Erst nachdem Solitaire die Einladung angenommen hatte, erhob sich der Mann langsam aus seiner unterwürfigen Position auf dem Boden. Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht holte er nun aus irgendeiner Falte seines Rocks eine schwarze Rose und hielt sie Solitaire entgegen.
"Kein Feuer ist wie das Feuer in den Seelen von Frauen aus fernen Ländern. Schönheit ist die Weisheit der Frauen, und Weisheit ist die Schönheit der Männer."Im Anschluss wiederholte er diese Geste sowie das Präsent bei allen Frauen in der Karawane, auch wenn er bei Ameiko kurz, aber fast unmerklich, stockte.
Erst danach wandte er sich Garridan zu und antwortete auf dessen Frage:
"Aber selbstverständlich. Ihr werdet ausgiebig Gelegenheit bekommen, die Bäder des Palastes zu nutzen, und saubere Kleidung wird Euch ebenfalls zur Verfügung gestellt werden, auf dass der Staub der Straße nicht die Augen unseres gnädigen Herrschers beschmutzen möge.
Vergebt meine Nachlässigkeit, denn ich habe mich den allerverehrtesten Fremden noch nicht vorgestellt. Der Name dieses Unwürdigen ist Chua. Wenn Ihr mir bitte folgen mögt, ehrwürdigste Besucher unserer bescheidenen Stadt." sagte er in Richtung der Reisenden in der Karawane, und gleich darauf, in weit harscherem Tonfall an die Wachen gewandt:
"Los, los, beendet diese Farce, oder wollt ihr Euch den ewigen Zorn des Goldenen zuziehen?"~~~
Es dauerte dennoch eine Weile, bis alle abgeladenen Güter wieder verstaut, alle Wagen wieder bereit gemacht und alle Reisenden wieder auf ihrem Platz waren, und die Karawane dem Diener folgen konnte. Der wiederum lief vorweg und sorgte dafür, dass die Karawane die Straßen überhaupt passieren konnte, indem er Passanten, Gaukler, Straßenhändler und alle anderen, die die Straßen blockierten, barsch anwies, zur Seite zu gehen - was diese, sobald sie ihn erkannten, auch umgehend taten.
Ohne diese Hilfe hätte die Strecke bis zum Palast wohl die fünf- oder zehnfache Zeit gekostet, wenn denn die Wagen nicht einfach in dem Getümmel auf den Straßen für immer steckengeblieben wären. Die Straßen waren gepackt mit Menschen und anderen Völkern, und die Besucher wurden überwältigt von einer Melange aus fremdartigen Gerüchen, einem vielstimmigen Chor von Gesprächen, Ausrufern, Händlern, die ihre Waren anpriesen, tierischen Geräuschen und anderem Lärm, aus dem sie (abgesehen von Solitaire) nur manchmal einzelne Sprachfetzen erkennen konnten, und von den visuellen Eindrücken einer fremdartig wirkenden Kultur.
Zunächst einmal schien hier alles bunter und farbiger zu sein als in ihrer Heimat, und der Kontrast zu dem ewigen Einheitsweiß der letzten Monate konnte größer kaum sein. Auch die Kleidung der Menschen mit oft weit ausladenden Gewändern aus bunten Stoffen war ungewohnt, einen Stil, den auch Chua, ihr Führer, pflegte. Von den Seiten wurde die Karawane bestürmt mit Angeboten: Lebende und auch tote Hühner wurden ihnen entgegengestreckt, aber auch Stoffe oder Waren aller Art - selbst einige Damen, die offensichtlich dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen, zwinkerten den männlichen Reisenden auffordernd zu.
Gaukler und Akrobaten waren allgegenwärtig, und je gefährlicher die Kunststücke, desto größer die Menschenmenge, die dort versammelt war: Eine Frau, die Pfeilschüssen ihres Partners auswich, ein junges Kind, das über ein Seil lief - und unter dem Seil war ein Fass voller Skorpione platziert, oder ein Kämpfer, der Ziegelsteine mit bloßen Händen durchhieb. Gerne hätten einige der Karawanenreisenden an der einen oder anderen Stelle pausiert und sich das Treiben näher angesehen, doch ihr Führer leitete sie ohne Rücksicht darauf weiter.
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Schließlich lichtete sich das Gewirr aus engen kurvigen Gassen, durch das die Karawane von Chua geführt worden war, und vor ihnen erstreckte sich ein weitläufiger Park mitten in der Stadt, der um einen zentralen See herum angelegt worden war. Direkt neben dem Garten lag der Palast des Prinzen, auf den sie nun direkt zuhielten. Hohe Mauern und eine stattliche Anzahl an Wachen ließen nicht vermuten, dass das Volk hier ein- und ausging, doch Chua mit der Karawane im Schlepptau wurde ohne Fragen eingelassen. Es gab Ställe, zu denen die Tiere und Wagen der Karawane geführt wurden, und um die sich (in Sandrus Beisein, der sich nicht abwimmeln ließ) zahlreiche Bedienstete zu kümmern begannen; die übrigen Mitglieder der Karawane jedoch wurden in den weitläufigen Gästetrakt geführt, in dem ein eigenes Badehaus für die Besucher des Herrschers zur Verfügung stand.
Hier sollten die Reisenden sich erholen, waschen und neu kleiden, bevor sie später am Tag von Prinz Batsaikhar empfangen werden würden.
"Wenn Ihr irgendeinen Wunsch habt, nennt ihm einer der Dienerinnen, und sie wird ihn sogleich zu erfüllen suchen. Ich lasse Euch nun in Ruhe Euren Angelegenheiten nachgehen. Sobald Ihr fertig seid, sagt eine Dienerin Bescheid - sie wird mich informieren, und ich werde Euch dann mit den Regeln am Hofe vertraut machen."