Unendlich müde reibt Rauvid sich seine Augen und seufzt tief. Das Dunkel im Gemeinschaftsraum und das unüberhörbaren Schnarchen der anderen Gäste machen klar, daß es noch viel zu früh zum Aufstehen ist. Doch an Schlaf ist wieder nicht mehr zu denken, und so verharrt er regungslos auf seinem Strohlager, minutenlang, stundenlang. Nach und nach beruhigt sich sein Atem, und seine Gedanken werden klarer. Nach und nach verblaßt der Traum, zumindest für heute Nacht.
Ich hätte doch ein Einzelzimmer nehmen sollen, dann könnte ich jetzt Licht machen. Dann erinnert er sich an seine letzte Nacht in einem solchen Zimmer und dem Erwachen aus diesem elenden immer wieder kehrenden Traum und den Moment der Panik, der Angst jetzt wirklich in dem Verlies zu sein. Dann doch lieber Übernachten im Gemeinschaftsraum. Skelette schnarchen nicht, und schon garnicht im tiefen Bass der beiden Zwerge welche wohl gerade einen Wald um die Wette abholzen.
Rauvids Gedanken fangen sich wieder in der endlosen Spirale die er schon seit längerem immer und immer wieder denkt, jede Nacht seit seiner Erkenntnis, nach jedem Traum auf's Neue. Warum ich? Warum haben mich die Götter ausgewählt für was auch immer? Ist es ein Segen oder ein Fluch meine Kindheit so hinter mir zu lassen, abgetrennt vom Jetzt. Was verliere ich, was gewinne ich? Werde ich je die Antwort darauf kennen? Warum ich, warum ich...
Stunden später, beim ersten Morgengrauen, ist Rauvid als einer der ersten auf den Beinen, und draußen um sich mit eiskalten Wasser einigermaßen wach zu bekommen. Er nimmt noch ein kräftiges Frühstück, und dann ist er schon wieder unterwegs, Richtung Baldurs Tor. Die Landschaft welche an ihm vorbei zieht nimmt er schon lange garnicht mehr wahr, so erschöpft ist sein Geist. Meile um Meile legt er zurück, ohne einen Gruß von anderen Reisenden zu erwidern, ohne größere Pause, ruhelos zieht es ihn Richtung Stadt.
Am Stadttor angekommen muß ihn der Torwächter ein zweites Mal ansprechen ehe er auf die Fragen antwortet und schließlich mit einem Grunzen weiter geschickt wird. In einer so großen Stadt sollte sich doch Hilfe, egal welcher Art, auftreiben lassen, doch wo soll er mit der Suche beginnen? Er weiß es nicht, und so läßt er sich zunächst planlos von den Massen mit tragen, Augen soweit offen wie es sein müder Geist zuläßt, ziellos, aber mit einem Schimmer Hoffnung...