Victor hatte wie immer einen Plan, der aus mehreren Punkten bestand. Der Mann liebte seine Listen. Während Tian den Eindruck hatte, die anderen wunderten sich auch ein wenig über die weitreichenden Ausführungen und dachten eher praktisch, war es Katharina, die Victor aufforderte, seine Pläne für ihrer aller Zukunft darzulegen.
Die Städter wollten das ihnen bekannte System schnellstmöglich in die Raublande bringen. Die Söldner einmal nicht mitgerechnet, bestand das Volk also aus im Moment vier ansässigen Personen und sechs Kundschaftern. Tian verstand die Eile nicht, sich nun um Regierung und Gerichtsbarkeit zu sorgen. Oleg ein Bürgermeister? Wollte der Mann das denn - konnte er das - wusste er überhaupt, was zu tun war? Was befähigte ihn denn, ganz allein wichtige Entscheidungen zu treffen? Hatten sie denn beschlossen, hier an dieser Stelle eine große Siedlung zu errichten? So nah an Restow? Das musste er wohl verpasst haben.
Sie hatten keine sichere Versorgung, keine Siedler, keine Jäger, keine Farmer, niemanden, der den Leuten mit Wissen über das Bauen oder Medizin zur Seite stand, nicht einmal ein Gasthaus - aber einen Bürgermeister und einen Richter fanden manche so dringend? Seltsam war das für den jungen Mann, der in einer Gemeinde mit mehreren hundert Seelen aufgewachsen war und nichts davon gebraucht hatte. Führten in den Städten alle Konflikte vor den Richter? Er musste Katharina dazu einmal befragen. Natürlich hatte es in seiner Gemeinde einen Rat gegeben, der hatte sich aus den Alteingesessenen zusammengesetzt. Alles, was die ganze Gemeinschaft betroffen hatte, war dort besprochen worden. Was besonders wichtig war, darüber wurde abgestimmt. In den Städten schien das nicht so zu sein. Wollten Katharina und Victor die Raublande genau nach dem Muster ihrer Länder gestalten? Könnte man das Leben hier nicht anders gestalten...?
Tian würde darüber nachdenken. Zunächst einmal stimmte er Calxu zu, was Jarek und Valko betraf. Er freute sich, dass der Paladin sich so dafür einsetzte, den beiden hier eine neue Chance zu geben. Noch besser, dass Oleg gleich einverstanden war. Nun sollte es dem Besitzer des Handelspostens deutlich leichter fallen, das alte Gebäude wieder instand zu setzen und alle Anwesenden so zu versorgen, dass sie nicht so sehr von Hilfe von außen abhängig waren.
Varis hatte ebenfalls Recht. Sie sollten alsbald in den Wald aufbrechen. Es gab Feen zu finden und Banditen zu stellen. Vielleicht trafen sie unterwegs tatsächlich noch andere Jäger, die sie zum Handelsposten schicken konnten. Das war bestimmt eine gute Idee von Katharina, besonders auch, weil die Umherziehenden Kunde verbreiten konnten von den Vorgängen in den Raublanden. So wie Victor es sich wünschte, könnten Fremde dann auch mit dem Gedanken spielen herzukommen und sich hier etwas aufzubauen.
Dann begann der neue Kämpfer, Kesten, von einem weiteren Banditen zu sprechen und von den Rußschuppen. Tian hatte sich bisher zurückgehalten, trat nun etwas vor und meinte: "Mit euren Kobolden hatten wir auch schon zu tun. Sie haben allerdings mit uns gehandelt. Und weil ihr von Banditen sprecht, sagen euch die Namen Kressel oder Brig Orliwantsch etwas? Wisst ihr vielleicht etwas zum Hirschkönig?" Es war möglich, dass die Neuankömmlinge noch mehr Informationen darüber hatten, was in den Raublanden so passierte. Zumindest fragen wollte Tian.
"Wie lange braucht ihr, um euch hier einzurichten? Jetzt, wo ihr angekommen seit, müssen auch wir wieder unserer eigentlichen Aufgabe nachgehen und das Land weiter erkunden." Tian wäre am liebsten sofort auf das Pferd gehüpft, das er mittlerweile als seines betrachtete (für sich nannte er den großen Braunen nun Brys), und in den Süden geritten um nach den Feenwesen zu sehen. Doch bestimmt wollte der ein oder andere vorher noch Dinge besprechen oder vorbereiten, so dass er sich wohl damit abfinden musste noch ein wenig länger hier festzusitzen. Trotzdem blickte er Kesten erwartungsvoll an.