14. Pharast, 4708 AZ
Es waren ungute Zeiten für die Wiederherrichtung eines Zuhauses. Noch immer hatten die Bürger Korvosas unter ihrer neuen Herrscherin keine Ruhe gefunden. Viele gaben der Königin nicht nur die Schuld am Tod des alten Regenten, sondern auch an ihrer eigenen misslichen Lage.
Das Verbrechen blühte in diesem Chaos zu ungekannter Hülle und Fülle auf und so hatte die Garde von Korvosa alle Hände voll zu tun: Schmuggler an den Toren und im Wasser, Taschendiebe und Beutelschneider auf den Märkten und blutrünstige Schläger in den Gassen und Schindeln.
Dennoch hatten es sich Cael und Zanovia, so wie Mercutio in den Kopf gesetzt das heruntergekommene Haus von Zellara in der Lanzettenstrasse 3 wieder herzurichten. Während der Halbelf neu in der Stadt war und ohnehin keine feste Bleibe hatte, hatten der Magier und die Varisianerin mit ihrer Familie gebrochen. Sie investierten also einen Großteil ihrer Ersparnisse und Freizeit in ihr neues Zuhause.
Nach einem weiteren belanglosen Streit hatte Mercutio die Baustelle am späten Abend verlassen und bewegte sich über die dunklen, nebelverhangenen Strassen von Mittland zum Unterschlupf. Er betrat die gut besuchte Taverne, die für ihn in den vergangenen Tagen wahrlich zu einem Zufluchtsort, zu einem Refugium geworden war, mit einem Bündel Bücher unter dem Arm. Am Tresen standen Gardisten mit ihren roten Umhängen und grauen Waffenröcken. Sie tranken aus dampfenden Tassen, um sich die durchgefrorenen Glieder zu wärmen und begrüßten den Agenten mit einem unauffälligen, aber respektvollen Nicken. Hinter den massiven Holzpfeilern, die den Schankraum in drei Bereiche gliederten, saßen unrasierte, vierschrötige Kerle mit grimmigen Visagen. Es handelte sich vermutlich um ehemalige Sträflinge, die ihren Kerker wahrscheinlich erst vor ein paar Stunden verlassen durften. Dass diese Mischung des Publikums Mal wieder auf die Stimmung drückte war offensichtlich.
Mercutio beschloss sich daran nicht zu stören. Der Magier nahm sich einen Tisch in einer ruhigen Ecke und baute seine Bücher wie einen Schutzwall um sich herum auf. Vielleicht sollte es ihm anhand der Aufzeichnungen von diesem Skoda endlich gelingen die Zauberformel zu knacken. Aber nicht ohne einen klaren Kopf!
Er bestellte sich also einen Kavhe, ein dunkles Heissgetränk aus den fernen Mwangiweiten, das auch die Gardisten in langen Nächten bevorzugten.
Plötzlich wurde es an einem Tisch nahe des Tresens unangenehm laut. Ein paar Betrunkene pöbelten eine Patrouille an, andere finstere Gestalten mischten sich in den Streit ein, dann flog der erste Krug. Ein Handgemenge entstand, das die Gardisten zum Wohlwollen des Wirts mit den Schäften ihrer Langwaffen hinaus auf die Strasse zu verlegen wussten.
Bis auf eine Bedienung, die die Tische abwischte und eine andere, die die umgestossenen Stühle wieder aufstellte, gab es neben Mercutio nur noch einen einzigen Gast. Im Schankraum herrschte nun eine Stille wie in den Studierzimmern der Acadamae. Endlich konnte der Magier ungestört arbeiten.