Nach der Untersuchung der verzauberten Fundstücke lässt sich Lilja von der allgemeinen schläfrigen Stimmung anstecken. Gähnend steht sie auf, kehrt zu ihrem und Jareds Rucksäcken zurück und hilftt ihrem Liebsten, ein möglichst weiches und bequemes Nachtlager mitten in diesem toten, unwirschen Land herzurichten.
Die Karrn wünscht ihren Gefährten winkend eine gute Nacht, bevor sie Wappenrock und Kettenhemd abstreift und sich neben Jared, sobald er soweit ist, hinzulegen und sich an ihn zu kuscheln. "Schaf schön, Süßer," schnurrt sie verliebt und beruhigend, "damit es dir morgen gut geht. Ich liebe dich." Das Mädchen gibt ihrem Liebsten einen Kuss und legt den Kopf auf seine Brust, wo sie allmählich einschläft.
Die Träume der Totenbeschwörerin sind diese Nacht lebhaft, aber wirr; sie sieht Schatten gefallener Krieger, Bewohner des Elsir-Tales und Soldaten der Roten Hand, doch sie alle vermischen sich zu wirbelnden Strömen. Über dem Seelenstrudel thronen einander gegenüber zwei verschwommene Gestalten - ein uralter lebender Toter und eine Elfe mit tiefem, strengem Blick: der Geisterlord und Sellyria. Neben den beiden tauchen langsam wabbernde Figuren auf, untote Diener und Vassalen und elfische Krieger und Schützen. Unter den letzteren glaubt die träumende Nekromantin, Baellana zu erkennen, dafür aber einen blassen, dünnen Schatten Lyndwyns neben dem Untotenherrscher. Sie selbst kann nur zuschauen, wie die Luft sich mit Anspannung füllt; in ihrem Bauch beginnt sich derweil etwas zu regen. Doch Lilja kann nicht herunterschauen, kann sich nicht berühren; ihr wird schwindlig, sie gerät in Atemnot, spürt sanft eine Berührung an ihren Schultern...
Ein Lichtbiltz...
Mit einem Niesen wacht die Generalstochter plötzlich auf und starrt ins getrübte Sonnenlicht. "Schon so spät," reibt sie sich die Augen und stellt verwundert fest, dass sie trotz der späten Stunde außer Storm die einzige wache ist. Da sie fürchtet, gleich wieder von der allmorgendlichen Übelkeit übermannt zu werden, drückt sie dem schlafenden Jared rasch einen Schmatzer auf die Wange und schlüpft unter der Decke hervor. Mit einem Wasserschlauch in der Hand rennt sie zum Stein hoch, hinter dem die Gruppe gestern Ben gefunden hat. Dass außer der Abenteurer hier noch jemand ist, hat die schwangere Karrn über Nacht vergessen, und bleibt deshalb schockiert wie angewurzelt stehen, als sie wenige Schritte vom unermüdlichen Kriegsknecht entfernt einen selig schlummernden, nach Branntwein oder gar Schlimmerem riechenden Mann sieht.
Es dauert etwas, bis Lilja sich an die gestrige Begegnung und auch ihr Vorhaben erinnert. Auf leisen Sohlen schleicht die Totenruferin weiter weg, um dem großen Felsbrocjen auf die Knie sinken zu lassen und tief durchzuatmen. Nach mehreren Minuten gelingt es ihr, den Würgereiz niederzukämpfen; mit dem Wasser aus dem Schlauch erfrischt sich das Mädchen, wartet noch etwas ab, bis sie sich sicher und besser fühlt, und pirscht dann zum schlafenden Trunkenbold zurück und legt einen Finger auf die schelmisch verzogenen Lippen, um Storm zu bedeuten, er möge ruhig bleiben.
Auf Zehenspitzen nähert sie sich Ben, entkorkt den Schlauch, aus dem sie nur ein paar Schluck getrunken hat - und entleert das Gefäß direkt über dem Kopf des Mannes. Mit triumphierendem, fröhlichem, klangvollem Gelächter bringt sie sich rasch hinter dem großen Steinbrocken in Sicherheit, verharrt regungslos und lugt vorsichtig hervor, bereit sofort den Kopf einzuziehen.