Die Enge in dem Tunnel nach Möglichkeit ignorierend krabbelte Lei Lei langsam vorwärts. Immer unangenehmer und beängstigender wurde das Gefühl der Wände, die sich von allen Seiten an ihren Körper zu pressen schienen und sie glaubte das Gewicht der Erdmassen über ihr förmlich spüren zu können.
Als sie endlich etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte, meinte sie eine leichte Erschütterung zu spüren. Bevor sie sich jedoch fragen konnte, wodurch diese verursacht wurde bemerkte sie ein leises, aber immer lauter werdendes Rasseln. Panik stieg in ihr auf, als sie erkannte, dass dieses Geräusch von hunderten kleiner, schwarzer Insekten stammte, mit denen sich der Raum zu füllen begann.
"Verdammt" zischte der Barde als er die Insekten und die nicht unerhebliche Gefahr für Lei Lei und sich erkannte. Rasch und beherzt nahm er eine Fackel und entzündete diese, denn außer Feuer fiel ihm keine sinnvolle Möglichkeit ein, den Plagegeistern auf den pelz zu rücken. "Komm da raus und versuche Tymora nicht!" flüsterte er sehr eindringlich
In dem verzweifelten Versuch die Insekten daran zu hindern, ihr in den Mund oder andere Körperöffnungen einzudringen schlug Lei Lei wie wild um sich. Gleichzeitig versuchte sie aus dem engen Tunnel zu entkommen, in dem sie in der Schar der umherwimmelnden Kreaturen geradezu zu ertrinken drohte.
Lei schlug immer wieder nach den Insekten, doch wenn ihre Schläge überhaupt etwas bewirkten, war dies nicht zu erkennen. Hier und da wurde vielleicht eines der kleinen Biester erdrückt, doch sofort waren wieder mehrere andere zur Stelle, um die junge Frau zu bedrängen. Überall an ihrem Körper spürte sie die schmerzhaften Bisse der wütenden Tiere und der bestialische Gestank, der von der wimmelnden Masse ausging drehte ihr den Magen um. Das Vorwärtskommen in dem Tunnel war so um ein vielfaches schwieriger als zuvor schon.
Curt hingegen hatte seine Idee, den Schwarm mit Feuer bekämpfen zu wollen bereits in die Tat umgesetzt. Die brennende Fackel in seiner Hand würde bestimmt Wirkung zeigen. Und es sah auch so aus als würde der Barde bald dazu genötigt, seine Theorie auszuprobieren, denn schon verließen einige der Schaben den Tunnel und begannen an seinen Beinen hochzukrabbeln. Schon spürte auch Curt die schmerzhaften Bisse.
Leichte Panik überfiel den Barden als Lei Lei sich krümmte und die Biester anfingen, auch ihn zu beißen. Wild entschlossen schlug er mit der Fackel nach den Insekten, um sie vertreiben.
Es kostete Lei Lei alle Kraft, sich nicht zu übergeben und sie schaffte es gerade noch, sich ein kleines Stück vorwärts zu schleppen, war jedoch in diesem Augenblick zu nichts anderem fähig.
Curt bemühte sich, die Schaben mit seiner Fackel zu versengen, doch waren die Tiere einfach zu flink. Hier und da blieb einmal der verkohlte Panzer eines der Insekten liegen, doch schien das alles keine merklichen Auswirkungen zu haben. Der Kampf gegen diese Masse an Gegnern schien beinahe aussichtslos. Immerhin hatte Lei Lei es mittlerweile geschafft aus dem engen Tunnel zu entkommen und fühlte sich auch nicht mehr so schrecklich benommen. Doch sowohl sie als auch Curt mussten sich weiterhin den schmerzenden Bissen ausgesetzt sehen.
"Au!" entfuhr es dem Barden und Schweißperlen zeichneten sich auf seiner Stirn ab, während er wacker weiter die Fackel gegen den Schwarm schwang und versuchte, die Biester zumindest zu vertreiben. Alleine lassen konnte und wollte er die tapfere Mönchin nicht. "Komm schon, Lei Lei!"
So schnell sie konnte stand Lei Lei auf und machte ein paar schnelle Schritte in Curts Richtung. Für einen Moment fanden ihre Augen die des Barden.
"Flieht!", wies sie ihn an, "Lauft um euer Leben. Ich versuche sie aufzuhalten."
Curt konnte in Lei Leis Gesicht lesen, dass sie es sehr ernst meinte. Der entschlossene Ausdruck sagte ihm deutlich, dass die Asketin bereit war nötigenfalls zu sterben um ihm damit das Leben zu retten.
Schon hatte sie sich wieder abgewendet und attackierte mit ihren bloßen Händen und Füßen die auf sie eindringenden Insekten. "Wenn ich sie nur wild genug angreife werden sie vielleicht mich als ihr Hauptziel wählen und nicht Curt."
Verzweifelt wehrten sich die beiden Halblinge gegen die weiterhin auf sie eindringenden Insekten, doch schien der Kampf hoffnungslos. Die Kreaturen wollten sich weder durch Curts Fackel, noch durch Leis wilde Schläge beeindrucken lassen und obwohl die junge Frau versuchte mit einem geschickten Seitenschritt versuchte ihnen für eine Weile zu entgehen, folgten sie ihr doch mit ausgesprochener Angriffslust.
Curt spürte seine Aufmerksamkeit und seine Fähigkeit sich zu konzentrieren schwinden und von dem Gewimmel um ihn herum wurde ihm unbeschreiblich übel.
Der Barde nimmt Lei leis Anweisung nur durch einen Schleier von Übelkeit wahr, die ihn plötzlich überkommt und trocken würgen lässt. Curts Gesicht wird bleich, fast weiß und obwohl er die tapfere Genossin nicht alleine lassen will, schleppt er sich mühsam weg von den krabbelnden Tieren, deren Bisse ihm sichtlich zusetzen. "Komm mit!" bringt er noch schwach zwischen zwei Würgereizen hervor, seine sonst so melodiöse Stimme klingt hohl.
Als Lei Lei Curts aschfahles Gesicht sah und seine hohle Stimme hörte, wusste sie dass ihre Entscheidung richtig gewesen war. Seinen Ratschlag hingegen befolgte sie nur zögerlich und zog sich stattdessen kämpfend zurück. In schneller Folge schlugen ihre Hände und Füße nach der wogenden Masse von Insekten, während sie nur langsam rückwärts ging. Ein sofortiger Rückzug würde Curts Vorsprung direkt wieder zunichte machen.
Der Plan der Mönchin schien aufzugehen. Zwar trieben die ständigen Bisse und das unangenehme Gekrabbel auf der Haut ihr die Tränen in die Augen, aber sie konnte doch hören und spüren, wie mehrere der Chitinpanzer unter ihren blitzschnellen Schlägen und Tritten zerplatzten. Die Insekten hingegen schienen sich nicht allzuweit voneinander trennen zu wollen und obwohl einige von ihnen hinter Curt her liefen, schien die Gemeinschaft doch Lei als das gefährlichere der Ziele anzusehen und sich auf sie zu konzentrieren.
Curt hingegen hatte das Gefühl eines Ertrinkenden, der endlich wieder Luft holen kann, so erleichternd war es, nicht mehr in dem Schwarm zu stehen. Endlich konnte er wieder normal atmen und es fiel ihm auch wieder leichter, klare Gedanken zu fassen. In dem Moment, als er sich erlaubte, einen Blick zurückzuwerfen, erhellte plötzlich eine von einem Klirren begleitete Stichflamme, die direkt vor Lei aus dem Boden zu schlagen schien, den Gang.
Schnell erkannten die beiden Halblinge jedoch die Ursache für diese Erscheinung: Am Ausgang des Tunnels, aus dem Lei noch vor kurzem gekrochen war, stand nun Mara, die sich gerade aufgerichtet und ihre Lampe nach dem Ungeziefer geworfen hatte. Nun nahm sie eine Kampfhaltung an, die Lei nur allzu vertraut war: Es handelte sich um den Hand und Fuß basierten Kampfstil, der von ihrem Orden der Hin Faust gelehrt wurde.
Hinter Mara konnte man noch gerade so Olgerkhan erkennen, der sichtlich Mühe hatte, durch den engen Tunnel zu kriechen.
Der Halbling dachte gar nicht daran, seine Gefährtin alleine zu lassen, die ihm offensichtlich nicht folgte.
Und als die beiden Heimlichtuer in dem Kriechgang auftauchten, wurde die Entschlossenheit Curts noch gestärkt, jetzt nicht das Hasenpanier zu ergreifen.
Flugs zog er eingedenk der Erfolglosigkeit seiner Angriffe, sein Lieblingsinstrument hervor und setzte die silberne Flöte an die Lippen. Sofort erschallten glockenklare Klänge in dem dunklen Tunnel, deren Kraft und Lautstärke die Gefährten mit Mut und Kraft erfüllte. Selbst Lei Lei hatte Curt noch niemals solch Kraftvolle Töne aus diesem winzigen Instrument entlocken hören.
Lei Lei glaubte ihren Augen nicht trauen zu können als sie sah wie die freundliche alte Frau die ihr so gut bekannte Kampfhaltung einnahm. "Sie gehört zum Orden der Hin Faust.", wurde ihr klar, "Das könnte erklären, warum sie hier sind." Die Asketin nahm sich vor wenn möglich noch einige ernste Worte mit ihrer Ordensschwester zu reden, sollten sie diesen Kampf heil überstehen.
Plötzlich jagte ihr etwas einen sehr vertrauten Schauer durch den Körper der wie sie wusste durch Curts Musik hervorgerufen wurde. Ob es nun Curts Flötenspiel war oder die Tatsache dass Lei Lei wusste dass Mara in der Lage war, ihre Kampfkunst zu beurteilen konnte sie selbst nicht genau sagen. Jedenfalls war sie angespornt noch wilder gegen den Schwarm aus Insekten zu kämpfen.
Unter Leis Schlaghagel zerplatzten Unmengen der Insekten wie Seifenblasen und schon bald bedeckte eine schleimige Schicht aus Ungezieferinnereien Leis Arme und Beine. Die Tiere erkannten nun eindeutig, woher die größte Gefahr stammte und drangen weiter auf die Mönchin ein.
Mit einer Gewandheit, die man der alten Frau niemals zugetraut hätte, ging Mara nun auch zum direkten Angriff gegen die Kreaturen über, konnte aber mit ihrer Attacke keinen sichtbaren Schaden anrichten. Olgerkhan hingegen hatte noch damit zu tun, aus dem Loch am Boden zu kriechen und sich aufzurichten.
Von seiner eigenen Melodie und deren Wirkung auf Lei Lei ergriffen, schwang der Barde seine Fackel erneut gegen das Ungeziefer. Ich werde sie doch hier nicht zurück lassen! Alleine mit den Biestern und den treulosen Volksgenossen
Derlei Gedanken kamen Lei Lei überhaupt nicht in den Sinn. Sie konzentrierte sich zu sehr auf den Kampf und die Hoffnung, vielleicht doch noch endlich einen entscheidenden Treffer zu landen. Enttäuscht nahm sie zur Kenntnis, dass Curt sein Flötenspiel beendet hatte und ließ weiterhin ihre Hände und Füße durch die Insekten fliegen.
Zwar gelang es den Tieren, Curts Fackel auszuweichen, doch wurden einige von ihnen dadurch direkt auf Lei zugetrieben, die sie mit einem flinken Tritt einfach zerquetschte. Endlich schienen sich die verbleibenden Insekten einzugestehen, dass es keine gute Idee war, diese Halblinge weiter zu bedrängen und in Windeseile zerstreuten sie sich in alle Richtungen und waren nicht mehr zu sehen. Selbst das verräterische Rasseln verstummte.