So ungefähr hat es sich anfühlen müssen. Düsternis, keine Dunkelheit, sondern das Einsetzten der Dämmerung. Ein leichter Nebel, der die Haut kühlt und einem ab und an einen leichten Schauer den Rücken hinunter jagt und auf der anderen Seite der Schweiß von dem anstrengenden Aufstieg den Berg hoch. Nur fehlt hier der Adrenalinrausch, der leichte Geschmack der Angst auf den Lippen. Doch Tayo war damals auf der anderen Seite gewesen. Er hatte geschlafen bevor die Spanier kamen und erst das laute Knallen der Musketen und die Schreie hatten ihn geweckt. Tayo hatte damals einfach nur Glück gehabt, dass die spanische Strafexpedition nur von einer Seite angegriffen hatte. Auch er hätte leicht unter den Toten enden können.
[1]Das leichte Hüsteln von Kwado holte ihn wieder ins hier und jetzt zurück. Er ist einfach stehen geblieben, mit einer Hand an der rauen Rinde eines Baumes gelehnt. Er muss sich konzentrieren um seinem Atem wieder unter Kontrolle zu bringen, wie immer, wenn ihn diese Nacht einholt. Auch wenn der Vorfall jetzt schon einige Jahre her kommt die Erinnerung immer wieder über Tayo, manchmal kann er vorhersagen, dass es passieren kann und manchmal, wie nun, trifft sie ihn unvorbereitet.
Wie immer kocht sein Hass auf die Spanier hoch, natürlich hatten die Dorfbewohner auch ausgebrochene Sklaven versteckt und ihnen geholfen. Doch Menschen sind frei, nur den Göttern unterworfen. Das Sklaventum ist Tayo nicht fremd, doch man musste seine Freiheit verwirken, man kann nicht einfach gefangen werden und versklavt. Wer ein Verbrechen begeht muss bestraft werden und sollte dieses Verbrechen schlimm genug sein, kann der Geist des Missetäters gestohlen werden. Es gibt eine Mischung aus Kräutern, die den Menschen ihren Willen raubt, sie zu Zombies gemacht. Tayo hat es selbst gesehen, wenn auch nicht selbst durchgeführt. Auch dieser Gedanke trägt nicht dazu bei, dass dem Priester wärmer wird.
Erneut reißt ihn Kwados Hüsteln aus seinen Gedanken: „Entschuldige“, murmelt Tayo vor sich hin, wobei sich seine Füße nicht vom Fleck bewegen. Wieder läuft es ihm kalt den Rücken hinunter. Er guckt sich panisch um doch kann nichts entdecken. Dann schließt er die Augen erneut und atmet tief und gleichmäßig und versucht zuzuhören. Neben dem Rascheln des Windes war da noch ein anderes Geräusch, genau kann er es nicht zu ordnen.
„Die Loas sind unruhig.“, Tayo hat vor langer Zeit gelernt auf sein Gefühl zu hören, auch wenn es keinen spürbaren Grund für dieses Gefühl gibt: „Wir sollten vorsichtig sein, irgendetwas wird geschehen, unsere Reise ist nicht in Gefahr, doch etwas ist in Bewegung, etwas unvorhergesehenes.“
Endlich setzt sich Tayo wieder in Bewegung, mit gleichmäßigen Schritten den Berg hinauf. Dem Kloster entgegen. Er hat sich aufgemacht um etwas über die sogenannten Heiligen zu lernen, die Loas der Christen. Er hat in Erfahrung gebracht, dass es eine Loa gab ‚Maria‘ die besonders verehrt wird und besondere Mächte besitzen soll. Die Götter der Azteken sind ihm nicht fremd, er hat lange genug mit ihnen zusammengelebt und sogar ihre Riten erlernt, soweit es ging. Doch der Glaube der Spanier ist ihm weitgehend fremd. Zwar hat sein Lehrer ihm gesagt, das Teile Voduns auch in den Lehren der Christen steckt, doch Tayo kann es sich nicht vorstellen. Aber es gibt nur einen Weg dies auszuschließen, er muss mehr über diesen Glauben lernen. Vielleicht ist der Gott der Christen nichts anderen als ein Loa Voduns. Dann ist es Tayos Aufgabe dies herauszufinden. Und für dies ist der beste Ort ein Kloster hat er sich sagen lassen. Auch wenn es eine sehr merkwürdige Beschreibung für ein Dorf ist.