Argril öffnet deine Augen, Schwächling. Argril zeigt dir die Pfade. Aber dann will Argril von Jarek lernen.
Ein kurzes Aufblitzen nahe des Eingangs zog Beldins Aufmerksamkeit auf sich. Es ähnelte dem Licht, das er vor dem Kerker gesehen hatte, war aber gleich wieder verschwunden.
Sieh hin! zischte Argril. Nicht mit den Augen, mit dem Herz. Die Augen folgen.
Ohne, dass Beldin etwas dagegen hätte tun können, brodelten in ihm erneut die Gefühle von Hass und Wut auf. Doch etwas war diesmal anders. Die Gefühle waren nicht seine, aber es waren auch nicht ausschließlich die Emotionen Argrils. Es war, als würde etwas von außen auf ihn einströmen.
Sieh hin! befahl der Geist erneut. Und dann sah Beldin es.
Das Licht flackerte erneut auf, wurde größer, verwandelte sich in einen Strom ätherisch leuchtender Fäden, die wie Wellen durch die Realität glitten, durch das Tor des Kerkers hindurch, nicht aufzuhalten durch simple Materie.
Der Strom des Lichts glitt durch den Kerker, wand sich in dem Gebäude umher wie eine träge Schlange, oder vielmehr wie tausende Schlangen, die zu einer vereint waren. Und Beldin spürte, wie von jedem dünnen Strang aus Licht eine Emotion ausging. Der Elf konnte die ganze Komplexität der möglichen Emotionen spüren, wurde überwältigt durch all die Gefühle der Bewohner von Himmelstor, und doch wusste er, dass er nur einen Bruchteil dessen wahrnahm, was tatsächlich in diesem Lichtstrahl verborgen war.
Plötzlich zuckte der Lichtstrahl, machte eine schnelle, heftige Bewegung zur Seite - und Beldin stand mitten im Licht.
Sieh hin! forderte Argril ein weiteres Mal. Sieh hin und spüre!
Für einen kurzen Moment verlor Beldin sich selbst. Die Flut der Gefühle war zu überwältigend; er schien aus nichts anderem mehr zu bestehen. Haß, Liebe, Trauer, Angst, Freude, Hoffnung, ein zerbrochenes Glas, ein Kuss, ein guter Handel und eine Hochzeit, unzählige Gefühle und damit verbundene Ereignisse durchströmten den Elfen. Und inmitten dieser stummen Kakophonie erkannte Beldin ein Zentrum, eine dunkle Mitte, angezogen von der emotionalen Finsternis, die sich im Schwarzen Kerker über die Jahrhunderte ausgebreitet hatte.
Lausche! Lausche dem Träumer!
Es war nicht wirklich eine Stimme, die Beldin wahrnahm. Es gab keinen Begriff für das, was er erlebte. Eine Präsenz hatte sich in die Dunkelheit inmitten des Stroms aus Licht geschlichen, eine Wesenheit, die sich gänzlich dem dunklen Strom hingab, ihn aber auch kontrollierte. Es waren Einflüsterungen, nur gering, aber sie genügten, um vage Ängste zu schüren. Und dann war da noch etwas anderes.
Das Wesen schwomm nicht nur in dem Strom, es war zu einem Teil des Stroms geworden. Und konnte so in jeden eindringen, der selbst ein Teil dieses Gefühlsnetzes war. Und Beldin spürte, wonach das Wesen suchte... es waren die Edlen, die Selbstlosen, jene Individuen, die anderen halfen und ihnen Mut machten.
Dann bewegte sich der Strom wieder weiter, schwenkte zur Seite, verließ Beldin. Dennoch konnte der Elf die dunkle Präsenz in dem Licht sehen. Wie einen Faden, der sich von einem Punkt irgendwo außerhalb des Kerkers bis hierher - und vermutlich auch weit darüber hinaus - durch den Strom aus Licht zog. Ein Faden, dem man folgen konnte, bis zu seinem Ursprung.
Ein leises, gehässiges Lachen erfüllte Beldins Geist. Ein Lachen, und das Wissen, dass Argril es genießen würde, den Dunklen Träumer sterben zu sehen.