Es regnet in Strömen. Mit durchweichter Kleidung erscheinen erst Larciel, dann Bruder William und schließlich auch Octavian vor dem Tor zur Burg Vysehrad. Wie in einem schlechten Roman durchzucken in der Ferne Blitze die stürmische Nacht, als Talc das Tor öffnet. In einen schweren Mantel gehüllt steht er vor euch und ihm ist das Wetter sichtlich zuwider, obwohl er offensichtlich ein Ghul ist.
"Folgt mir."
Wortkarg wie immer geleitet euch Talc zu dem kleinen Nebengebäude, in dem auch die bisherigen Treffen abgehalten wurden. Die schwere Eisentür des Saales öffnend, blicken die drei Kainskinder auf den imposanten Raum. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie hier Adlige ihren Tänzen fröhnen oder den Klatsch der letzten Woche bereden. Doch diese Nacht sollte sich von ihnen wohl lieber niemand hier hereintrauen.
Erstaunlicherweise sind die drei die letzten. Bruder Johannes sitzt abwartend in der Mitte des Saales, ein paar Plätze entfernt sind Simon Alaches und Stefan, und sogar Bernhard wippt unwohl auf seinem edlen Stuhl in einer der Ecken hin und her. Der üble Gestank des in der Kanalisation lebenden Nosferatu steigt dem Klüngel sogar auf die Entfernung unangenehm in die Nase.
Weit vom den Nosferatu entfernt sitzen Maria und Beatrice. Letztere zusammengezogen wie ein Kind, das seine Strafe erwartet.
Angespannt steht Severus auf dem leicht erhöhten Bühnenteil und zögert auch nicht lange.
"Setzt euch."
Heute scheint niemand ein Freund großer Worte zu sein.
"Ich sehe, dass ihr es in diesen unruhigen Zeiten alle geschafft habt, den Weg hierher zu finden. Es geht heute darum, etwas klarzustellen."
Seine tiefgrünen Augen funkeln für einen Moment Richtung Beatrice.
"Unser Küken hier..." Der Ventrue macht eine ausladende Geste zu der jungen Toreador.
"...hielt es für eine clevere Idee, sich mit einem Diener der Inquisition einzulassen!" Immer lauter werdend, hallen die Worte Severus' unheilvoll nach.
"Unser aller, untotes Dasein war in Gefahr, aufgrund einer Dummheit. Maria, ich hatte angenommen, du wärest in der Lage, ein Kind zu führen, es zu lehren. Doch... anscheinend bist du nicht fähig dazu?! Der junge Priester hat letzte Nacht gebeichtet. Dieser Hurensohn hat gebeichtet! Ich musste quasi alle Kontakte opfern, um diesen großen Haufen Mist wieder gerade zu biegen. Die Kirchenoberen scheren sich einen Dreck um ihr lächerliches Beichtgeheimnis, wenn es um solche Vorgänge geht. Er hat versucht, Euch zu finden."
Der bohrende Blick wandert geradwegs zu Larciel.
"Warum auch immer! Und auf einmal schien auch irgendwelchen anderen Leuten aufzufallen, dass Ihr, Larciel, noch nie des Tages über gesehen wurdet! Bettler! Rumstreuner! Alle hat dieser verdammte Priester befragt. In dieser Stadt herrschen Regeln, verdammt!"
Einen Moment inne haltend, verleiht er seinen Worten noch mehr Wirkung.
"Die Inquisition ist ein Todfeind, sie will uns brennen sehen. Und sie hat Futter bekommen, selbst wenn ich das gröbste kaschieren konnte. Es ist lediglich Stefan von Riegensfeld und einer Dummheit Beatrice' zu verdanken, dass diesem Horror ein Ende bereitet wurde. Das hier, ist die letzte Chance, die wir haben. Die Patroullien der Stadtwachen sind verstärkt worden. Die Kirche hat massiven Einfluss, in jedes Gremium. Wir müssen jetzt Gras über die Sache wachsen lassen, sonst werden wir uns bald auf den Scheiterhaufen wiederfinden."
"Maria, nur aus dem Grund heraus, dass du bisher alles für diese Stadt getan hast, werde ich dein Küken nicht töten. Aber es ist eine Gefahr. Wenn noch das kleinste passiert, wird sie ihren zweiten Tod sterben. Und glaube mir, von dem wird sie nicht wiederauferstehen. Doch um zu gewährleisten, dass du das nächste halb Jahr über daran denkst, werde ich dir jeden Monat die Hand abschneiden."
Mit einem grausamen Lächeln quittert Severus diese Aussage. Eine drakonische Strafe, doch anscheinend hält der Ventrue das für den einzigen Ausweg, um die Gefahr deutlich zu machen.
Ein Blick auf Maria zeigt ihre eisenharte Miene. Beatrice würde büßen, für alles. Vor allem für die Bloßstellung ihrer Erzeugerin. Ein leises Wimmern ist dagegen von der jungen Toreador zu vernehmen. Die nächsten Jahre würden noch härter werden. Ist das überhaupt möglich?
"Larciel, ich weiß nicht, was Ihr damit zu tun habt, aber Ihr werdet nur noch eure Zuflucht verlassen, wenn ihr Jagen geht. Hört Ihr? Wenn Euch nochmal jemand sieht, werde ich Euch nicht mehr aus der Patsche helfen. Und dann werdet ihr brennen. Merkt Euch das."
Den Blick von dem Toreador abwendend, schaut er wieder alle Kainskinder an.
"Das gilt für euch alle, wenn ihr noch lange eurem untoten Dasein fröhnen wollt. Das hier ist kein schlechter Scherz, die Zeiten haben sich geändert. In diesem Fall zum Schlechten. Das hier soll Euch allen eine Lehre sein, wie dicht wir vor dem Abgrund stehen. Die Versammlung is beendet."
Kein Wort zu Bruder William oder Octavian. Es scheint, als habe Beatrice ihr Mitwirken geheim gehalten. Doch Stefan fällt ein, dass nicht nur Larciel am Tor stand, um den Brief entgegenzunehmen. Auch Konstantin...
Keiner der vier mag sich vorstellen, was passiert wäre, wenn das Treffen von Bruder Markus und Beatrice zustande gekommen wäre. Noch weniger, was passiert wäre, wenn rausgekommen wäre, dass sie involviert gewesen sind. Die herrische Stimme des Ventrue ließ nur andeuten, zu welchen Taten er fähig ist, wenn sich sogar Maria ihrer brutalen Strafe ergibt. Zumindest scheint es, dass sie das tun würde.
Es dauert nur Sekundenbruchteile, bis sich Bernhard, Bruder Johannes und die beiden Toreador verziehen. Niemand der vier Prager Kainiten spricht auch nur ein Wort, als sie den Saal verlassen.