Nach dem Gespräch mit Maruiko entschlossen sich die Gefährten, sich erst einmal von der anstrengenden Reise hierher zu erholen. Und so verteilte sich die Gruppe auf die kleinen "Kammern" innerhalb des Zelts. Es dauerte nicht lange, bis der Schlaf sie ereilte - mit einer Ausnahme, denn in Moandors Schlafgemach erschienen die vagen Konturen eines Gesichts in den Schatten, gerade als er kurz vorm Einschlafen war.
Er rappelte sich auf, und Vokial begrüßte ihn - mit leiser Stimme, leise genug, dass seine Gefährten davon nicht aufwachen würden.
"Ich hoffe, deine Reise ist gut verlaufen, Moandor. Ich möchte dich um einen kurzen Bericht der letzten Ereignisse bitten. Und ich habe noch eine ergänzende Aufgabe für dich, wenn du es einrichten kannst. Seit einigen Tagen ist eine etwas merkwürdige kleine Gruppe in der Stadt, die angeführt wird von einer Frau namens Aimerelle. Es gibt in Handelsfest etwas, das sich die Große Bühne nennt - letztlich nicht mehr als ein großes hölzernes Podest, auf das sich jeder draufstellen kann, der meint, den Leuten etwas zu sagen zu haben. Diese Aimerelle sorgt mit ihren Reden - jeden Morgen und jeden Abend - für eine Menge Unruhe, und ich möchte wissen, was sich dahinter verbirgt."
Vokial zögerte einen Moment, dann ergänzte sie: "Aber nur, wenn du es einrichten kannst. Aimerelle hat keine Priorität. Nun berichte, und danach lasse ich dich schlafen."
Milan, Eretria, Mika und Arue bekamen davon nichts mit. Vielmehr hatten alle vier einen ungewöhnlichen Traum - und sie alle vier träumten das Gleiche.
Vor sich sahen sie das Gesicht einer jungen Frau. Sie kannten diese Frau - es war Makae, die sie aus dem Lager gerettet hatten, dass von den Rittern der Morgensonne überfallen worden war. Und jeder der Vier fragte sich im gleichen Moment, was eigentlich aus ihr geworden war. Sie hatten mit ihr gemeinsam die Stadt betreten - und dann? Irgendwann war sie einfach nicht mehr dabei gewesen...
"Ich muss mich bei euch entschuldigen", erklärte sie. "Ihr habt mich gerettet, und dafür danke ich euch. Umso schlimmer finde ich es, dass ich euch... beeinflussen musste. Nachdem ich beinahe gestorben bin, hatte ich seltsame Träume. Ich träumte von einer fremden Frau, die in einer anderen Zeit, einem anderen Land lebte. Es mag sich für euch verrückt anhören, aber... irgendwann wurde mir klar... ich war einst diese Frau. Ich habe von einem früheren Leben geträumt."
Sie lächelte, schien aber auch unsicher zu sein. "Ich habe euch nichts davon erzählt, weil... nun, wie soll man so etwas erzählen? Ich wollte erst mehr herausfinden. Und das habe ich. Ich habe mich der Vergangenheit geöffnet, und auf einmal fing ich an... Kräfte zu entwickeln. Eine dieser Kräfte ist, dass ich den Geist anderer beeinflussen kann. Ich entschuldige mich bei euch, dass ich diese Kräfte bei euch angewandt habe, aber ich war durcheinander und hatte Angst. Ich wollte allein sein, und ich wollte mich nicht erklären müssen. Es kann sein, dass ihr durch den Einfluss meiner Kräfte in den letzten Tagen keine oder wenig Träume hattet. Aber ich habe die Wirkung der Kräfte bei euch jetzt aufgehoben. Bitte entschuldigt."
"Die Frau, die ich einst war, sie hatte... eine Mission. Sie kämpfte gegen die Tyrannei. Durch meine Kräfte habe ich herausgefunden, dass einer der Tyrannen ebenfalls wieder auf dieser Welt lebt. Ein Mann namens Tellion, der die Ritter der Morgensonne anführt, die meinen Bruder und alle anderen in der Karawane getötet haben."
Makae schwieg einen Moment. Kurz setzte sie an, zögerte noch einmal, bevor sie weiter sprach. "Ich werde mich für seine Taten an ihm rächen. Aber das ist nicht eure Geschichte. Ich wünsche euch alles Gute, und... danke für meine Rettung. Verzeiht, dass ich euch beeinflusst habe."
Damit endete der Traum, den Makae ihnen offenbar geschickt hatte, und die vier Gefährten fielen in normale Träume. Eretria, Milan und Mika träumten auch von der Geschichte um Aliya, Marushan und Shemiya, während Arue die ihr altbekannten Albträume hatte. Doch diese Träume waren so verschwommen, dass sich keiner von ihnen am nächsten Morgen an Details erinnerte.