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Autor Thema: Wohin die Wärme flieht...  (Gelesen 38695 mal)

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Menthir

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #45 am: 16.03.2017, 21:37:34 »
03. Zima - 49tes Jahr des Neubeginns - In dunklen Gassen und vor dem Bahnhof - Arbamanka - 23:57 Uhr

Langsam zog es sich zu. Die an die Kälte angepasste Feinfühligkeit der Glieder spürte die leichte Erhöhung Temperatur, welche gleichwohl noch nicht als wirklich wärmer bezeichnet werden konnte. Die sternenklare Nacht wurde durch Quellwolken und dann zunehmend von Osten von sich langsam türmenden, weißen Wolkenbergen verdrängt, welche die Nacht heller scheinen ließen. Es brauchte keinen erfahrenen Reisenden oder Wanderer, um ein Gefühl für dieses Wetter zu bekommen. Was dort langsam und fast ohne spürbaren Wind herankroch, war nichts anderes als die erste Schneefront des Jahres.

Unter diesem sich zuziehenden Himmelsgewölbe liefen Djirris und Sawelij durch die frostige und verlassene Nacht. Wer konnte, hatte schon längst eine Suppenküche, sein spärliches Heim oder eine überfüllte Kneipe aufgesucht. Selbst jene Männer und Frauen, die sich für taff und zäh hielten, vermieden das Rumlungern in dunklen Gassen, herum um offene Feuer, in Häusereingangen oder unter den schiefen, rostigen Dächern von Vorhallen und Überständen. Durch die Nacht tönte hier und da das Jiffeln getretener Köter oder die Geräusche einer noch in klirrender Dunkelheit arbeitenden und darbenden Stadt. Hier draußen hörten sich die Brenner, die Schmieden, die Werkstätten nicht nach lebender Industrie an, sie klangen gemeinsam wie das sterbende Röcheln eines metallenen Riesen, dessen Glieder nach Erlösung schrien.

Während sie sich durch Arbamanka schleppten, begleitete sie das Geräusch und während es Sawelij schon die Nackenhaare aufrichten mochte, spürte der angetrunkene Ratling eine besondere Traurigkeit um sein Herz. Wie zwei Trunkene, die sich am Tresen das Herz ausschütteten, alle Hemmung fortgeschwemmt vom starken Geiste, spürte Djirris eine besondere Form der Empathie zu diesem Viertel, wo Schienen geschlagen wurden. Er hörte nicht nur die physischen Schmerzen, die Demjanowka litt. Er spürte auch eine ungewöhnliche Leere, als würde der Stadt etwas fehlen. Als wäre etwas fort, was einst zu ihr gehörte. Ein Phantomschmerz, wie Amputierte ihn angeblich spürten.

Eine verfrorene Leiche holte sie zurück ins Hier und Jetzt. Ein Eisenbahner in der botsmäßigen Kleidung eines Schienenarbeiters lag vor einem Zaun am Werkgelände. Hinter dem bis auf die rostigen Löcher undurchsichtigen Blechzaun stoben die Funken der Arbeit, von hier kam ein Teil der furchtbaren Geräuschkulisse. Der Arbeiter lag still dort, sein Gesicht war blau gefärbt, die sich langsam schwärzenden Finger umschlossen eine runde, klare Flasche. Er sah aus, als wäre er eingeschlafen. Einer der vielen, die sich mit starkem Geist betranken, bis sie nichts mehr spürten und sich dann in die Kälte legten, um ein letztes Mal einzuschlafen. Eine gewisse, trunkene Seligkeit lag in seinem Gesicht. Wieder einer, der nicht mehr konnte, und sich auf diese Weise das Leben genommen hatte. Seine scheinbare Seligkeit konnte nicht über die Schmerzen hinwegtäuschen, die er wahrscheinlich hinterließ. Irgendwo, hinter einem der dunklen Fenster der Wohnblöcke Arbamankas, wartete wahrscheinlich eine Frau und kleines Kind, welche noch nichts ahnend, hofften, dass Vater, dass Mann mit dem hart erarbeiteten Geld heimkäme. Mit dieser Hoffnung froren sie sich bei nur unzureichender Ofenwärme unter zwei dünnen Steppdecken in den Schlaf, hungrig, nur um am morgigen Tag die Hoffnung in Verzweifelung verkehrt zu wissen...

Unweit des Bahngeländes lag die Gaststätte "Zum Bahndamm". Eine der Versuche der großen Arbeitgeber, die langsam murrende Arbeiterschaft auf die eigene Seite zu ziehen. Eine Kneipe für Bahner, in der sie günstiger trinken konnten und auch einmal in der Woche ein schales Süppchen auf Kosten des großen Oberbonzen bekamen. Doch dieser Tag war nicht heute. Eine stählerne Tür, leicht verzogen und klemmend, eröffnete den Weg in ein nach Chlor riechenden Gastraum. Rote, geriffelte Bodenfliesen gewährten nur unbequemen Stand. Metallene Stühle, mit dünnen und roten Polstern zum Sitzen hergerichtet, zierten festgeschraubte Holztische. Es roch nach Rost, Urin und eben Chlor. Ein Metalltresen mit roten Holz verziert wurde von einer dicken, schwarzhaarigen Frau beschützt. Ihre feisten Backen waren rot vor Erschöpfung, obwohl es hier nur unwesentlich wärmer als draußen war. Alle siebzehn Gäste trugen ihre Jacken und Westen noch und klammerten sich an durch eine Küchenhexe notdürftig aufgewärmte Alkoholgetränke. Was erst nach Urin zu riechen schien, war ein rumartiges Getränk, welches in einem großen, gusseisernen Pott auf der Hexe vor sich hinköchelte.
Tatsächlich waren vor allem Bahner hier und die Informationen flossen nicht gerade reichlich. Doch genug, dass Djirris sich einen Eindruck verschaffen konnte.
Zwei Männer tranken von dem furchtbaren Gesöff, schon angeheitert genug, um die anderen Gäste nicht mehr zu beachten. "Hast du auch auf dem Weg gesehen, dass Hosenscheißer sich umgebracht hat?"
"Hosenscheißer?"
"Du weißt schon, Hosenscheißer Hedeon."
"Wieso nennst du ihn noch Hosenscheißer. Braucht es denn keinen Mut, sich in die Kälte zu sterben zu legen?"
"Nein. Es braucht Mut, es nicht zu tun."

Beide zuckten die Schultern und nahmen synchron einen Schluck aus rotlackierten, angeschlagenen Messingsbechern.
"Ist wohl blöd, von einem Volakhi geholt zu werden. Ich mein, die sind alte Männer und man sagt, sie vergehen sich an den Leichen. Da bist schon erbärmlich krepiert, und dann kommt auch noch so..."
"Ach, halt's Maul. Man sagt viel über die Volakhi. Die einen sagen, sie sind Korvettenkapitäne, die anderen sagen, sie sind Rosettenkapitäne. Angeblich sind sie eigentlich Philosophen."
"Was? Wieso Philosophen? Was ist philosophisch daran, Leichen umherzukarren?"
"Willst auch noch einen?"
"Jo. Aber nur noch einen. Meine Schicht beginnt gleich."


Derweil wurde Sawelij in ein anderes Gespräch verwickelt. Mehr von der Seite angequatscht, als wäre er schon immer Teil des Gespräches gewesen.
"Und was sagst'n dazu? Mein Kumpel hier meint, dass'wa um unsere Kinder keine Angst haben bräuchten. Ich find' ja nicht. Sicher, bisher sind nur'n paar Leute verschwunden, die angeblich den Armen geholfen haben. Er sagt ja, dass das jemand von den Bonzen war. Ich glaub das ja nicht, weißte? Das wäre ja blöd. Und die Bonzen haben uns ja ganz gut an die Eier. Die sind also nich' so doof. Die wiss'n ja auch, dass das Unruhe schürt. Ich sag, dass ist 'nen Spinner von'n Psina. Die woll'n Stunk machen."
Zumindest war die Einbindung eine solche, dass er dauernd angesprochen wurde. Aber wirklich für seine Meinung interessierte sich niemand. In einem niveauarmen Dialog konnte Sawelij aber nicht nur erkennen, dass die beiden betrunkenen Bahner glaubten, die Psina würden die Erführungen durchführen. Ein zweiter Part ergab zumindest einen losen Faden, sofern er dem losen und zunehmend besoffenen Mundwerk des Bahners zu entnehmen war.
"Und was sagst'n dazu? Mein Kumpel hier meint, dass'wa um unsere Schicksen keine Angst haben bräuchten. Ich find' ja nicht. Sicher, bisher sind vor allem Männer entführt wurden. Aber wer sagt uns, dass uns're jeweilige Alte nicht geklaut wird. Ich glaub ja, dass wenn sie entführt wer'n, wird keiner sie weit bringen, verstehste? Ist scheiße kalt und jeder Karren, der von keinem Volakhi gezogen wird, wäre auffällig, weißte? Die Leute sind so hungrig, da ziehst du alleine keinen Karren mehr. Nur in Kolonne ziehste, ahnste? Das heißt, du bekommst sie bei der Kälte kaum weg hier, wenn du kein Schiff schaperst oder wie das heißt. Mein Kumpel hat da auch von 'nem Kumpel seinen Kumpel was gehört, hörste? Der glaubt, jemanden zu kennen, der meint, jemanden zu wissen, der erzählt hätte, dass jemand nen stadtbekannten Ork wohingeschleppt hätte. Und zwar auf das olle Feuerschiff, merkste? Wenn ich wen entführen tät, ich würde ihn wohl auch dorthin bringen, wo nur jemand, der jemand kennt, der jemand kennt..., raffste? Geheim und so."

Der Schichtwechsel trieb Djirris und Sawelij auch zurück in die Kälte. Der Himmel hatte sich weiter zugezogen, die Leiche von Hosenscheißer Hedeon lag noch immer verfroren in der Kälte. Jeder zog seines Weges, da noch kein Volakhi in Sichtweite kam. Und so klapperten der noch immer trunkene Djirris, dessen Anwesenheit in der Erinnerung der Leute in das verlassene Bild der Viertels passte und schnell vergessen wurde, und Sawelij, der neue Boss der Psina, Gaststätte um Gaststätte, Trinkhalle nach Trinkhalle ab. Doch an diesem Abend waren die Themen kaum auf den Volakhi. Insgesamt fünf Kneipen durchforsteten sie als sich die Mitternacht langsam und stetig näherte. Sie hatten holzvertäfelte Gasträume gesehen, und hatten sogar eine mickrige Kunstgalerie bewundert, in der eine kleine Nachhut trunkener Künstler auf düstere, surreale Malerei starrte und dabei philosophierte, was wohl der schmerzloseste Weg zu Sterben sei. Während die einen den Weg mit der Flasche Wodka und eine Nacht in der Kälte bevorzugten, behaupteten andere, dass Feuer der Weg sei. Nein, nicht sich verbrennen. Sondern da der Stubenofen sowieso das metallene, fast ungreifbar Paradies war, sollte dieser als Wegweiser in Paradies verstanden werden. Wie das? Alle Luftabzüge abkleben, auch jene möglichen im Raum, sodass keine Luft mehr entweichen könne. Dann ein Feuer entzünden, welches nicht durch Fenster oder Kamin entweichen kann und möglich wohlriechendes Holz für den letzten Akt organisieren, aber zur Not gingen auch Kohlen. Die Gase des Verbrennens können nicht entweichen, und sie seien natürlich giftig, aber er, der unbekannte Künstler wisse natürlich was davon, denn er sei Feuerkünstler dazu. Und deswegen wisse er, dass die Gase einen auch schläfrig machten und man nie wieder erwachte. Aber man müsste keinen teuren Wodka kaufen und auch nicht erfrieren, bis einem endlich warm vor Sterben wurde. Weitläufiger Beifall von neun treuen Gefährten. Hoch die Tassen, den eigenen Untergang feiern.

Mit einem unguten Gefühl verließen Djirris und Sawelij diesen Ort und kamen direkt am Bahnhof Arbamanka vorbei. Zwischen zwei magischen, viel zu grellen Laternen ein moderner Marketender, selbst ein alter Mann mit pockennarbigem Gesicht und müdem Antlitz. An einem mobilen, klappbaren Stand zwischen den Laternen stand er in ausgeblichener Uniform, die schon längst ausrangiert war und wohl vor mehr als einer Generation getragen wurde. Auf dem Stand kleine Schnapsflaschen und Preisschilder. Der alte Marketender stand mit kritischen, hellen Augen davor und fuhr sich durch das licht werdende, halblange weiße Haar, während er auf seine Flaschenauswahl von noch neun Fläschen stand.
"Eine gute Nacht war das bisher. Aber gleich kommt der Schnee, mal sehen, ob ich dann noch was verkaufe." Seine Stimme war vom Alter bereits etwas brüchig. "Wollt ihr auch, dass euch der Volakhi holt? Oder zumindest etwas Wärme für den Heimweg, mhm? Ich tausche gerne meine Waren mit euch. Ich weiß, dass es nicht mehr viel ist. Aber war eine gute Nacht. Naja, für mich. Ich lebe, um noch eine weiteren Sonnenaufgang zu sehen. Noch kein Volakhi für mich."
Es sprudelte aus dem Mann heraus, obwohl er weder Sawelij direkt anschaute oder Djirris besonders beachtete. "Ich würde allerdings nicht weiter durch die Schatten wandern. In der Vorhalle sitzen Männer und trinken meine Vorräte. Ich verkauf euch was und ihr setzt euch dazu. Wir haben gleich Mitternacht, mhm? Ich bin zu alt, mich nehmen die nicht mehr. Aber in letzter Zeit werden hier Leute verschleppt. Junge Männer vor allem, tüchtige Männer am liebsten. Ich wäre da vorsichtig auf den Straßen."
Ein Blick nach Osten zeigte am Himmel nicht nur die Wolkentürme, sondern auch das magische Licht in der Bahnhofsvorhalle, in der zehn, zwanzig männliche Menschen und Elfen saßen und sich gegenseitig wärmten. Die Glasscheiben waren schlecht gegen die Kälte und an manchen hatten sich Eisrosen gebildet, andere waren voll Kondenswasser von den Gästen im Inneren. Im Westen lagen die ersten Wohnblöcke, die meisten Fenster lagen im Dunkeln. Der Alte sprach weiter.
"Ich war mal im Krieg. Ich denke, dass ist der Grund für die Entführungen. Im Krieg desertieren so viele. So viele. Es gibt keine Gründe, dort zu sein. Nur Tod und Schmerz und Horror. Die Schreie. Man vergisst sie nie. Ich war in zu vielen Kriegen." Er starrte an den beiden vorbei, als könnte er nichts mehr fokussieren. Das berühmte Starren eines Kriegers[1]. "Ich glaube ja, sie stehlen tüchtige Männer. Ihr seht nach tüchtigen Männern aus. Sie schicken an die Front. Sterben für das Mutterland. Horror und Blut, Exkremente und Sterben. Welch Belohnung. Kauft eine Flasche, und ich schwöre euch, euch sammeln sich nicht auf dem Holk, mhm?
Im Hintergrund hörte man noch immer das Stöhnen des sterbenden Metallriesen. Langsam frischte der Wind auf. Ängstliche Männer starrten aus der Bahnhofshalle. Der Alte starrte auch, nur auf keinen festen Punkt. Irgendwo im Norden bewegten sich Schatten[2]. Mit dem auffrischenden Wind, das spürte die Kältefeinfühligkeit, wurde es schnell wieder erbärmlich kalt.
 1. Two Thousand Yard Stare
 2. Perception-Wurf
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Sawelij

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #46 am: 27.03.2017, 09:34:46 »
Zuerst war die Nacht recht angenehm. Die Wärme hielt sich gut unter den Mantel. Doch ähnlich wie die verheißungsvollen Wolken fraß sich die kälte wieder hinein. Wenigstens waren die Kleider nicht mehr nass aber Sawelij fühlte sich dennoch nicht wohl. Nicht nur das ihm kälter wurde, er merkte auch wie ihm sein Magen für das flüssige Abendbrot dankte. Ein sehr unangenehmes Gefühl, besonders wenn es nicht weiter mit Alkohol ertränkt werden durfte.

In den folgenden Bars und Kneipen war es aber durchaus schwer dem Magen nicht zu viel zuzumuten. Das von der Seite anquatschen half da zum Glück nicht noch angetrunkener zu werden. Immer wenn er gerade den Becher gehoben hatte, fasste der Arbeiter neben ihm nach seiner Schulter. Nach den ersten Worten, in denen er die Prisma versuchte zu verteidigen, ging Sawelij schnell über in ja, da hast recht. Was anderes würden die Männer eh kaum wahrnehmen. Ihre Vermutungen und Gerüchte waren dafür interessant. Denn gleich ob wahr oder nicht, sie stellten eine Meinung dar. Besonders interressant fand er die Idee über die Volakhi. Sie zum Schmuggeln zu nutzen lag auf der Hand. Ob es dann wirklich Personen waren, wer weiß, doch sie waren überall, jeder kannte sie und jeder wusste was sie transportierten. Kaum zu glauben, dass er selbst nie daran gedacht hatte.

So verging die Nacht mit ihren traurigen Leichen, dem kommenden Schnee und den Ideen zum besseren Tod. Der Rattling konnte sehen wie Sawelij bei den Künstlern aufging, sich angeregt über die kleine Galerie unterhielt aber gleichfalls beim Thema Tod zurückschreckt. Leben hieß für den Elfen wohl etwas anderes, etwas was den Freitod nicht wünschte und doch hatte er durch den Schwur seinen Tod blind besiegelt oder ein sehr langes veerzweiflungsvolles Leben.

Später beim Bahnhof und dem Fusel überlegte Sawelij wirklich ob er etwas kaufen sollte. Es war verlockend sich zu den armen Seelen zu setzten. Er hatte aber kein Zeitgefühl mehr, ob sie nicht los mussten um den Plan des Zwerges zu vereiteln. Auch fühlte er sich beobachtet. Die Nervosität der Bevölkerung ging auf ihn über. Das mochte er ganz und gar nicht. Seine Augen wanderten wachsam umher. Dabei kramte er nach etwas, was er dem Mann geben könnte. “Reicht das für mich und meinen Freund hier?” fragte er und reichte dem Mann ein drei Goldmünzen.

Djirris

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Wohin die Wärme flieht...
« Antwort #47 am: 28.03.2017, 05:17:28 »
Als Djirris zum Himmel hinaufschaute, fragte er sich, ob die gebeutelten Elementare der Stadt ihre freieren Verwandten gerufen hatten, um den Bewohnern ein wenig der Grausamkeit zurück zu geben, die ihnen angetan worden war. Der Gedanke stimmte ihn nicht gerade glücklicher.

Während sie von Taverne zu Taverne wanderten, lauschte der Ratling der Stadt. Es war kein Wunder, daß er weiterhin dem Alkohl zusprach, obwohl er es besser wußte.
Aber was sonst sollte er gegen dieses Gefühl der Leere in sich tun, das die Demjanowka ihm zukommen ließ?
Er war auch nur ein Bewohner dieser Stadt. Und so tat er, was sie taten.
Unbewußt schien auch Muckel in der Tasche diese Leere zu spüren. Djirris konnte ihn spüren, wie er sich wand und hörte dann und wann auch ein mitleidiges Maunzen.

Die Leiche interessierte ihn nur wenig. Jeden Tag gab es welche. Und sie gehörten zur Stadt wie die Lebenden. Sie gaben den anderen Bewohnern der Stadt Nahrung; entweder im wörtlichen Sinne oder weil sie jemandem Arbeit gaben, der sich um ihre Beseitigung kümmerte.
Allerdings waren damit verbundene Gerüchte im nahen Gasthaus eine andere Sache.
Ebenso wie alle anderen Geschichten, Erzähungen und der Tratsch. Trotz seines leichten Rausches und dem unangenehmen Gefühl schrieb er, was er hörte, sorgfältig in sein Notizbuch.

Auch dem alten Kriegsveteran schenkte er ein Ohr. Er war ebenfalls eine Stimme der Stadt, wie jede andere auch. Und damit war es für Djirris nur natürlich, kurz inne zu halten und zuzuhören.
Er selbst hätte dem Mann wohl nichts abgekauft, auch wenn noch immer der Nachhall des Verlustes der Stadt in seinem Herzen zu spüren war.
Was allerdings das Gesagte betraf, machte sich der Ratling um sich selbst keine Sorgen. Die Stadt würde nicht zulassen, daß ihm etwas zustieß. Und wenn doch, dann würde auch das seinen Grund haben.
Trotz seiner Trunkenheit hatte Djirris immer noch ein Gefühl für seine Umgebung.
Die Geräusche der Bahn, die umherhuschenden Gestalten und die Vorboten der zornigen Elementare nahm er mit einer Klarheit wahr, wie es selbst nüchterne Städter selten gelang.



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