Autor Thema: Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?  (Gelesen 3150 mal)

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Groetus

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Ich habe im RL mal eine Rollenspiel-Runde gespielt, in der mir ganz klar ein Fehler als Spieler passiert ist. Dem Charakter wäre so etwas nicht passiert. Der SC musste dafür trotzdem "bluten" und ich wurde so richtig in die Pfanne gehauen.

Ich war da schon ziemlich enttäuscht über so ein Verhalten. Würdet ihr in solch einer Runde weiter mitspielen oder wärt ihr aus der Runde ausgestiegen? Noch eine Anmerkung: Der Rest war offensichtlich damit einverstanden, dass der SC darunter leiden musste unter der Verpeiltheit seines Spielers. Keiner war irgendwie auf meiner Seite.
« Letzte Änderung: 02.07.2015, 17:26:27 von Groetus »
God of the End Times
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Harry Webster

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Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #1 am: 02.07.2015, 17:36:35 »
In meiner Tischrunde sagt der Spielleiter in so einem Fall eigentlich immer: würfel mal auf Intelligenz.  :wink:
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Ginsengsei

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Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #2 am: 02.07.2015, 17:49:32 »
Hallo Groetus,

interessantes Thema.

Einen Spieler Fehler handhabe ich für den SC in den meisten Fällen wie Schicksal und motiviere den Spieler dazu dies als RP Herausforderung an zu nehmen (Leiden des SCs). Ich hatte in meinen Runden immer mal wieder Spieler, die Angst davor hatten auch mal Fehler zu machen und ihren SC damit behinderten. Ich kann mir aber auch Spielerfehler vorstellen bei denen ich als SL einschreiten bzw. noch mal nachfragen würde ob sich der Spieler bei dieser Handlung sicher ist.

 
« Letzte Änderung: 02.07.2015, 18:29:01 von Ginsengsei »
"We, father and son…both live at the crossroads to Hell!"

Thea Dor

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Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #3 am: 02.07.2015, 18:07:04 »
Kommt auf den Fehler an- worum ging es denn genau?
Über 1000 Generationen lang sind die Jedi-Ritter in der Alten Republik die Hüter des Friedens und der Gerechtigkeit gewesen. Bevor es dunkel wurde in der Welt, vor dem Imperium.

Menthir

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    • Enwe Karadâs
Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #4 am: 08.07.2015, 12:08:47 »
Bestrafen. Ein interessantes Wort für diesen Kontext und ein Wort, welches ich nicht besonders schätze. Ich bin kein Mensch, der als Spielleiter besonders oft oder hart bestraft, völlig unabhängig davon, ob ich einen "Fehler" sehe oder andere es als "Fehler" sehen. Aber die Feinheiten sind im Kontext zu suchen und zu unterscheiden.

Verpeiltheit des Spielers:

Wenn ein Spieler wichtige Infos vergisst oder nicht bereit ist, Zusammenhänge zu entdecken, zu überblicken und auf der Pfanne zu behalten, nutze ich das im Spiel durchaus, aber nicht in einem überzogenen Maße. Es ist nicht meine Aufgabe, dem Spieler klar zu machen, dass er etwas vergessen oder übersehen hat und ihn dafür explizit und gezielt zu bestrafen. Wenn jedoch der Widersacher einen Vorteil dadurch erlangt, wird das im Sinne einer Spielkonsequenz (insofern ich als SL dort nicht verpeilt bin und das selbst vergesse) eine Rolle spielen. Mein Spiel hat viel mit Entscheidungskonsequenzen zu tun, aber das ist nicht mit Fehlern gleichzusetzen. Denn nur, dass etwas nicht gelingt, heißt, dass es ein Fehler im Sinne eines spannenden Spiels war, auch wenn es vielleicht für die Szene selbst ein Fehler gewesen sein mag, oder es als solcher wahrgenommen wurde. Oder kurz: Drama, baby, drama!

Allerdings sehe ich das Argument "Mein Charakter hätte das nicht gemacht; er ist professionell und gut." genauso wenig ein. Der Spieler spielt den Charakter, denn dieser ist nicht autonom. Wer diesem Argument zu schnell die Hand reicht, lädt seine Spieler dazu ein, diese Behauptung über Gebühr heranzuziehen. Gleichwohl sollte das nicht zur Bestrafung und zur Vorführung führen.

Regelebene:

Dasselbe gilt auch im Metabereich der Regeln. Es gibt Spieler, die können sich gewisse Regeln nicht merken oder wollen sie sich nicht merken. Wenn solche Feinheiten oder auch grobe Sachen übersehen werden, hängt die Konsequenzfindung bei mir vom gewählten Schwierigkeitsgrad ab (Spieler wählen in meinen Tischrunden quasi einen Schwierigkeitsgrad bei Kämpfen und taktischen Geplänkeln). Aber es ist nie eine Bestrafung im Sinne von Vorführung oder ähnlichen Motiven. Wenn also ein Fernkämpfer vergisst, dass er einen Gelegenheitsangriff provoziert, wenn er in der Nähe einer Reichweitenwaffe steht, aber drei Meter vom Träger entfernt ist, ist der provozierte Gelegenheitsangriff Konsequenz genug, als plattes Beispiel gedacht. Je schwieriger die Kämpfe, desto taktisch herausfordernder, aber nicht einfach schlichtweg unfair und schon gar nicht, um gewisse Spieler und/oder ihre Charaktere blöd aussehen zu lassen. Also keine Strafen, sondern Konsequenzen von Taten. Ich stelle mich zwischen vier Gegner mit Schwertern ohne taktische Not? Dann bitte nicht wundern, dass sie einen flanken. Aber sie würden ihn nicht flanken, wenn es keinen taktischen Mehrwert hat und den Kampf nicht voranbringt, nur um dem Spieler eine Lektion in Sachen taktische Positionierung zu verpassen.

Strafe ist für mich etwas, was ich mit wirklichem Vergehen verbinde. Ein Fehler ist in diesem Sinne kein Vergehen im strafbaren Sinne (im Normalfall); das gilt für Regel- und Spielebene, schon gar nicht, wenn es an Verpeiltheit liegt. Anders geartet ist dies, wenn es sich um absichtsvolle Fehler handelt, welche dem manipulativen oder unlauterem Zwecke dient. Strafe käme für mich in Betracht, wenn ein Spieler (ich mag es auch nicht, wenn Spielleiter unnötig verdeckt würfeln, weshalb ich das selbst auch unterlasse) absichtsvoll schummelt. Strafe ist für mich im Allgemeinen etwas für die Metaebene.

Im Spiel selbst zählt die Konsequenz, und "Fehler" können sehr spielbelohnend sein. Die Konsequenz mag durchaus mal eine Strafe sein oder als solche empfunden werden, solange dies im Spielkontext plausibel ist (Gefängnisstrafe nach Mord), aber es geht nicht darum, den Spieler für eine falsche Eingebung, ein Missverständnis, Unwissenheit oder Verpeiltheit zu bestrafen. Konsequenzen müssen also (so es mir möglich ist) immer in Verbindung mit der Szene gefunden werden. Das heißt, wenn der Schurke beim Schleichen eine Vase runterfallen lässt, erfinde ich nicht gleich einen Bluthund, der ihn über das Grundstück jagt und dem er nicht entrinnen kann, wenn das in der Szene unplausibel ist. Und die Konsequenzen haben auch einen Spielsinn, deswegen sind sie mir wichtig. Ich sehe es wie der Sensei. Solche Dinge sind immer gute Aufhänger. Scheitern kann ein sehr belebendes und gutes Spielelement sein, solange sich die Gruppe oder der Spieler nicht blanker Willkür ausgesetzt sieht. Insofern dürfen die Konsequenzen von Fehlern schon zum Scheitern führen, aber es darf nicht über Gebühr sein und muss einen storytechnischen Hintergrund haben. Es ist immerhin ein gemeinsames Spiel und alle Elemente (vom Siegen über das Looten bis zur Niederlage) sollten dazu beitragen, ein unvergesslichen Spiel zu machen.

Um das Ganze im Fallbeispiel betrachten zu können, benötigte ich allerdings den Fall. Vielleicht kann ich dann meinen abstrakten Part etwas präziser fassen und so verdeutlichen, wo ich Konsequenz sehe und wo Strafe, und wo die beiden sich in den Feinheiten unterscheiden, wo Strafe auch eine Form von Konsequenz ist.
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Harry Webster

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Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #5 am: 08.07.2015, 14:05:08 »
OK, da muss ich jetzt doch einmal sagen: wenn's ein offensichtlicher Fehler des Spielers war, sollte der Spielleiter den Charakter nicht reinreiten. Jetzt glauben wir Groetus einfach mal, dass es wirklich OFFENSICHTLICH war. Sagen wir mal, er hat vergessen, was beim Spieleabend vor einem Monat gesagt wurde, obwohl es ingame erst zehn Minuten her ist. Oder er hat den Kronprinzen von X mit den Prätendenten von Y verwechselt, was aber seinem Charakter niemals passieren würde, denn er stammt aus X.

Ha puh. Da sagt der SL kurz: "Du, meintest Du das gerade ernst?" und klärt die Sache auf und alles ist gut.


Immer dieses Denken in Strafe und Belohnung! Das sehe ich irgendwie nicht als die Aufgaben des Spielleiters, genauso wenig, wie ich von den Spielern erwarte, alle Regeln und Weltdetails und Plotdetails herbeten zu können wie ein Süddeutscher die Mitternachtsformel.

Aufgaben des Spielleiters (in my most humble opinion):
- Die Spieler vor Herausforderungen stellen, und auch schon mal vor ein echtes moralisches Dilemma.
- Die Spieler immer mal wieder überraschen.
- Auf die Balance unter den Spielern achten, die Spot-light Zeit einigermaßen gerecht verteilen.

Aufgaben der Spieler (immho):
- Ihren Charakter mit Leben füllen, Spaß daran haben, einen stimmigen Hintergrund + Persönlichkeit entwickeln.
- Neugier, sich auf eine Situation ganz einlassen, nicht vorschnell urteilen oder gar rummeckern: öh, das kann doch gar nicht sein.
- Mitdenken und eigene Ideen einbringen, nicht bloß in großer Erwartung dasitzen, dass irgendwer sie schon bespaßen wird.
- In der Gruppe zusammenzuhalten.



Zum zweiten Teil der Frage, falls das überhaupt aktuell ist und nicht schon längst entschieden:

Die Enttäuschung über das Verhalten kann ich gut nachvollziehen (s.u. mein eigenes "Fallbeispiel").

Trotzdem, wenn dies ein Einzelfall war, würde ich deshalb eine ansonsten gut funktionierende Runde nicht aufgeben. Gute Runden sind schwer zu finden und man wird in jeder Runde, nach anfänglicher Begeisterung, bald etwas finden, was einem nicht so passt. Da muss man sich genau überlegen, was sein Punkt oder seine Punkte sind, von denen man einfach nicht abweichen kann, ohne den Spielspaß ganz zu verlieren.


Bei mir ist dieser Punkt zum Beispiel: Als Spieler möchte ich einen Charakter spielen dürfen, auf den ich Lust habe.

Fallbeispiel, wie's bei mir mal lief, worauf ich die Runde (zumindest für anderthalb Jahre) verließ:

SL: Ich möchte eine neue Kampagne anfangen.
ich: Aber es ist doch gerade so spannend! Können wir nicht die alte weitermachen? Wir haben doch schon so viele abgebrochen!
SL (ignoriert Einwand): Ich habe hier ein neues Buch gekauft und hätte jetzt Lust auf ein Asien-Setting.
ich: Asien. Öhm. Mit Asien habe ich es so überhaupt nicht.
SL (hat gar nichts gehört): Ihr spielt alle einen Fighter.
ich (entsetzt): fighter!?
SL: Aus dem neuen Buch hier (*Nine Swords o.s.ä.). Guckt's euch an.

*einige Zeit später, Fighter-Charaktere sind schon gebastelt, durch die verschiedenen Kampfstile eigentlich auch ganz nett...

SL: Ihr beiden (zeigt auf den besten Kumpel nebst Frau) seid die Kinder des Kaisers und damit Thronerben. Ihr beiden (zeigt auf mich + vierten Spieler) seid deren Diener.
ich: *Mund auf, Mund zu, tief Luft holen* Ähm, ich würde meinen Hintergrund ja lieber selbst überlegen. Müssen wir wirklich die Diener sein? Glaubst du, das kann überhaupt funktionieren? Es sollten doch eigentlich alle Charaktere gleichberechtigt sein.
SL: Ihr seid die Diener.

*ich beim nächsten Mal halt einen Dienerhintergrund entwickelt.*

SL: (zu 4. Spieler) Du bist sein (auf Kumpel zeigend) Bodyguard. (zu mir) Du bist ihre (auf Frau des Kumples zeigend) Gouvernante.
ich: Nein.
SL: Doch.
ich: Nein.
SL: Doch.
ich: Ne, komm, bitte, ernsthaft: ich möchte keine Gouvernante sein! Ich hasse Gouvernanten. Gouvernante ist ein ganz böses Schimpfwort bei uns früher gewesen. Das böseste, was ich meine (ältere) Schwester genannt habe, wenn sie mal wieder unausstehlich war: ich möchte echt, ganz ehrlich keine Gouvernante spielen. Alles andere mache ich mit, ich will auch nie wieder in meinen Leben murren oder ein Widerwort geben: aber bitte, bitte, keine Gouvernante!
SL: Du spielst ihre Gouvernante.
ich: OK. Dann halt... tschüss.


Wobei jetzt nicht nur der Gedanke, eine Gouvernante zu spielen, den Ausschlag gab, sondern ich konnte nicht begreifen, dass nicht einmal der bescheidenste, privateste aller meiner Wünsche, nicht einmal die dringlichste Bitte vom SL respektiert wurde. Wie scheißegal muss man einem sein, damit so eine Behandlung dabei abfällt?

Und ja, hm, ich fand's auch enttäuschend, dass die anderen Spieler sich bloß fein rausgehalten haben und nicht einer mal gesagt hat: Mensch, wenn sie doch nun keine Gouvernante spielen will, lass sie doch! Sie hat doch bei allem anderen Ja gesagt und einen schönen asiatischen Fighter gebastelt und alles.


Langer Rede, kurzer Sinn: Ich kann die geschilderte Situation des Spielers sehr wohl verstehen.[1] Es gibt Dinge, die sind einem halt so unerträglich, dass es keinen Zweck hat, weiter in der Runde zu bleiben.

Gravierende Eingriffe des SL in den Spielercharakter sollten schon einen guten, nachvollziehbaren Grund haben.

Positives Fallbeispiel


Einer meiner Charaktere, der mal wieder ganz zu Beginn eines (enorm wichtigen) Kampfes gestorben war, hat zu Helm (der ihn zu solcher Gelegenheit immer mit Milch und Keksen bewirtete) gesagt - weil ich mich ganz schrecklich gelangweilt habe: "Hör mal, Helm, du hast mich jetzt schon sieben Mal wieder zurückgeschickt, da wird es Zeit, dass ich dir mal danke! Im Ernst, wenn es irgend etwas gibt, das ich mal für dich tun kann: sag es einfach!"

Darauf hat Helm mich - auf der Stelle und eigenhändig, mit Fanfaren und Lichteffekten - als sein Paladin zurückgesandt. Ein Drow-Paladin. Charisma 9. (Und steigern durfte ich ab da an nur noch Paladin.)


Der Wandel, aber, war verdient, und nicht größer als meine Klappe zuvor.


Und der Drow-Paladin hat ganz schrecklich viel Spaß gemacht.

 1. Obwohl ich vielleicht, da Groetus keine Details nennt, zu viele der Lücken mit eigenen Erlebnissen fülle. :wink:
« Letzte Änderung: 08.07.2015, 14:12:19 von Harry Webster »
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Luther Engelsnot

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Offensichtliche Fehler des Spielers im RPG bestrafen?
« Antwort #6 am: 11.07.2015, 19:03:28 »
Auch wenn es wahrscheinlich egal ist, dass ich das jetzt noch schreibe, hängt das viel von der Situation ab und was man innerhalb der Gruppe vereinbart hat. Allerdings ist es dennoch in der Regel ziemlich mies jemand willentlich ins offene Messer laufen zu lassen, vor allem wenn man bedenkt, dass es immer noch ein Hobby ist an dem man Spaß haben sollte. Aber es gibt dennoch Leute für die das dazu gehört und dementsprechend hilft es wohl vorher über solche Fälle zu reden. Manche finden es ok, dass der SL es macht oder erwarten es sogar, andere hingegen finden es ok, wenn der Spielleiter in solchen Fällen auch mal an etwas erinnert.
Persönlich gehöre ich zur zweiteren Sorte und wäre mir das als Spieler passiert, würde es wohl von den Umständen abhängen. Wie gut kenne ich die Leute aus der Runde, wie schlimm war es wirklich, wie viel Spaß macht die Runde etc.
Leite:
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