Kay hörte zunächst den vielen Fragen und Äußerungen von Waldemar, Milan und Eretria zu, bevor sie leise gackerte. "Ach, ihr jungen Leute, so viel Energie... manchmal bin ich richtig neidisch. Gebt mir einen Moment, um mein altes Gedächtnis in Schwung zu bringen, dann versuche ich, alle eure Fragen zu beantworten."
Sie schloss kurz die Augen, und atmete einmal tief durch. Dann wandte sie sich an Waldemar. "Was dort den Körper des verwandelten Opfers verlassen hat, war ein Seelenanteil. Ich weiß nicht, ob ihr ihm hättet folgen können... welche Spuren hinterlässt eine Seele? Weißt du es? Aber der Seelenanteil muss zum Körper des Träumers zurückgekehrt sein, also hier her. Ihr habt also auf jeden Fall den richtigen Weg eingeschlagen."
Dann sprach sie zu Milan. "Der Träumer wählt nicht die reinen Herzen als Opfer. Er fährt in die Körper jener, die für andere, für Schwächere kämpfen. Diese Leute halten ihre Herzen vermutlich selbst für rein, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft sehr egoistische Absichten dahinter stehen - die den Leuten selbst nicht bewusst sind. Aber hier werden wir philosophisch, das sollten wir uns für ein anderes Mal aufbewahren."
Sie kratzte sich kurz nachdenklich am Kinn, vermutlich bei dem Versuch, die übrigen Fragen aus ihrem Gedächtnis abzurufen. "Ich weiß nicht, ob ich gleich von einem Gott sprechen würde. Es ist nicht unmöglich, aber es kann ebenso ein böser Naturgeist oder vielleicht auch nur ein böser Magier sein. Vielleicht jemand, der einen Hass auf die Stadt hat, aus welchem Grund auch immer. Mit dem wenigen, was wir bis jetzt wissen, lässt sich das unmöglich beantworten. Sicher ist nur, dass es ein größeres Ziel gibt, wie auch immer das aussehen mag."
Schließlich wandte sie sich an Eretria. "Mein Mädchen, ich habe mein ganzes Leben auf dieser Welt der Beantwortung von Fragen gewidmet. Du musst dich wirklich nicht dafür entschuldigen, und das weißt du auch. Lassen wir doch diese Spielchen, ja?"
Trotz der Kritik blieb Kays Stimme freundlich, und sie fuhr ohne Zögern fort. "Die Karte, die ich wieder hineingesteckt habe, betraf nur mich selbst. Ich stelle mein Wissen gern anderen zur Verfügung, aber das heißt nicht, dass ich keine eigenen Absichten und kein eigenes Leben habe. Und manchmal frage ich die Karten auch Dinge, bei denen es ausschließlich um mein Leben geht."
Sie zögerte einen Moment, dann fügte sie hinzu: "Ich möchte nur so viel verraten, dass ich meinen Entschluss, die Stadt zu verlassen, beibehalten werde. Es ist ein Jammer, dass ich gar nicht erst die Gelegenheit hatte, meinen Laden hier zu eröffnen, aber offenbar ist die Zeit für einen anderen Weg gekommen."
Schließlich lächelte sie die Priesterin freundlich an, und schüttelte den Kopf. "Beldin trägt einen bösen Geist in sich, aber der hat mit dem Träumer nichts zu tun. Ganz im Gegenteil, Beldins Geist würde den Dunklen Träumer gerne leiden und sterben sehen. Der Träumer befindet sich irgendwo hier am Ort des mystischen Sterns. Aber die Aura des Sterns ist groß, und er könnte ebenso gut einige Meter über, unter oder neben uns sein. Wenn ich einen solchen Plan ausgeheckt hätte..." Sie schwieg kurz, blickte sich um, und schien über irgendetwas nachzugrübeln. "Um die mystischen Energien möglichst gut zu nutzen, und dabei dennoch gut versteckt zu sein... ja, ja, ich hätte mir ein Versteck genau unterhalb dieses Ladens gesucht. Entweder gibt es einen geheimen Zugang, oder der Träumer ist durch Magie dorthin gelangt."