Der Hohepriester nickt zustimmend, nach dem sich alle vorgestellt haben. "Habt Dank. So will ich Euch nicht länger im Unsicheren lassen, was ihr zu so früher Stunde hier tut."
Er schaut zum Altar, und auf das darüber befindliche Fresko, uns deutet darauf. "Im Sinne und Glauben Dol Arrahs vertreten wir die Göttliche Herrschaar in Diamantsee. Viel geschieht hier, was weder gut noch rechtens ist. Doch die Hände Tolliver Traks sind durch das Gesetz gebunden, denn er ist nicht das Gesetz, sondern der Verteidiger Brelands, und das Gesetz in Diamantsee hat derjenige mit der dicksten Geldbörse auf seiner Seite. Seit meiner Ankunft hier versuchen wir, zu tun was wir können, um dem Verfall einer ganzen Gemeinde Einhalt zu gebieten. Dieser Kampf allein ist schwer genug.
Fremdenfeindlichkeit, Gier und Mordlust sind an sich nichts Neues hier. Und einen Toten im Wilden Hund könnte man als einen von vielen vergessen. Und genau dies ließ mich aufhorchen, als Melindé mir berichtete. Jemand will einen Kaarn tot sehen. Auch das ist nichts Ungewöhnliches."
Er blickt zu Vorik und verbeugt sich leicht. "Wenngleich es mich beschämt." Dann fährt er fort, sein Tonfall ernst:
"Allein dass ich davon weiss, macht es mir unmöglich, zu ruhen. Das Opfer war jung und verdient Gerechtigkeit, der Täter ist vielleicht nicht einmal ein solcher. Für das Wohle der Gemeinschaft allein müsste ich den Hintergründen nachgehen, oder meinen Glauben in Frage stellen.
Nun kämet ihr ins Spiel, denn nachdem meine Mannen erst kürzlich mit den Gehilfen des Sherrifs in Konflikt geraten sind, kann ich Melindé nicht schicken, oder der Konflikt mag offen eskalieren, und Tolliver darf von Gesetzes wegen nichts tun."
Er seufzt hörbar.
"Kain'Ar hier kam erst kürzlich zurück. Ich weiss, Du suchst nach einem Sinn. Die Einkehr allein wird Dir diesen nicht liefern. Ein Leben, vielleicht zwei zu retten, mag dies tun.
Vosker Tarkad. Mit Interesse und Sorge zugleich habe ich Euch beobachtet. Der Ausgleich den Ihr zu erzielen sucht, und den Diamantsee so dringend benötigen mag, mag stark von diesem Einzigen Karrn abhängen.
Und Ihr, Vorik Dorn. Eure Motive sind mir nicht klar, doch weiss ich, dass Ihr die Wahrheit sprecht. Und das tun in Diamantsee nicht viele.
Largetin. Du bist noch sehr sehr jung. Aber Allustan hält sehr große Stücke auf Dich. Er scheint sich, wie auch Melindé, nicht zu täuschen. Dein Wissen, und das deines Meisters, wird nun benöitg."
Er nickt Melindé zu, und diese fährt fort: "Die Jugendlichen im Wilden Hund haben sich wohl mit dem Karrn und dem Gnom über das Flüstergrab unterhalten. Mir erschien es bedeutungslos, ich kenne es nicht. Aber es könnte ein Ort sein, zu dem man fliehen könnte, wenn man nur verzweifelt genug ist. Schätze sollen dort liegen, für den, der sie finden mag."
Sie schaut zu Valkus Dun herüber, dessen Miene sich weiter verfinstert hat. Dieser ergreift wieder das Wort, und seine Stimme wird lauter, eindringlicher:
"Auch mir erschien es anfangs abwegig, doch ein Gebet erwies, dass ohne Eure Hilfe Unheil droht. Ich habe daraufhin einen der mächtigsten Zauber gesprochen, die Dol Arrah mir zuteil werden lässt, um mir Einsicht zu verschaffen. Doch die Botschaft hat mich verwundert, um nicht zu sagen, sehr besorgt. Denn es war keine Antwort auf die Frage, die ich stellte. Ich fragte: „Ist das Leben des Kriegers aus Karrnath in Gefahr?“. Doch die Antwort lautete:
„Wenn der Schild der Wache fällt, erhebt sich die Dunkelheit aus dem Staube, in Blut getränkt.“
Er macht eine kurze Atempause, dann fährt er, nun ruhiger, fort:
„Ich möchte Euch um etwas bitten. Zum einen: Findet die beiden Flüchtigen, bevor dies ein anderer tut. Und, wenn nötig, beschützt sie. Es wird nicht zu lange dauern, bis jemand auf ihre Fährte kommt, spätestens in der Helligkeit, wird auch jemand anderes als Merris Sandovar ihre Fährte suchen. Ich weiß die Bedeutung der Ereignisse nicht zu werten, doch ich muss weiter nachforschen. Largetin, Du weißt, wo dieses Grab ist. Obwohl Du es nicht solltest, ließ dein Meister mich wissen. Mit Voskers Hilfe wirst Du eure Gruppe führen können.
Zweitens, findet heraus, was es mit dem Todesfall auf sich hat. Aber seid vorsichtig. Begebt Euch nicht in Gefahr, und passt auf Largetin auf. Es war nicht leicht, Allustan davon zu überzeugen, ihn gehen zu lassen.
Drittens, und dies mag wichtiger sein, als uns allen klar ist. Wenn ihr könnt, schaut Euch ein wenig um in diesem Flüstergrab. Seid auch hier vorsichtig, und wenn ihr nicht weiter wisst, so fragt um Rat. Allustan weiß bestimmt einiges darüber in Erfahrung zu bringen.“
Er schaut die vier jungen Männer vor ihm nachdenklich, mit einer Spur von Sorge an.
„Die letzten Nächte des Eyre waren düster, doch ich habe das ungute Gefühl, die kommenden Nächte werden diesen in nichts nachstehen.
Was sagt ihr?“