so, ein Schatz! Entweder das Gesicht hinter der Maske Angelos, oder aber genügend Platz für Teil 1 von Wills Stadt der Toten. Wenn es nicht von vorn bis hinten vollgekritzelt war mit Ausgaben und Einnahmen des Smaragdtheaters...

Rasch sah er sich noch die anderen Papiere an—Sarisin Ramar?[1] Irgendwo hatte er den Namen schon einmal gehört. Vorher, vor der Sache mit Viola... Name und Gesicht, bei beidem klingelte es, aber nicht laut genug, dass die Person dahinter sich bemüßigt fühlte, endlich aus dem Schatten zu treten. Womöglich war Will gar einmal in einer der vier Villen des guten Sarisin eingeladen gewesen, zumindest der Straßenname dort kam ihm sehr bekannt vor.

Verflixt, was war ich damals für ein eitler Schnösel! Zu sehr mit mir, meinem Werk und meinem Ruhm beschäftigt, um auf meine Umgebung zu achten und mir die Namen zu den Gesichtern zu merken, die Personen, die sich um mich drängten, mich lobpreisten und hochleben ließen...

Will nahm abermals das Büchlein zur Hand. Lucas Meinung zu seinem nächsten Vorhaben war ihm bewusst, aber sie spielte ja keine Rolle mehr. So wie Will es sah, war es nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht, alles über Angelo herauszufinden, als sein vom Schicksal erwählter Vermächtsnisverwalter. Er küsste das Büchlein, wie man die Stirn eines geliebten Toten küsste, bevor er den Druckknopf betätigte und es öffnete. Eifrig begann er zu lesen.
 1. knowledge (local) = 17, kein Erfolg
« Letzte Änderung: 25.12.2014, 21:38:16 von William Marlowe »
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« Antwort #125 am: 25.12.2014, 16:45:44 »
Die Schrift in dem Buch war geschwungen und ordentlich; die Schrift eines Mannes, schon, aber eines Feingeistes, so viel war offenkundig. Die einzelnen Lettern waren fast eher gemalt als geschrieben.


"Vom Leben und Sterben eines Vaters" ist ein großer Erfolg. Ich habe gebangt, sehr lange, doch die Mühe hat sich gelohnt. Terole, ein unbekannter Autor, dazu Arianna, eine Hauptdarstellerin, die vorher nur in kleinen Schmierentheatern auftrat - und ein Theaterleiter, der nicht an das Stück glaubt. Ein perfektes Gemisch, um zu Scheitern. Aber ich habe an die Künstler geglaubt, und es hat sich als richtig erwiesen. Es mag kein Stück sein, dass in die Ewigkeit eingeht, aber es ist der Boden, auf dem die Zukunft zweier großer Potentiale erwachsen mag. Und diese Zukunft mag Dinge bereit halten, die für die Ewigkeit sind.

Wie sprach Alderus in seinem großen Monolog? "Was sind wir schon, als Staub, der für kurze Zeit nur Form annimmt; eine Gestalt, die schwindet, kaum ist sie geboren. Des Lebens Geschenk, so schnell geraubt; jeder Gedanke an uns in der Ewigkeit verloren." Doch wahre Kunst mag überdauern, über Generationen, über Jahrtausende. Und Terole, er ist einer jener Auserwählten, die solche Kunst zu schaffen vermögen; Arianna eine Künstlerin, die der Kunst die perfekte Gestalt zu geben vermag.

Und ich? Nicht mehr als ein Diener, ein Sklave des Schicksals; gesegnet mit einem Erbe und kaufmännischen Geschick, und doch wäre alles, was ich erschaffe, so vergänglich: Wären es nicht die Großen, durch deren unsterbliche Fähigkeiten ich ein wenig an die Nachwelt weitergeben kann. Ich verabscheue die Gier meiner Geschäftspartner, das Verlangen nach Macht und Luxus. In einer Höhle würde ich leben, und Beeren sammeln, könnte ich dadurch nur einem Künstler zur Unsterblichkeit verhelfen! Doch mein Weg ist ein anderer, und wie der Vater in Teroles Stück ist mein Weg vorgezeichnet, als Wegbereiter; und dankbar nehme ich diese Rolle an, denn es ist mehr, als die meisten je erhaschen dürfen von der Ewigkeit.

Oh ihr Mächte, das Stück hat mich nachdenklich gemacht, hat etwas in meinem Innersten berührt; wann habe ich zuletzt so nachdenklich geschrieben? Doch es sind keine schweren Gedanken, sondern glückliche. Ich fühle nicht schlecht ob all derer, die ihr einfaches Leben leben, Glück und Unglück finden, leben und eines Tages vergehen. Sie haben ihre Zeit, und diese Zeit ist gut und wichtig. Und wer weiß, für was sie als Wegbereiter dienen mögen.

Doch nun muss ich mich lösen; meine Pflicht erfüllen und mich um Geschäftliches kümmern. Und danach, mein Herz pocht bereits bei dem Gedanken daran, zu meiner Liebsten: Ein geheimes Treffen, fast wie in einer romantischen Komödie! Ach, wenn jemand daraus ein Stück schreiben würde, ich wüsste, wäre es schreiben müsste: William Marlowe, der Größte unter den Großen. Ich sehe etwas von ihm in Terole, doch der junge Schreiber ist noch nicht so weit. Ich wünschte, so sehr, ich könnte seine Stücke noch einmal auf den großen Bühnen sehen. Ich gebe mein Bestes, seinen Weg zu bereiten, und so die Götter wollen, wird es geschehen.

Doch nun, mein verschwiegener Zuhörer, auf! Die Pflicht und die Liebe warten.


Damit endete der erste Abschnitt des kleinen Buches; etwa zwei Drittel der Seiten waren vollgeschrieben, das letzte Drittel noch leer.
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William Marlowe

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« Antwort #126 am: 25.12.2014, 18:05:03 »
Als Will den ersten Abschnitt gelesen hatte, standen ihm die Tränen in den Augen. Die Kunst so zu lieben und selbst nichts erschaffen zu können, welch Qual musste das sein! Die Vorstellung allein zerriss einem ja das Herz! Und darüber nicht bitter zu werden, nicht neidisch, nicht mißgünstig, sondern ein Gönner, ein Talentsucher, der Mann im Schatten und doch vor allen Dingen ein Sklave der Kunst, nicht weniger als Will selbst es war!

Er nahm noch einmal die Zeichnung zur Hand und betrachtete tränenblind die junge Frau darauf.

"Ich werde sie finden, Angelo", versprach er leise. "Ihr sagen, wie du gestorben bist, wo du begraben liegst, damit sie an deinem Grab weinen und Abschied nehmen kann. Und ich werde euer Stück schreiben. Keine Komödie, natürlich nicht! Du weißt, dass ich keine Komödien mag. Komödien handeln von lächerlichen Gestalten, Menschen mit niederen Beweggründen, die sich durch eigene Dummheit in die albernsten Verwechslungen verstricken und allein deshalb, weil das Schicksal einen Sinn für Ironie und Humor hat, am Ende all das bekommen, was sie sich gewünscht haben. Glaubst du wirklich, dass du ein solcher Mensch warst? Nein, es wird eine Tragödie, und wenn der Vorhang fällt, werden die Zuschauer einander schluchzend in die Arme fallen."

Will legte das Bild in das Buch, verschloss dieses und zwängte es mitsamt der vier Urkunden zurück in die Brieftasche, die er in seinen Gürtel steckte. Dann packte er auch Münzen und Edelstein in Angelos Beutel und verstaute diesen mitsamt des Schals in seinem Kostümsack. Sich die Tränen aus den Augen wischend, erhob er sich und trat ans nächste Fenster, um über die Stadt zu blicken. Seine Heimatstadt. Was von ihr übrig war.

"Ich weigere mich, von allen Menschen, die ich geliebt habe, und allen Dingen, die mir etwas bedeuteten, in der Vergangenheit zu reden. Wenn dies die neue Ordnung ist, so werde ich sie ebensowenig stillschweigend akzeptieren wie die alte. War Aradan korrupt? Mussten Kinder in Fabriken schuften? Gab es hier mehr Huren als Priester und mehr Laster als in Lancerus' Sündenregister passen? Ja, ja und nochmals ja. Aber größer noch ist die Zahl der Dinge, die schön, gut und richtig waren. Wo außer in Aradan hätte ein Junge, der durch einen Unfall zum Krüppel und von seinen bäuerlichen Eltern deshalb verstoßen wurde, ein liebendes Zuhause gefunden? Wo hätte ein ausgesetztes Baby ein Dutzend Mütter zur Wahl gehabt und dreimal so viele Väter? In dieser Stadt konnte ein jeder seinen Platz finden, anders als auf dem tugendhaften Land, wo es für niemanden Platz hat, der nicht genau wie alle anderen ist. Aradan ist nicht tot. Die Kunst ist nicht tot. Und wir Lebenden sind noch lange nicht am Ende."
« Letzte Änderung: 26.12.2014, 10:14:37 von William Marlowe »
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Arjen Bucalo

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« Antwort #127 am: 26.12.2014, 14:21:34 »
Arjen hatte das Gespräch zwischen Will und Luca schweigend verfolgt. Er konnte Lucas Gemüt verstehen. "Der Mann dachte, wir würden ihm zumindest eine Weile Gesellschaft leisten und ihm mit den Töchtern helfen. Und vielleicht wäre as auch ein Weg gewesen. Aber es bringt nichts, das unvermeidliche aufzuschieben. Wir müssen nach anderen Überlebenden suchen. Und egal, was er sagt, falls wir sie finden, werde ich Luca informieren. Trotz alledem, was er leisten kann, wird er nicht lange allein mit seinen Töchtern hier überleben."

Als Will Angelos Notizen durchgeht und schließlich seinen kämpferischen Monolog hält, lächelt der Krieger. "Nanu - da hat einer wohl beseelende Zeilen gelesen."

Über diese Minuten hat Arjen weiter an dem Holzklotz gearbeitet und nun ist er fertig. Eine kleine Puppe ist daraus geworden - ein kleines Mädchen mit ausgetsreckten Armen und langen Haaren. Er steht auf und packt das kleine Messer wieder weg.

"Es ist bereits Nachmittag Will. Falls du, Luca, das erlaubst, sollten wir die Nacht hier verbringen und morgen früh gleich mit der Suche beginnen."
« Letzte Änderung: 26.12.2014, 14:22:04 von Arjen Bucalo »

Sternenblut

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« Antwort #128 am: 26.12.2014, 15:37:05 »
Luca nickte Arjen zu. "Ja, das ist in Ordnung."
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William Marlowe

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« Antwort #129 am: 26.12.2014, 16:35:55 »
Durch Arjens Worte ins Hier und Jetzt zurückgeholt, versuchte Will eine oder mehrere Routen zur Festung auszuspähen, die wenig Hindernisse aber viel Deckung und mögliche Verstecke entlang des Wegs versprach: Mauern wie Luca sie so geschickt genutzt hatte, Türmchen oder Häuser wie dieses, auf die man notfalls klettern könnte, Brunnen, in denen man Zuflucht suchen konnte, oder, als letzten Ausweg, Zugänge zur Kanalisation. Von den Möglichkeiten, die er fand, überzeugte ihn keine so richtig.[1]

"Luca", sagte er. "Meine Augen taugen nicht viel und Ihr scheint ein Talent dafür zu besitzen. Wir bräuchten eine Route von hier zur Festung, die möglichst viele Versteckmöglichkeiten bietet und uns in keine Sackgasse rennen lässt, falls wir doch einmal fliehen müssen. Na, Ihr wisst schon. Könnt Ihr uns da helfen? Wir wären Euch sehr dankbar."
 1. perception = 12
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Sternenblut

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« Antwort #130 am: 26.12.2014, 22:07:01 »
Luca nickte auch jetzt wieder. "Natürlich, ich helfe euch. Ich habe zwar meine Zweifel, was die Festung angeht, aber ein Ziel ist so gut wie jedes andere, vermute ich mal." Er kam näher, und streckte die Hand aus. "Habt ihr etwas zu Zeichnen für mich?"
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William Marlowe

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« Antwort #131 am: 27.12.2014, 13:00:32 »
Will schluckte. Dann hätte er nicht mehr genug... Aber ach, es half ja nichts. Rasch ging er zu seinem Bett hinüber und kramte ein Blatt seines kostbaren Pergaments hervor, bevor er abermals zögerte. "Besitzt Ihr einen Kohlestift? Ich habe nur Feder und Tinte, das eignet sich nicht so gut zum Zeichnen..." Außerdem konnte man Kohlestift leichter wieder vom Blatt runterkratzen. Wenn Luca so etwas allerdings nicht besaß, dann würde Will auch sein Tintenfässchen hervorkramen.

Unbemerkt von Will selbst war ihm beim Herausfischen des Pergaments ein gedrucktes Blatt Papier herausgefallen und Arjen vor die Füße geflattert. Es trug in dicken Lettern den Namen des Verfassers, eines gewissen Ben Heywoods—hatte Will den Namen nicht vorhin erst erwähnt?—darunter das Datum (Herbstanfang vor vier Jahren), darunter schließlich den Titel: "Gegenrede gegen all jene, die behaupten, es sei unmöglich ein großer Poet zu werden, ohne zuvor ein guter Mensch zu sein: am Beispiel William Marlowes."[1]

Will kehrte derweil zu Luca zurück und reichte ihm das Gewünschte. "Wenn ich unverschämt werden darf, vielleicht könntet Ihr uns auch eine Route zum Sanatorium finden? Falls Ihr recht habt mit eurem unguten Gefühl in Hinblick auf die Festung..."
 1. voller Text hier, unter "Freund & Feind
« Letzte Änderung: 30.12.2014, 21:19:04 von William Marlowe »
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Arjen Bucalo

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« Antwort #132 am: 30.12.2014, 19:02:24 »
Arjen bemerkte das Schreiben nicht, als es hinabflatterte. Erst einige Augenblicke später fiel es ihm auf, wie es auf dem Boden lag, jedoch wusste er nicht, wie es dahingekommen war. Der Krieger steckte die hölzerne Mädchenpuppe in eine Seitentasche seiner Weste und griff nach dem Blatt Papier:

"Gegenrede gegen all jene, die behaupten, es sei unmöglich ein großer Poet zu werden, ohne zuvor ein guter Mensch zu sein: am Beispiel William Marlowes", las er sichtlich überrascht den Titel.

'Von Ben Haywood - aha, den Mann hat Will einige Male erwähnt.' Zunächst wollte Arjen nach Will rufen und ihm das Schreiben zurückgeben, aber dieser war so in ein Gespräch mit Luca verstrickt, dass er es unterließ, um die beiden nicht zu stören. Beiläufig las Arjen die folgenden Zeilen - und seine Augen verengten sich überrascht und der Kiefer mahlte, als er Ereignisse aus der Vergangenheit Wills kommentiert bekam:

"Nichts hat in jüngster Zeit die Theaterfreunde unserer Stadt in derartige Aufregung versetzt wie vor zwei Monaten die Verhaftung—vor zwei Wochen dann die Verurteilung—William Marlowes wegen Vergewaltigung, begangen an einer ehrbaren Bürgerstochter."

Und es ging weiter - weitere Details wurden genannt. Der ganze Fall las sich mysteriös. Zunächst hatte Will die Anklage abgestritten, dann - nach einer einwöchigen Pause - alles zugegeben. Und dann war er verurteilt worden. Arjen sah vom Schreiben auf und betrachtete den Mann vor ihm. Versuchte zu verstehen, ob sich in dieser Hülle wirklich ein Vergewaliger verstecken konnte.

'Nach allem, was ich erleben durfte, müsste ich doch sowas erkennen können. Andererseits - wahrscheinlich steckt das Tier in jedem einzelnen von uns; Lord Haraldson hatte recht. Bei manchen ist es nur schwerer zu wecken als bei anderen.'


Vor seinen Augen tauchte das lüsterne Gesicht des Mörders seiner Frau auf und er schien es im Geiste auf das Antlitz Wills legen zu wollen. Wut stieg in ihm auf und die Kiefer mahlten wieder. Wenn er es getan hat, dann werde ich nicht bei ihm bleiben können', dachte er.

Doch das Gesicht des Mörders ließ sich nicht auf Wills Antlitz schieben. Will hatte mit solcher Sorge von Frau und Kindern gesprochen. Hatte sich so innig um Angelo gekümmert. Das Pamphlet in seinen Fingern war lang. Dieser Ben Haywood ließ sich lange abschweifend aus über den lasterhaften Charakter seines Begleiters. Arjen hatte vieles davon in Will vermutet und vieles hatte dieser ja auch selbst zugegeben. Aber was Marlowe nicht wusste, war, dass er ein besserer Mann war, als die Summe seiner bagatellhafter Fehltritte vermuten ließ. Arjen hatte das bereits sehen können und selbst sein größter Widersacher hatte es erkannt, nur er selbst nicht.

'Nein, Will. Du warst es nicht. Ich verstehe nicht viel vom Theater und bin nicht der richtige Ansprechpartner, um über Wert und Schönheit der Kunst zu sprechen. Lassen wir all das Hochtrabende aus diesem Pamphlet zur Seite. Aber ich habe einem Vergewaltiger in die Augen gesehen, bevor ich ihm das Leben nahm. Ich weiß, wie solche Augen aussehen. Und deine sind nicht so.

Und auch der Prozess mit dieser Pause und deinen wechselnden Aussagen liest sich nicht stimmig. Ganz zu schweigen von Haywood - der scheint dich gut gekannt zu haben und trotz eurer Fehde zweifelt selbst er an deiner Schuld.
'

Arjen faltete das Schriftstück wieder zusammen. Erst jetzt kam es in den Sinn, dass Will wohl nie vorgesehen hatte, dass er es liest. Immer noch redete Marlowe mit Luca und der Krieger überlegte, wie er das Schreiben am besten taktvoll zurückgeben konnte.
« Letzte Änderung: 30.12.2014, 19:03:27 von Arjen Bucalo »

Sternenblut

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« Antwort #133 am: 02.01.2015, 11:36:57 »
Luca zeichnete die von Will gewünschte Karte, inklusive des Wegs von der Festung zum Sanatorium. Während er zeichnete, erklärte er ihm den Weg. In der näheren Umgebung kannte er einige Alternativrouten; weiter entfernt allerdings mussten sie darauf hoffen, dass sie tatsächlich den von ihm vorgezeichneten Weg gehen konnten. Denn bis zur Festung war Luca nur zwei Mal vorgedrungen, beide Male auf dem gleichen Weg; den Weg von dort zum Sanatorium kannte er sogar nur teilweise. Trotz der Karte würde es also nicht ganz einfach werden - aber das hatten die beiden Gefährten wohl ohnehin nicht erwartet.

"Wenn ihr heute noch los wollt, solltet ihr gleich aufbrechen, um sicher vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Immerhin müsst ihr nicht nur die Wegstrecke einrechnen, sondern auch... nun ja, Zwischenfälle, welcher Art auch immer." Er gab Will die Karte, und sah sich dann noch einmal in der näheren Umgebung um. "Wenn ihr hier in der Nähe jemanden trefft, macht, dass ihr wegkommt. Diese Bande, die sich hier eingenistet hat, ist skrupellos. Sie halten zusammen wie eine Familie, aber wer nicht dazu gehört..."

Er sah Will fest in die Augen, um sicherzugehen, dass der Barde die Botschaft verstanden hatte.
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William Marlowe

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« Antwort #134 am: 02.01.2015, 12:55:26 »
Egal was für eine Nachricht Luca mit seinem Blick hatte schicken wollen, die, die bei Will ankam, lautete: zu meiner Familie gehörst du jedenfalls nicht. Scher dich am besten heute noch fort!

"Verstanden", sagte er. "Und vielen Dank für die Karte."

Während er diese entgegennahm, grübelte Will nach, was er denn nur getan oder gesagt haben mochte, dass Luca gar so sehr gegen ihn aufgebracht hatte, dass er nicht einmal um seiner Töchter willen die angebotene Unterstützung annehmen wollte.[1] Konnte ihn das so sehr verärgert haben, wie Will mit Angelos Leichnam verfahren war, beziehungsweise am liebsten verfahren wäre? Weil es nicht so war, wie in seinen Augen ein Begräbnisritual ablaufen musste? 'Was, so ein schlechter Kerl bin ich doch gar nicht!' hätte er am liebsten ausgerufen. 'Wir hätten wunderbar ein paar Tage bleiben und die Gegend erkunden können und euch dabei den Rücken decken!'

Ob Luca am Ende gar fürchtet, wir könnten uns der Bande da anschließen, vor der er uns warnt?

Er wandte sich zu Arjen um, der noch immer vor seinem Bett saß, seine Schnitzarbeit aber inzwischen weggepackt hatte und irgendeinen Zettel in der Hand hielt.

"Was meint du, Arjen. Sollen wir doch lieber gleich los? Oder wie geplant erst morgen früh?"
 1. sense motive = 12, s. die beiden Folgesätze.
« Letzte Änderung: 16.01.2015, 20:54:08 von William Marlowe »
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