Während Jonatos mit Ugnor nach oben und der Rest nach unten gegangen war, war Audhild mit Durmain und dem Gefangenen zusammen in dem Schauplatz des Kampfes geblieben. Wie für eine Angehörige ihres Volkes verpflichtend hatte sie sich mitten ins getümmel gestürzt. Aber wieder hatte sie nicht verhindern können, dass mit Stedd einer ihrer Schutzbefohlenen fast zu Tode gekommen wäre.
Was bin ich eigentlich? Eine Kämpferin, die für ihren Gott stirbt? Oder eine Dienerin, die für ihren Gott Leben bringt? Moradin, Zwergenvater, was mache ich falsch, dass so viele meiner Taten nutzlos sind? Bin ich zu selbstsüchtig und egoistisch, um meine eigentliche Aufgabe zu erkennen? Wieso können die anderen sich ihres Platzes in der Welt so sicher sein? Wieso erkennen sie den Weg, wo ich nur Nebel und Dunkelheit erkenne? Wieso...
Ein Surren. Audhild blickt auf und sieht, wie Lugh den Kopf nach hinten wirft, einen schwarzgefiederten Pfeil in der Kehle. Wie in Zeitlupe sinkt er nach hinten, ohne einen Laut von sich zu geben.
Durmain reisst entsetzt die Augen auf. Seiner Kehle entringt sich ein lauter Schrei.
Ein Blitzen. Ein Schatten huscht rasend schnell an der Priesterin vorbei. Krachend landet eine Faust an Durmains Hals und aus dem Schrei wird ein Gurgeln. Dann bricht auch der Wächter zusammen.
Der Schatten beugt sich über den Wirt. Grüß den Halbling von Marela. lacht er. (Marela?). Dann wendet er/sie sich zu Audhild. Die Zwergin will zur Waffe greifen.
In diesem Moment spürt sie den Schmerz. Ihre Hände liegen längst um ihren Hals geklammert. Sie will schreien, doch ist ihr Mund voller Blut. Blut, das auch an der Waffe klebt, die Marela in der Hand hält, die sie mit starrem Blick fixiert. Ein kurzes Zögern, dann lacht die Assassine ein zweites Mal leise und, ohne weiter auf Audhild zu achten, huscht sie wieder nach draussen.
Audhilds Beine knicken ein. Langsam sinkt sie an der Wand, an der sie zuvor gelehnt hat, nach unten. Ihr Blick verschwimmt, und sie sieht eine Wand aus Schwärze auf sich zukommen.
DU bist für mich gestorben. Doch DEIN Dienst geht weiter. Wusstest DU nicht, dass kämpfen und dienen für mich dieselbe Bedeutung haben?
Die Stimme in ihrem Kopf ist streng, doch voller Wärme, und Audhilds Herz wird von der Freude erfüllt, dem Zwergenvater gut gedient zu haben. Dann ergibt sie sich der Dunkelheit.
...
Als Ugnor und Jonatos unten ankamen, erwartete sie ein Bild des Grauens. Der Gefangene lag, einen schwarzgefiederten Pfeil in der Kehle, am Boden. Ebenso Durmain, dessen Hände sich um seinen Hals gekrallt hatten und der panisch nach Luft schnappte. Um die Leiche Audhilds herum hatte sich eine Blutlache gebildet, dass nach wie vor aus einer klaffenden Wunde am Hals strömtte. Seltsamerweise lag ein friedliches Lächeln auf ihrem Gesicht, so als sei ihr kurz vor ihrem Tod noch etwas wunderbares widerfahren.
Ghini trat von draussen wieder nach innen in die Mühle, Grauen in ihre sonst starren Gesichtszüge eingemeisselt.
Draußen... alle tot... wer tut so was?