Marduk schlägt die Augen auf. Sein Körper bebt vor freudiger Erregung und sein Verstand ist verschleiert durch die hochtrabenden Freuden des Endes der Welt. Wenige Sekunden schwelgt er in dieser süßen Vorstellung, dieser wundervollen Realität ehe er sich wieder dem Grau des Gesteins bewusst wird, der Enge der Mauern und der Hoffnungslosigkeit seiner Situation.
“Jede Nacht wieder dem Khyber so nahe. Jede Nacht die Umarmung Xoriats und jede Sekunde ein Fest der Freuden. Ein Traum. Meine wahre Bestimmung, mein wahres Leben. Meine größte Verfehlung.“
Der Kultist bemerkt im ersten Moment nicht die offensichtlichen Veränderungen an der Anstalt. Satt dessen suhlt er sich in dem immer wiederkehrenden Traum. Eine bessere Realität oder Phantasie?
“Wieder die Macht erlangt und das Siegel gebrochen. Wieder diese Narren ausgetrickst und wieder so viel gelernt. So viel erreicht. Warum ist mir diese Leben nicht bestimmt, wenn ich es doch bin in diesen Träumen? Nein Visionen. Warum nicht?“
Von Zweifeln geplagt schwingt er sich aus der liegenden Position auf und sitzt aufrecht auf der schmalen, fast kaputten Pritsche. Sofort schweift sein Blick in dem fast völlig leeren Raum umher. Erst jetzt bemerkt Marduk die Veränderungen. Die fehlende Hektik auf den Gängen und die Schmerzensschreie, welche Labsal für seine Seele sind. Aber auch irgendetwas dunkles liegt in der Luft, etwas furchteinflößendes. Es ließ ihn schaudern und lächeln. Gerade will er seinen zersplitterten Verstand bemühen, um sich einen Reim darauf zu machen, als er eine Stimme vernimmt. Direkt hinter ihm. Seine Stimme.
“Wenn du weniger träumen würdest und zielgerichteter wärst, würdest du bestimmt nicht hier drin sitzen. Außerdem hättest du dann nicht so lange gebraucht deine Chance zu wittern, du hättest sie ja fast sogar wieder einmal verpasst. Warte ich vergaß, wenn du Geduld und Weitsicht besitzen würdest, würdest du nicht mal hier drin sitzen. Versager. Solche Wahnsinnigen wie du dienen wirklich nur als Futter für die Ankunft der Daelkyr. Als Leichen, welche ihren Weg zum Ruhm pflastern. Du bist erbärmlich und nur ein blinder Mitläufer.“
Sofort spannt sich der Körper des Klagers an und mit einem Satz springt er vom Bett, dreht sich wutschnaubend um. So entdeckt er den Träger der Stimme. Marduk ir´Serendrey, der Priester und Orakel des Khybers, der Daelkyr und Xoriats. Marduk nimmt kaum die Gestalt war, während er sich im Strudel der beiden Pechschwarzen Augen verliert. Diesen unverkennbaren Symbolen der Segnung. Der Barbar braucht einige Augenblick ehe er sich fängt.
„Das muss ich mir von einer Traumgestalt nicht anhören. Immerhin habe ich einen Körper und was bist du? Nur eine Seele ohne Körper, vielleicht sogar nur ein Traum. Wenigstens habe ich ein Leben, Priester.“
Die Gestalt lacht nur auf und lächelt.
“Vielleicht bist du nur das Traumkonstrukt? Wer sagt, dass du träumst? Vielleicht bist du der Traum. Kannst du dir überhaupt sicher sein zu existieren. Immerhin könnte ich existieren. Hast du dich nie gefragt, warum diese Träume so real sind, dich so sehr in Hochstimmung versetzen. Ich habe alles erreicht und du bist nur ein erbärmlicher Versager der dem Rausch der Wut, dem Hunger Xoriats nachgegeben und sein Ziel verloren hat. Erbärmlich.“
Mit einem knackenden Geräusch kracht Marduks Faust gegen die Wand. Schmerz durchflutet seine Hand und wird ebenso wie die Wand in Mitleidenschaft gezogen. Erfreut lächelt der Klager sein anderes Ich an.
„Schmerzen. Deshalb lebe ich und bist du nicht echt. Solange ich Schmerzen habe lebe ich. Außerdem bist auch du nicht perfekt. Bist in die Falle gegangen und hast dich aufgegeben. Ich habe es gespürt.“ Blafft er mit einem wölfischen Grinsen zurück.
Der Priester scheint aber nicht beeindruckt.
„Du hast keine Ahnung. Schmerzen bedeuten gar nichts. Man kann sie einem niederen Kreaturen nehmen und geben wie einen Mantel. Auch in deinen Träumen kann man dich mit Schmerzen plagen. Du beweißt nichts, außer deine Unfähigkeit auszubrechen. Du solltest nicht mehr Zeit verschwenden und ich habe Xoriat nach Eberron gebracht. Bin ihr Herold geworden, aber was verstehst du schon davon. Nutze lieber deine Chance und denk endlich nach. Man kommt nicht soweit in dem mit der Tür in das Haus fällt. Aber Tücke und Hinterlist waren die ja schon immer fremd.“
Marduk schüttelt den Kopf.
“Immer wieder dasselbe. Aber ich muss hier raus. Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Pirschend nähert er sich der Tür und schlägt mit voller Wucht dagegen. Testet wie so oft die Stärke seines Gefängnisses und hofft vielleicht auf eine Reaktion. Von was auch immer.
“Sehr subtil und unauffällig, Marduk. Wenn du so weiter machst kommen wir sicher bis in den nächsten Raum. Vielleicht sogar bis zu den Medikamenten.“ verhallt die beißende Stimme seines anderen Ichs mit einem Gelächter in seinem Kopf.