Aus vollem Lauf springt Grimnir den hochgewachsenen Svimohzer an, doch der Mann hat Glück. Der Rauch, das flackernde Licht, die Enge des Steintunnels und der donnernde Lärm der Pferdehufen aus dem Nebenraum - das alles ist nicht die gewohnte Umgebung für einen Wolf. Und so ist der Sprung zu früh angesetzt, zu hastig ausgeführt. Der Mann weicht einen Schritt zurück, hebt abwehrend die Hände und entgeht den Zahnreihen.
[1]Grimnir landet auf dem vom Nebeldunst glitschigen Boden und verliert für einen Lidschlag den Halt - und der Svimohzer nutzt das. Hastig geht seine Rechte zum Gürtel. Er reißt einen gekrümmten Dolch aus der Scheide und setzt zum Gegenstoß an, noch bevor das Tier sich fangen kann. Die Spitze zielt zwischen Schulter und Hals stößt tief ins Fleisch des Wolfs und lässt Grimnir vor Schmerz aufheulen.
[2]Das Jaulen hallt von den Wänden wider, schallt in den Ohren und treibt den beiden Männern die Farbe aus dem Gesicht. "
Halika! Paraan dito!", ruft der kleiner Gewachsene und winkt seinen Kameraden den Gang hinunter weg von Sanjan und seinem Begleiter. Der Schamane erkennt Tätowierungen auf dem Gesicht des Mannes und kleine Knochen, die aus seiner Haut ragen - das muss der dunkle Priester sein.
Der Großgewachsene will der Aufforderung folgen, reißt seinen Dolch zurück und weicht nach hinten. Doch er hat die Rechnung ohne Grimnir gemacht. Blut spritzt dem Wolf aus der tiefen Wunde, doch das hält ihn nicht auf. Die Hinterbeine sind nicht betroffen. Ein neuerlicher Satz und diesmal finden seine Klauen das Ziel. Der Mann schreit auf, stößt den Wolf von sich, doch es ist zu spät - zwei nasse, rubinrote Viererstreifen sind auf der glänzenden Haut zu sehen, zeugen vom Erfolg des Angriffs.
* * *
Derweil geht das Chaos im großen Nebenraum weiter. Der wild gewordene Hengst dreht sich an der dem Nebel entgegengesetzten Wand um, scharrt mit den Hufen und nimmt einen neuen Anlauf. Wieder will Malcus einen Versuch starten, dem Tier auf den Rücken zu springen, doch Helga hält ihn mit einem lauten "
NEIN! KOMM!" zurück.
[3]Noch ein Augenblick und Manik ist bei den beiden, sie halten auf den Nebel zu. Es sind nur wenige Schritte, wenige Lidschläge, doch in ihrem Rücken eilt das laute Klappern der Hufen immer näher heran, so dass es dem Fhokki wie eine Ewigkeit vorkommt. Die graue Wand ist nicht einsehbar, ragt vor den dreien auf. Doch es ist keine Zeit zum Zögern. Noch ein Schritt und sie tauchen in den feuchten Dunst, kämpfen sich durch den grauen Schleier.
Zwischenzeitlich kommt es Malcus so vor, als hätte er die Orientierung verloren, doch immer wieder tauchen links und rechts die Schemen der beiden Fhokki auf - sie laufen in die gleiche Richtung. Plötzlich schält sich die Wand langsam aus dem Nebel - und in ihrer Mitte die Tür! Malcus lässt Helga passieren, stolpert hinterher. Spürt hinter sich den Luftwirbel des Fhokki, der ihm folgt.
Dann ist es so weit - die drei stolpern durch den Durchgang, raus aus dem Nebel. Ein langer Gang. Ein grauer Wolf, Fänge und Pelz blutbefleckt, fletscht die Zähne, Geifer trieft. Manik erkennt Grimnir, dann auch Sanjan.
Der Fhokki schaut in die Richtung, in die der Wolf drohend die Zähne fletscht. Der Svimohzer, der eben noch aus dem Nebenraum herausgerannt war weicht dort zurück - blutbefleckt. Neben ihm steht der dunkle Priester. Ruhush hebt seine Hände vors Gesicht, etwas leuchtet. ein Zauber? Nein - es ist eine kleine Kerze, die er in der Hand hält. Der Svimoherz murmelt etwas, lässt die Kerze gen Boden fallen - glitzerndes Pulver folgt, senkt sich gen Boden.
Hinten an der Treppe stellen sich Sanjan die Nackenhaare auf. Der Bahir erkennt einen Zauber, wenn er ihn sieht. Und das hier ist böse Zauberei, das spürt er. Grimnir fletscht wieder die Zähne, heult auf, doch weicht einen Schritt von dem Glitzerregen zurück.
"
Nei! Vennligst ikke!"
[4], ruft Helga, doch es ist vergebens. Die gelblich leuchtenden Glitzerpartikel hören plötzlich auf, weiter abzusinken und verharren in der Luft. Ruhush grinst sein markerschütterndes Grinsen und klatscht mit aller Kraft in die Hände. Die Glitzerpartikel beginnen sich zu drehen, als wären sie im Auge eines Sturms gefangen, das Leuchten wird intensiver, geht vom Gelblichen ins Rötliche über, verdeckt den Blick darauf, was innerhalb des Wirbels im Kreis passiert.
Ein Donnerschlag ist zu hören, dann noch einer, und noch einer. Allen im Gang stellen sich die Nackenhaare auf - denn es ist unmöglich, dass es
innerhalb eines Ganges donnert. Doch genau das passiert - im Wirbel. Das Donnern wird immer lauter, scheint, als komme es immer näher. Dann schlägt mit einem letzten lauten Knall ein hellroter Blitz inmitten des Kreises ein.
Allen schallt es in den Ohren, es sind keine Geräusche auszumachen. Aber alle sehen auch, dass der Wirbel sich aufzulösen beginnt. Zwischen den dünner werdenden, roten Schlieren ist eine schwarze Sillhoutte zu erkennen. Zwei rote Punkte brennen aus dem Schwarz. Dann lässt das Schallen nach, Fauchen schält sich daraus, dringt durch, und ein Geheul, dass einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Die Schlieren verblassen vollends, lösen sich auf. Und geben den Blick frei auf eine Kreatur, die den Neun Höllen entstiegen zu sein scheint.
Es ist ein Wolf, doch sein Fell ist so pechschwarz, wie die dunkelste Nacht, die Augen roten Kohlen gleich und seine Größe erinnert eher an die eines Pferdes, als an einen Artsgenossen. Eine Aura des Schreckens umgibt die Kreatur, die über die gewöhnliche Angst, die seine Ausmaße und sein Aussehen verbreiten, hinausgeht. Auch Grimnir weicht einen weiteren Schritt zurück, bevor er sich wieder fängt und an den Boden gepresst den neuen Feind trotzig anfaucht. Er spürt, dass diese Kreaur nicht einfach ein Wolf ist, sondern auch etwas anderes, etwas widernatürliches.
Die Kreatur hebt den Kopf und heult noch einmal laut auf! Sie stellt sich quer in den Gang und versperrt den Durchgang. Und in ihrem Rücken machen sich die beiden Svimohzer auf, in der Dunkelheit des Ganges zu verschwinden.
* * *
Nacheinander stellen Basilio und dann Tarqetik und Flannait ihre Fragen. Wo der Koraker den diplomatischen Weg wählt, ist die Adair so direkt und scharf, wie eine durch Eiswasser gezogene Klinge. Aragast sieht seine Wärter noch einmal nacheinander an.
Der verschnürte Mann, den der Hauptmann Pietor genannt hatte, nickt, als die Fragesteller verstummen. "
Lass uns annehmen, Aras. Aber dann müssen wir sofort raus, bevor Sildan das mitbekommt. Anders kommen wir aus der Sache lebend nicht raus."
Aragast lacht auf. "
Du meinst, anders kommst du aus der Sache lebend nicht raus, oder? Für die Hauptmänner gibt es keine Amnestie, schon vergessen?"
Pietor stottert. "
Ab... aber...".
"
Ach - halt deinen Mund!" schneidet ihm Aragast das Wort ab. Dann schaut er wieder zu den Gefährten. "
Zunächst kurze Antworten auf die kurzen Fragen: Erstens: Sildan ist im obersten Stockwerk des Bergfrieds - zwei Ebenen über uns. Zweitens: Der Begrfried wird scharf bewacht, immer von mindestens einem halben Dutzend an Soldaten, aber die befinden sich alle eine Ebene unter uns im Erdgeschoss. Hier auf der zweiten Ebene und darüber hinaus gibt es neben Sildan, seinen drei Handlangern und vielleicht auch Ruhush und seinen Häschern noch maximal zwei Mann. Drittens: Ach - ich weiß nicht, ob Ruhush oben ist, oder nicht, nach dem Lärm von da unten könnte er aber auch im Kerker sein, im Untergeschoss."
Aragast hält kurz inne und schaut Flannait und Tarqetik eindringlich an. Gerade hat er bereitwillig auf alle Fragen geantwortet - schnell und weitgehend präzise. Was löst diese Reaktion aus. Vertrauen? Misstrauen?
Dann geht sein Blick Richtung Basilio: "
Nun die etwas längere Antwort auf die etwas längere Frage. Ja - ich werde euch helfen."
"
Den Göttern sei Dank!", ruft der verschnürte Soldat.
"
Freu dich nicht zu früh, Pietor", dämpf Aragast die Euphorie. "
Ich helfe euch, aber nicht so, wie du dir das denkst, Gakelit", wendet er sich wieder an den Feldwebel. "
Ihr habt Pietor gehört. Selbst jetzt hat er noch mehr Angst vor Sildans Klinge, als vor eurer Armee aus Kargi und Soldaten. Ich kann meine Leute zum Meutern bringen, aber dafür müsste ich draußen sein und ich weiß nicht, wie viel Zeit das im Tumult der Belagerungsschlacht braucht. Auf die Leute der anderen Hauptmänner habe ich nicht genug Einfluss, um die Angst vor Sildan zu besiegen.
Aber: Wenn der Bastard einmal tot ist, werden die Männer - alle Männer - die Waffen sicher niederlegen. Dafür kann ich sorgen." Aragast hält für einige Augenblicke inne, schaut zur Seite, auf den toten Soldaten zu Tarqetiks Füßen. Seine Kiefer malmen, als würde er etwas durchdenken. Schließlich schaut er wieder zu den Gefährten. "
Dass Sildan krank im Kopf ist, war abzusehen, aber seit der Priester hier ist, ist es noch mal schlimmer geworden. Er ist Größenwahnsinnig. Ich hätte die Truppe schon längst verlassen und so viele Männer wie möglich mitnehmen sollen, aber als ich den Entschluss gefasst hatte, war ein Abnabeln nicht mehr möglich und dann? Dann saßen wir in der Burg fest." Seine Stimme wird wütend, während er auf die Gefährten weiter einredet. "
Dieser Bastard - und auch Ruhush - beide verdienen den Tod. Viele der Männer hier aber nicht. Ich helfe euch - ja. Wenn ihr vorhabt, den Mann zu töten und für die übrigen Männer ein gutes Wort einzulegen bei den Gakeliten. Die beiden Männer, auf der nächsten Ebene. Das sind meine Männer. Zusammen mit Pietor werden wir dafür sorgen, dass ihr nicht gestört werdet. Dann habt ihr es nur noch mit Sildan, seiner Eskorte und vielleicht Ruhush zu tun. Geht hoch - tötet die beiden. Dann muss heute keiner mehr sterben."