"Ah, ihr seid es. Sehr gut!" ertönte eine schwache Stimme aus der Richtung des Bettes, als Louis, Katharina und Friedrich, gefolgt von Erich, das Zimmer betraten. "Ich wollte euch ohnehin sprechen. Aber bitte, erzählt doch zunächst, was euch seit gestern alles widerfahren ist - und wer eure bezaubernde Begleiterin ist!"
Tristan sah immer noch deutlich geschwächt aus, doch seine Augen waren wach und offensichtlich war seine Verfassung so stabil, dass er ein Gespräch führen konnte. Körperlich jedoch schaffte er es kaum, sich aufzusetzen, so dass Erich ihm half und ihm mehrere Kissen drapierte, um dem Baron den Rücken zu stützen.
Sodann gaben Friedrich in sachlichem Ton, Louis ausschweifend und mit etlichen Ausschmückungen, sowie Katharina wortkarg und auf das allernötigste beschränkt gemeinsam die Geschehnisse des letzten Tages wider, die der Baron mit etlichen Nachfragen und Kommentaren begleitete. Darauf begrüßte Tristan zunächst Katharina und gab ihr eine kurze Abhandlung darüber, wie die Gruppe überhaupt zusammengekommen war und was bis zu ihrer Ankunft in Freiburg passiert war, bevor er zu seinem eigentlichen Anliegen kam.
"Ich hatte in den letzten beiden Tagen einige Gelegenheit zum Nachdenken, auch und gerade über meine eigenen Fehler. Der Angriff auf die Gaststätte schließlich, und der tragische Tod unserer Kameradinnen, hat mich schließlich zu einer Entscheidung kommen lassen. Aber zunächst möchte ich um eure Verzeihung bitten. Es war unerhört von mir, euch dazu zu nötigen, mich auf diese Reise zu begleiten. Die Art und Weise, wie dies vonstatten ging, kann auch durch den Leichtsinn der Jugend, den man mir gewähren mag, nicht entschuldigt werden. Es war einem Mann von Ehre nicht würdig, und auch wenn ich es nicht rückgängig machen kann, so glaubt mir bitte, dass ich heute alles dafür geben würde, die Gelegenheit zu bekommen, diese Entscheidung anders zu treffen. Der Tod Jelenas und auch Hannahs wird für immer auf meiner Seele lasten, und auch wenn Hannah sich uns erst später angeschlossen hat, so hat doch meine Scharade dies alles ausgelöst.
Doch ich kann zumindest versuchen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Aus diesem Grund, und auch, weil die Wahrheit belegt durch den Angriff offenbar ohnehin in der Welt ist, habe ich entschieden, dass das Versteckspiel ein Ende haben muss. Ich bin Baron Tristan von Naumburg, und als solcher werde ich, sobald Doktor Ledovid dies zulässt, nach Naumburg zurückkehren und mich meiner Verantwortung stellen - und meiner Schwester zur Seite stehen.
Ich weiß nicht, ob Erich es euch bereits gesagt hat, aber er wird mich dabei begleiten: Ich habe ihn in meine Dienste aufgenommen als meinen persönlichen Leibwächter und obersten Koordinator der Verteidigung Naumburgs. Mit seiner Hilfe werden wir uns den Attacken Wirsches entgegenstellen.
Ich weiß, dass ihr anderen niemals in meinen Diensten wart, doch womöglich verspürt ihr so etwas wie Loyalität. Ich persönlich würde es Freundschaft nennen, und ich hoffe, ihr empfindet ähnlich. Jedenfalls entbinde ich euch offiziell von allen Pflichten, die ihr mir gegenüber verspüren mögt - nicht jedoch von eurer Freundschaft, und wann immer ihr in der Nähe von Naumburg seid, hoffe ich, ihr sucht mich auf und lasst mich euch gebührend willkommen heißen.
Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass auch ihr die Gefahren, die den gesamten Eisenlanden durch Wirsche drohen, seht. Und falls ihr weiterhin dabei helfen wollt, diese Gefahr zu eliminieren und den Eisen eine friedliche Zukunft zu ermöglichen, dann würde ich mich freuen, wenn ihr weiterhin versucht, Niklas Träge von einer Einmischung zu überzeugen.
Ich habe mich auf meine Art in den letzten Tagen ebenfalls ein wenig umgehört; vielleicht kann sogar ich euch den einen oder anderen Ratschlag erteilen - auch wenn das unerhört klingt angesichts eurer Meriten. Doch ich denke, ich habe ein gewisses Gefühl entwickelt für die Gruppierungen des Rates und die feinen Fäden, die sich zwischen ihnen spannen.
Es scheint drei einigermaßen gleich große Gruppierungen zu geben, die in sich jedoch ebenfalls nicht einig sind: Die Adligen, die Händler und Handwerker, und die "Anderen". Bei den Adligen habt ihr bereits gute Fortschritte erzielt. Walter von Stein ist auf unserer Seite, und ich vertraue auf euer Geschick, auch Frau zu Castell zu überzeugen.
Von den "Anderen" habt ihr bereits den Universitätspräsidenten für uns gewonnen. Wenn ihr den Viererblock der Händler und Handwerker gewinnt, ist die Mehrheit bereits gesichert - deshalb würde ich vorschlagen, dort anzusetzen.
Ein Unsicherheitsfaktor, und zwar ein großer, ist Thomas von Fahrenbach. Zweifelhaft alles andere als ein Ehrenmann besitzt er wohl Druckmittel für einen großen Teil des Rates. Er könnte alle Pläne durchkreuzen, wenn er uns feindlich gesonnen ist. Daher fürchte ich, früher oder später muss sich jemand mit ihm beschäftigen. Dabei sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder man überzeugt ihn, oder aber man legt ihm ein für alle Mal das Handwerk - was unter Umständen auch die Dankbarkeit derer einbringen könnte, die von ihm unter Druck gesetzt werden.
Also solltet ihr weiterhin an der Sache dranbleiben wollen, und ich bin euch nicht böse, wenn ihr euer Glück woanders suchen wollt, so würde ich euch ans Herz legen, euch um die Handwerker und Kaufleute zu kümmern, und das Thema Fahrenbach anzugehen - auf welche Weise auch immer."