Das Licht der Kerze tauchte den kleinen Raum in ein sanftes, flackerndes Licht. Obwohl Beldin wusste, dass der Mann vor ihm kaum die Fünfzig überschritten hatte, wirkte er viel älter, dem Tode näher als dem Leben. Ausgezehrt, ergraut und mit eingefallenen Wangen, blickte ihn der Alte aus verweinten Augen an.
"Ich weiß, dass du sie geliebt hast. Ich habe darauf gehofft, du würdest einen Weg finden, ihr in dieser schrecklichen Welt ein schönes Leben zu schenken. Ich, weiß, dass du es versucht hast. Bei den Göttern, Jarek, ich hätte nie geglaubt, sie einmal so glücklich zu sehen, wie sie mit dir war."
Beldin hörte eine Stimme. Es war seine eigene. Oder vielmehr, die Stimme Jareks. "Und doch ist nun alles vorbei. Mandrek, sie haben sie uns genommen! Deine Tochter und meine Liebste. Willst du es einfach so hinnehmen?"
Mandrek schüttelte den Kopf. "Jarek, glaube mir, ich verstehe deinen Zorn. Aber du ahnst nicht, was hier vor sich geht. Es ist... du weißt, dass ich einst ein Magier war."
Beldin - Jarek - nickte. "Und du hast aufgehört, weil dir das Gute wichtiger war als die Macht."
Wieder schüttelte Mandrek den Kopf. "Nein, nicht ganz. Es war... meine Tochter. Meine Tochter wurde geboren. Als ich ihr in die Augen sah, das allererste Mal, da wusste ich, dass ich den Weg nicht weiter gehen konnte. Erst in den Jahren danach begriff ich, was eigentlich auf dieser Welt geschehen ist."
Jarek zögerte. "Und was wäre das?"
"Die Blutpriester, die Kaufmannsgilde, der korrupte Rat und die gnadenlosen Soldaten... Jarek, die Welt, wie sie heute ist, hat sich zu schnell verwandelt. Mein Großvater hat mir noch davon erzählt, wie die Kaufmannsgilde einst hoch geschätzt war. Natürlich waren sie auf ihren eigenen Gewinn bedacht, aber sie haben auch viel Gutes getan. Und die Armee hat die Bürger beschützt, anstatt sie zu drangsalieren."
Verächtlich schnaubte Jarek. "Sie sind eben korrupt geworden. Die Macht hat sie verdorben."
"Nein Jarek, so einfach ist es nicht. Die Art, wie sich die Welt in den letzten einhundert Jahren verändert hat... es ging einfach zu schnell. Viel zu schnell. Das alles ist nicht natürlich. Es ist, als ob..." Mandrek schluckte. "Als ob ein Plan dahinter steht..."
Kaum hatte Beldin seine Worte zu Waldemar gesprochen, als seine Augen sich plötzlich silbern verfärbten. Seine Gesichtszüge änderten sich, ein hämisches, bösartiges Grinsen erschien, und mit einem Mal ging der Elf vornüber gebeugt. Der Körper war immer noch der gleiche, und doch hatte sich Beldin innerhalb einer Sekunde vollkommen verwandelt.
Kay betrachtete die Verwandlung mit offenem Mund. "Na sowas. Jetzt bin ich ja mal gespannt."
Beldin wandte sich zu ihr um. "Bleib mir vom Leib, Alte!" fauchte er. Ein Anflug von Angst war in dem haßerfüllten Gesicht zu erkennen.
"Du bist nicht Jarek, das weißt du, ja?"
Beldin nickte. "Ich weiß es. Doch ich spüre genug von ihm. Und ich spüre... oh, ja...."
Zielstrebig ging Beldin auf eine der Wände zu. Waldemar hatte die Wand bereits untersucht, doch nichts gefunden. Der Elf betrachtete das Regal, das vor der Wand stand, packte es, und zog es mit einem Ruck von der Wand weg, als würde es nicht das Geringste wiegen.
Dann starrte er auf die Wand. "Hier ist er gewesen. Der Träumer... er hat es gewagt, in meine Träume einzudringen... nun soll er die Rache spüren, Jarek-Argrils Rache. Jargril. Ja, ich bin Jargril, eins aus zwei."
Beldin - oder Jargril? - hob sein Bein und trat mit aller Kraft gegen die Wand. Etwas zerbrach, einzelne Steine lösten sich aus der Wand. Noch einmal trat er dagegen. Ein rechteckiges Stück löste sich aus der Wand, wurde nach hinten geschleudert und gab den Blick frei auf eine Wendeltreppe, die nach unten führte. Jargril hatte eine schmale verborgene Tür aus der Wand gerissen.