25. Gozran, 4708 AZ
Zahira stand an der Rehling der Sonnenspeer. Der frische Seewind ließ ihre bunten Brokatgewänder um die Priesterin laut flattern, als Fürst Bromathan neben sie trat. Der Adelsmann hatte kastanienbraunes Haar und seine Augen strahlten Zahira wie zwei funkelte Bernsteine an.
"Absalom ist eine atemberaubende Stadt, nicht wahr? Korvosa, der Juwel Varisias, wird Euch mit Sicherheit ebenfalls zu verzaubern wissen. Kleine Drachen jagen über die Dächer hinweg, während wir auf den Märkten mit den Shoanti der Glutsteppe und den Zwergen von Janderhoff Handel treiben. Wenn die bunten Wagen der Varisianer am Ostufer des Jeggare anrollen erwacht die Stadt zu neuem Leben und wächst zu ungeahnter Größe an. Ach, Korvosa, wie habe ich dich vermisst. Fünfzig Tagesreisen! Fünfzig! Doch es hat sich gelohnt, im Herzen der Welt hat Sarenrae uns zusammengeführt. Oh, ich wünschte nur Eure Heilmagie vermag es den König von seiner Krankheit zu erlösen."
Die beiden Sarenraeanhänger hatten sich im Tempel des Strahlenden Sterns, dem größten Gotteshaus der Morgenblume nördlich von Katheer, beim gemeinsamen Gebet kennengelernt. Der junge Patriarch von Haus Bromathan Fürst Valdur Bromathan IV hatte die Geistliche davon überzeugt ihm nach Varisia in seine Heimatstadt Korvosa zu folgen. Da die Heilkräfte der hiesigen Hohepriesterin nicht ausreichten, um König Eodred Arabasti II von seiner Lepra zu heilen, hoffte er Zahira würde ihm Heilung spenden können.
Vom Wasser der Bucht waren die weißen Türme des Sarenraetempels bereits zu erkennen, die sich majestätisch im goldenen Licht der Sonne in den Himmel erhoben. Unzählige Glocken läuteten zur Mittagsstunde und Ehren der Morgenblume, während das Schiff die Küste entlang glitt.
Mit Schrecken sahen die Priester dunkle Rauchschwaden von Altkorvosa aufsteigen. Noch bevor sich Fürst Bromathan oder Zahira erklären konnte was da vor sich ging, vernahmen sie den Seemann im Krähennest: "Schiff voraus!"
Sie liefen steuerbord und sahen es selbst, ein Kriegsschiff mit blutroten Segeln nahe der Mündung des Kanals von St. Alika. Am höchsten Mast wehte die schwarzrote Flagge Korvosas. "Über die Insel von Altkorvosa wurde eine Quarantäne verhängt. Folgt uns und macht keine Versuche dieses tote Land zu betreten! Hinter der Nordbrücke findet Ihr sicheren Hafen!", erklang eine blecherne Stimme von Bord des Kriegsschiffs.
Die Sonne war gerade am untergehen, als Zahira ihr Quartier im Tempel der Sarenrae in den Höhen bezog. Es waren helle Räume mit einer Terrasse nach Osten, die ganz Mittland bis hin zur finsteren Zitadelle Volshyenek überblickte. Sie hatte gerade ihren Seesack in einer Truhe verstaut, da klopfte es an der Tür.