Während Tian den Karren prüfte und so herrichtete, dass sie, sobald sie hier fertig waren, damit weiterfahren konnten, dachte er noch einmal an das Gespräch zurück, welches er mit Calxu geführt hatte. Die Reisenden kannten sich nun schon eine Weile, doch noch nicht gut genug, um einander wirklich gut einschätzen zu können. Dies hatte Tian auch geantwortet, als der Paladin ihn nach seiner Meinung gefragt hatte.
Zumindest seinen Eindruck hatte er mit dem Drachengeborenen geteilt, was Katharina und Victor anging. „Ich glaube, die beiden sind in mancher Hinsicht von einem ähnlichen Schlag. Ich kenne mich nicht aus mit Städtern oder feiner Gesellschaft und tue mir daher schwer zu sagen, was bei den beiden Fassade ist und was echt.“ Tian dachte an den Kuss zurück und dann an Katharinas Vorschlag, die Leichen an Bäumen verrotten zu lassen, oder gar Körperteile abzutrennen. Zuerst wurde er etwas rot, dann erschauerte er.
„Katharina gibt sich manchmal unschuldig, manchmal berechnend, manchmal will sie führen, manchmal einen Anführer bestimmen. Sie kann süß sein und dann wieder grob in ihren Worten. Sie schauspielert gerne, ist allerdings manchmal voreilig und verfolgt einen Plan, den nur sie kennt.... Mir gefällt ihre Musik.“ Tian blickte zu Calxu und wartete auf eine Reaktion. Hatte er zu unbedacht gesprochen? Der Paladin wartete ab, so fuhr der junge Druide fort.
„Victor spielt auch gerne - und ich bin mir nicht immer sicher, wann. Er plant gerne, führt Listen und überlegt Strategie. Er scheint sehr viel erfahrener zu sein, als er am Anfang unserer Reise gesagt hat. Ich finde gut, dass er Konflikte auch ohne Kampf lösen kann und baue darauf, dass er das auch in der Zukunft schafft. Mir kommt es so vor, als wolle er kein Anführer sein, sehr wohl aber mitbestimmen, wie wir am besten vorgehen. Da ist es gut, dass er mehr weiß, als er vorgibt.“
Nun schlug er sogar vor, einen der Banditen ziehen zu lassen, was ihm vorher bei Olegs noch gänzlich zuwider war. Er konnte also offen auf Situationen reagieren und seine Meinung ändern. Auch dies machte Victor zu einem wertvollen Partner, auch wenn Tian sich sicher war, dass der Mann aus Ustalav ihn selbst eher belächelte, als ernst nahm. Tian war mittlerweile dazu übergegangen, den Braunen zu striegeln. Die Pferde waren versorgt, der Wagen fertig, die Gegenstände aufgeschrieben und reisefertig auf der Ladefläche verschnürt. Der junge Mann nahm das Knacken der Äste wahr, die im großen Feuer barsten. Bald würden sie diesen Schauplatz verlassen. Alles war bereit.
Er drehte sich um und sah sich nach den beiden um. Katharina und Victor, zwei fähige Gefährten, viel bewandter in der Welt als er selbst - aber vielleicht auch trügerischer. Welche Ziele sie verfolgten, würde die Zukunft zeigen.